Kosten einer In-Vitro-Fertilisation einer alleinstehenden Frau als außergewöhnliche Belastung
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 317-318/2025 anhängig.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7100935/2024-RS1 | Kosten einer In-Vitro-Fertilisation, die eine Frau in einem anderen Land der EU durchführen ließ, sind jedenfalls nicht als zwangsläufig iSd § 34 Abs 3 EStG 1998 anzusehen, wenn diese Art der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Österreich gem. § 2, § 3, und § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz nicht zulässig gewesen wäre. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch ***SenV***, ***Ri*** und die weiteren Senatsmitglieder Mag. ***1*** BBRI, ***SenLR1*** und Mag. VV FLR2 in der Angelegenheit der Parteien Dr. AN KT, Rechtsanwältin in Stadt97, vertreten durch die next Steuerberatung Wien GmbH, 1150 Wien, und ***FA*** als Amtspartei über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Einkommensteuer 2021
zu Recht erkannt:
Der bekämpfte Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die festgesetzte Einkommensteuer 2021 betragen:
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67.995,06 € | Einkünfte aus selbstständiger Arbeit |
67.995,06 € | Gesamtbetrag der Einkünfte |
-618 € | Steuerberatungskosten |
67.377,06 € | Einkommen |
Einkommensteuer bei Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte: | |
67.377,06 € | Einkommen |
6.888,00 € | ausländische Einkünfte |
74.265,06 € | Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz |
0 € | 0% für die ersten 11.000 € |
1.400 € | 20% für die weiteren 7.000 € |
4.550 € | 35% für die weiteren 13.000 € |
12.180 € | 42% für die weiteren 29.000 € |
6.847,23 € | 48% für die restlichen 14.265,06 € |
24.977,23 € | Summe |
33,63% | Durchschnittssteuersatz 24.977,23 €/ 74.265,06 € |
22.658,91 € | 67.377,06 € x 33,63% |
22.658,91 € | Einkommensteuer |
0,09 € | Rundung gem. § 39 Abs 3 ESTG 1988 |
22.659 € | festgesetzte Einkommensteuer 2021 |
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig (§ 25 a Abs 1 VwGG).
Entscheidungsgründe
Ablauf des Verfahrens:
In ihrer ESt-Erklärung begehrte die Beschwerdeführerin, geb 3.2.XM (Bf) den Ansatz von außergewöhnlichen (ag) Belastungen (Krankheitskosten) in Höhe von 13.827,55 €.
Mit Ergänzungsauftrag vom wurde die Bf aufgefordert, ihre Krankheitskosten zu belegen.
Die Bf antwortete insbesondere am per FinanzOnline mit einer Kostenaufstellung und mit beigelegten Kostennachweisen per Finanzonline: Die Krankheitskosten seien "Kosten von Kinderwunschbehandlungen".
Die Bf wies die nachstehenden Kosten nach:
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31,77 € | Apotheke |
97,42 € | Hormonzentrum |
539,48 € | französische Apotheke |
250 € | dänischer Dienstleister |
28 € | Bahnticket |
24,99 € | Rg ..... GmbH |
102,40 € | Rg Bahnticket |
1.456,25 € | dänischer Dienstleister |
909,20 € | Rechnung der französichen Apotheke |
162,89 € | Rg Apotheke |
353,75 € | Rg dänischer Dienstleister |
736,64 € | Rg |
102,40 € | Rg Bahnticket |
261,30 € | Rechnung Anästhesie |
99,10 € | Rg Bahnticket |
99,10 € | Rechnung Bahnticket |
2.774,58 € | Rg Hormonzentrum |
931,25 € | Rg dänischer Dienstleister |
122,15 €, | Rg 30.10.21Apotheke |
1.257,17 € | Rg frz. Apotheke |
143 € | Rg Labor |
56,70 € | Rg Apotheke |
23 € | Rg Bahnticket |
54,50 € | Rg |
109,20 € | Rg Bahnticket |
54,50 € | Rg Bahnticket |
740,58 € | Rg .......GmbH |
73,39 € | Rg 22.12. Apotheke |
2.232,84 € | Rg Hormonzentrum |
13.827,55 | Summe |
Zeitgleich legte die Bf auch eine ärztliche Zuweisung vom an ein klinisches Labor vor, wonach bei der Bf der Verdacht auf eine hormonelle Störung und der Verdacht auf eine Schilddrüsenfehlfunktion bestünde.
