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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.09.2024, RV/2100752/2021

Umsatzbesteuerung von weiterverrechneten Roaminggebühren ausländischer Telekommunikationsunternehmen an ihre ausländischen Kunden

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/2100752/2021-RS1
wie RV/2100058/2023-RS1
Die vom EuGH getroffene Feststellung, die Telekom-VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 entspreche dem Unionsrecht, hat auch im Lichte des Melbourne-Abkommens Gültigkeit.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH, Renngasse 1 Tür Freyung, 1010 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich Steuernummer ***BF1StNr1*** vom betreffend
1. Umsatzsteuervorauszahlungen 01-12/2015 in Höhe von 3.462,95 €
2. Umsatzsteuervorauszahlungen 01-12/2016 in Höhe von 5.726,28 €
3. Umsatzsteuervorauszahlungen 04/2017 in Höhe von 25.097,83 €

sowie vom betreffend

4. Umsatzsteuer 2015 (Zahllast 38.705,09 €)
5. Umsatzsteuer 2016 (Zahllast 38.067,61 €)
6. Umsatzsteuer 2017 (Zahllast 39.269,32 €)

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden gegen die oa. Bescheide 4.-6. (Jahresumsatzsteuer) werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerden vom bzw. zu den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheiden 1.- 3., welche gemäß § 253 BAO als gegen die Umsatzsteuerjahresbescheide 2015, 2016 und 2017 gerichtet gelten, werden hiermit miterledigt, da diese Bescheide bereits aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision hinsichtlich der Bescheide 4.- 6. (Jahresumsatzsteuer) an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In den angefochtenen Bescheiden wurden die Umsatzsteuervorauszahlungen für 1-12/2015, 1-12/2016 und 4/2017 mit entsprechenden Zahllasten festgesetzt. In seiner Begründung verwies das Finanzamt darauf, es seien nachträgliche Rabatte näher bezeichneter inländischer Telefongesellschaften gewährt worden, die zu einer Verminderung des Vorsteuerabzuges führten.

In ihren Beschwerden betr. USt 1-12/2015, 1-12/2016 (OZ. 8) und USt 4/2017 (OZ. 9) führte die Bf. Folgendes aus:
"…
Bf. ist aus derartigen Eingangsrechnungen grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt. Kommt es zur nachträglichen Gewährung von Preisnachlässen oder Rabatten,so ist ein in Anspruch genommener Vorsteuerabzug unstrittigerweise in jenem Zeitraum, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eintritt, zu berichtigen (§16 Abs. 1 Z 2 UStG).

1. Höhe der Rabatte
Im gegenständlichen Fall wurden vom Finanzamt G. folgende Minderungen der Bemessungsgrundlage für Telekommunikationsdienstleistungen festgestellt:
• Entgeltsminderung iHv EUR 3.462,95 (VSt-Betrag) aufgrund einer Gutschrift von D. aus 2015
• Entgeltsminderung iHv EUR 5.726,28 (VSt-Betrag) aufgrund einer Gutschrift von A. aus 2016
• Die Festsetzung der gegenständlichen Entgeltsminderung erfolgte vom Finanzamt
G. basierend auf einer unstrittiger Weise vorliegenden Gutschrift der A. vom . Die Festsetzung erweist sich ungeachtet der nachstehendenAusführungen bereits deshalb als rechtswidrig, weil der in der Gutschrift ausgewieseneUSt-Betrag iHv USD 25.097,83 vom Finanzamt als Grundlage für eine Verminderung desVSt-Abzuges iHv EUR 25.097,83 herangezogen wurde und daher ganz offensichtlich dieerforderliche Umrechnung in Euro unterblieben ist.
Ungeachtet dessen erweist sich die Festsetzung auch deshalb als rechtswidrig, da sich die
gegenständliche Gutschrift entsprechend den Angaben auf dem Beleg auf von der A. im Jahr 2016 erbrachte Leistungen bezieht. Der Antrag unseresMandanten auf Erstattung von Versteuern für das Jahr 2016 wurde vom Finanzamt G. jedoch abgewiesen. Kommt es für einen Veranlagungszeitraum zu keinerVorsteuererstattung, so führt jedoch auch eine spätere Reduzierung dieserVorsteuerbeträge aufgrund nachträglicher Rabatte zu keinen umsatzsteuerlichenKonsequenzen in Österreich. Dies ergibt sich neben dem Sinn und Zweck des § 16 UStGauch eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut des § 16 Abs. 1 Z 2 UStG, wonach derLeistungsempfänger (nur) einen "in Anspruch genommenen" Vorsteuerabzug zuberichtigen hat (ebenso Gaedke/Huber-Wurzinger in Melhard/Tumpel,UStG2, § 16 Tz 100).

a) Gutschrift von D. (2015)
Nach Auskunft unseres Mandanten hat dieser im Jahr 2015 von D. keine Gutschrift oder Rabatte erhalten. Da somit keine Entgeltsminderung iSd § 16 UStG vorliegt und dementsprechend keine Berichtigung eines VSt-Abzugs vorzunehmen ist, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig und beantragen wir dessen ersatzlose Aufhebung.

Selbst wenn es im Jahr 2015 zu der vom Finanzamt unterstellten Gutschrift gekommen wäre, wäre gegenständlich keine Entgeltsminderung vorzunehmen. Dies deshalb, weil sich Gutschriften von Telekommunikationsanbietern erfahrungsgemäß stets auf das vorangegangene Kalenderjahr beziehen. Da Bf. für das Jahr 2014 keine VSt-Erstattung in Österreich beantragt hat, würde auch eine allfällige Reduzierung dieser Vorsteuerbeträge aufgrund nachträglicher Rabatte zu keinen umsatzsteuerlichen Konsequenzen in Österreich führen. Dies ergibt sich neben dem Sinn und Zweck des § 16 UStG auch eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut des § 16 Abs. 1 Z 2 UStG, wonach der Leistungsempfänger (nur) einen "in Anspruch genommenen" Vorsteuerabzug zu berichtigen hat (ebenso Gaedke/Huber-Wurzinger in Melhard/ Tumpel, UStG2, § 16 Tz 100).

b) A. (2016)
Nach Auskunft unseres Mandanten hat dieser im Jahr 2016 von der A. lediglich eine mit datierte Gutschrift erhalten, welche jedoch am gleichen Tag von der A. Austria storniert wurde (vgl anbei). Eine weitere Gutschrift wurde von A. erst im Jahr 2017 ausgestellt und betrifft somit nicht den gegenständlichen Veranlagungszeitraum. Da somit im Jahr 2016 keine Entgeltsminderung iSd § 16 UStG vorliegt und dementsprechend keine Berichtigung eines VSt-Abzugs vorzunehmen ist, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig und beantragen wir dessen ersatzlose Aufhebung.

Selbst wenn es im Jahr 2016 zu der vom Finanzamt unterstellten Gutschrift durch A. gekommen wäre -welche sich vermutlich auf das Jahr 2015 beziehen würde -, wäre gegenständlich keine Entgeltsminderung vorzunehmen. Dies deshalb, weil das Finanzamt G. die Vorsteuererstattung an unseren Mandanten für das Jahr 2015 verweigert bzw. bereits erstattete Vorsteuern im Rahmen von Wiederaufnahmen des Verfahrens zurückgefordert hat. Kommt es für diese Veranlagungszeiträume zu keiner Vorsteuererstattung, so führt auch eine allfällige Reduzierung dieser Vorsteuerbeträge aufgrund nachträglicher Rabatte zu keinen umsatzsteuerlichen Konsequenzen in Österreich. Dies ergibt sich neben dem Sinn und Zweck des § 16 UStG auch eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut des § 16 Abs. 1 Z 2 UStG, wonach der Leistungsempfänger (nur) einen "in Anspruch genommenen" Vorsteuerabzug zu berichtigen hat (ebenso Gaedke/Huber-Wurzinger in Melhard/Tumpel, UStG2, § 16 Tz 100).
Der Vollständigkeit halber weisen wir darauf hin, dass Bf. im Jahr 2016 von D. eine Gutschrift (vgl anbei) über im Jahr 2015 erbrachte Leistungen erhalten hat, wobei auf den gutgeschriebenen Betrag ein VSt-Abzug iHv EUR 275,60 entfällt. Auch diese Gutschrift führt jedoch wie dargestellt zu keiner Entgeltsminderung in 2016, da die ursprüngliche VSt-Erstattung für das Jahr 2015 vom Finanzamt verweigert wird (vgl dazu oben).

