In-Vitro-Fertilisation einer alleinstehenden Frau - zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG 1988
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 317-318/2025 anhängig.
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/7103461/2024-RS1 | wie RV/7100935/2024-RS1 Kosten einer In-Vitro-Fertilisation, die eine Frau in einem anderen Land der EU durchführen ließ, sind jedenfalls nicht als zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG 1998 anzusehen, wenn diese Art der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Österreich gem. § 2, § 3, und § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz nicht zulässig gewesen wäre. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Angelegenheit der Parteien Dr. AN Bf, Rechtsanwältin in Stadt37, vertreten durch next Steuerberatung Wien GmbH, 1150 Wien, und ***FA*** als Amtspartei über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Einkommensteuer 2022
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig (§ 25 a Abs 1 VwGG).
Entscheidungsgründe
Ablauf des Verfahrens:
In ihrer ESt-Erklärung begehrte die Beschwerdeführerin (Bf), geb A1B2JJ (Bf) den Ansatz von außergewöhnlichen (ag) Belastungen (Krankheitskosten) in Höhe von 25.621,89 €. In ihrer Beschwerde vom reduzierte sie diesen Betrag auf 25.330,49 €.
Mit Ergänzungsauftrag vom wurde die Bf aufgefordert, ihre Krankheitskosten zu belegen.
Die Bf legte die folgende undatierte Kostenaufstellung mit beigelegten Kostennachweisenvor: Die Krankheitskosten seien "Kosten von Kinderwunschbehandlungen".
Dabei handelte es sich um Kosten einer IVF (In-Vitro-Fertilisation), verbunden mit einer ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) in Deutschland und Zypern.
Mit Bescheid des Finanzamtes (FA) betreffend ESt 2022 vom wurden die Einkünfte der Bf besteuert, ohne die strittigen Kosten einer in-vitro-Fertilisation (IVF)....... abzuziehen.
Die Bf erhob am Beschwerde, verbunden mit dem Antrag auf Direktvorlage an das BFG. Die Bf verzichtete auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung. Die Erledigung solle mit dem bereits beim BFG anhängigen Verfahren über den Einkommensteuerbescheid 2021 erfolgen.
Die Nicht-Berücksichtigung der Kosten für IVF sei zu Unrecht erfolgt. Eine Nicht-Berücksichtigung der Kosten für IVF sei bei richtiger Anwendung des § 34 EStG gesetzes- und verfassungswidrig.
Auf Grund des äußerst geringen NI RM MXO-Wertes , auf Grund von Hormonstörungen und ihres Alters (damals GX) sei die Behandlung nicht weiter aufschiebbar gewesen, bis wieder ein geeigneter Partner gefunden worden wäre.
Die Bf verweise auf § 2b Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG).
Ihr Wunsch nach einem Kind ebenso wie das Recht auf Familienplanung falle in den Bereich der Grundrechte (Recht auf Familiengründung, Recht auf Achtung des Familienlebens, persönliche Freiheit). Insoweit dürfe es nicht auf das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft ankommen.
Ein Eingriff in diese Rechte bedürfe einer beonderen Rechtfertigung.
Die Bf sehe keine sachliche Rechtfertigung dafür, die Kostenbelastung aus der IVF bei Singles anders als bei Frauen, die in einer Lebensgemeinschaft lebten, zu behandeln.
Die Bf beantragte die Anerkennung der Kosten der IVF als a.g. Belastung mit Selbstbehalt.
In seinem Vorlagebericht vom bringt das FA vor:
Das innerstaatliche Verbot, als alleinstehende Frau eine künstliche Befruchtung vornehmen zu lassen, schließe bei Umgehung dieses Verbots die Zwangsläufigkeit per se aus.