Mit Ergänzungsauftrag vom wies das FA auf § 2 Abs 1 Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) hin.
Mit Schreiben vom (Finanzonline) wurde eine Stellungnahme der Bf vom 14."11". (richtig wohl "12.") 2023 dem FA übermittelt, in welchem die Bf ihren Rechtsstandpunkt darlegte: Sie könne für den relevanten Zeitraum keinen Nachweis einer Lebenspartnerschaft erbringen. Die Aufforderung, einen solchen Nachweis zu erbringen, erachte die Bf als nicht gerechtfertigten Eingriff in ihre Privatsphäre.
Die Bf wies auf § 2b FMedG hin. Die Bf wies auch auf die Grundrechte hin.
Mit Bescheid betreffend ESt 2021 vom wurden die Einkünfte der Bf besteuert, ohne die strittigen Kosten einer in-vitro-Fertilisation (IVF)....... abzuziehen, der sich die Bf in Deutschland unterzogen hatte.
Die Bf erhob am Beschwerde. Mit dem angefochtenen Bescheid seien die begehrten Kosten für IVF als ag Belastung mit Selbstbehalt nicht berücksichtigt worden.
Die Nicht-Berücksichtigung der Kosten für IVF sei zu Unrecht erfolgt. Eine Nicht-Berücksichtigung der Kosten für IVF sei bei richtiger Anwendung des § 34 EStG gesetzes- und verfassungswidrig.
Die Belastung durch die Kosten der in Deutschland durchgeführten IVF sei der Höhe nach außergewöhnlich. Sie sei auch zwangsläufig gewesen. Auf Grund des äußerst geringen BEH- LR- OX-Wertes , auf Grund von OXstörungen und ihres Alters (damals TD) sei die Behandlung nicht weiter aufschiebbar gewesen, bis wieder ein geeigneter Partner gefunden worden wäre.
Die durchgeführten IVF-Behandlungen seien nach deutschem Recht zulässig. Single-Frauen würden in Deutschland - wie auch in vielen anderen europäischen Ländern- ebenso wie Paare behandelt.
Es entspreche nicht dem Gebot einer verfassungskonformen Interpretation, die Abzugsfähigkeit der Kosten der IVF iS des § 34 EStG an § 2 FMedG zu koppeln.
Die Bf verweise auf § 2b FMedG.
Die Entnahme der Eizellen, welcher diverse ärztliche Kontrollen und eine hormonelle Stimulation vorausgingen, sei unter diesen Umständen für Single -Frauen auch in Österreich zulässig. Somit dürfe die Bf jedenfalls die Kosten bis zur Entnahme der Eizellen insbesondere wegen des geringen VUN Wertes ansetzen.
Die Kosten für die gesamte IVF Behandlung seien zu Gunsten der Bf anzusetzen. Der enge Anwendungsbereich des § 2 FMedG und dessen Junktimierung mit der Bestimmung über die ag Belastungen seien nicht verfassungskonform.
Ihr Wunsch nach einem Kind ebenso wie das Recht auf Familienplanung falle in den Bereich der Grundrechte (Recht auf Familiengründung, Recht auf Achtung des Familienlebens, persönliche Freiheit).
Ein Eingriff in das Recht bedürfe einer besonderen Rechtfertigung.
Es gebe keine sachliche Rechtfertigung dafür, die Kostenbelastung aus der IVF bei Singles anders als bei Frauen, die in einer Lebensgemeinschaft lebten, zu behandeln. Eine Diskriminierung wegen der Wahl der Familienform sei auch im steuerlichen Kontext nicht zulässig.
Die bf beantragte die Anerkennung der Kosten der IVF als a.g. Belastung.
Dieser Beschwerde vom war ein Befund vom beigelegt, dem ein BEH LR OX-Wert der Bf von XZ4ng/ml zu entnehmen war. Die ovarielle Reserve gilt als nicht erschöpft bei einem Wert zwischen 0,10 und 3,00 ng/ml (Befund der Gruppenpraxis vom ).
Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde der Bescheid abgeändert. Nunmehr wurden zusätzlich auch die durch die Bf bekanntgegebenen ausländischen Einkünfte der Bf in Deutschland berücksichtigt . Ein Ansatz der strittigen Kosten der IVF erfolgte nicht (Schreiben der Bf vom ).
Eine künstliche Befruchtung sei in Österreich gem. § 2 Abs 1 FMedG nur bei Vorliegen einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft zulässig.
Mit Vorlageantrag vom begehrte die Bf, die ESt um 2.756 € geringer anzusetzen. Ferner beantragte die Bf eine Entscheidung des Senates.
Die Nichtberücksichtigung der Kosten der IVF entspreche nicht dem Gesetz (§ 34 EStG 1988) und der Verfassung.
Die Belastung durch die IVF-Kosten sei der Höhe nach außergewöhnlich. Sie sei zwangsläufig, weil ihr Kinderwunsch dringend gewesen sei auf Grund des nur noch geringen VUN, auch auf Grund diagnostizierter OXstörungen. Auf Grund ihres Alters sei die Behandlung nicht weiter aufschiebbar gewesen, bis wieder ein geeigneter, verlässlicher Partner mit Kinderwunsch gefunden worden wäre. Die Kosten beeinträchtigten wesentlich ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Die IVF - Behandlungen in einer deutschen Klinik seien nach deutschem Recht zulässig.
Die Junktimierung des Rechts auf Ansatz einer ag Belastung wegen der medizinisch unterstützten Fortpflanzungsversuche (§ 34 EStG 1988) mit § 2 FMedG sei nicht verfassungskonform.
Die Bf verwies auf § 2b Fortpflanzungsmedizingesetz. Daher müssten jedenfals die Kosten bis zur Entnahme der Eizellen in ihrem Fall wegen des geringen VUN-Wertes angesetzt werden.
Die Kosten für die gesamte IVF-Behandlung seien anzusetzen.
Ihr Kinderwunsch falle in den Bereich der Grundrechte. Die Bf sehe keine besondere Rechtfertigung dafür, eine tatsächlich angefallene Kostenbelastung wegen einer IVF bei alleinstehenden Frauen anders als bei verpartnerten Frauen zu behandeln und bei alleinstehenden Frauen nicht als ag Belastung anzusehen.
Die Bf beantragte die Berücksichtigung der Kosten für IVF als ag Belastung mit Selbstbehalt .
In seinem Vorlagebericht vom bringt das FA vor:
Der Beschwerde sei ein Laborbefund beigefügt worden, welcher insb den niedrigen VUN Wert, welcher Auskunft über die Eizellreserve gebe, belegen solle. Die Umgehung eines innerstaatlichen Verbotes dürfe nicht zur steuerlichen Berücksichtigung der damit zusammenhängenden Aufwendungen führen.
Erwägungen des BFG über die Beschwerde:
A.)Feststellungen
1.)Die Bf, geb. am 3. Feber XM, hat mit Wirksamkeit für das Jahr 2021 die Kosten einer In-Vitro-Fertilisation (vgl. § 2 Abs 1 Fortpflanzungsmedizingesetz) in Höhe von 13.827,55 €, die insbesondere im Zusammenhang mit den ärztlichen Dienstleistungen deutscher Kliniken standen, als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt (§ 34 EStG) steuerlich geltend gemacht (Beschwerde vom betreffend das Streitjahr). Sie war zum Zeitpunkt des Beginnes der strittigen medizinischen Dienstleistungen (April 2021) TD Jahre und zwei Monate alt, und sie war zu Beginn und während der strittigen medizinischen Leistungen des Streitjahres Single (vgl. § 2 Abs 1 und § 3 Abs 1 und 2 Fortpflanzungsmedizingesetz).