2. Verfahrensrechtliche Aspekte

Die gegenständlichen Entgeltsminderungen aufgrund von Rabatten wurden vom Finanzamt G. mit gesonderten Bescheiden über die Festsetzung von Umsatzsteuer für den Zeitraum 01-12/2015 bzw. 1-12/2016 - d.h. im Veranlagungsverfahren -festgesetzt. Daneben existieren für unseren Klienten auch Bescheide über die Verweigerung der Erstattung von Vorsteuern für die gegenständlichen Zeiträume. Es wird daher über den gleichen Veranlagungszeitraum sowohl im Veranlagungs- als auch im Erstattungsverfahren abgesprochen. Diese Vorgehensweise ist uE verfahrensrechtlich unzulässig, da es für jeden Veranlagungszeitraum nur einen Bescheid - entweder im Veranlagungs- oder im Erstattungsverfahren -geben darf.
Im Fall von Bf. ist richtigerweise ausschließlich das Vorsteuererstattungsverfahren anwendbar, da Bf. ein ausländischer Unternehmer ist, der keine umsatzsteuerbaren Ausgangsumsätze in Österreich ausführt und somit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 der VO BGBl 1995/279 idgF erfüllt. Auch das allfällige Vorliegen von Entgeltsminderungen für mit österreichischer USt bezogene Eingangsleistungen führt nicht dazu, dass Bf. in Österreich steuerbare Umsätze iSd §1 Abs. 1 Z 1 VO BGBl 1995/279 idgF ausführt, da es sich bei der Entgeltsminderung nur um eine Korrektur (Reduktion) des ursprünglichen Vorsteuerabzugs handeln würde (vgl. auch § 16 Abs. 1 Z 2 UStG). Bf. bleibt daher ein
ausländischer Unternehmer, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 VO BGBl 1995/279idgF erfüllt und über dessen Vorsteuerbeträge ausschließlich im Erstattungsverfahrenauszusprechen ist, wobei die in dem jeweiligen Erstattungszeitraum erhaltenenEingangsrechnungen zu einer Erhöhung des Vorsteuerabzugs führen und in diesem

Zeitraum erhaltene allfällige Entgeltsminderungen zu einer entsprechenden Verminderungdes Vorsteuerabzugs. Dieses Verständnis entspricht auch der Rechtsauffassung des BMF(vgl. die Ausführungen auf Seite 2 des amtlichen Vordrucks U5), welches davon ausgeht,dass Entgeltsminderungen für Eingangsrechnungen aus früheren Erstattungszeiträumenvon drittländischen Unternehmern im Rahmen des Vorsteuererstattungsantrages für denZeitraum, in dem die Entgeltsminderung eintritt, zu melden sind und die für diesenZeitraum zu erstattenden Vorsteuern kürzen.
3. Festsetzung von Verspätungszuschlägen
Durch Verspätungszuschläge gem.
§ 135 BAO wird die nicht fristgerechte Abgabe vonAbgabenerklärungen durch einen Steuerpflichtigen sanktioniert. Im gegenständlichen Fallliegen die Voraussetzungen für die Verhängung von Verspätungszuschlägen bereitsdeshalb nicht vor, weil Bf. in den Jahren 2015 und 2016 die unterstellten Rabatteauskunftsgemäß nicht erhalten hat und daher keine Entgeltsminderung iSd § 16 UStGvorliegt.
Selbst im Fall des Vorliegens von Entgeltsminderungen bestünde jedoch keine
Verpflichtung von Bf. zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen oder-Jahreserklärungen, da die gegenständlichen Entgeltsminderungen ausschließlich imRahmen der Vorsteuererstattungsanträge zu melden gewesen wären (vgl. dazu Punkt 2).
Wir beantragen daher die ersatzlose Aufhebung der Bescheide über die Festsetzung von
Verspätungszuschlägen für 01-12/2015 und 01-12/2016.
…"

Mit Beschwerdevorentscheidung vom (OZ. 10) wurden die Beschwerden gegen die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 01-12/2015 und 01-12/2016 sowie über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages betreffend die Umsatzsteuer für 01-12/2015 und 01-12/2016 als unbegründet abgewiesen; der Verspätungszuschlag betreffend die Umsatzsteuer wird für 01-12/2015 iHv EUR 3.870,51, für 01-12/2016 iHv EUR 3.806,76 festgesetzt.
Der Beschwerde vom gegen die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 04/2017 sowie über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages betreffend die Umsatzsteuer für 04/2017, jeweils vom , wurde stattgegeben.

In ihrer Begründung führte sie Folgendes aus:
"…
Gewährte Rabatte führen zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage im Sinne des
§ 16 Abs. 1 UStG 1994 und lösen eine Verpflichtung des Leistungsempfängers zur Vorsteuerkorrektur aus (vgl. 2009/13/0254). Grundlage für die Berichtigung des Entgelts ist jeweils der Minderungs-(Erhöhungs-)Betrag und der Steuersatz, dem der betreffende Umsatz unterzogen wurde. Die Berichtigung hat jeweils für den Veranlagungszeitraum (Voranmeldungszeitraum) zu erfolgen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist; d.h. Nachträgliche Rabattierungen/"rückwirkende Mengenrabatte"/"Discounts" stellen eine Änderung der Bemessungsgrundlage iSd § 16 UStG 1994 dar und sind (immer) in UVAs ex nunc (Kz 067) zu erfassen/ entrichten (Fälligkeit).
§ 11 UStG 1994 findet hier keine Anwendung - d.h. eine ordnungsgemäße Rechnung ist hier nicht erforderlich. Die Nichtabgabe von Steuererklärungen trotz einer gewerblichen Tätigkeit kann von der Abgabenbehörde in eigenständiger Beurteilung der Umstände des Falles als Abgabenhinterziehung, der sich gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig macht, wer vorsätzlich unter Verletzung einer Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt, gewertet werden.