Erwägungen des BFG über die Beschwerde:
A.)Feststellungen
1.)Die Bf geb. am A1B2 JJ, hat mit Wirksamkeit für das Streitjahr die Kosten einer In-Vitro-Fertilisation (vgl. § 2 Abs 1 Fortpflanzungsmedizingesetz) in Höhe von 25.330,49 €, die insbesondere im Zusammenhang mit den ärztlichen Dienstleistungen deutscher und zypriotischer Kliniken standen, als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt (§ 34 EStG) steuerlich geltend gemacht (Beschwerde vom betreffend das Streitjahr, erste Seite, letzter Absatz). Sie war zum Zeitpunkt des Beginnes der strittigen medizinischen Dienstleistungen (April 2021) EE Jahre und zwei Monate alt, sie war im Streitjahr seit A1B22022 GX Jahre alt und sie war zu Beginn und während der strittigen medizinischen Leistungen der Jahre 2021 und 2022 Single (vgl. § 2 Abs 1 und § 3 Abs 1 und 2 Fortpflanzungsmedizingesetz).
Das FA hat entgegen dem Begehren der Bf in der Beschwerde keinen Teil der erwähnten Kosten von 25.330,49 € für eine In-Vitro-Fertilisation als ag Belastung angesetzt, weil die Bf als alleinstehende Frau in Österreich nicht das Recht gehabt habe, sich einer in-vitro-Fertilisation zu unterziehen (§ 2 und § 3 Fortpflanzungsmedizingesetz; bekämpfter Bescheid vom ; Vorlagebericht des FA vom , der Bf zur Kenntnis gebracht mit Begleitschreiben vom ).
2.) Zu den einzelnen Kosten des Streitjahres:
Die Bf machte Kosten einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) in Höhe von 25.330,49 € (Beschwerde betreffend das Streitjahr, insbesondere erste Seite, letzter Absatz) als ag Belastungen im Zusammenhang mit In-Vitro-Fertilisation geltend.
Zum Vorbringen der Bf betreffend § 2b FMedG in der Beschwerde: Die Bf verweise auf § 2b FMedG, wonach Eizellen entnommen und aufbewahrt werden dürften, wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirke, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden könne. Die Entnahme der Eizellen, welcher diverse ärztliche Kontrollen und eine hormonelle Stimulation vorausgingen, sei unter diesen Umständen für Single-Frauen auch in Österreich zulässig. Somit müssten jedenfalls die Kosten bis zur Entnahme der Eizellen in ihrem Falle (insbesondere geringer ABC Wert) angesetzt werden.
Hiezu wird bemerkt:
Die Bf, eine Rechtsanwältin, hat im Verfahren kein einziges Beweismittel vorgelegt, aus welchem sich ergibt, dass die Bf im Streitjahr überhaupt Eizellen aufbewahren ließ, um sich eine künftige, in Österreich legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung i S des § 2b Fortpflanzungsmedizingesetz i V m § 2 und § 3 Fortpflanzungsmedizingesetz zu ermöglichen. Die Bf hat auch nie vorgebracht, dass sie Eizellen aufbewahren ließ, um sich eine künftige legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu ermöglichen.
Daher wird festgestellt: Die Bf hat nur ihre Eizellen für die in einem anderen EU-Land durchgeführte In-Vitro-Fertilisation, verbunden mit einer ICSI entnehmen lassen, wobei diese In-Vitro-Fertilisation (IVF) und Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) im Fall der Bf als alleinstehende Frau in Österreich nicht legal gewesen wäre (§§ 2, 3 und 8 FMedG). Bei diesen Maßnahmen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung durch IVF und ICSI sind der Bf die strittigen Kosten von 25.330,49 € erwachsen (Beschwerde vom , insbesondere erste Seite, letzter Absatz). Es kann nicht festgestellt werden, dass die Bf Eizellen oder Eierstockgewebe für eine künftige, legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnehmen und aufbewahren ließ.
Die Bf brachte vor (Beschwerde, erste Seite letzter Absatz und zweite Seite, erster Absatz): Auf Grund ihres äußerst geringen NI RM MXO-Wertes , auf Grund von Hormonstörungen und ihres Alters (im Streitjahr seit Feber GX Jahre) sei die IVF-Behandlung nicht weiter aufschiebbar gewesen, bis wieder ein geeigneter Partner gefunden worden wäre (Beschwerde).
