VwGH 19.10.2023, Ro 2023/13/0017
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des VwG - und nicht gegen eine vom VwG gelöste Rechtsfrage - kann nur eine (einheitliche) Revision erhoben werden. Ein Erkenntnis bzw. ein Beschluss des VwG kann aber voneinander rechtlich trennbare Aussprüche enthalten. In diesem Fall sind diese Aussprüche separat anfechtbar und können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Weist eine angefochtene Entscheidung des VwG mehrere trennbare Spruchpunkte auf, so kommt auch eine teilweise Zurückweisung der Revision durch den VwGH in Betracht. Ist die angefochtene Entscheidung des VwG dagegen rechtlich untrennbar, so kann durch das VwG nur die Revision für zulässig oder für unzulässig erklärt und nur eine einheitliche Revision erhoben werden (vgl. , mwN). |
Normen | |
RS 2 | Der Beschluss betreffend Aufhebung und Zurückverweisung ist aus mehreren Gründen anfechtbar, nämlich zum einen dann, wenn der Beschluss zu Unrecht anstelle einer Sachentscheidung ergangen ist, zum anderen aber dann, wenn das VwG von einer für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist. |
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RS 3 | Das BFG hat im Spruch seiner Entscheidung die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Demnach ist die eingebrachte Revision, die als ordentliche und außerordentliche Revision bezeichnet wird, einheitlich als ordentliche Revision zu behandeln. Das Vorverfahren war demnach ausschließlich vom BFG zu führen, sodass insbesondere eine (neuerliche) Aufforderung zur Erstattung einer Revisionsbeantwortung an die belangte Behörde zu unterbleiben hatte. |
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RS 4 | Wenn für die VwG im Beschwerdeverfahren die "Obliegenheiten" des § 278 Abs. 3 BAO nicht gelten, so kann dies nur bedeuten, dass die VwG bei Bekämpfung des im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheides nicht an die vom VwG selbst im Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden sind. Auch eine Bindung des VwGH an diese Rechtsanschauung scheidet aus. Vor diesem Hintergrund ist eine Beschwer der Partei (§ 78 BAO) betreffend die in einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss dargelegte Rechtsanschauung (an sich) nicht gegeben. Diese Rechtsanschauung kann nur von der belangten Behörde, die an diese Rechtsanschauung gebunden ist, mittels Amtsrevision bekämpft werden; die belangte Behörde ist dabei befugt, die objektive Rechtswidrigkeit dieser Rechtsanschauung geltend zu machen. Für die Partei (§ 78 BAO) ist aber eine im Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss dargelegte Rechtsanschauung im Hinblick darauf bekämpfbar, dass bei Zugrundelegung dieser Rechtsanschauung Ermittlungen erforderlich sein könnten, die bei Zugrundelegung der von der Partei geltend gemachten Rechtsanschauung überflüssig wären und damit gegen das Gebot der Raschheit und Kostenersparnis verstoßen könnten. |
Normen | BAO §278 Abs1 VwRallg |
RS 5 | Die Ausnahmebestimmung des § 278 Abs. 1 BAO erfordert, dass das VwG im Rahmen seiner Ermessensentscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte im Hinblick auf die Zielsetzungen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bezeichnet und beurteilt sowie die Frage beantwortet, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit des Verfahrens oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. etwa ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/16/0136 B RS 1 |
Normen | BAO §295a VwRallg |
RS 6 | § 295a BAO ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. Es ist eine Frage des Inhalts bzw. der Auslegung der materiell-rechtlichen Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruchs) zukommt (vgl. , sowie Ritz, BAO6, § 295a Tz 3 f und die dort zitierte hg. Judikatur). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/16/0109 E RS 3 (hier ohne den Klammerausdruck) |
Normen | |
RS 7 | Ein Antrag eines Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, auf Zuerkennung des Familienbonus Plus ist als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO betreffend einen bereits an die Familienbeihilfenberechtigte ergangenen Bescheid, mit dem der Familienbonus Plus zur Gänze zuerkannt worden war, zu beurteilen. Anders als betreffend die Zurückziehung des Antrags (§ 33 Abs. 3a Z 3 lit. d EStG 1988) wurde dies zwar im Gesetz nicht ausdrücklich normiert, es entspricht aber der eindeutig aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum JStG 2018 (190 BlgNR 26. GP 9 ff; vgl. dort auch die Beispiele 1 und 3) ableitbaren Absicht des Gesetzgebers, die auch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar ist. |