Die IT-Systemprüfung … konnte erst nach aufwändigen/mehrmonatig dauernden und mehrmaligen Abgleichungen der im Jahr 2017 übermittelte Daten [...eine Liste sämtlicher Kunden, die in einem Drittland ein Telekommunikationsunternehmen, soweit es mit diesen Unternehmen Abrechnungen und Gutschriften gab, bzw. deren Debitorenkonten mit sämtlichen Gutschriften pro Jahr (mit und ohne Umsatzsteuer und inklusive dem Leistungszeitraum), (Drittstaaten bzw. die von ausländischen Telekommunikationsunternehmen an ihre Unternehmen ausgestellt wurden] der drei betroffenen inländischen Telekommunikationsunternehmen:
A. T. und H. diese für den Prüfungszeitraum 2010 ff in die Prüfsoftware ACL einlesen und im November 2017 auswerten. Es wurden die (
§ 16 UStG 1994) Daten/Tabellen für die jeweiligen Drittlands-Telekombetreiber in eine entsprechende/ nahezu gleiche Form gebracht, um die Auswertung unternehmens-übergreifend zu erleichtern (TADIG-Code/ ROAMINGPARTNER/Herkunft=NAME/Jahr/USt/ Gesamtergebnis) und abschließend sämtliche Daten zur Übermittlung in Excel-Tabellen (siehe Beilage) exportiert.
Die Festsetzung an Umsatzsteuer erfolgte sodann an Hand der übermittelten GBP-IT-Liste vom November 2017 bzw. nach selbst anher übermittelten CreditNotes (s.u.) betreffend nachträglich ausbezahlter Rabatte.
Mit den oa. Beschwerden werden die Rabattierungen als solche nicht bestritten, lediglich allg. Einwände betreffend die ErstattungsVO vorgebracht.
Bemerkt wird, dass in der Beschwerde vom , ho eingelangt am , gegen die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 04/2017 sowie über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages betreffend die Umsatzsteuer für 04/2017, jeweils vom , die unrichtige Höhe aufgrund eines Umrechnungsfehlers (USDEUR) urgiert wird. Die Festsetzung erweise sich bereits deshalb als rechtswidrig, weil der in der Gutschrift ausgewiesene USt-Betrag iHv USD 25.097,83 vom Finanzamt als Grundlage für die Verminderung des VSt-Abzuges iHv EUR 25.097,83 herangezogen worden, offensichtlich die erforderliche Umrechnung in Euro unterblieben sei.
Dazu wird bemerkt, dass das GBP-IT-Zahlenmaterial in allen (bisher) erhobenen Fällen für die Jahre 2010-2016 (kommastellengenau) korrekt ist und war daher vom Zahlenmaterial It. IT-Berechnungsblatt - betreffend 2016 A. sowie der ho. vorgelegten (EUR)Gutschrift von D. vom für die Periode - auszugehen.
Der Beschwerde vom , ho eingelangt am , gegen die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 04/2017 sowie über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages betreffend die Umsatzsteuer für 04/2017, jeweils vom , war stattgegeben, zumal die Ausstellung der Credit Note 2517143564/09/04/2017 nicht am , sondern am erfolgt ist - diese wird im Zuge der Umsatzsteuerveranlagung nach Umrechnung USD - EUR gemäß § 20 Abs. 6 UStG zum Zollwertkurs zu berücksichtigen sein (vgl. do. Blg hins. Umsatzschätzung).
Gemäß § 135 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur
Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Verspätungszuschlag bis zu 10%der festgesetzten bzw. selbstberechneten Abgabe auferlegen, wenn die Verspätung nichtentschuldbar war.
Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages sind:
•Ein Abgabepflichtiger (§ 77 BAO) hält die Frist oder die Nachfrist (§ 134 Abs. 2 BAO) zur
Einreichung einer Abgabenerklärung nicht ein.
•Diese Verspätung ist nicht entschuldbar.
•Eine Abgabe wurde festgesetzt bzw. selbstberechnet.
Als Verspätung gilt auch die Nichtabgabe der Abgabenerklärung.

Eine Verspätung ist nicht entschuldbar, wenn der Abgabepflichtige oder sein Vertreter dienach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt - seit mehreren Jahren - außerAcht gelassen hat.
Das durch § 135 BAO eingeräumte Ermessen war gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und
Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umständeauszuüben, ua folgende Umstände:
a) Der Grad des Verschuldens des Abgabepflichtigen (,
1179/70), wobei ein Verschulden des Vertreters den Vertretenen trifft (z.B. VwGH,98/17/0292),
b) das Ausmaß der Fristüberschreitung (z.B. ), wobei im Fall
einer Fristüberschreitung nicht zuletzt auch der zeitliche Abstand zum jeweiligengesetzlichen Termin für die Einreichung der Abgabenerklärung berücksichtigt werdenkönnte,
c) die Höhe des durch die verspätete Einreichung der Erklärung erreichten finanziellen
Vorteiles (z.B. ),
d) der Umstand, ob der Abgabepflichtige nur ausnahmsweise oder bereits wiederholt
säumig war (zB ),
e) die Neigung des Abgabepflichtigen zur Missachtung abgabenrechtlicher Pflichten (VwGH
, 96/16/0126),
f) die persönlichen, insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen.
Das Maximum von 10% erscheint im Übrigen ausgehend von - ab? - durch die IT-GBP in
Erfahrung gebrachten, 2010 bis 2016 gewährten Discounts als gerechtfertigt. Selbst diebekannten ausstehenden Vorsteuern aus Rabattierungen (§ 16 UStG 1994) wurden bisdato nicht beglichen/rückgezahlt.
Im Übrigen wird auf die weitere Begründung der abweislichen Beschwerdevorentscheidung
betreffend Vorsteuererstattung für 01-12/2016 und 01-12/2017 vom sowie dieBescheidbegründung vom heutigen Tage betreffend Umsatzsteuer 2015 - 2017(Veranlagung nach Schätzung) verwiesen."

Mit Schreiben vom wurde innerhalb verlängerter Vorlageantrags- bzw. Beschwerdefrist einen Vorlageantrag hinsichtlich der USt-Festsetzungsbescheide 1-12/2015 und 1-12/2016 und entspr. Verspätungszuschlagsbescheide eingebracht. Gleichzeitig wurde gegen die mit gleichem Datum wie die Beschwerdevorentscheidung erlassenen Umsatzsteuerbescheide 2015-2017 Beschwerde eingebracht (OZ. 11)

Inhaltlich führte die Bf. Folgendes aus:

" …
- 3 -


"A. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin erbringt über in den USA ansässige Tochtergesellschaften Telekommunikationsdienstleistungen für ihre - ebenfalls in den USA ansässigen - Kunden.
Haben Kunden der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Aufenthalts in Österreich ein österreichisches Mobilfunknetz für Leistungen wie Telefonate oder Datendienste genutzt, wurde der Beschwerdeführerin von dem österreichischen Mobilfunkbetreiber dafür ein Entgelt (Roaminggebühr) samt österreichischer Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Die Beschwerdeführerin hat die Erstattung dieser Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuer-Erstattungsverfahrens nach der Verordnung
BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. I I Nr. 158/2014 beantragt.
Für die Weiterverrechnung dieses Entgelts hat die Beschwerdeführerin ihren Kunden keine österreichische Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, weil diese Telekommunikationsdienstleistungen am Empfängerort, also in den USA, ausgeführt werden und (nur) dort der Besteuerung unterliegen.
Das Finanzamt hat allerdings behauptet, dass die von der Beschwerdeführerin an ihre Kunden erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Nutzung des österreichischen Mobilfunknetzes der österreichischen Umsatzsteuer unterliegen. Daher hat das Finanzamt der Beschwerdeführerin die Erstattung im Wege des Erstattungsverfahrens mit den angefochtenen Bescheiden versagt und sie diesbezüglich auf das Veranlagungsverfahren verwiesen. Außerdem hat das Finanzamt Umsatzsteuer mit jenen Bescheiden festgesetzt, die ebenso mit Bescheidbeschwerde angefochten wurden. Dies hat das Finanzamt damit begründet, dass in den USA, dem Ansässigkeitsstaat der Beschwerdeführerin, keine bzw. keine vergleichbare Besteuerung dieser Leistungen stattfinde. Aufgrund dessen geht das Finanzamt von der Anwendbarkeit der VO BGBl. I I Nr. 383/2003 aus, die für Telekommunikationsdienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlagerung des Leistungsortes vom Drittland in das Inland vorsieht, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird ("TelekommunikationsdiensteVO").
Entgegen der Behauptung des Finanzamts unterliegen die von der Beschwerdeführerin an ihre Kunden erbrachten Leistungen der aber in den USA sehr wohl einer vergleichbaren Umsatzbesteuerung in Höhe von über 20 % (dazu unten Abschnitt 6.), weshalb diese Leistungen nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterliegen (das Erfordernis der Nichtbesteuerung ist für die Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich nicht erfüllt).
Nicht bestritten wird, dass die vom österreichischen Mobilfunkbetreiber an die Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen in Österreich der Umsatzsteuer unterliegen:
Das Entgelt für diese Leistungen unterliegt in den USA keiner Umsatzbesteuerung oder einer vergleichbaren Besteuerung, da dort nur die Leistungen an den Letztverbraucher einer Umsatzsteuer unterliegen. Sowohl die Vertragsparteien als auch die österreichische

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Finanzverwaltung sind daher diesbezüglich zu Recht von einer Umsatzsteuerpflicht in Österreich ausgegangen. Damit ist unstrittig, dass der Beschwerdeführerin der geltend gemachte Vorsteuerabzug zusteht (dies jedoch - entgegen der Ansicht derFinanzverwaltung - im Vorsteuererstattungsverfahren und - mangels in Österreichsteuerpflichtiger Ausgangsumsätze - nicht im Veranlagungsverfahren).
Die angefochtenen Bescheide verstoßen nicht nur gegen die Vorschriften des
österreichischen UStG, sondern auch gegen die MwStSystRL der Europäischen Union sowiegegeninternationales Recht, nämlich gegen das Melbourne-Abkommen der InternationalenFernmeldeunion, das auch für Österreich verbindlich ist.