Hiezu wird bemerkt: Die Bf hat weder behauptet, noch bewiesen, dass es aus medizinischer Sicht nicht möglich gewesen wäre, ihr gem. § 2b FMedG Eizellen oder Eierstockgewebe für eine künftige legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu entnehmen und aufzubewahren. Daher kann nicht festgestellt werden, dass es im Streitjahr aus medizinischer Sicht nicht möglich gewesen wäre, Eizellen oder Eierstockgewebe der Bf für eine künftige legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu entnehmen und aufzubewahren.
3.) Risken:
Zudem kann es bei den Hormonbehandlungen, ohne die eine in-Vitro-Fertilisation nicht erfolgreich sein kann, mit erhöhter Wahrscheinlichkeit Nebenwirkungen ( Gefahr von Mehrlingsgeburten, vgl auch VfGH 14.19.199, G91/98; G116/98 B.2.3.3.; Gefahr von Thrombosen bei der Frau, Gefahr einer Eileiterschwangerschaft, Gefahr von Depressionen der Frau , siehe https://en.wikipedia.org/wiki/In_vitro_fertilisation : "complications and health effects" ) geben, die wesentlich höhere Risken hervorrufen, als bei einer natürlichen Geburt.
Das Problem der überschüssigen Embryonen, die bei einer IVF entstehen, ist nach wie vor ungelöst: Manche spenden diese nicht mehr benötigten Embryonen Paaren, deren Embryonen von unzureichender Qualität sind, manche veranlassen die Vernichtung der Embryonen, manche lassen sie auf zunächst unbestimmte Zeit einfrieren, manche spenden sie für wissenschaftliche Zwecke (https://en.wikipedia.org/wiki/In_vitro_fertilisation : Leftover embryos or eggs, unwanted embryos) .
B.) Rechtsfolgen:
1.) Zur Frage der Abzugsfähigkeit der Kosten einer IVF als ag Belastung in Höhe von 25.330,49 € (lt. Beschwerde, erste Seite, letzter Absatz), die die Bf als alleinstehende Frau in einem anderen Land der EU durchführen ließ(§ 34 ESTG 1988):
a.) § 2 Abs 1 Fortpflanzungsmedizingesetz lässt eine In-vitro-Fertilisation mit dem Samen eines Fremden in Österreich nur zu, wenn die Frau, die auf diese Weise eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung erlangen will, verheiratet ist, oder in einer eingetragenen Partnerschaft mit einer erwachsenen natürlichen Person lebt, oder in einer Lebensgemeinschaft mit einem Mann oder einer Frau lebt, und wenn der Lebenspartner der Bf dieser Behandlung qualifiziert zustimmt (§ 2 Abs 1; § 3 Abs 1 und 2, § 8 FortpflanzungsmedizinG). Die Bf hat im Jahr 2021 und auch im Streitjahr 2022 - in diesen beiden Jahren hat die Bf versucht, durch eine in einem anderen Land der EU versuchte In-Vitro-Fertilisation schwanger zu werden - nicht in einer Lebensgemeinschaft mit einem Mann oder mit einer Frau gelebt, sie war in dieser Zeit nicht verheiratet und sie war auch nicht eingetragene Partnerin einer anderen erwachsenen natürlichen Person. In diesem Sinn war die Bf somit damals alleinstehend.
Die in-Vitro-Fertilisation, die die Bf in einem anderen Land der EU versucht hat, wäre daher in den Jahren 2021 und 2022 in Österreich unzulässig und daher de facto unmöglich gewesen. Indem die Bf im Streitjahr die In-Vitro-Fertilisation in einem anderen Land der EU versucht hat, hat sie somit § 2, § 3 und § 8 des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes umgangen.