Das FA hat entgegen dem Begehren der Bf keinen Teil der erwähnten Kosten für eine In-Vitro-Fertilisation als ag Belastung angesetzt, weil die Bf als alleinstehende Frau in Österreich nicht das Recht gehabt hätte, sich einer in-vitro-Fertilisation zu unterziehen (§ 2 und § 3 Fortpflanzungsmedizingesetz; bekämpfter Bescheid vom ; Schreiben des FA vom ; bekämpfter Bescheid vom ; BVE vom ; Vorlagebericht des FA vom , der Bf zur Kenntnis gebracht mit Begleitschreiben vom ).
Die Bf hatte im Oktober 2021 im Alter von TD Jahren und 8 Monaten einen BEH LR OX-Wert (VUN) von XZ4 ng/ml. Im Allgemeinen war damals davon auszugehen, dass die ovarielle Reserve bei einem VUN zwischen 0,1 und 3,0 ng/ml noch nicht erschöpft war (Befund der Gruppenpraxis vom ).
Bei den von der Bf im Rahmen der IVF verwendeten Medikamenten (VE FRN mcg, PR ABC I.E.; VG DEF I.E; VG NNV I.E.; AT VVG mg; WEE NCG mg/ ES ml Injektionslösung ) war im Streitzeitraum mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit folgender Nebenwirkungen zu rechnen :
-Mehrlingsschwangerschaften, damit verbunden ist die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Geburtsfehlern, dh Missbildungen (im ursächlichen Zusammenhang mit der Gabe von: VE FRN mcg; PR ABC I.E.; VG DEF I.E.; VG NNV I.E.; WEE NCGmg/ ES ml)
-Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter (im ursächlichen Zusammenhang mit der Gabe von: VE FRN mcg; VG DEF I.E.; VG NNV I.E.; WEE NCG mg/ ESml)
-Depressionen (im ursächlichen Zusammenhang mit der Gabe von: AT Monatsdepot VVG m g-Zweikammerspritze lt. Rechnung der frz Apotheke vom ;)
- Thrombosen ( im ursächlichen Zusammenhang mit der Gabe von : VE FRN mcg; PR ABC I.E.; VG DEF I.E.; VG NNV I.E.)
[Gebrauchsinformation betreffend VE FRN mcg; Beipackzettel AT Monatsdepotspritze VVG mg; Beipackzettel WEE NCG mg/ESml lt. Rechnung der frz Apotheke vom und vom ; Beipackzettel ONF, vgl. Rechnung ; Beipackzettel PR ABC I.E.; Beipackzettel VG DEF I.E.; Beipackzettel VG NNV I.E.; https://en.wikipedio.org/wiki/in_vitro_fertilisation: "Complications and health effects" ].
Das Problem der überschüssigen Embryonen, die bei einer IVF entstehen, ist nach wie vor ungelöst: Manche spenden diese Embryonen Paaren, deren Embryonen von unzureichender Qualität sind, manche veranlassen die Vernichtung der Embryonen, manche lassen sie auf zunächst unbestimmte Zeit einfrieren, manche spenden sie für wissenschaftliche Zwecke (https://en.wikipedia.org/wiki/In_vitro_fertilisation : Leftover embryos or eggs, unwanted embryos) .
2.) Zu den einzelnen Kosten des Jahres 2021:
Die Bf machte die folgenden Kosten einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) als ag Belastungen im Zusammenhang mit In-Vitro-Fertilisation geltend:
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31,77 € | Apotheke |
97,42 € | Hormonzentrum |
539,48 € | französische Apotheke |
250 € | 12./ dänischer Dienstleister |
28 € | Bahnfahrschein |
24,99 € | Rg ...... GmbH |
102,40 € | Rg Bahnticket |
1.456,25 € | dänischer Dienstleister |
909,20 € | Rechnung französische Apotheke |
162,89 € | Rg Apotheke |
353,75 € | Rg dänischer Dienstleister |
736,64 € | Rg |
102,40 € | Rg Bahnfahrschein |
261,30 € | Rechnung Anästhesie |
99,10 € | Rg Bahnfahrschein |
99,10 € | Rechnung Bahnfahrschein |
2.774,58 € | Rg Hormonzentrum |
931,25 € | Rg dänischer Dienstleister |
122,15 €, | Rg 30.10.21Apotheke |
1.257,17 € | Rg französische Apotheke |
143 € | Rg Labor |
56,70 € | Rg Apotheke |
23 € | Rg Bahnfahrschein |
260,71 € | Rg Anästhesie |
54,50 € | Rg |
109,20 € | Rg Bahnfahrschein |
54,50 € | Rg Bahnfahrschein |
740,58 € | Rg ...... GmbH |
73,39 € | Rg 22.12. Apotheke |
2.232,84 € | Rg Hormonzentrum |
14.088,36 | Summe (Steuererklärung betreffend das Streitjahr; Beschwerde, insbesondere erster Absatz und letzter Absatz |
Zum Vorbringen der Bf betreffend § 2b FMedG in der Beschwerde: Die Bf verweise auf § 2b FMedG, wonach Eizellen entnommen und aufbewahrt werden dürften, wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirke, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden könne. Die Entnahme der Eizellen, welcher diverse ärztliche Kontrollen und eine hormonelle Stimulation vorausgingen, sei unter diesen Umständen für Single-Frauen auch in Österreich zulässig. Somit müssten jedenfalls die Kosten bis zur Entnahme der Eizellen in ihrem Falle (insbesondere geringer VUN Wert) angesetzt werden.
