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VwGH 20.05.2022, Ra 2022/15/0034

VwGH 20.05.2022, Ra 2022/15/0034

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
BAO §303 Abs1 litb
RS 1
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" bezieht sich damit auf den Wissensstand (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0045).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/15/0106 E RS 1
Normen
BAO §20
BAO §303 Abs1 litb
VwRallg
RS 2
Bei der Wiederaufnahme des Verfahrens ist zwischen der Rechtsfrage, ob der Tatbestand einer Wiederaufnahme gegeben ist, und der Frage der Durchführung der Wiederaufnahme, die im Ermessen der Behörde liegt, zu unterscheiden (vgl. ). Die Subsumption, ob ein bestimmter Sachverhalt den Wiederaufnahmetatbestand der neu hervorgekommenen Tatsachen iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO erfüllt, stellt somit keine Ermessensentscheidung dar; sie hängt nicht davon ab, ob ein behördliches Verschulden an der früheren Unkenntnis über maßgebliche Tatsachen gegeben ist (vgl. etwa ; , 2006/13/0114; , 2002/13/0029; , 2006/14/0002; und , 98/13/0026).
Norm
RS 3
Bei einer Aufrechnung fließt der Forderungsbetrag im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufrechnung zu.
Norm
EStG 1988 §27a Abs3 Z2 lita
RS 4
Bei realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27a Abs. 3 Z 2 lit. a EStG 1988 ist als Einkünfte der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen. Der VwGH hat zu vergleichbaren Bestimmungen, ausgesprochen, dass positive Einkünfte in einem solchen Fall erst dann anfallen, wenn die zugeflossenen Einnahmen die Anschaffungskosten übersteigen (vgl. etwa , welches zu § 30 Abs. 4 EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, ergangen ist).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des N L in A, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5101447/2017, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 2014 sowie Umsatz- und Einkommensteuer 2014, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Beim Revisionswerber, einem Autohändler, wurde eine die Jahre 2012 bis 2014 umfassende Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer stellte formelle und materielle Mängel der Buchführung fest und erhöhte die vom Revisionswerber erklärten Umsätze und Einnahmen um einen Sicherheitszuschlag von 20%. Weiters vertrat er den Standpunkt, dem Revisionswerber seien im Jahr 2014 mit dem besonderen Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 EStG 1998 idF BGBl. I Nr. 112/2012 zu versteuernde Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 427.993,28 € zugeflossen, die aus der Veräußerung seiner Beteiligung an der X GmbH im Jahr 2013 resultierten.

2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer, verfügte u.a. die Wiederaufnahme der Umsatz- und Einkommensteuerverfahren 2014, und erließ den Feststellungen des Prüfers entsprechende Sachbescheide.

3 Der Revisionswerber brachte gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatz- und Einkommensteuerverfahren 2014 und gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2014 Beschwerde ein und stellte gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO den Antrag auf Unterlassen einer Beschwerdevorentscheidung.

4 Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und setzte den vom Prüfer verhängten Sicherheitszuschlag von 20% auf 10% herab. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab.