Normen | |
RS 8 | Der Familienbonus Plus ist mit dem Unterhaltsabsetzbetrag verknüpft. Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu. Für einen Monat, für den ein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht der Familienbonus Plus hingegen - je nach Wahl der Beteiligten - entweder einer der beiden Personen (Familienbeihilfeberechtigte, Unterhaltsverpflichteter) zur Gänze oder aber diesen beiden Personen jeweils zur Hälfte zu. |
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RS 9 | Der Unterhaltsabsetzbetrag steht nur zu, wenn der gesetzliche Unterhalt geleistet wird. Grundlage für die Frage der Erfüllung der Unterhaltspflicht ist ein Unterhaltsvergleich oder ein richterlich festgesetztes Unterhaltsausmaß (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FamilienbesteuerungsG 1992, BGBl. Nr. 312, 463 BlgNR 18. GP 9). Der Begriff des "gesetzlichen" Unterhalts dient zur Abgrenzung von Unterhalt, der freiwillig oder allenfalls aus sittlichen Gründen gewährt wird. Es sind - insbesondere bei einem Unterhaltsvergleich - nur jene Leistungen zu berücksichtigen, die im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung erfolgen (vgl. - insoweit zum Unterhalt an den geschiedenen Ehepartner - ; vgl. auch § 69a Abs. 1 EheG, wonach der auf Grund einer Scheidungsvereinbarung nach § 55a EheG geschuldete Unterhalt einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten ist, soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist). |
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RS 10 | Voraussetzung für die Zuerkennung des Unterhaltsabsetzbetrages ist nicht, dass der geschuldete Unterhalt zur Gänze gezahlt wird. Es entspricht vielmehr dem Gesetz, den Unterhaltsanspruch nicht voll abdeckende Zahlungen in voll geleistete Monatsbeträge umzurechnen. Dabei ist eine auf das einzelne Kind bezogene Betrachtung vorzunehmen (vgl. ). Zunächst sind die Zahlungen somit den einzelnen Kindern zuzuordnen. Leistet ein Schuldner mehrerer Gläubiger an einen gemeinsamen Empfänger, ist in erster Linie eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger (allenfalls durch den gemeinsamen Empfänger) zu berücksichtigen. Liegt eine derartige Vereinbarung nicht vor, ist die Bestimmung des Gläubigers, der die Leistung erhalten soll, allein Sache des Schuldners (vgl. ). Die in dieser Weise einem bestimmten Kind zuzuordnenden Zahlungen sind sodann weiters bestimmten Zeiträumen zuzuordnen. Es entspricht der Rechtsprechung des VwGH (vgl. ), dass die Erfüllung der Unterhaltspflichten im Entscheidungszeitpunkt des BFG zu beurteilen ist. Nach der hier anwendbaren Rechtslage ist demnach nicht entscheidend, ob im jeweiligen Jahr Zahlungen geleistet wurden, sondern welchem Jahr diese Zahlungen zuzuordnen sind; sie sind für jenes Jahr zu berücksichtigen, für das sie geleistet worden sind (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FamilienbesteuerungsG 1992, BGBl. Nr. 312, 463 BlgNR 18. GP). Demnach kommt es auch für die zeitliche Zuordnung der Zahlungen in erster Linie auf eine allfällige Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger an. Liegt eine derartige Vereinbarung nicht vor, ist in zweiter Linie die Zahlungswidmung des Schuldners von Bedeutung, wenn dieser vom Gläubiger nicht widersprochen wird. Liegt keine Zahlungswidmung vor oder wird dieser vom Gläubiger widersprochen, ist die Zahlung aber zunächst zur Abdeckung des laufenden Unterhalts zu verwenden; erst die Beträge, die über den laufenden Unterhalt hinausgehen, sind auf den Rückstand zu verrechnen. Dies gilt insbesondere auch für Zahlungen, die im Zuge eines Exekutionsverfahrens erlangt werden (vgl. ). (hier: Die mit dem AbgÄG 2022, BGBl. I Nr. 108, eingefügte Bestimmung des § 33 Abs. 4 Z 3 lit. e EStG 1988, wonach Nachzahlungen von gesetzlichen Unterhaltsleistungen ausschließlich im Kalenderjahr der Zahlung zu berücksichtigen sind, war im vorliegenden Verfahren [mangels Übergangsbestimmung] noch nicht anwendbar.) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der W in W, vertreten durch MMag. Dr. Christoph Urtz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 25, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102805/2022, betreffend Einkommensteuer 2020, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 beantragte die Revisionswerberin (unter Hinweis darauf, dass sie die Familienbeihilfe beziehe) für drei Kinder den „ganzen Familienbonus Plus“.
