29.3. Befreiung für von der Geburt veranlasste Schriften
1726Dokumente, die unmittelbar durch die Geburt eines Kindes veranlasst sind, sowie die dazugehörigen Anträge sind von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben unter der Voraussetzung befreit, dass diese Dokumente innerhalb von zwei Jahren ab der Geburt des Kindes ausgestellt werden. Bei der Berechnung der Frist ist § 108 Abs. 3 BAO anzuwenden, sodass die Gebührenbefreiung auch dann zur Anwendung kommt, wenn der zweite Geburtstag auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember fällt und die Schrift am darauf folgenden Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, ausgestellt wird.
1727Die Befreiung gilt auch im Falle einer Totgeburt.
1728Für die Einhaltung der Zwei-Jahresfrist ist die Ausstellung und nicht die Zustellung der Dokumente maßgeblich. Die Befreiung gemäß § 35 Abs. 6 GebG steht auch noch zu, wenn die betreffende Schrift am zweiten Geburtstag ausgestellt wird.
1729Von der Befreiung umfasst sind Reisedokumente gemäß § 14 TP 9 Abs. 1 und 2 GebG. Das sind der gewöhnliche Reisepass, der Reisepass für Minderjährige ohne Papillarlinienabdrücke und der Personalausweis. Die Gebührenbefreiung kann nur für die erstmalige Ausstellung eines Reisedokumentes in Anspruch genommen werden.
Beispiel:
Es wird ein gewöhnlicher Reisepass für ein 1-jähriges Kind ausgestellt. Diese Schrift ist nach § 35 Abs. 6 GebG von der Gebührenpflicht befreit. Kurz vor seinem 2. Geburtstag wird ein Personalausweis für dieses Kind ausgestellt.
Die Ausstellung des Personalausweises ist nicht mehr unmittelbar durch die Geburt des Kindes veranlasst, da bereits ein Reisedokument, nämlich der gewöhnliche Reisepass, ausgestellt wurde.
Bei gleichzeitiger Ausstellung mehrerer Reisedokumente gemäß § 14 TP 9 Abs. 1 und 2 GebG ist der Behörde mitzuteilen, für welches der Reisedokumente die Befreiung nach § 35 Abs. 6 GebG angewendet werden soll.
Beispiel:
Es werden gleichzeitig ein gewöhnlicher Reisepass und ein Personalausweis für ein 1-jähriges Kind ausgestellt.
Durch die Geburt des Kindes unmittelbar veranlasst ist nur ein (Zahlwort) Reisedokument. Der Antragsteller kann wählen, ob die Befreiung für den Reisepass oder den Personalausweis genutzt werden soll.
1730Wird für ein Kind innerhalb von zwei Jahren ab der Geburt erstmals ein Reisedokument ausgestellt, ist eine Gebührenbefreiung auch dann gegeben, wenn das Kind im Zeitpunkt der Geburt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft hatte, sondern diese erst nach der Geburt durch Verleihung oder Erstreckung erworben hat.
1731Unter die Befreiung fallen darüber hinaus folgende sonstige Dokumente:
Anzeige der Geburt oder Totgeburt
Geburtsurkunde
Geburtsbestätigungen für Krankenkasse oder Finanzamt
Staatsbürgerschaftsnachweis (nicht befreit ist jedoch die Verleihung oder Erstreckung der Staatsbürgerschaft sowie der danach ausgestellte Staatsbürgerschaftsnachweis)
Erteilung von Vornamen
Auszüge aus dem Zentralen Personenstandsregister (ZPR)
Bestätigung der Meldung aus dem Zentralen Melderegister
Niederschrift (Erklärung), die für den Eintritt namensrechtlicher Wirkungen bei einem Kind erforderlich sind
Niederschrift über die Anerkennung der Vaterschaft zu einem Kind und damit im Zusammenhang stehende Schriften
Die in Frage kommenden Dokumente sind in der im Regelfall üblichen Anzahl gebührenfrei auszustellen.
1732Die nach der Legitimation des Kindes ausgestellte neuerliche Geburtsurkunde fällt nicht unter die Befreiungsbestimmung, da diese (neuerliche) Ausstellung nicht mehr als unmittelbar durch die Geburt veranlasst anzusehen ist.
1733Erwirbt ein Kind durch Legitimation die Staatsbürgerschaft, so ist die (erstmalige) Ausstellung des Staatsbürgerschaftsnachweises gebührenbefreit. Nicht befreit ist hingegen die Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises nach einer Verleihung der Staatsbürgerschaft, weil diese nicht unmittelbar durch die Geburt (sondern durch den behördlichen Akt der Verleihung der Staatsbürgerschaft) veranlasst ist.
1734Die Gebührenbefreiung gilt auch für Aufenthaltstitel (Erstanträge; inklusive Aufenthaltstitel " Artikel 50 EUV") und Dokumentationen, sofern diese innerhalb von zwei Jahren ab der in Österreich erfolgten Geburt des Kindes ausgestellt bzw. erteilt werden.
1735Die Apostille (diplomatische Beglaubigung), die innerhalb von zwei Jahren ab Geburt des Kindes auf gemäß § 35 Abs. 6 GebG gebührenfreien Urkunden mit Befreiungsvermerk zur Verwendung im Ausland angebracht wird, ist ebenfalls gebührenfrei. Wurde auf der zu beglaubigenden Urkunde (irrtümlicherweise) kein Befreiungsvermerk angebracht, ist die Apostille nicht gebührenfrei anzubringen. Eine über die Sichtung des Befreiungsvermerkes hinausgehende Prüfung der Inanspruchnahme der Befreiung hat nicht zu erfolgen.