6 In Bezug auf die vom Prüfer gerügten Mängel der Bücher und Aufzeichnungen stellte das Bundesfinanzgericht fest, der Revisionswerber habe dem Finanzamt im Dezember 2013 bekanntgegeben, er werde ab das Gewerbe der Fahrzeugvermittlung und des Fahrzeughandels ausüben. Der Gewinn für das Jahr 2014 sei gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 durch doppelte Buchführung ermittelt worden, welche folgende Mängel aufweise: Das Kassabuch des Jahres 2014 sei unvollständig und habe nur eine Seite umfasst. Auf vorgelegten Ein- und Ausgangsrechnungen vom  (1.400 €),  (8.500 €),  (442,52 €) und 6. Oktober (19.000 €) vermerkte Barzahlungen seien im Kassabuch nicht erfasst. Die erfassten Belege seien nicht nummeriert und das Kassabuch weise keinen Abschluss auf. In der Buchführung werde kein Kassastand ausgewiesen. Ein Bank- oder Kassakonto scheine dort auch nicht auf. Die Zahlungsflüsse betreffenden Buchungen seien unterschiedslos auf einem Konto mit der Bezeichnung „Privat“ verbucht und die Geschäftsfälle nicht chronologisch erfasst worden, zumal Geschäftsfälle mit den Belegnummern 79 bis 87, die Belege für den Zeitraum März 2014 beträfen, erst nach den Belegen für den Zeitraum September 2014 erfasst worden seien. Am sei auf einem Bankkonto des Revisionswerbers eine Scheckgutschrift über 11.500 € ersichtlich. Dabei handle es sich angeblich um die Rückführung eines Betrages, den der Revisionswerber zuvor seinem vormaligen Dienstgeber geliehen habe. Die Herkunft des vom Revisionswerber verliehenen Betrages habe nicht geklärt werden können. Am scheine auf dem besagten Bankkonto des Revisionswerbers weiters ein Zahlungseingang der Y Leasing GmbH in Höhe von 2.875 € auf. Dabei handle es sich um eine Bonifikation für die Vermittlung von Leasingfinanzierungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Revisionswerbers als KFZ-Händler stünde und nicht als Betriebseinnahme erfasst worden seien.

7 Hinsichtlich der im Jahr 2014 erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen gab das Bundesfinanzgericht die wesentlichen Bestimmungen des Notariatsaktes vom wieder, mit dem der Revisionswerber seine Anteile an der X GmbH veräußert hat. Sodann stellte es fest, der Käufer habe dem Revisionswerber im August 2013 ein Darlehen von 334.000 € gewährt. Laut Punkt II des Abtretungsvertrages stelle dieses Darlehen einen Teil des Kaufpreises dar, der bis mit dem vereinbarten Kaufpreis zu verrechnen (aufzurechnen) sei. Im Jahr 2014 seien vom Käufer zudem weitere 465.795,13 € an den Revisionswerber überwiesen worden, wodurch sich ein Kaufpreis von 799.795,13 € ergeben habe. Für die Beteiligung an der X GmbH, ergäben sich Gesamtanschaffungskosten von 371.804,85 €.

8 Am habe der Prüfer dem Revisionswerber die im Rahmen der Außenprüfung getroffenen Feststellungen zur Kenntnis gebracht und in Bezug auf die Zuflüsse auf seinem Bankkonto vom  (2.875 €) sowie vom  (11.500 €) um Aufklärung ersucht. Von der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Stelle habe er am Beginn der Außenprüfung den Veranlagungsakt angefordert und gleichzeitig mitgeteilt, dass die Erklärungen für 2014 elektronisch eingereicht worden seien und veranlagt werden könnten. Die Erstbescheide für die Umsatz- und Einkommensteuer 2014 seien am ergangen. Grundlage seien die eingereichten Umsatz- und Einkommensteuererklärungen samt Beilagen gewesen. Von den Ermittlungsergebnissen des Prüfers habe die für die Abgabenfestsetzung zuständige Stelle keine Kenntnis gehabt.

9 In rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhalts führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auf das Wesentliche zusammengefasst aus, im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung seien die Mängel der Buchführung und des Kassabuchs im Einzelnen dargestellt. Diese seien bei Erlassung der Erstbescheide nicht bekannt gewesen und stellten neu hervorgekommene Tatsachen dar, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigten, zumal es für die Frage, ob Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO für die Abgabenbehörde neu hervorgekommen seien, nicht auf die Kenntnis irgendeines Organwalters im Finanzamt ankomme, sondern darauf ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt gewesen seien. Letzteres treffe im Revisionsfall nicht zu. Die Verfügung der Wiederaufnahme liege im Ermessen der Abgabenbehörde. Von einer Wiederaufnahme sei in der Regel nur dann abzusehen, wenn die steuerlichen Auswirkungen absolut und relativ bloß geringfügig seien, was im Revisionsfall, selbst bei Außerachtlassung der auf den Anteilsverkauf entfallenden Mehrsteuern, ebenfalls nicht zutreffe.