2 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2020 fest und berücksichtigte dabei den Familienbonus Plus - wie beantragt - in Höhe von insgesamt 1.500,48 €.
3 Mit Bescheid vom änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid vom gemäß § 295a BAO ab. Berücksichtigt wurde nunmehr ein Familienbonus Plus von 750,24 €. In der Begründung wurde ausgeführt, der Familienbonus Plus könne für drei Kinder jeweils nur zur Hälfte berücksichtigt werden, weil für diese Kinder die andere Hälfte vom Unterhaltszahler (Unterhaltsleister) beantragt worden sei.
4 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte geltend, der ehemalige Ehemann und unterhaltspflichtige Vater der Kinder (G) sei seinen Verpflichtungen im Jahr 2020 nicht zur Gänze nachgekommen. Bereits im Jahr 2019 sei er seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, sodass ihm - nach Ansicht der Revisionswerberin - der halbe Kinderbonus nicht zustehe.
5 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Aktenlage und den vorgelegten Unterlagen habe der Familienbonus Plus nicht zur Gänze gewährt werden können.
6 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
7 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Bundesfinanzgericht den angefochtenen Bescheid gemäß § 278 BAO unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt auf. Es sprach aus, dass gegen diese Entscheidung eine (ordentliche) Revision zulässig sei.
8 Nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, nach der Aktenlage sei der Bescheid vom ohne jegliche eigene Ermittlungen allein auf Grund der Behauptungen des G erlassen worden, ohne der Revisionswerberin zu den behaupteten Unterhaltsleistungen Parteiengehör zu gewähren. Die Revisionswerberin habe in ihrer Beschwerde die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Annahme, G sei im Jahr 2020 seiner Unterhaltspflicht für die Kinder zur Gänze nachgekommen, substantiiert bestritten. Die Beschwerdevorentscheidung setze sich mit diesem detaillierten Vorbringen in keiner Weise auseinander, sondern weise die Beschwerde allein mit dem Verweis auf die Aktenlage und vorgelegte Unterlagen ab, ohne dass diese Aktenlage und diese Beweismittel mit der Revisionswerberin erörtert worden wären. Das Finanzamt habe eigene Ermittlungen bisher nicht gepflogen, sondern die Angaben des G ungeprüft übernommen.
9 Im vorliegenden Verfahren sei unabhängig vom Verfahren des G zu prüfen, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang G für das Jahr 2020 ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 für die drei Kinder zustehe. Anspruch auf den Unterhaltsabsetzbetrag bestehe für Kalendermonate, für die der gesetzliche Unterhalt zu leisten sei und auch tatsächlich zur Gänze geleistet werde.
10 Unstrittig sei, dass G im Jahr 2020 zu monatlichen Unterhaltszahlungen (für das jeweilige Kind) in der Höhe von 350 €, 300 € und 300 € verpflichtet gewesen sei. Unstrittig sei ferner bislang, dass G im Jahr 2020 Unterhaltszahlungen insgesamt (für das jeweilige Kind) von 450 €, 400 € und 400 € geleistet habe. Strittig sei, ob G darüber hinaus im Wege einer Gehaltsexekution Unterhalt geleistet habe.