Hiezu wird bemerkt:
Die Bf, eine Rechtsanwältin, hat im Verfahren kein einziges Beweismittel vorgelegt, aus welchem sich ergibt, dass die Bf im Jahr 2021 überhaupt Eizellen aufbewahren ließ, um sich eine künftige, in Österreich legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung i S des § 2b Fortpflanzungsmedizingesetz i V m § 2 und § 3 Fortpflanzungsmedizingesetz zu ermöglichen. Die Bf hat auch nie vorgebracht, dass sie Eizellen aufbewahren ließ, um sich eine künftige legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu ermöglichen. Alle Rechnungen, die sie in Bezug auf 2021 vorgelegt hat, deuten nur auf Maßnahmen einer IVF(In-Vitro-Fertilisation) und einer ICSI (intrazytoplasmatische Spermieninjektion) hin (z.B. Rechnungen vom und der Anästhesistin; z.B. Rechnung der Partnerschaftsgesellschaft vom ; Rechnung der Fortpflanzungsmediziner vom ).
Daher wird festgestellt: Die Bf hat nur ihre Eizellen für die in einem anderen EU-Land durchgeführte In-Vitro-Fertilisation und ICSI entnehmen lassen, wobei diese In-Vitro-Fertilisation (IVF) und ICSI im Fall der Bf als alleinstehende Frau in Österreich nicht legal gewesen wäre. Bei diesen Maßnahmen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung durch IVF und ICSI sind der Bf die strittigen Kosten von 13.827,55 € erwachsen (ebenso Steuererklärung, und Beschwerde erster und letzter Absatz). Es kann nicht festgestellt werden, dass die Bf Eizellen oder Eierstockgewebe für eine künftige , legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnehmen und aufbewahren ließ.
Die Bf brachte vor (Beschwerde , erste Seite): Auf Grund ihres äußerst geringen BEH LR OX-Wertes , auf Grund von Hormonstörungen und ihres Alters (damals TD) sei die IVF-Behandlung nicht weiter aufschiebbar gewesen, bis wieder ein geeigneter Partner gefunden worden wäre (Beschwerde).
Hiezu wird bemerkt: Die Bf hat weder behauptet, noch bewiesen, dass es aus medizinischer Sicht nicht möglich gewesen wäre, ihr gem. § 2b FMedG Eizellen oder Eierstockgewebe für eine künftige legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu entnehmen und aufzubewahren. Daher kann nicht festgestellt werden, dass es im Streitjahr aus medizinischer Sicht nicht möglich gewesen wäre, Eizellen oder Eierstockgewebe der Bf für eine künftige legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu entnehmen und aufzubewahren.