10 Die Bücher und Aufzeichnungen des Revisionswerbers entsprächen nicht den Vorschriften des § 131 BAO. Die festgestellten Mängel - auch im Zusammenhang mit der Nichterfassung der Bonifikation von 2.875 € - seien gravierend. Es sei nicht auszuschließen, dass vom Revisionswerber neben der Bonifikation noch weitere Einnahmen nicht erfasst worden sei, zumal gerade im Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen viele Bargeschäfte mit Privaten durchgeführt würden. Im Hinblick auf die festgestellten Mängel seien die Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2014 im Schätzungsweg zu ermitteln. Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages, dessen Höhe sich nach den Besonderheiten des Schätzungsfalles zu richten habe, gehöre zu den Elementen einer Schätzung. Lägen - wie im Revisionsfall - mehrere Buchführungsmängel vor, sei die Verhängung eines Sicherheitszuschlages in Höhe von 10% der erklärten Umsätze in der Regel gerechtfertigt (Hinweis auf ; und , 2006/13/0164), weshalb der vom Prüfer verhängte Sicherheitszuschlag entsprechend zu vermindern sei.

11 Hinsichtlich der Einkünfte aus der Veräußerung der Anteile an der X GmbH sei allein strittig, ob sich durch die im Jahr 2006 erfolgte Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln auch die Anschaffungskosten der Beteiligung erhöht hätten. Das treffe nicht zu, weil nach der im Jahr 2006 geltenden Bestimmung des § 6 Z 15 EStG 1988 bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 3 Abs. 1 Z 29 EStG 1988) für die Anteilsrechte und Freianteile jene Beträge anzusetzen seien, die sich bei Verteilung des bisherigen Buchwertes entsprechend dem Verhältnis der Nennwerte der Anteilsrechte und Freianteile ergeben würden. Mit dieser Bestimmung - die der Gesetzgeber nahezu unverändert in den mit dem BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, neu geschaffenen § 27a EStG 1988 übernommen habe (§ 27a Abs. 4 Z 4 EStG 1988) - werde normiert, dass die anlässlich einer Kapitalberichtigung ausgegebenen Freianteile mangels eines steuerpflichtigen Vermögenszuganges (der Erwerb von Anteilsrechten auf Grund einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sei gemäß § 3 Abs. 1 Z 29 EStG 1988 steuerfrei) keinen eigenständigen Wertansatz hätten. Vielmehr werde der Wertansatz der Altanteile auf die Alt- und Neuanteile verteilt. Demnach habe die im Jahr 2006 erfolgte Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln die Anschaffungskosten der Beteiligung nicht erhöht. Der Veräußerungserlöse habe sich - ausgehend von der Höhe des Darlehens, dass bis zum mit dem vereinbarten Kaufpreis zu verrechnen (aufzurechnen) gewesen sei, und der im Jahr 2014 festgestellten Zuflüsse - auf 799.795,13 € belaufen und die Anschaffungskosten der Beteiligung hätten insgesamt 371.801,85 € betragen, woraus sich Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe von 427.993,28 € ergäben. Die zeitliche Zuordnung der Einkünfte richte sich nach dem tatsächlichen Zufluss beim Steuerpflichtigen (§ 19 EStG 1988). Der Käufer habe die Zahlungen erst im Jahr 2014 geleistet, weshalb die Einkünfte erst 2014 zu erfassen seien.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Im Zulässigkeitsvorbringen der Revision wird der Standpunkt vertreten, die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Wissenstand des Finanzamtes im Falle einer Wiederaufnahme des Verfahrens sei uneinheitlich. Nach dem im angefochtenen Erkenntnis zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/13/0127, sei entscheidend, ob der abgabenfestsetzenden Stelle (Veranlagungsabteilung) alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt gewesen seien. Nach dieser Judikaturlinie stünden die Kenntnisse eines Prüfers der Wiederaufnahme nicht entgegen, wenn er der abgabenfestsetzenden Stelle die konkret relevanten Sachverhalte nicht vor Erlassung des Bescheides mitgeteilt habe. Nach einer anderen Judikaturlinie sei die Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens hingegen dann ausgeschlossen, wenn der „Abgabenbehörde“ in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (Hinweis auf , Rz 20). Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der Abgabenbehörde sei demnach schon innerhalb der Verfahrenswiederaufnahme uneinheitlich. Außerhalb des § 303 BAO stelle der Verwaltungsgerichtshof - soweit überblickbar - durchgehend auf die Abgabenbehörde als Ganzes ab (Hinweis auf , das zu § 162 BAO ergangen ist; und , 94/16/0010, das Fragen der Verjährung betrifft).