Daher können die Kosten, die der Bf dabei entstanden sind (25.330,49 € lt. Beschwerde, erste Seite, letzter Absatz), nicht zwangsläufig iS. des § 34 Abs 3 EStG gewesen sein. Sie waren vielmehr die Konsequenz der freiwilligen Entscheidung der Bf, das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz zu umgehen, indem sie als alleinstehende Frau eine in Österreich gem. § 2, § 3 und § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz unzulässige medizinisch unterstützte Fortpflanzung in einem anderen Land der EU durchführen ließ. Es kann dem österreichischen Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, dass er einerseits die Durchführung einer in-vitro-Fertilisation einer alleinstehenden Frau in Österreich verbietet (§ 2 Abs 1, § 3 Abs 1 und 2, § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz), aber andererseits einer alleinstehenden Frau, die dieses Gesetz dadurch umgeht, dass sie eine in-Vitro-Fertilisation in einem anderen Land der EU an sich durchführen lässt, eine Steuererleichterung durch den Ansatz einer ag Belastung gem. § 34 EStG gewährt. Diese Auslegung ergibt sich aus dem Zusammenhang des § 34 EStG 1988 und der § 2 und 3 des Fortpflanzungsmedizingesetzes.
b.) Zum Vorbringen der Bf, Auf Grund des geringen ABC Wertes, auf Grund diagnostizierter Hormonstörungen und auf Grund ihres Alters sei die IVF-Behandlung nicht weiter aufschiebbar gewesen, bis wieder ein geeigneter, verlässlicher Partner mit Kinderwunsch gefunden worden wäre (Beschwerde, erste Seite, letzter Absatz und zweite Seite, erster Absatz):
aa.) Siehe oben Punkt a.
bb.) Zudem kann nicht festgestellt werden, dass es aus medizinischer Sicht nicht möglich gewesen wäre, Eizellen oder Eierstockgewebe der Bf gem. § 2b FMedG für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu entnehmen und aufzubewahren (siehe oben Feststellungen Pkt A.2).
2.) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auslegung hat das BFG nicht:
Bei einer in - vitro - Fertilisation geht es nicht nur um die Interessen der alleinstehenden Frau, die Mutter werden möchte (insbesondere Art 8 EMRK, aber auch Art 12 EMRK, Art 7 B -VG), es ist auch das Wohl des Kindes zu berücksichtigen, das durch eine solche In - Vitro Fertilisation geboren werden würde (216 der Beilagen XVIII GP - Erläuternde Bemerkungen der RV, insbesondere S. 11, S. 16; ; G116/98 B.2.6.1.1.).
Während jedes Kind, das auf natürlichem Wege oder zumindest durch eine in Österreich legale in-vitro-Fertilisation (§ 2, § 3, § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz) auf die Welt käme, typischerweise zwei Eltern hätte (mit allen familienrechtlichen und erbrechtlichen Konsequenzen, vgl. § 8 FMedG; §§ 143-152 ABGB, §§ 231 ff ABGB; §§ 731, 736 ABGB), hätte ein Kind, das einer alleinstehenden Frau bei Umgehung der § 2 Abs 1, § 3 und § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz geboren werden würde, typischerweise nur einen Elternteil (§ 143, § 148 Abs 4 ABGB). Das erhöht für dieses Kind die Wahrscheinlichkeit, im Falle des Todes eines Elternteils zur Vollwaise zu werden, beträchtlich.
Deshalb hat der Gesetzgeber versucht, eine Lösung zu finden, bei der auch bei Nutzung der Möglichkeiten der modernen Fortpflanzungsmedizin (§ 1 Fortpflanzungsmedizingesetz) im Ergebnis eine Situation entsteht, die einer natürlichen Geburt möglichst nahekommt. Bei einer natürlichen Geburt gibt es typischerweise zwei Eltern mit allen rechtlichen Konsequenzen, die dem geborenen Kind nützen ( §§ 143 ff, §§ 231 ff, § 731, § 736 ABGB). Bei einer Geburt nach einer in Österreich legalen In-Vitro-Fertilisation einer sich zumindest in einer Lebensgemeinschaft mit einer anderen erwachsenen natürlichen Person befindlichen Frau ist dies typischerweise ebenso (§ 2 , § 3, § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz; § 143 - 152, §§ 231 ff; §§ 731, 736 ABGB) .