11 Im weiteren Verfahren werde zunächst der Exekutionsakt (oder die Exekutionsakten) beizuschaffen sein. Danach seien näher genannte Zeugen darüber zu befragen, ob die behaupteten Beträge einbehalten worden seien. Im Falle der Weiterleitung an die betreibenden Gläubiger werde die Vorlage entsprechender Belege zu verlangen sein. Weiters werde G als Auskunftsperson zu den von ihm behaupteten Unterhaltsleistungen und Unterhaltsrückständen zu befragen sein. Auch werde den Beweisanträgen, die Revisionswerberin sowie die Kinder zu befragen, nachzukommen sein. Anträgen auf Durchführung eines Lokalaugenscheins am Wohnort des Vaters sowie auf Kontoöffnung aller Konten des Vaters und seiner jetzigen Ehefrau sei hingegen mangels Erheblichkeit für die hier verfahrensgegenständliche Frage nicht nachzukommen.
12 In rechtlicher Hinsicht sei darauf zu verweisen, dass Nachzahlungen von gesetzlichen Unterhaltsleistungen für den Unterhaltsabsetzbetrag im Ergebnis im Kalenderjahr der Zahlung zu berücksichtigen seien. Dies sei nunmehr in § 33 Abs. 4 Z 3 lit. e EStG 1988 (idF Abgabenänderungsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 108) ausdrücklich geregelt und entspreche auch der grundsätzlich veranlagungsjahrbezogenen Systematik des § 19 EStG 1988. Vertrete man die Auffassung, dass bis zum Inkrafttreten des § 33 Abs. 4 Z 3 lit. e EStG 1988 eine Unterhaltsnachzahlung für ein vorangegangenes Jahr in dem Jahr steuerlich zu berücksichtigen sei, für welches die Nachzahlung geleistet worden sei, komme es darauf an, ob die im Veranlagungszeitraum tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen dem Jahr der Veranlagung oder einem Unterhaltsrückstand aus Zeiträumen vor dem Jahr der Veranlagung zuzuordnen seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seien bei einer Pfändung des Arbeitseinkommens zur Hereinbringung rückständiger und laufender Unterhaltsbeträge die darauf geleisteten Zahlungen zunächst zur Deckung des festgesetzten laufenden Unterhaltes zu verwenden und erst die Beträge, die über den laufend zuerkannten Unterhalt hinausgingen, auf den Rückstand zu verrechnen. Diese Überlegung lasse sich, solange keine ausdrückliche andere Widmung durch den Unterhaltsschuldner erfolge, auch auf Unterhaltszahlungen durch den Unterhaltsschuldner übertragen.
13 Von G sei der nach seinen Angaben gepfändete Betrag auf die Kinder aufgeteilt worden. Für den Fall, dass tatsächlich im Jahr 2020 Unterhalt im Exekutionsweg habe eingebracht werden können, werde auch zu prüfen sein, ob die Exekution durch alle drei Kinder oder nur durch ein Kind geführt werde.
14 Im Hinblick auf den Umfang der vorzunehmenden Verfahrensergänzungen und das bisherige Unterlassen jeglicher Ermittlungen durch das Finanzamt sei der Zurückverweisung der Vorrang vor der Fortsetzung der Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht zu geben. Die Revisionswerberin erhalte somit schneller und kostengünstiger eine Entscheidung, wenn das Finanzamt nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Beachtung der im Aufhebungsbeschluss dargelegten Rechtsansicht des Gerichts neuerlich entscheiden könne.
15 Bei der Ermessensübung, ob nach § 269 Abs. 2 BAO oder nach § 278 BAO vorzugehen sei, sei zu berücksichtigen, dass die Revisionswerberin durch den angefochtenen Bescheid mit einer Zahlungspflicht belastet werde. Die Zeit, die die belangte Behörde zur Ermittlung des erforderlichen Sachverhalts, die bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheids hätte vorgenommen werden müssen, noch benötige, dürfe nicht zulasten der Revisionswerberin gehen. Mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheids entfalle die Verpflichtung zur Rückzahlung von 750 €. Ob tatsächlich eine Abgabennachforderung bestehe und bejahendenfalls in welchem Umfang, werde vom Finanzamt im Zuge eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens zu klären sein.
16 Da zur Frage, in welchem Veranlagungszeitraum vor Wirksamkeit von § 33 Abs. 4 Z 3 lit. e EStG 1988 idF Abgabenänderungsgesetz 2022 Unterhaltsnachzahlungen steuerlich zu berücksichtigen seien, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ersichtlich sei und das Finanzamt im weiteren Verfahren gemäß § 278 Abs. 3 BAO an die in diesem Beschluss geäußerte Rechtsanschauung gebunden sei, sei die Revision zulässig.