17 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO) nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln bezieht sich damit auf den Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (vgl. , mit weiteren Nachweisen).

19 Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/15/0097, lag ein Fall zugrunde, in dem die Einkünfte des dortigen Mitbeteiligten von der dafür zuständige Stelle erklärungsgemäß veranlagt wurden. Weitere für die Abgabenbemessung relevante Tatsachen sind erst im Rahmen einer danach durchgeführten Außenprüfung bekannt geworden. Die Frage, ob diese neuen Tatsachen - zum Zeitpunkt der Veranlagung - einer für die Veranlagung nicht zuständigen Stelle des Finanzamts bekannt gewesen sind, stellte sich nicht, weshalb keine Notwendigkeit für eine diesbezügliche Differenzierung bestand. Das Vorliegen einer uneinheitlichen Rechtsprechung zur Wiederaufnahme des Verfahrens ist aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/15/0097, somit nicht ableitbar. Im Revisionsfall ist die Veranlagung zur Einkommensteuer 2014 während einer laufenden Außenprüfung erfolgt und die für die Abgabenfestsetzung zuständige Stelle hat nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts keine Kenntnis von den Ermittlungsergebnissen des Prüfers gehabt.

20 Soweit die Revision ihre Zulässigkeit damit zu begründen versucht, dass sich das Erkenntnis vom , 99/13/0253, in dem der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausgesprochen hat, ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung maßgeblicher Tatsachen steht der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO nicht entgegen, in einem unüberbrückbaren Widerspruch zu § 20 BAO und den Rz 33 bis 35 des zu dieser Bestimmung ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2019/15/0125 befindet, ist ihr folgendes zu entgegnen:

21 Dem genannten Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0125, ist zu entnehmen, dass bei der Wiederaufnahme des Verfahrens zwischen der Rechtsfrage, ob der Tatbestand einer Wiederaufnahme gegeben ist, und der Frage der Durchführung der Wiederaufnahme, die im Ermessen der Behörde liegt, zu unterscheiden ist. Die Subsumption, ob ein bestimmter Sachverhalt den Wiederaufnahmetatbestand der neu hervorgekommenen Tatsachen iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO erfüllt, stellt somit keine Ermessensentscheidung dar; sie hängt nicht davon ab, ob ein behördliches Verschulden an der früheren Unkenntnis über maßgebliche Tatsachen gegeben ist (vgl. etwa ; , 2006/13/0114; , 2002/13/0029; , 2006/14/0002; und , 98/13/0026).

22 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, das Bundesfinanzgericht habe Sicherheitszuschläge verhängt, obwohl es nur eine einzige unberücksichtigt gebliebene Einnahme, konkret die unecht steuerfreie Bonifikation der Y Leasing GmbH über 2.875 € gegeben habe, entfernt sich die Revision vom im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt.