Dazu im Detail:

B. Sachverhalt
Wie bereits eingangs ausgeführt, erbringt die Beschwerdeführerin über in den USA
ansässige Tochtergesellschaften Mobilfunk-Telekommunikationsdienstleistungen für ihre -ebenfalls in den USA ansässigen - Kunden. Weder die Beschwerdeführerin selbst, nocheine ihrer Tochtergesellschaften verfügt in Österreich über einen Sitz oder eineBetriebsstätte.

Die Kunden der Beschwerdeführerin sind ebenfalls in den USA ansässig. Nutzen Kundender Beschwerdeführerin im Rahmen eines Aufenthalts in Österreich ein österreichischesMobilfunknetz für Leistungen wie Telefonate oder Datentransfers, stellen dieösterreichischen Mobilfunkbetreiber der Beschwerdeführerin für die Zurverfügungstellungdes österreichischen Mobilfunknetzes ein Entgelt (Roaminggebühr) samt österreichischerUmsatzsteuer in Rechnung.
Die Beschwerdeführerin verrechnet ihren Kunden ein Entgelt dafür, dass diese in Österreich
Mobilfunkdienstleistungen in Anspruch nehmen können (nachfolgend werden dieseLeistungen der Beschwerdeführerin an ihre Kunden als "Roamingleistungen" bezeichnet).

Die verfahrensgegenständliche Frage ist die, ob der Leistungsort hinsichtlich der von derBeschwerdeführerin an ihre Kunden erbrachten Leistungen aus den USA nach Österreichverlagert werden kann und daher auf das von der Beschwerdeführerin ihren Kunden inRechnung gestellte Entgelt österreichische Umsatzsteuer anfällt. Nach Ansicht derBeschwerdeführerin ist die von der Abgabenbehörde vorgeschriebene Umsatzsteueraufgrund der Unterstellung eines Leistungsortes in Österreich rechtswidrig. DieUmsatzsteuer auf das Entgelt, das die Beschwerdeführerin österreichischen

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Mobilfunkbetreibern zahlt und wofür der Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde, isthingegen unstrittig und daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Dies begründen wir wie folgt:

C. Begründung

1. Zusammenfassung

Aus Gründen der besseren Übersicht stellen wir unserer Begründung der Rechtswidrigkeitder angefochtenen Bescheide die nachfolgende Zusammenfassung unserer Rechtsansichtvoran:

Die von der Abgabenbehörde im gegenständlichen Fall angewendeteTelekommunikationsdiensteVO beruht auf einer unionsrechtlichen Grundlage (Art. 59aMwStSystRL). Diese lässt eine Vorschreibung österreichischer Umsatzsteuer aufRoamingleistungen drittstaatlicher Unternehmer an ihre in Drittstaaten ansässigen Kundennur dann zu, wenn dies zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen,Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung erforderlich ist. Von diesenRechtfertigungsgründen kommt nach der Rechtsprechung des VwGH faktisch nur derVermeidung von Nichtbesteuerung Relevanz zu.

Bei der Beurteilung, ob österreichische Umsatzsteuer aufgrund einer Nichtbesteuerung imDrittstaat (USA) zulässig ist, hat das Finanzamt Verfahrensvorschriften verletzt. DasFinanzamt ist seiner amtswegigen Ermittlungspflicht nach § 115 BAO nichtnachgekommen, sondern hat ganz einfach die Annahme getroffen, dass in den USA keineUmsatzbesteuerung auf die gegenständlichen Leistungen stattfinde, ohne diesbezüglichauch nur im Ansatz Ermittlungen anzustellen oder von der BeschwerdeführerinInformationen anzufordern. Die angefochtenen Bescheide verletzen daherVerfahrensvorschriften und sind daher bereits alleine aus diesem Grund aufzuheben.

Entgegen der Ansicht des Finanzamts besteht in den USA sehr wohl eine mit derösterreichischen Umsatzsteuer vergleichbare Umsatzbesteuerung auf Umsätze betreffendRoamingleistungen (Mobilfunkleistungen, die von den Kunden der Beschwerdeführerin inÖsterreich konsumiert werden). Diese setzt sich aus einem von Bundesstaat zuBundesstaat unterschiedlichen Umsatzsteuersatz ("sales tax") iHv 6-8,5% sowie einerspeziellenbundesweiten Besteuerung ("Federal Universal Service Charge") von Erlösen ausMobilfunkleistungen wie beispielsweise Telefonate durch Kunden der Beschwerdeführerinvon Österreich in die USA iHv 15-20% zusammen. Die Anwendungsvoraussetzung für eineLeistungsortverlagerung nach Österreich für die hier strittigen Roamingleistungen aufgrundder Vermeidung von Nichtbesteuerung ist daher nicht gegeben, zumal in den USA eine mitder österreichischen Umsatzsteuer vergleichbare Umsatzbesteuerung und damit keineNichtbesteuerung vorliegt. Aus diesem Grund ist die Leistungsortverlagerung nach derösterreichischen TelekommunikationsdiensteVO rechtswidrig.
Sollte das BFG unsere Ansicht nicht teilen, dass die Umsatzbesteuerung für
Roamingleistungen in den USA mit jener in Österreich vergleichbar ist, wäre einVorabentscheidungsverfahren beim EuGH einzuleiten, zumal die Rechtsfrage, unter

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welchen Voraussetzungen von einer Nichtbesteuerung iSd Art. 59a MwSystRL auszugehenist, vom EuGH noch nicht entschieden wurde.
Würde sich die Besteuerung in den USA als nicht mit der österreichischen Umsatzsteuer
vergleichbar herausstellen, wäre dennoch keine Besteuerung der Umsätze in Österreichzulässig. Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtssache Athesia Druck Srl (EuGH, C-l/08) ist eine Leistungsortverlagerung von Unternehmern aus Drittstaaten,die ihre Leistungen an ihre in Drittstaaten ansässigen Kunden erbringen, generell nichtzulässig.

Obwohl die Judikatur des EuGH zur Rechtssache Athesia Druck Srl vom VwGH ( Ro 2016/15/0035) als für Roamingleistungen nicht einschlägig qualifiziertwurde, istdie diesbezügliche Rechtsfrage noch nicht "letztinstanzlich" geklärt: Der VwGHhätte als letztinstanzliches Gericht die Verpflichtung gehabt, einVorabentscheidungsverfahren beim EuGH zu beschreiten (Art. 267 AEUV), zumal diesemdie alleinige Befugnis zukommt, über unionsrechtliche Zweifelsfragen abzusprechen(gegen das im fortgesetzten Verfahren nach dem VwGH-Erkenntnis vom ergangene BFG-Erkenntnis ist derzeit einErkenntnisbeschwerdeverfahren beim VfGHanhängig). Gibt das BFG daher nicht bereits aufgrund der vergleichbarenUmsatzbesteuerung in den USA auf Roamingleistungen der Beschwerde statt, ist es dazuangehalten, ein Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH zu beschreiten, um zuklären, ob Art. 59a MwStSystRL überhaupt auf Leistungen von in Drittstaaten ansässigenUnternehmern an ihre in Drittstaaten ansässigen Kunden anzuwenden ist.
Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass eine weitere unionsrechtliche
Rechtsgrundlage, die neben der MwStSystRL bestehende MwSt-DVO, in Art. 24b lit b MwSt-DVO den Leistungsort bei Roamingleistungen von in Drittstaaten ansässigenTelekommunikationsunternehmen an ihre in Drittstaaten ansässigen Kunden zwingend imDrittstaat festlegt. Selbst wenn man daher zum Ergebnis kommt, dass Art. 59a MwStSystRL(sowie darauf beruhendes nationales Recht in der TelekommunikationsdiensteVO) eineLeistungsortverlagerung nach Österreich zulässt, stünde dem Unionsrecht (Art. 24b lit bMwSt-DVO) entgegen. Diesfalls kann sich die Beschwerdeführerin auf das für siegünstigere Unionsrecht (Art. 24b lit b MwSt-DVO) berufen, sodass eine Besteuerung derstrittigen Umsätze in Österreich unzulässig wäre. Sollte das BFG Zweifel bezüglich derunmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 24b lit b MwSt-DVO haben, wäre auch dieseRechtsfrage zur Vorabentscheidung an den EuGH vorzulegen.
Auch internationales Recht, wie insbesondere das Melbourne-Abkommen der
Internationalen Fernmeldeunion, das auch für Österreich gilt, verbietet eine Besteuerung der strittigen Roamingleistungen mit österreichischer Umsatzsteuer.