Wenn eine Frau, die sich zumindest in einer Lebensgemeinschaft mit einer anderen erwachsenen natürlichen Person befindet, eine IVF mit Verwendung des Samens eines nicht zu dieser Lebensgemeinschaft gehörigen Mannes an sich durchführen lassen will, so ist diese IVF in Österreich jedenfalls nur dann zulässig und daher nur dann möglich, wenn der Lebenspartner dieser IVF qualifiziert zustimmt (§ 8 FMedG). Diese qualifizierte Zustimmung macht den Lebenspartner mit allen zivilrechtlichen Konsequenzen zum zweiten Elternteil des Kindes, das im ursächlichen Zusammenhang mit dieser IVF geboren wird (§ 143, § 144 Abs 2 Z 3 , § 148 Abs 3 ABGB; Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB § 144 TZ 16; § 148 TZ 21). Somit hat das aus einer in Österreich legalen IVF mit dem Samen eines Fremden geborene Kind typischerweise zwei Eltern mit allen sich daraus ergebenden zivilrechtlichen Konsequenzen (§ 231 ff, §§ 731, 736 ABGB). Das dient dem Kindeswohl.
Nach einer in Österreich nicht zulässigen, erfolgreichen In-vitro-Fertilisation einer alleinstehenden Frau mit dem Samen eines Fremden gibt es typischerweise nur einen Elternteil mit den für Eltern typischen zivilrechtlichen Konsequenzen (§ 143, § 148 Abs 4, § 231, 731, 736 ABGB).
Daher hat der Gesetzgeber einer alleinstehenden Frau in Österreich die In-Vitro-Fertilisation mit dem Samen eines Fremden verwehrt, und daher darf es auch keine steuerliche Begünstigung iS. des § 34 EStG 1988 einer solchen In-Vitro-Fertilisation, die zum Zwecke der Umgehung der § 2, § 3 und § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz in einem anderen EU-Land durchgeführt wurde, in Österreich geben.
Mit ihrem Vorbringen in der Beschwerde, sie sehe keine nachvollziehbare Rechtfertigung dafür, eine alleinstehende Frau anders zu behandeln, als eine Frau, die sich in einer Lebensgemeinschaft befinde, negiert die Bf die besondere Bedeutung von zwei Elternteilen für ein Kind.
Ferner entsteht gerade bei einer In-Vitro-Fertilisation typischerweise das ungelöste Problem der überschüssigen, dh nicht mehr für den Geburtsvorgang erforderlichen Embryonen ( https://en.wikipedia.org/wiki/In_vitro_fertilisation : "Leftover embryos or eggs, unwanted embryos"; ; ; G 116/98 B 2.3.3.).
Zudem kann es bei den Hormonbehandlungen, ohne die eine in-Vitro-Fertilisation nicht erfolgreich sein kann, Nebenwirkungen ( Gefahr von Mehrlingsgeburten, vgl auch VfGH 14.19.199, G91/98; G116/98 B.2.3.3.; Gefahr von Thrombosen bei der Frau, Gefahr einer Eileiterschwangerschaft, Gefahr von Depressionen der Frau , siehe https://en.wikipedia.org/wiki/In_vitro_fertilisation : "complications and health effects" ) geben, die wesentlich höhere Risken hervorrufen, als bei einer natürlichen Geburt. Gerade dieses erhöhte Risiko im Zusammenhang mit der Fertilitätsbehandlung insbesondere für die Mutter verleiht der Forderung des Gesetzgebers nach zwei Elternteilen zusätzliches Gewicht.
Diese Überlegungen rechtfertigen es, die medizinisch unterstützte Fortpflanzung durch In-Vitro-Fertilisation mit dem Samen eines Fremden auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren, und daher diese Art der Fortpflanzung, wie vom Gesetz vorgesehen (insbesondere §§ 2, 3 und 8 Fortpflanzungsmedizingesetz) nur in einer Lebensgemeinschaft, bestehend aus zwei Elternteilen, zuzulassen.