23 Das Bundesfinanzgericht stellte - unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Prüfers - gravierende Mängel der Buch- und Kassabuchführung fest. Dass die vom Bundesfinanzgericht aufgezeigten formellen Mängel nicht bestanden hätten oder von vornherein nicht geeignet gewesen wären, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen des Revisionswerbers in Zweifel zu ziehen, zeigt die Revision fallbezogen nicht auf. Zu den festgestellten formellen Mängeln trat der Umstand hinzu, dass die einem Bankkonto des Revisionswerbers gutgeschriebene Bonifikation der Y Leasing GmbH über 2.875 € nicht als Betriebseinnahme erfasst worden ist, obwohl sie - von der Revision unwidersprochen - in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Revisionswerbers als KFZ-Händler steht. Die im angefochtenen Erkenntnis erfolgte Verhängung eines 10%igen Sicherheitszuschlages steht daher im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Gegenteiliges geht auch aus dem im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens zitierten Beschluss vom , Ra 2020/15/0048, nicht hervor. Dort hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Behörde bei Vorliegen formeller Fehler der Bücher und Aufzeichnungen, die begründetermaßen zu Zweifeln an der sachlichen Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen Anlass geben, nicht den Nachweis erbringen muss, dass das Ergebnis der genannten Unterlagen mit den Wirtschaftsabläufen tatsächlich nicht übereinstimmt.

24 Im Zusammenhang mit dem Verkauf der Beteiligung an der X GmbH wird im Zulässigkeitsvorbringen gerügt, das angefochtene Erkenntnis sei mit dem Zuflussprinzip des § 19 EStG 1988 unvereinbar, weil dem Revisionswerber bereits im Jahr 2013 ein Teil des Veräußerungserlöses zugeflossen sei. Es gebe gemäß der Niederschrift über die Schlussbesprechung zwei Zahlungseingänge vom über insgesamt 334.000 €, die dem Revisionswerber bereits im Jahr 2013 zur Verfügung gestanden seien.

25 Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass es sich bei den Zahlungseingängen vom um Darlehensgewährungen handelt, die erst durch ihre Aufrechnung (Kompensation) mit dem Kaufpreis zum Entgelt aus der Veräußerung der Anteile an der X GmbH geworden sind. Bei einer Aufrechnung fließt der Forderungsbetrag im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufrechnung zu (vgl. Mayr/Haydn in Doralt et al, EStG18, § 19, Tz 30; Peyerl in Jakom EStG 2020, § 19 Rz 26, ABC der Einnahmen und Ausgaben, Stichwort: Aufrechnung (Kompensation); Büsser in Hofstätter/Reichel, EStG § 19 Rz 50, Stichwort: Aufrechnung).

26 Das Bundesfinanzgericht ging im angefochtenen Erkenntnis - unter Bezugnahme auf Punkt II des Abtretungsvertrages und den Umstand, dass der Käufer erst im Jahr 2014 Zahlungen geleistet habe - davon aus, dass Aufrechnung und Zahlung im Jahr 2014 erfolgt und der Kaufpreis demnach zur Gänze im Jahr 2014 zugeflossen sei. Dass die Darlehensschulden bereits im Jahr 2013 mit der vereinbarten Kaufpreisforderung verrechnet (aufgerechnet) worden wären, wurde weder im Verwaltungs- noch im Beschwerdeverfahren vorgebracht. Auch im Zulässigkeitsvorbringen der Revision wird dies nicht behauptet.

27 In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass bei realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27a Abs. 3 Z 2 lit. a EStG 1988 als Einkünfte der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen ist und der Verwaltungsgerichtshof zu vergleichbaren Bestimmungen, ausgesprochen hat, dass positive Einkünfte in einem solchen Fall erst dann anfallen, wenn die zugeflossenen Einnahmen die Anschaffungskosten übersteigen (vgl. etwa , welches zu § 30 Abs. 4 EStG 1988 idF vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, ergangen ist). Die Anschaffungskosten der in Rede stehenden Beteiligung haben 371.801,85 € betragen und wären selbst für den Fall, dass die Darlehensschulden bereits im Jahr 2013 mit der Kaufpreisforderung verrechnet worden sein sollten, im Jahr 2013 nicht überschritten worden.

28 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §20
BAO §303 Abs1 litb
EStG 1988 §19
EStG 1988 §27a Abs3 Z2 lita
VwRallg
Schlagworte
Ermessen VwRallg8
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022150034.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAF-46072