17 Gegen diesen Beschluss wendet sich die „ordentliche“ und „außerordentliche“ Revision. Nach dem Vorbringen in der Revision wendet sich die ordentliche Revision gegen die im angefochtenen Beschluss zum Ausdruck kommende Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts über den Umfang und die Berechnung des Familienbonus Plus, während sich die außerordentliche Revision gegen die Zulässigkeit der Zurückverweisung richtet.
18 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung eingebracht.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
20 Zunächst ist zu bemerken, dass gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes - und nicht gegen eine vom Verwaltungsgericht gelöste Rechtsfrage - nur eine (einheitliche) Revision erhoben werden kann. Ein Erkenntnis bzw. ein Beschluss des Verwaltungsgerichtes kann aber voneinander rechtlich trennbare Aussprüche enthalten. In diesem Fall sind diese Aussprüche separat anfechtbar und können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Weist eine angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes mehrere trennbare Spruchpunkte auf, so kommt auch eine teilweise Zurückweisung der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof in Betracht. Ist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes dagegen rechtlich untrennbar, so kann durch das Verwaltungsgericht nur die Revision für zulässig oder für unzulässig erklärt und nur eine einheitliche Revision erhoben werden (vgl. , mwN).
21 Im vorliegenden Fall wurde mit dem angefochtenen Beschluss ein Bescheid des Finanzamts unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt aufgehoben. Insoweit liegen keine rechtlich trennbaren Spruchpunkte vor, die separat anfechtbar wären. Der Beschluss betreffend Aufhebung und Zurückverweisung ist vielmehr aus mehreren Gründen anfechtbar, nämlich zum einen dann, wenn der Beschluss zu Unrecht anstelle einer Sachentscheidung ergangen ist, zum anderen aber dann, wenn das Verwaltungsgericht von einer für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist (vgl. - zu § 28 VwGVG - Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd, § 28 VwGVG Rz 87 und 138). Im vorliegenden Fall wird die Anfechtung auf eben diese beiden Gründe gestützt.
22 Das Bundesfinanzgericht hat im Spruch seiner Entscheidung die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Demnach ist die eingebrachte Revision, die als ordentliche und außerordentliche Revision bezeichnet wird, einheitlich als ordentliche Revision zu behandeln. Das Vorverfahren war demnach ausschließlich vom Bundesfinanzgericht zu führen, sodass insbesondere eine (neuerliche) Aufforderung zur Erstattung einer Revisionsbeantwortung an die belangte Behörde zu unterbleiben hatte. Fragen der Rechtzeitigkeit einer „außerordentlichen“ Revision (im Hinblick darauf, dass die Verfahrenshilfe - für eine ordentliche Revision - nur beim Bundesfinanzgericht beantragt wurde) stellen sich damit entgegen den Darlegungen im Vorlagebericht des Bundesfinanzgerichts nicht.
23 Nach § 269 Abs. 1 BAO haben die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Dies gilt aber nach lit. c dieser Bestimmung nicht für §§ 278 Abs. 3 und 279 Abs. 3 BAO (Bindung an die für den aufhebenden Beschluss bzw. für das Erkenntnis maßgebliche Rechtsanschauung).
24 Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
25 Gemäß § 278 Abs. 3 BAO sind die Abgabenbehörden im weiteren Verfahren an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
26 Zu § 279 Abs. 3 BAO (in der Fassung des Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 14/2013; gemeint offenbar auch § 278 Abs. 3 BAO) wurde in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2007 BlgNR 24. GP 19) ausgeführt, die in dieser Bestimmung normierte Bindungswirkung bestehe nur für Abgabenbehörden (somit nicht generell für Behörden); dies berücksichtige die Bedenken von Steiner (in Holoubek/Lang, Das Verfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat, 385 ff). An der angegebenen Stelle wendet sich Steiner vor allem gegen eine Bindung der Höchstgerichte in dem Fall, dass die Aufhebung und Zurückverweisung im ersten Rechtsgang unbekämpft geblieben ist, aber auch gegen eine Bindung der (damaligen) Berufungsinstanz im zweiten Rechtsgang.