Bedenken, dass diese Rechtslage (§ 2, § 3, § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz i V m § 34 Abs 3 EStG 1988) der Verfassung (insbesondere Art 8, auch Art 12 EMRK; Art 7 B-VG) widerspricht, bestehen aus der Sicht des Senates nicht. Die Forderung des Gesetzgebers, dass eine IVF mit dem Samen eines Fremden (= nicht in einer Lebensgemeinschaft mit der Bf lebender Mann) zumindest eine Lebensgemeinschaft (§ 2, § 3, § 8 FMedG) erfordert, und dass die IVF auch die Zustimmung des Lebenspartners (§ 8 FMedG) mit weitreichenden rechtlichen Konsequenzen (§ 148 Abs 3 ABGB) erfordert, begegnet aus den o.e. Gründen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl ; G116/98, Pkt B.2.4.2.3; B.2.4.3).
Die Kosten der in-vitro-Fertilisation sind daher auf Grund des Gesetzes (§ 34 Abs 1 Z 2 und § 34 Abs 3 EStG i V m § 2, § 3 und § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz) nicht abzugsfähig, wobei gegen diese Rechtslage beim BFG keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden sind.
3.) Ermessensentscheidung für die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung: Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterblieb, da eine solche nicht beantragt war.
Es ist nicht strittig, dass alle Kosten, deren Abzug als ag Belastung die Bf begehrt (25.330,49 €), Kosten einer IVF waren, die in einem anderen Land der EU durchgeführt wurde, und die in Österreich gesetzlich nicht zulässig und daher nicht möglich gewesen wäre (Beschwerde, erste Seite, letzter Absatz). Die Bf hat nie behauptet, dass sie abgesehen von den Kosten einer IVF noch andere Kosten gehabt habe, die nur deshalb entstanden sind, weil sie Eizellen entnehmen ließ, um diese aufbewahren zu lassen, um später eine in Österreich legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung (vgl. § 2b FMedG) durchführen zu lassen (Beschwerdevorbringen).
Bei dieser Sachlage erschien es dem BFG nicht zweckmäßig, von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen
4.) Zur Anregung der Bf, - die Bf ist Rechtsanwältin- "die Erledigung möge mit dem bereits beim BFG anhängigen Verfahren über den ESt-Bescheid 2021 erfolgen" (Beschwerde, erste Seite, erster Absatz):
Über die Beschwerde betreffend das Jahr 2021 hat ein Senat entschieden.
Die Bf regt an, gem. § 272 Abs 3 BAO vorzugehen. Der unterzeichnete Richter sieht insoweit keine besondere Zweckmäßigkeit i S einer Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens. Die Entscheidung ergeht in Bezug auf das Streitjahr 2022 annähernd gleich schnell, wie in Bezug auf das Vorjahr. Für den derzeit nicht vorhergesehenen, aber nicht auszuschließenden Fall eines Fehlers ist generell eine allfällige Korrektur (insbesondere durch allfällige Klaglosstellung) des Fehlers bei einer Entscheidung des Einzelrichters wesentlich einfacher und rascher zu handhaben, als bei einer fehlerhaften Senatsentscheidung.
C.) Zulässigkeit der Revision
Die Bf hat § 2 , § 3 und § 8 des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes umgangen, indem sie als alleinstehende Frau Kosten einer In-Vitro-Fertilisation mit dem Samen eines Fremden in Höhe von 25.330,49 € (lt. Beschwerde, erste Seite, letzter Absatz) , die in einem anderen Land der EU durchgeführt wurde, auf sich genommen hat. Das BFG hat wegen der Umgehung des österreichischen Rechts keinerlei Kosten dieser medizinisch unterstützten Fortpflanzung als ag Belastungen angesetzt, weil es das Erfordernis der Zwangsläufigkeit (§ 34 Abs 1 Z 2 , § 34 Abs 3 EStG 1988) der Belastungen nicht als erfüllt angesehen hat.
Darüber, ob diese Entscheidung des BFG rechtlich zulässig war oder nicht, gibt es bei dieser Konstellation des Falles noch keine RSp des VwGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i S von Art 133 Abs 4 B-VG liegt daher vor.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 FMedG, Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl. Nr. 275/1992 § 3 FMedG, Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl. Nr. 275/1992 § 8 FMedG, Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl. Nr. 275/1992 § 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7103461.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
QAAAF-46956