B.) Rechtsfolgen:
1.) Zur Frage der Abzugsfähigkeit der Kosten der Bf als ag Belastung wegen einer in-Vitro - Fertilisation, die die Bf als alleinstehende Frau in einem anderen Land der EU durchführen ließ(§ 34 ESTG 1988):
a.)§ 2 Abs 1 Fortpflanzungsmedizingesetz lässt eine In-vitro-Fertilisation mit dem Samen eines Fremden in Österreich nur zu, wenn die Frau, die auf diese Weise eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung erlangen will, verheiratet ist, oder in einer eingetragenen Partnerschaft mit einer erwachsenen natürlichen Person lebt, oder in einer Lebensgemeinschaft mit einem Mann oder einer Frau lebt, und wenn der Lebenspartner der Bf dieser Behandlung qualifiziert zustimmt (§ 2 Abs 1 FortpflanzungsmedizinG; § 3 Abs 1 und 2, § 8 FortpflanzungsmedizinG). Die Bf hat im Streitzeitraum und auch im Jahr 2022 - in diesen beiden Jahren hat die Bf versucht, durch eine in einem anderen Land der EU versuchte In-Vitro-Fertilisation schwanger zu werden - nicht in einer Lebensgemeinschaft mit einem Mann oder mit einer Frau gelebt, sie war in dieser Zeit nicht verheiratet und sie war auch nicht eingetragene Partnerin einer anderen erwachsenen natürlichen Person. In diesem Sinn war die Bf somit damals alleinstehend.
Die in-Vitro-Fertilisation, die die Bf in einem anderen Land der EU versucht hat, wäre daher in den Jahren 2021 und 2022 in Österreich unzulässig und daher de facto unmöglich gewesen. Indem die Bf im Streitjahr 2021 die in-vitro-Fertilisation in einem anderen Land der EU versucht hat, hat sie somit § 2, § 3 und § 8 des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes umgangen.
Daher können die Kosten, die der Bf dabei entstanden sind, nicht zwangsläufig iS. des § 34 Abs 3 EStG gewesen sein. Sie waren vielmehr die Konsequenz der freiwilligen Entscheidung der Bf, das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz zu umgehen, indem sie als alleinstehende Frau eine in Österreich gem. § 2, § 3 und § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz unzulässige medizinisch unterstützte Fortpflanzung in einem anderen Land der EU durchführen ließ. Es kann dem österreichischen Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, dass er einerseits die Durchführung einer in-vitro-Fertilisation einer alleinstehenden Frau in Österreich verbietet (§ 2 Abs 1, § 3 Abs 1 und 2 , § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz), aber andererseits einer alleinstehenden Frau, die dieses Gesetz dadurch umgeht, dass sie eine in-Vitro-Fertilisation in einem anderen Land der EU an sich durchführen lässt, eine Steuererleichterung durch den Ansatz einer ag Belastung gem. § 34 EStG gewährt. Diese Auslegung ergibt sich aus dem Zusammenhang des § 34 EStG und der § 2 und 3 des Fortpflanzungsmedizingesetzes.
b.) Zum Vorbringen der Bf, Auf Grund des geringen VUN Wertes, auf Grund diagnostizierter Hormonstörungen und auf Grund ihres Alters sei die IVF-Behandlung nicht weiter aufschiebbar gewesen, bis wieder ein geeigneter, verlässlicher Partner mit Kinderwunsch gefunden worden wäre:
aa.) Siehe oben Punkt a.)
bb.) Zudem kann nicht festgestellt werden, dass es nicht möglich gewesen wäre, Eizellen oder Eierstockgewebe der Bf gem. § 2b FMedG für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu entnehmen und aufzubewahren (siehe oben Feststellungen Pkt A.2).
2.) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auslegung hat das BFG nicht:
Bei einer in - vitro - Fertilisation geht es nicht nur um die Interessen der alleinstehenden Frau, die Mutter werden möchte (Art 8 EMRK, aber auch Art 12 EMRK), es ist auch das Wohl des Kindes zu berücksichtigen, das durch eine solche in - vitro Fertilisation geboren werden würde (216 der Beilagen XVIII GP - Erläuternde Bemerkungen der RV, insbesondere S. 11, S. 16; ; G 116/98 B.2.6.1.1.).