2. Rechtslage
Nach Artikel 59 Buchstabe i der Richtlinie zur Änderung der
RL 2006/112/EG bezüglich desOrtes der Dienstleistung (2008/8/EG) (im Folgenden: "MwStSystRL") gilt als Ort derTelekommunikationsdienstleistungen an einen Nichtsteuerpflichtigen, deraußerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichenAufenthaltsort außerhalb der Gemeinschaft hat, der Ort, an dem dieser

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Nichtsteuerpflichtige ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichenAufenthaltsort hat.

> Die MwStSystRL sieht daher grundsätzlich eine Besteuerung vonTelekommunikationsdienstleistungen im Bestimmungsland vor.

Nach Artikel 59a MwStSystRL können die Mitgliedstaaten um Doppelbesteuerung,Nichtbesteuerung und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden beiDienstleistungen, deren Erbringungsort sich gemäß den Artikeln 44, 45, 56 und 59bestimmt (darunter fallen auch Telekommunikationsdienstleistungen nach Artikel 59Buchstabe i)
a) den Ort einer oder aller dieser Dienstleistungen, der in ihrem Gebiet liegt, so
behandeln, als läge er außerhalb der Gemeinschaft, wenn die tatsächlicheNutzung oder Auswertung außerhalb der Gemeinschaft erfolgt;
b) den Ort einer oder aller dieser Dienstleistungen, der außerhalb der
Gemeinschaft liegt, so behandeln, als läge er in ihrem Gebiet, wenn inihrem Gebiet die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt.

> Die MwStSystRL erlaubt den Mitgliedstaaten daher ein Abweichen vomBestimmungslandprinzip und die Verlagerung des Leistungsorts aus demDrittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet um Doppelbesteuerung,Nichtbesteuerung und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, wenn dietatsächliche Nutzung oder Auswertung im Gemeinschaftsgebiet erfolgt.

Nach österreichischem Umsatzsteuerrecht stellen Telekommunikationsleistungenumsatzsteuerlich sonstige Leistungen iSd § 3a UStG dar. Der Leistungsort bestimmt sichim zwischenunternehmerischen Bereich nach der B2B-Grundregel des § 3a Abs. 6 UStG undbefindet sich daher dort, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt.

Gemäß § 3a Abs. 13 UStG werden elektronisch erbrachte sonstige Leistungen sowieTelekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen an dem Ort ausgeführt, andem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat,soweit diese Leistungen an einen Nichtunternehmer erbracht werden.

Somit gilt im österreichischen UStG wie - unionsrechtlich vorgesehen - fürTelekommunikationsleistungen grundsätzlich das Empfängerortprinzip, dies sowohl beiLeistungserbringung an Unternehmer als auch bei Leistungserbringung anNichtunternehmer. Grundsätzlich wäre daher der Leistungsort einer Roamingleistung derBeschwerdeführerin an einen US-Kunden in den USA, da der Kunde seinen Wohnsitz in denUSA (und nicht in Österreich) hat.
In Umsetzung des Art. 59a MwStSystRL idF 2008/8/EG hat der Gesetzgeber in § 3a Abs. 16
UStG eine Verordnungsermächtigung normiert:
Demnach kann der Bundesminister für Finanzen, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch
Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich nach

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Abs. 6, 7, 12, 13 oder 14 bestimmt, der Ort der sonstigen Leistung danach richtet, wo diesonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kanndanach statt im Inland im Drittlandsgebiet gelegen und statt im Drittlandsgebiet im Inlandgelegen behandelt werden.

Nach der aufgrund dieser Verordnungsermächtigung erlassenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunkt- und Fernsehdienstleistungen, BGBl II2003/383 idF BGBl II 2009/221 ("TelekommunikationsdiensteVO") verlagert sich derLeistungsort vom Drittland in das Inland, wenn die Leistung im Inland genutzt oderausgewertet wird. Genutzt oder ausgewertet werden Telekommunikationsleistungen inÖsterreich, wenn diese über in Österreich gelegene Mobilfunknetze erbracht werden1. DieVerlagerung des Leistungsortes setzt voraus, dass der Leistungsort nach § 3a Abs. 6 bzw. § 3a Abs. 13 UStG im Drittland liegen würde, was der Fall ist, wenn die Leistungsempfängerim Drittland ansässig sind.

3. Vermeidung von Nichtbesteuerung als Tatbestandsvoraussetzung für dieVerlagerung des Leistungsortes

Wie oben ausgeführt wird den Mitgliedstaaten durch Art. 59a MwStSystRL gestattet, denLeistungsort von Telekommunikationsdienstleistungen aus Drittstaaten ins Inland zuverlagern, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oderWettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
So hat auch der VwGH die
Vermeidung von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oderWettbewerbsverzerrungen als Tatbestandsvoraussetzung für die Leistungsortverlagerungangesehen: Die Besteuerung von in Österreich erbrachtenTelekommunikationsdienstleistungen durch einen im Drittland ansässigenMobilfunkanbieter an dessen ebenfalls im Drittland ansässige Kunden mit österreichischerUSt wurde vom VwGH dementsprechend als unionsrechtswidrig beurteilt, weil dieVerlagerung des Leistungsortes nicht der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungendiente.2

In seiner jüngeren Rechtsprechung erachtete der VwGH eine Leistungsortverlagerung nachder TelekommunikationsdiensteVO in jenen Fällen für zulässig, in denen im Drittstaatkeine Umsatzsteuer besteht (etwa zu Saudi-Arabien, Ro 2016/15/0035, in der die Feststellung des Finanzamts hinsichtlich einer fehlendenUmsatzbesteuerung im Ausland unstrittig war: "Das Finanzamt versagte die Erstattung derVorsteuern im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Umsätze der mitbeteiligtenPartei (Roaming-Gebühren) nach der Verordnung BGBL II Nr. 383/2003 idF BGBL II Nr.221/2009 im Inland steuerbar seien, weil die erbrachtenTelekommunikationsdienstleistungen im Drittland (Saudi-Arabien) keiner derinländischen Umsatzsteuer vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen würden."

1 2003/15/0059; 2005/15/0104.
2 2003/15/0059, 2005/15/0104.

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Als Folge auf diese VwGH-Judikatur schränkte auch die Finanzverwaltung fürTelekommunikationsdienstleistungen den Anwendungsbereich der VO II 2003/383 idgF aufjene Fälle ein, in denen die Leistungen im Drittland keiner der inländischenUmsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen und lässt eineBerufung auf das insoweit günstigere Gemeinschaftsrecht dann zu, wenn der Unternehmerden Nachweis erbringt, dass die Leistung im Drittland einer vergleichbarenSteuerbelastung unterworfen ist (siehe UStR 2000 Rz. 643). Der Nachweis soll durch eineBeschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechenderSteuerbescheide erfolgen.3

Zwischenfazit: Das Vorliegen einer Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oderWettbewerbsverzerrung ist Tatbestandsvoraussetzung für die Verlagerung desLeistungsortes in das Inland.