27 Wenn für die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren die „Obliegenheiten“ des § 278 Abs. 3 BAO nicht gelten, so kann dies auch im Hinblick auf die Absicht des Gesetzgebers, die Bedenken Steiners in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, nur bedeuten, dass die Verwaltungsgerichte bei Bekämpfung des im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheides nicht an die vom Verwaltungsgericht selbst im Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden sind (vgl. Lang in Holoubek/Lang, Das Verfahren vor dem BVwG und dem BFG, 201 ff [208]; vgl. weiters Sutter, aaO, 267 ff [279]). Auch eine Bindung des Verwaltungsgerichtshofes an diese Rechtsanschauung scheidet aus.
28 Vor diesem Hintergrund ist eine Beschwer der Partei (§ 78 BAO) betreffend die in einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss dargelegte Rechtsanschauung (an sich) nicht gegeben. Diese Rechtsanschauung kann nur von der belangten Behörde, die an diese Rechtsanschauung gebunden ist, mittels Amtsrevision bekämpft werden; die belangte Behörde ist dabei befugt, die objektive Rechtswidrigkeit dieser Rechtsanschauung geltend zu machen.
29 Für die Partei (§ 78 BAO) ist aber eine im Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss dargelegte Rechtsanschauung im Hinblick darauf bekämpfbar, dass bei Zugrundelegung dieser Rechtsanschauung Ermittlungen erforderlich sein könnten, die bei Zugrundelegung der von der Partei geltend gemachten Rechtsanschauung überflüssig wären und damit gegen das Gebot der Raschheit und Kostenersparnis verstoßen könnten.
30 § 278 Abs. 1 BAO normiert den Vorrang der Entscheidung in der Sache vor einer ausnahmsweisen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde. Die Ausnahmebestimmung der Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung ist, an den Zielsetzungen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 orientiert, restriktiv (im Sinne eines engen Anwendungsbereiches) zu verstehen (vgl. ; , Ra 2017/15/0017, mwN).
31 Die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 278 Abs. 1 BAO ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Das Gericht hat dazu die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte zu bezeichnen und zu beurteilen und auch die Frage zu beantworten, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. , mwN).
32 Entgegen der im angefochtenen Erkenntnis nicht näher begründeten Ansicht ist nicht erkennbar, weshalb es nicht im Sinne einer raschen Feststellung des vom Bundesfinanzgericht für maßgeblich erachteten Sachverhaltes gelegen wäre, wenn das Bundesfinanzgericht selbst die als notwendig erachteten Ermittlungsschritte (etwa auch unter Erteilung konkreter Ermittlungsaufträge an die Abgabenbehörde) setzen und nach Maßgabe der Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 167 BAO den entscheidungswesentlichen Sachverhalt feststellen würde.
33 Wenn das Bundesfinanzgericht zur Zurückverweisung ergänzend ausführt, die Revisionswerberin sei durch den angefochtenen Bescheid mit einer Zahlungspflicht belastet, so kann dieser Zahlungspflicht aber durch einen Antrag auf Aussetzung (§ 212a BAO) entgegengetreten werden; die Zulässigkeit der Aufhebung und Zurückverweisung kann damit nicht begründet werden.
34 Schon aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Beschluss als rechtswidrig.
35 Zu der im Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss dargelegten Rechtsanschauung ist Folgendes auszuführen:
36 Der mit dem Jahressteuergesetz 2018, BGBl. I Nr. 62, eingeführte Abs. 3a des § 33 EStG 1988 - lit. d wurde mit dem Konjunkturstützungsgesetz 2020, BGBl. I Nr. 96 eingefügt, diese Bestimmung ist gemäß § 124b Z 361 EStG 1988 auch für Anträge betreffend das Kalenderjahr 2019 anzuwenden - lautet auszugsweise:
„(3a) Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
[...]
3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
– Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
– beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
– Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
– beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.
c) Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.
d) Der Antrag kann zurückgezogen werden. Ein Zurückziehen ist bis fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich und gilt nach Eintritt der Rechtskraft als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung sowohl für den Zurückziehenden als auch für den anderen Antragsberechtigten gemäß lit. a oder b. Wird der Antrag zurückgezogen, kann der gemäß lit. a oder b andere Antragsberechtigte den ganzen nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrag beantragen.