Während jedes Kind, das auf natürlichem Wege oder zumindest durch eine in Österreich legale in-vitro-Fertilisation (§ 2 , § 3, § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz) auf die Welt käme, typischerweise zwei Eltern hätte (mit allen familienrechtlichen und erbrechtlichen Konsequenzen, vgl. § 8 FMedG; § 143-§ 152, §§ 231 ff; §§ 731, 736 ABGB), hätte ein Kind, das einer alleinstehenden Frau bei Umgehung des § 2 Abs 1 Fortpflanzungsmedizingesetzes geboren werden würde, nur einen Elternteil. Das erhöht für dieses Kind die Wahrscheinlichkeit, im Falle des Todes eines Elternteils zur Vollwaise zu werden, beträchtlich. In diesem Zusammenhang sind die Nebenwirkungen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung durch IVF zu bedenken, die in Bezug auf die Mutter und das Kind mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (siehe oben bei den Feststellungen).
Deshalb hat der Gesetzgeber versucht, eine Lösung zu finden, bei der auch bei Nutzung der Möglichkeiten der modernen Fortpflanzungsmedizin (§ 1 Fortpflanzungsmedizingesetz) im Ergebnis eine Situation entsteht, die einer natürlichen Geburt möglichst nahekommt. Bei einer natürlichen Geburt gibt es typischerweise zwei Eltern mit allen rechtlichen Konsequenzen, die dem geborenen Kind nützen ( §§ 143 ff ABGB, §§ 231 ff ABGB, § 731, § 736 ABGB). Bei einer Geburt nach einer in Österreich legalen in-vitro-Fertilisation einer sich zumindest in einer Lebensgemeinschaft mit einer anderen erwachsenen natürlichen Person befindlichen Frau ist das typischerweise ebenso.
Wenn eine Frau, die sich zumindest in einer Lebensgemeinschaft mit einer anderen erwachsenen natürlichen Person befindet, eine IVF mit Verwendung des Samens eines nicht zu dieser Lebensgemeinschaft gehörigen Mannes an sich durchführen lassen will, so ist diese IVF in Österreich jedenfalls nur dann zulässig und daher nur dann möglich, wenn der Lebenspartner dieser IVF qualifiziert zustimmt (§ 8 FMedG). Diese qualifizierte Zustimmung macht den Lebenspartner mit allen zivilrechtlichen Konsequenzen zum zweiten Elternteil des Kindes, das im ursächlichen Zusammenhang mit dieser IVF geboren wird (§ 143, § 144 Abs 2 Z 3 , § 148 Abs 3 ABGB; Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB § 144 TZ 16; § 148 TZ 21). Somit hat das aus einer in Österreich legalen IVF mit dem Samen eines Fremden geborene Kind typischerweise zwei Eltern mit allen sich daraus ergebenden zivilrechtlichen Konsequenzen. Das dient dem Kindeswohl.
Nach einer in Österreich nicht zulässigen, erfolgreichen In-vitro-Fertilisation einer alleinstehenden Frau mit dem Samen eines Fremden gibt es nur einen Elternteil (§ 143 ABGB).
Daher hat der Gesetzgeber einer alleinstehenden Frau in Österreich die in-vitro-Fertilisation mit dem Samen eines Fremden verwehrt, und daher darf es auch keine steuerliche Begünstigung iS. des § 34 EStG 1988 einer solchen in-vitro-Fertilisation, die bei Umgehung des § 2, § 3 und § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz in einem anderen EU-Land durchgeführt wurde, in Österreich geben.
Mit ihrem Vorbringen (Beschwerde vom ), sie sehe keine nachvollziehbare Rechtfertigung dafür, eine alleinstehende Frau anders zu behandeln, als eine Frau, die sich in einer Lebensgemeinschaft befindet, negiert die Bf die besondere Bedeutung von zwei Elternteilen für ein Kind.
Ferner entsteht gerade bei einer In-Vitro-Fertilisation typischerweise das ungelöste Problem der überschüssigen, dh nicht mehr für den Geburtsvorgang erforderlichen Embryonen (https://de.wikipedia.org/wiki/In-vitro-Fertilisation; ; ; G 116/98 B 2.3.3.).