1736Bei Geburt des Kindes im Ausland und nachfolgender Zuwanderung (Familiennachzug) sind die Gebühren in jedem Fall zu entrichten, weil die Ausstellung nicht anlässlich der Geburt veranlasst ist.
Beispiel 1:
Ein Kind wird im Heimatland seiner Eltern geboren. Ein Jahr nach der Geburt zieht die Familie nach Österreich und beantragt einen Aufenthaltstitel. Die Gebührenbefreiung für das Kind kann nicht in Anspruch genommen werden, da die Ausstellung der Schrift unmittelbar durch den Zuzug der Familie und nicht durch die Geburt veranlasst ist.
Beispiel 2:
Ein Kind wird im Heimatland seiner Eltern geboren. Ein Jahr nach der Geburt zieht die Familie nach Österreich und muss aufgrund des österreichischen Personalstatuts eine Namenserklärung vornehmen (Bestimmung eines Vor- und Familiennamens und Entfall von Namensteilen). Die Gebührenbefreiung für das Kind kann nicht in Anspruch genommen werden, da die Namenserklärung unmittelbar durch den Zuzug der Familie und nicht durch die Geburt veranlasst ist.
Beispiel 3:
Ein Kind wird im Zuge eines Urlaubs im Heimatland der Eltern geboren. Die Eltern verfügen im Zeitpunkt der Geburt bereits über einen Aufenthaltstitel in Österreich. Nach der Heimkehr nach Österreich beantragen sie einen Aufenthaltstitel für ihr kürzlich geborenes Kind. Die Gebührenbefreiung für das Kind kann in Anspruch genommen werden, da die Beantragung unmittelbar durch die Geburt veranlasst ist. Die Geburt im Ausland ist mangels nachfolgender Zuwanderung für die Gewährung der Befreiung nicht schädlich.
1737Ausländische Dokumente, die aus Anlass der Geburt eines Kindes bei einer inländischen Behörde vorgelegt werden (amtlicher Gebrauch gemäß § 8 GebG), sind nach § 35 Abs. 6 GebG ebenfalls von den Gebühren befreit. Solche sind zB ausländische Personenstandsurkunden, Reisepässe.
1738Nicht unmittelbar durch die Geburt eines Kindes veranlasst und daher nicht gebührenfrei sind:
Bescheinigung über die Zulassung eines Kraftfahrzeuges auf ein Kind
Verlängerung von Aufenthaltstiteln
Schriften im Zusammenhang mit einer Nichtoptionsbestätigung; das ist die Bestätigung, dass das Kind in der Staatsbürgerschaftsevidenz als österreichischer Staatsbürger nicht eingetragen ist.
Schriften im Zusammenhang mit der Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbes einer fremden Staatsbürgerschaft.
Schriften im Zusammenhang mit dem Verzicht des gesetzlichen Vertreters für das Kind auf die österreichische Staatsbürgerschaft.
Schriften im Zusammenhang mit der Feststellung, ob das Kind im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft ist.
1739Bei Verlust oder Diebstahl eines kostenlos ausgestellten Dokumentes eines Kindes ist die Ausstellung eines neuen Dokumentes nicht mehr unmittelbar durch die Geburt des Kindes veranlasst und daher nicht von den Gebühren befreit.
1740Wird ein Dokument nach erfolgter Änderung des Namens des Kindes ausgestellt, ist das Dokument nur dann gebührenbefreit, wenn für das Kind noch kein derartiges Dokument gebührenfrei ausgestellt wurde. Dies bezieht sich auf Fälle, in denen vor der Änderung des Namens des Kindes noch kein unmittelbar durch die Geburt des Kindes veranlasstes und somit gebührenfreies Dokument ausgestellt wurde. In diesen Fällen soll die Namensänderung des Kindes nicht schädlich für die Befreiung sein.
Nicht gebührenbefreit ist die Ausstellung jener Schriften, die schon vor der Namensänderung gebührenbefreit ausgestellt wurden.
1741Die Befreiung des § 35 Abs. 6 GebG bezieht sich nicht auf die Landesverwaltungsabgaben. Eine solche ist nur gegeben, wenn auch das jeweilige Bundesland entsprechende Maßnahmen setzt.
1742Zum Befreiungsvermerk auf den ausgestellten Dokumenten siehe Rz 64 f.
1743Wird ein gemäß § 35 Abs. 6 GebG gebührenfrei ausgestelltes Dokument einer gebührenpflichtigen Eingabe beigelegt oder nachgereicht, unterliegt dieses als Beilage der Gebühr nach § 14 TP 5 GebG.
1744Wurden Gebühren entrichtet, obwohl eine Gebührenschuld nicht entstanden ist, ist die entrichtete Gebühr auf Antrag vom Finanzamt Österreich - Dienststelle Sonderzuständigkeiten zurückzuzahlen. Ein solcher Antrag kann bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Jahr folgt, in dem die Gebühr zu Unrecht entrichtet wurde, gestellt werden ( § 241 Abs. 2 und 3 BAO). Zur Rückerstattung der Bundesverwaltungsabgaben siehe Rz 1794.
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Zusatzinformationen | |
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Gültig ab: | |
Materie: | Steuer |
Betroffene Normen: | GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 8 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 14 TP 5 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 14 TP 9 Abs. 1 und 2 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 35 Abs. 6 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 108 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 241 Abs. 2 und 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 50 EUV, EU-Vertrag, ABl. Nr. C 202 vom S. 1 |
Verweise: | GebR 2025, Gebührenrichtlinien 2025 Rz 1794 |
Schlagworte: | Gebühren - Gebührengesetz |
Stammfassung: | 2025-0.125.283 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
QAAAF-46995