[...]“
37 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Jahressteuergesetz 2018 (190 BlgNR 26. GP 10) wird insbesondere ausgeführt, die Beantragung eines Familienbonus Plus in einer Höhe, durch die der Gesamtbetrag für das betreffende Kind überschritten werde, sei als Ereignis im Sinne des § 295a BAO anzusehen, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Umfang des Abgabenanspruches habe. Werde also durch eine weitere anspruchsberechtigte Person mehr an Familienbonus Plus beantragt, als für dieses Kind auf Grund eines vorangegangenen Bescheides an eine andere Person noch zustehen würde, sei der erste Bescheid, sofern dieser mehr als die Hälfte des Familienbonus Plus zugesprochen habe, von Amts wegen gemäß § 295a BAO abzuändern und der halbe Familienbonus zuzuerkennen.
38 Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, unter näher genannten Voraussetzungen ein Unterhaltsabsetzbetrag zu.
39 Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder den Umfang eines Abgabenanspruches hat.
40 § 295a BAO ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von vor Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses erlassenen Bescheides. Es ist eine Frage des Inhalts bzw. der Auslegung der materiellrechtlichen Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung zukommt (vgl. , mwN).
41 Der Verwaltungsgerichtshof teilt die - im Revisionsverfahren nicht strittige - Ansicht des Finanzamts und des Bundesfinanzgerichts, dass ein Antrag eines Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, auf Zuerkennung des Familienbonus Plus als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO betreffend einen bereits an die Familienbeihilfenberechtigte ergangenen Bescheid, mit dem der Familienbonus Plus zur Gänze zuerkannt worden war, zu beurteilen ist. Anders als betreffend die Zurückziehung des Antrags (§ 33 Abs. 3a Z 3 lit. d EStG 1988) wurde dies zwar im Gesetz nicht ausdrücklich normiert, es entspricht aber der eindeutig aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Jahressteuergesetz 2018 (190 BlgNR 26. GP 9 ff; vgl. dort auch die Beispiele 1 und 3) ableitbaren Absicht des Gesetzgebers, die auch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar ist.
42 Strittig ist im Verfahren, ob G im Jahr 2020 (für einige Monate) ein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht.
43 Der Familienbonus Plus ist mit dem Unterhaltsabsetzbetrag verknüpft. Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu. Für einen Monat, für den ein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht der Familienbonus Plus hingegen - je nach Wahl der Beteiligten - entweder einer der beiden Personen (Familienbeihilfeberechtigte, Unterhaltsverpflichteter) zur Gänze oder aber diesen beiden Personen jeweils zur Hälfte zu.
44 Der Unterhaltsabsetzbetrag steht nur zu, wenn der gesetzliche Unterhalt geleistet wird. Grundlage für die Frage der Erfüllung der Unterhaltspflicht ist ein Unterhaltsvergleich oder ein richterlich festgesetztes Unterhaltsausmaß (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Familienbesteuerungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 312, 463 BlgNR 18. GP 9). Der Begriff des „gesetzlichen“ Unterhalts dient zur Abgrenzung von Unterhalt, der freiwillig oder allenfalls aus sittlichen Gründen gewährt wird. Es sind - insbesondere bei einem Unterhaltsvergleich - nur jene Leistungen zu berücksichtigen, die im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung erfolgen (vgl. - insoweit zum Unterhalt an den geschiedenen Ehepartner - ; vgl. auch § 69a Abs. 1 Ehegesetz, wonach der auf Grund einer Scheidungsvereinbarung nach § 55a Ehegesetz geschuldete Unterhalt einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten ist, soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist). Voraussetzung für die Zuerkennung des Unterhaltsabsetzbetrages ist aber nicht, dass der geschuldete Unterhalt zur Gänze gezahlt wird. Es entspricht vielmehr dem Gesetz, den Unterhaltsanspruch nicht voll abdeckende Zahlungen in voll geleistete Monatsbeträge umzurechnen. Dabei ist eine auf das einzelne Kind bezogene Betrachtung vorzunehmen (vgl. ).