4. Zur Vermeidung von Nichtbesteuerung im Allgemeinen
Wie bereits oben ausgeführt, stellt die Finanzverwaltung hinsichtlich der
Tatbestandsvoraussetzung der Nichtbesteuerung im Drittland darauf ab, ob die Leistungim Drittland einer der inländischen Umsatzbesteuerung vergleichbarenSteuerbelastung unterliegt.
Nach der Verwaltungspraxis des - für ausländische Unternehmer örtlich zuständigen -
Finanzamts wird dabei eine Umsatzbesteuerung im Drittstaat in Höhe von zumindest 15 % gefordert, da der Normalsteuersatz in der EU gemäß Art. 97 MwStSystRLmindestens 15 % beträgt.4
Diese Interpretation ist allerdings weder aus der MwStSystRL, noch aus § 3a Abs. 16 UStGableitbar, wo im Zusammenhang mit der Verlagerung des Leistungsortes in das Inland nurdie Vermeidung von Nichtbesteuerung (bzw. von Doppelbesteuerung oderWettbewerbsverzerrungen) angeführt ist. Auch der VwGH stellt in seiner Judikatur nichtauf die Höhe der Umsatzsteuerbelastung im Drittstaat ab.
Richtig ist wohl, dass es für die Tatbestandsvoraussetzung der Nichtbesteuerung nicht
darauf ankommen kann, ob die Leistung im Drittland überhaupt irgendeiner Besteuerungunterliegt, sondern dass diese mit der österreichischen Umsatzsteuer insoweit vergleichbarsein muss, als es sich dabei auch aufgrund ihrer Systematik um eine Art von Besteuerungeines Umsatzes handeln muss. Wird das Entgelt für die Dienstleistung im Drittlandbeispielsweise zwar einer Einkommensteuer iSd einer Nettobetrachtung (Erlös abzüglichAusgaben), nicht aber einer Umsatzsteuer (Bruttobesteuerung eines Umsatzes ohne Abzugvon Aufwendungen) unterworfen, wird man davon ausgehen können, dass dieTatbestandsvoraussetzung einer Nichtbesteuerung der Leistung im Hinblick auf eineVerlagerung des Leistungsortes erfüllt ist.

Hätte der Rat der Europäischen Union durch die MwStSystRL den Mitgliedstaaten dieMöglichkeit eröffnen wollen, den Ort von Telekommunikationsdienstleistungen in das

3 Vgl UStG-ON § 3a Rz. 346.
4 Haller, Besteuerung von Roaming-Dienstleistungen im Verhältnis zu Drittstaaten, SWK 2019, 554.

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Gemeinschaftsgebiet zu verlagern, wenn die Dienstleistungen im Drittland einer geringerenBesteuerung unterworfen werden, so hätte er die MwStSystRL in diesem Punkt andersformulieren können und beispielsweise statt dem Zweck der Vermeidung vonNichtbesteuerung auf die Vermeidung von Niedrigbesteuerung Bezug genommen. Dasselbegilt für den Gesetzgeber im Rahmen der Normierung der Verordnungsermächtigung in§ 3a Abs. 16 UStG. Schließlich sind sowohl im internationalen Steuerrecht als auch imösterreichischen Steuerrecht Regelungen, die auf eine Niedrigbesteuerung im Auslandabstellen, geläufig.

• So regelt etwa der neu eingeführte § 10a KStG Passiveinkünfte niedrigbesteuerterausländischer Körperschaften und definiert die Niedrigbesteuerung in Absatz 3dahingehend, dass Niedrigbesteuerung einer ausländischen Körperschaft vorliegt,wenn deren tatsächliche Steuerbelastung im Ausland nicht mehr als 12,5%beträgt.
§ 10 Abs. 1 Z 10 KStG regelt die (Nicht-) Abzugsfähigkeit von Zinsen und
Lizenzgebühren im Konzern und differenziert in seinem Tatbestand ganz exaktdanach, ob Zinsen oder Lizenzgebühren bei der empfangenden Körperschaftaufgrund einer persönlichen oder sachlichen Befreiung keiner Besteuerung (1.Teilstrich) oder einem Steuersatz von weniger als 10% (2. Teilstrich) oderaufgrund einer auch dafür vorgesehenen Steuerermäßigung einer tatsächlichenSteuerbelastung von weniger als 10% (3. Teilstrich) oder aufgrund einerSteuerrückerstattung einer Steuerbelastung von weniger als 10% (4. Teilstrich)unterliegen.

Anhand dieser - hier beispielhaft herangezogenen - Bestimmungen wird deutlich, dass derGesetzgeber durchaus zwischen der Nichtbesteuerung und der Niedrigbesteuerung alsTatbestandsmerkmal für eine bestimmte Rechtsfolge unterscheiden kann. Es kann dahernicht unterstellt werden, dass eine Niedrigbesteuerung gemeint ist, wenn alsTatbestandsmerkmal nicht Niedrig-, sondern Nichtbesteuerung angeführt ist.

Zudem beinhalten sämtliche Regelungen, zu deren Tatbestand eine Niedrigbesteuerung imAusland gehört, eine exakte Definition, was unter einer solchen zu verstehen ist, also beiwelchem konkreten Steuersatz von einer Niedrigbesteuerung auszugehen ist. Einederartige Definition ist weder in der MwStSystRL, noch in § 3a Abs. 16 UStG oder der dazuergangenen TelekommunikationsdiensteVO enthalten.

Zwischenfazit: Hätte der Europäische Rat bzw. der Gesetzgeber das Tatbestandsmerkmalder Niedrigbesteuerung erfasst haben wollen, so wäre das einerseits nicht alsNichtbesteuerung bezeichnet worden und andererseits hätte die Bestimmung eine exakteDefinition enthalten, was unter einer Niedrigbesteuerung zu verstehen ist. Daraus, dassdies nicht erfolgt ist, muss der Schluss gezogen werden, dass eine Verlagerung desLeistungsortes sowohl nach derMwStSystRL als auch nach innerstaatlichem Recht nurdann in Frage kommt, wenn die Dienstleistung im Drittland gar keiner (Umsatz-)Besteuerung unterliegt und nicht schon dann, wenn der Steuersatz niedriger ist als inÖsterreich bzw als es den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht.

In jüngerer Vergangenheit hat sich das BFG vermehrt mit der Frage einer vergleichbarenBesteuerung basierend auf der Höhe des Steuersatzes auseinandergesetzt. So erkannte

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das BFG beispielsweise, dass ein Steuersatz von 7 % im Ansässigkeitsstaat desBeschwerdeführers als nicht ausreichend anzusehen sei, um eine Verlagerung derUmsatzbesteuerung in das Inland zu verhindern5. In seiner jüngsten Judikatur dazu hatdas BFG allerdings eine Besteuerung in Höhe von 14% im Drittland als vergleichbareBesteuerung beurteilt, die eine Verlagerung des Leistungsortes in das Inland ausschließt.6

Das BFG begründet dies einerseits damit, dass der Steuersatz annähernd den in der EUgeltenden Mindestnormalsteuersatz (15%) erreicht und andererseits mit den Folgen einerBesteuerung der Umsätze in Österreich; denn würden die bereits mit 14% besteuertenUmsätze zusätzlich einer Besteuerung in Österreich unterworfen, wäre imEntscheidungsfalleine kumulierte Gesamtsteuerbelastung von 34% die Folge. EineBesteuerung in dieser Höhe liege jedoch über dem Höchstsatz der EU-MitgliedstaatenDänemark, Schweden und Kroatien in Höhe von 25% und dies ist nach Ansicht des BFGnicht vertretbar (Hervorhebungen erfolgen durch uns):

"Ein Steuersatz von 14% kann als vergleichbare Steuerbelastung angesehenwerden, da er lediglich um einen Prozentpunkt unter dem Mindestsatz derNormalsteuersatzrichtlinie liegt. Im Übrigen kann der oa. Judikatur des VwGH keinbestimmter Prozentsatz entnommen werden.
Eine Aufrechterhaltung des Standpunktes der Verwaltung hätte für die Bf. eine
Gesamtsteuerbelastung von 34% auf Telekommunikationsleistungen zur Folgeund erschiene nicht im Sinne der MwStSystRL. Der Höchstsatz der EUMitgliedstaatenbeträgt 25% (DK, S, HR). Im Vergleich dazu werden inländischeTelekomleistungen lediglich mit 20% besteuert."