Zudem kann es bei den Hormonbehandlungen, ohne die eine in-Vitro-Fertilisation nicht erfolgreich sein kann, Nebenwirkungen ( Gefahr von Mehrlingsgeburten; vgl VfGH 14.19.199, G91/98; G116/98 B.2.3.3.; Gefahr von Thrombosen, Gefahr einer Eileiterschwangerschaft, Gefahr von Depressionen- siehe oben bei den Feststellungen) geben, die wesentlich höhere Risken hervorrufen, als bei einer natürlichen Geburt. Gerade dieses erhöhte Risiko im Zusammenhang mit der Fertilitätsbehandlung insbesondere für die Mutter verleiht der Forderung des Gesetzgebers nach zwei Elternteilen zusätzliches Gewicht.
Diese Überlegungen rechtfertigen es, die medizinisch unterstützte Fortpflanzung durch In-Vitro-Fertilisation mit dem Samen eines Fremden auf das unbedingt erforderlich erscheinende Maß zu reduzieren, und daher diese Art der Fortpflanzung, wie vom Gesetz vorgesehen (insbesondere §§ 2, 3 und 8 Fortpflanzungsmedizingesetz) nur in einer Lebensgemeinschaft, bestehend aus zwei Elternteilen, zuzulassen.
Bedenken, dass diese Rechtslage (§ 2, § 3, § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz i V m § 34 Abs 3 EStG 1988) der Verfassung (insbesondere Art 8, auch Art 12 EMRK; Art 7 B-VG) widerspricht, bestehen nicht. Die Forderung des Gesetzgebers, dass eine IVF mit dem Samen eines Fremden (= nicht in einer Lebensgemeinschaft mit der Bf lebender Mann) zumindest eine Lebensgemeinschaft (§ 2, § 3, § 8 FMedG) erfordert, und dass die IVF auch die Zustimmung des Lebenspartners (§ 8 FMedG) erfordert, begegnet aus den o.e. Gründen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl ; G 116/98, Pkt B.2.4.2.3; B.2.4.3).
Die Kosten der in-vitro-Fertilisation sind daher auf Grund des Gesetzes (§ 34 Abs 1 Z 2 und § 34 Abs 3 EStG 1988 i V m § 2, § 3 und § 8 Fortpflanzungsmedizingesetz) nicht abzugsfähig, wobei gegen diese Rechtslage beim BFG keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden sind.
3.) Ermessensentscheidung für die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung: Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterblieb, da eine solche nicht beantragt worden ist.
Es ist nicht strittig, dass alle Kosten, deren Abzug als ag Belastung die Bf begehrt, Kosten einer IVF waren (Beschwerde vom ; Vorlageantrag vom ). Die Bf hat nie behauptet, dass sie abgesehen von den Kosten einer IVF noch andere Kosten gehabt habe, die nur deshalb entstanden sind, weil sie Eizellen entnehmen ließ, um diese aufbewahren zu lassen, um später eine in Österreich legale medizinisch unterstützte Fortpflanzung (vgl. § 2b FMedG) durchführen zu lassen (Beschwerde vom , Vorlageantrag vom ).
Bei dieser Sachlage erschien es dem BFG nicht zweckmäßig, von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen
C.) Zulässigkeit der Revision
Die Bf hat § 2 , § 3 und § 8 des österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes umgangen, indem sie als alleinstehende Frau Kosten einer in-vitro-Fertilisation mit dem Samen eines Fremden in Höhe von 13.827,55 € , die in einem anderen Land der EU durchgeführt wurde, auf sich genommen hat. Das BFG hat wegen der Umgehung des österreichischen Rechts keinerlei Kosten dieser medizinisch unterstützten Fortpflanzung als ag Belastungen angesetzt, weil es das Erfordernis der Zwangsläufigkeit (§ 34 Abs 1 Z 2 EStG 1988, § 34 Abs 3 EStG 1988) der Belastungen nicht als erfüllt angesehen hat.
Darüber, ob diese Entscheidung des BFG rechtlich zulässig war oder nicht, gibt es bei dieser Konstellation des Falles noch keine RSp des VwGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i S von Art 133 Abs 4 B-VG liegt daher vor.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 FMedG, Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl. Nr. 275/1992 § 8 FMedG, Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl. Nr. 275/1992 § 2 FMedG, Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl. Nr. 275/1992 § 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100935.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
WAAAF-46954