45 Zunächst sind die Zahlungen somit den einzelnen Kindern zuzuordnen. Leistet - wie im vorliegenden Fall - ein Schuldner (G) mehrerer Gläubiger (drei Kinder) an einen gemeinsamen Empfänger (die Revisionswerberin), ist in erster Linie eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger (allenfalls durch den gemeinsamen Empfänger) zu berücksichtigen. Liegt eine derartige Vereinbarung nicht vor, ist die Bestimmung des Gläubigers, der die Leistung erhalten soll, allein Sache des Schuldners (vgl. ).
46 Die in dieser Weise einem bestimmten Kind zuzuordnenden Zahlungen sind sodann weiters bestimmten Zeiträumen zuzuordnen. Die mit dem Abgabenänderungsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 108, eingefügte Bestimmung des § 33 Abs. 4 Z 3 lit. e EStG 1988, wonach Nachzahlungen von gesetzlichen Unterhaltsleistungen ausschließlich im Kalenderjahr der Zahlung zu berücksichtigen sind, ist im vorliegenden Verfahren (mangels Übergangsbestimmung) noch nicht anwendbar. Soweit dazu in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1534 BlgNR 27. GP 13) ausgeführt wird, es solle die steuerliche Behandlung u.a. von nachgezahlten Unterhaltsleistungen gesetzlich klargestellt und die bisherige Verwaltungsmeinung (LStR 2002 Rz 799) übernommen werden, so ist zunächst darauf zu verweisen, dass diese Verwaltungsmeinung erst seit dem Wartungserlass 2019 mit diesem Inhalt besteht. Es entspricht aber der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. neuerlich ), dass die Erfüllung der Unterhaltspflichten im Entscheidungszeitpunkt des Bundesfinanzgerichts zu beurteilen ist. Demnach waren etwa auch - nach dem dort zu beurteilenden Sachverhalt - Zahlungen in den Jahren 2008 oder 2011 für die Erfüllung der die Jahre 2006 und 2007 betreffenden Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Nach der hier noch anwendbaren Rechtslage ist demnach nicht entscheidend, ob im jeweiligen Jahr Zahlungen geleistet wurden, sondern welchem Jahr diese Zahlungen zuzuordnen sind; sie sind für jenes Jahr zu berücksichtigen, für das sie geleistet worden sind (vgl. neuerlich die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Familienbesteuerungsgesetz 1992).
47 Demnach kommt es auch für die zeitliche Zuordnung der Zahlungen in erster Linie auf eine allfällige Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger an. Liegt eine derartige Vereinbarung nicht vor, ist in zweiter Linie die Zahlungswidmung des Schuldners von Bedeutung, wenn dieser vom Gläubiger nicht widersprochen wird. Liegt keine Zahlungswidmung vor oder wird dieser vom Gläubiger widersprochen, ist die Zahlung aber zunächst zur Abdeckung des laufenden Unterhalts zu verwenden; erst die Beträge, die über den laufenden Unterhalt hinausgehen, sind auf den Rückstand zu verrechnen. Dies gilt insbesondere auch für Zahlungen, die im Zuge eines Exekutionsverfahrens erlangt werden (vgl. ).
48 Der angefochtene Beschluss war aber bereits aus dem oben angeführten Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
49 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | AbgÄG 2022 AVG §59 Abs1 BAO §269 Abs1 BAO §278 Abs1 BAO §278 Abs3 BAO §279 Abs1 BAO §295a BAO §78 B-VG Art133 Abs4 B-VG Art133 Abs6 Z1 B-VG Art133 Abs6 Z2 B-VG Art133 Abs9 EheG §69a Abs1 EStG 1988 §33 Abs3a EStG 1988 §33 Abs3a Z3 EStG 1988 §33 Abs3a Z3 litd EStG 1988 §33 Abs4 Z3 EStG 1988 §33 Abs4 Z3 lite idF 2022/I/108 FamilienbesteuerungsG 1992 JStG 2018 VwGG §25a Abs1 VwGG §30a Abs4 VwGG §30a Abs7 VwGG §34 Abs1 VwGG §36 Abs1 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Ermessen VwRallg8 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Trennbarkeit gesonderter Abspruch |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RO2023130017.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-46764