Die vom BFG judizierten Voraussetzungen für die Verlagerung des Leistungsortes (Abstellenauf den im Unionsrecht geregelten Mindeststeuersatz) sind- wie oben bereits in allerDeutlichkeit klargestellt wurde - weder aus dem Unionsrecht, noch aus demösterreichischenUmsatzsteuerrecht ableitbar. Aber selbst dann, wenn man der Judikaturdes BFG folgen würde, zeigt sich, dass das Finanzamt im gegenständlichen Fall nach denKriterien des BFG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für eineLeistungsortverlagerung vorliegen:

Im Lichte dieser Judikatur ist zunächst festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall eineBesteuerung der internationalen Umsätze in den USA von über 20% erfolgt, dieklar über dem Mindestnormalsteuersatz von 15% liegt. Bereits aus diesem Grund liegt imgegenständlichen Fall für internationale Umsätze eine vergleichbare Besteuerung imDrittland vor, die eine Verlagerung des Leistungsortes in das Inland ausschließt.

Ein noch deutlicheres Bild zeigt sich bei Heranziehung des zweiten vom BFG aufgestelltenVergleichsmaßstabes. Bei internationalen Umsätzen läge die kumulierte Besteuerungim gegenständlichen Fall bei über 40% und somit weit über den vom BFG genannten25%.


5 RV/2101660/2015
6 RV/2100366/2016.

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Zwischenfazit: Auch nach der Judikatur des BFG ist die Besteuerung inden USAals vergleichbar anzusehen und eine Verlagerung des Leistungsortes fürinternationale Umsätze in das Inland folglich unzulässig.

5. Rechtswidrige Annahme einer Nichtbesteuerung im konkreten Fall

Nach der vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung vom vertretenenRechtsansicht liegt Vergleichbarkeit dann vor, wenn die Umsatzbesteuerung mit der der RL 2006/112/EG vergleichbar ist. Das Finanzamt geht daher davon aus, dass der in dieserRichtlinie vorgeschriebene Mindeststeuersatz in Höhe von 15 % heranzuziehen ist, dainnerhalb der Europäischen Union der Standardsteuersatz gem. Art. 97 RL 2006/112/EG nicht weniger als 15 % betragen darf.Mit dieser Begründung verletzt das Finanzamt sowohl verfahrensrechtliche (siehe sogleichnachfolgende Ausführungen) als auch materielle Rechtsvorschriften (siehe Ausführungenunter Punkt 6).

Bezüglich der Höhe der Besteuerung in den USA hält das Finanzamt in derBescheidbegründung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide vom lapidar fest, dass es im Verfahren "weder behauptet noch nachgewiesen" worden sei, dasses im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens überhaupt zu einer Besteuerung komme.

Damit sei "evident, dass keine vergleichbare Steuerbelastung zu der in Österreich mit 20% bestehend existiere."

Mit dieser Vorgehensweise wird die Abgabenbehörde ihrer Ermittlungspflicht (§ 115 BAO)nicht gerecht: Jedes Abgabenverfahren unterliegt der amtwegigen Ermittlungspflicht nachdem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit. Die Abgabenbehörde hat dahernicht nach hohen Abgabennachforderungen zu suchen, sondern ausschließlichabgabenrelevante Sachverhalte wahrheitsgemäß zu erforschen und in Hinblick auf dieRichtigkeit ihrer abgabenrechtlichen Abbildung zu überprüfen. Der Gesetzgeber erteilteiner fiskalischen Ermittlungsweise im Gesetzeswortlaut des § 115 Abs. 2 BAO) in nicht zuüberbietender Deutlichkeit eine klare Absage:
"(3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte
Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen."
Dieses gesetzliche Objektivitätsgebot wird von der Literatur und Rechtsprechung streng
ausgelegt (vgl. Stoll, BAO, § 115, 1264):
"Die Abgabebehörden haben ihre Ermittlungen im Interesse der Erforschung der
Vollständigkeit und Richtigkeit des Sachverhalts, also im Interesse derBerücksichtigung der materiellen Wahrheit ohne Rücksicht auf fiskalischeVorteil- oder Nachteilhaftigkeiten - bis zur Grenze der Zumutbarkeit gehend (vgl.) - zu führen."

Vor diesem Hintergrund hätte die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigenErmittlungspflicht gem.§ 115 BAO entsprechende Feststellungen zur Vergleichbarkeit derBesteuerung im Drittland zu treffen. Dieser Ermittlungspflicht ist das Finanzamt nicht

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nachgekommen. Das Finanzamt hat weder von sich aus Ermittlungen hinsichtlich derBesteuerung in den USA vorgenommen, noch von der Beschwerdeführerin zusätzlicheInformationen diesbezüglich angefordert.

Zwischenfazit: Das Verfahren ist aufgrund der Verletzung abgabenbehördlicherErmittlungspflichten mangelhaft und die angefochtenen Bescheide sind auch ausdiesem Grund aufzuheben.

Festzuhalten ist, dass auch das Finanzamt im gegenständlichen Verfahren inunionsrechtskonformer Interpretation der österreichischen Rechtlage davonausgegangen ist, dass das Vorliegen einer Nichtbesteuerung eineTatbestandsvoraussetzung für die Verlagerung des Leistungsortes darstellt.

Unrichtig ist jedoch die Beurteilung des Finanzamts, dass ein Fall von Nichtbesteuerungvorgelegen hätte und somit eine der Tatbestandvoraussetzungen erfüllt gewesen sei, diezur Verlagerung des Leistungsortes in das Inland berechtigt hätte, und zwar gleich indoppelter Hinsicht:

1) Indem das Finanzamt davon ausgeht, dass eine Nichtbesteuerung im Drittland auchdann gegeben ist, wenn die dortige Steuerbelastung geringer ist als dieösterreichische Umsatzsteuer, unterstellt das Finanzamt derTatbestandsvoraussetzung der Nichtbesteuerung einen Inhalt, der weder derMwStSystRL, noch den einschlägigen Bestimmungen desösterreichischenUmsatzsteuergesetzes zu entnehmen ist (dies wurde bereits oben unter Punkt 4.ausgeführt und sei an dieser Stelle nochmals in Erinnerung gerufen).
2) Die Feststellung des Finanzamts, dass in den USA keine mit der österreichischen
vergleichbare Steuerbelastung existiert, ist nicht richtig. Wie sogleich unter Punkt6. dargestellt wird, ist die Umsatzbesteuerung auf die gegenständlichen Leistungenin den USA mit der österreichischen vergleichbar. Die Verlagerung desLeistungsortes nach Österreich bewirkt daher im Ergebnis sogar eineDoppelbesteuerung.

Zwischenfazit: Die auf der Annahme des Finanzamts beruhendeBescheidbegründung, eine Besteuerung in Österreich sei mangels vergleichbarerBesteuerung (unter 15%) in den USA gerechtfertigt, ist jedenfalls rechtswidrig.

6. Zur erfolgten Besteuerung der Leistungen in den USA

Nachfolgend wird die Besteuerung der gegenständlichen Leistungen in den USA dargestellt.Die für Zwecke dieses Beschwerdeverfahrens relevanten Inhalte aus Internet-Quellen,die in den Fußnoten angeführt wurden, sind auch in Anlage . / 3 aus Gründen derÜbersichtlichkeit dieser Beschwerde beigelegt.

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6.1 Federal Universal Service Charge

In den USA wird auf alle "interstate and international end-user revenues"7 vonTelekommunikationsunternehmen, d.h. Erlöse aus Telekommunikationsdienstleistungenzwischen US-Bundesstaaten bzw internationalen Telekommunikationsdienstleistungen,eine sogenannte "(Federal) Universal Service Charge" ("USC") eingehoben. Wie imFolgenden gezeigt wird, ist diese ihrem Wesen nach eine Verbrauchsteuer und als solchemit der Umsatzsteuer vergleichbar.

6.1.1 Gesetzliche Grundlage

Die gesetzliche Grundlage für die Einhebung der USC ist der Communications Act 1934idgR. Ziel der Abgabe ist die Finanzierung einer für alle US-Amerikaner zugänglichenTelekommunikationsinfrastruktur, insbesondere auch in dünn besiedelten bzw. abgelegenen Gebieten.9
Die Finanzierung erfolgt über einen Fonds, der aus der USC gespeist wird. Die Höhe derUSC wird daher je nach Finanzierungsbedarf quartalsweise von der Bundesbehörde FederalCommunications Commission (FCC) festgesetzt. Die Festsetzung und Einhebung der USCbeim einzelnen Abgabepflichtigen unterliegt der Universal Service Administrative Co.("USAC"), einer juristischen Person des Privatrechts, der durch Beleihung insoweithoheitliche Aufgaben übertragen wurden. Sie unterliegt dabei der Aufsicht durch die FCC.10
Wir weisen darauf hin, dass auch dem europäischen bzw österreichischen Recht dieRechtsfigur der Beleihung, d.h. die Übertragung hoheitlicher Aufgaben an juristischePersonen des Privatrechts, keinesfalls fremd ist (vgl beispielsweise § 2 ASFINAG-Gesetz).
Darüber hinaus weisen wir darauf hin, dass die im Hinblick auf die USC Abgabepflichtigen
für die Abfuhr der USC keine direkte Gegenleistung erhalten. Es handelt sich daher demWesen nach nicht um eine Gebühr bzw einen Beitrag, die einen Leistungsanspruchvermittelt, sondern um eine Steuer oder Abgabe sowohl im Sinne des US- wie auch desösterreichischen Steuerrechts"11.

6.1.2 Qualifikation als Verbrauchsteuer

Die Umsatzsteuer ist nach der Rechtsprechung von VwGH und EuGH als Verbrauchsteueranzusehen.12 Sie zielt auf eine Besteuerung des Letztverbrauchs und erreicht dies trotzEinhebung der Steuer auf allen Umsatzstufen durch eine Kostenneutralität derUmsatzsteuer im Unternehmensbereich (Prinzip der Neutralität der Umsatzsteuer).13

7 Vgl. USAC Glossary of Terms, Term "universal service", abrufbar unterhttps://www.usac.org/_res/documents/cont/pdf/Cont-Glossary-of-Terms.pdf
8https://www.fcc.gov/general/universal-service
9 https://www.usac.org/about/
10https://www.fcc.gov/general/universal-service
11 Vgl. Doralt/Ruppe, Steuerrecht Band 1, Rz. 3.
12 Vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, Einführung zum Umsatzsteuergesetz, Rz. 36 mwN.
13 Vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, Einführung zum Umsatzsteuergesetz, Rz. 48.

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In den USA sind vergleichbare Steuern - etwa die "Sales Tax" - grundsätzlich alsBesteuerungder letzten Umsatzstufe ausgeformt, dh besteuert wird nur der Umsatz anden Endverbraucher. Auch dadurch wird im Ergebnis eine Besteuerung des Letztverbrauchsbei gleichzeitiger Kostenneutralität im Unternehmensbereich erreicht. Die USC gleichtdiesbezüglich ebenso der österreichischen Umsatzsteuer, zumal auch diese eine Steuer aufErlöse bestimmter Leistungen eines Telekommunikationsunternehmens darstellt; dadurch, dass auch die USC - so wie die Sales Tax und auch die österreichische Umsatzsteuer - anden Endverbraucher weiterbelastet wird, stellen alle drei Formen der Besteuerung eineVerbrauchsteuer dar.

Zwischenfazit: Sowohl die US-amerikanische Sales Tax als auch die USC sindihrem Wesen nach mit der europäischen Umsatzsteuer vergleichbar. In beidenFällen erfolgt eine Besteuerung von Umsätzen, wobei sowohl dieBemessungsgrundlage dem Entgelt entspricht als auch die Konzeption als Steuerauf den Letztverbrauch im Ergebnis vergleichbar ist.

6.1.3 Erklärung & Vorschreibung der USC

Grundsätzlich sind alle Unternehmen, die in den USA internationaleTelekommunikationsdienstleistungen erbringen, zur Erklärung dieser Umsätze mittels derFCC-Formulare 499-Q und 499-A verpflichtet.14
Im Formular 499-Q sind, vergleichbar mit einer österreichischenUmsatzsteuervoranmeldung, die Umsätze des abgelaufenen Quartals unterjährig zuerklären. Darüber hinaus sind in diesem Formular auch die für das zweitfolgende Quartalgeplanten Umsätze zu erklären.

Nach Ablauf des Kalenderjahres sind zusätzlich die Jahresumsätze im Formular 499-A zuerklären (siehe Anlage ./4). Die Systematik der steuerlichen Erklärungspflichten istdaher bei der USC sehr ähnlich zur österreichischen Umsatzsteuer. In demJahreserklärungsformular sind die Erlöse unter anderem unterteilt in Umsätze zwischenUS-Bundesstaaten und Umsätze außerhalb der USA anzugeben (vgl FCC Form 499-A,Kennziffern 423 (d) & (e)). Da das Formular 499-A neben der Einhebung der USC noch zurBerechnung anderer Abgaben verwendet wird (vergleichbar etwa mit der österreichischenKammerumlage, die aus der Umsatzsteuererklärung errechnet wird), sind darüber hinausnoch weitere Angaben zu machen.

Die mit der Einhebung der USC beliehene USAC errechnet aus den geplanten Umsätzeneine USC-Vorschreibung und hebt diese quartalsweise durch Vorschreibungen ein. NachAbgabe der Jahreserklärung (Formular 499-A) erfolgt ein Abgleich zwischen den bisherigenUSC-Zahlungen und der sich aus der Jahreserklärung ergebenden Steuerschuld ("AnnualTrue Up"), wobei über Abweichungen Gutschriften bzw Nachzahlungen von USACausgestellt werden.15

14https://www.usac.org/cont/filers/who-must-file.aspx
15https://www.usac.org/cont/payers/annual-true-up.aspx

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6.1.4 Berechnung der USC

Bemessungsgrundlage für die USC bilden grundsätzlich sowohl die Erlöse ausTelekommunikationsdienstleistungen zwischen US-Bundesstaaten als auch die hierentscheidungsrelevanten internationalen Umsätze (vgl FCC Form 499-A Instructions,Chapter V. - Calculation of Contributions), abzüglich des auf die USC entfallendenEntgeltanteils, der durch Anwendung des sogenannten Circularity Factors herausgerechnetwird (siehe sogleich).

Nicht Teil der Bemessungsgrundlage sind allerdings Erlöse aus internationalenTelekommunikationsdienstleistungen ohne Anknüpfung an die USA (aus Sicht der USAsomit reine Auslandstelefonate, zB Österreich - Österreich).

Diese Ausnahme gilt nicht, wenn ein Kunde einen Einheitspreis für ein Sprach- bzw.Datenpaket zahlt, das sowohl Dienstleistungen umfasst, die der USCBemessungsgrundlageunterliegen, als auch Dienstleistungen inkludiert, die nicht Teil derUSC-Bemessungsgrundlage sind. In diesem Fall wird nämlich ein üblicherweise aufinternationale Telekommunikationsverbindungen entfallender Anteil des Datenpaktes derUSC Besteuerung unterworfen. Diese Besteuerung erfolgt also auch dann, wenn derEndkunde der Beschwerdeführerin reine Auslandstelefonate ohne Anknüpfung an die USAdurchführt (z.B. Österreich - Österreich).

Beispiel:

Zu Anschauungszwecken wird im Folgenden die Berechnung der USC anhand einesBruttoentgelts in Höhe von USD 120 sowie eines Contribution Factors (wie in Q1/2019)in Höhe von 20% dargestellt. Für die streitgegenständlichen Zeiträume erfolgt dieBerechnung analog.
Zunächst wird für ein Bruttoentgelt von USD 120
(an Kunden in Rechnung gestelltesNettoentgelt inklusive USC-Kostenbetrag) unter Anwendung des Contribution Factors iHv. 20% eine vorläufige USC in Höhe von USD 24,- errechnet. Da auch die an den Kundenweiterbelastete USC Teil der USC-Bemessungsgrundlage ist, wird anschließend dieserBetrag mit dem korrespondierenden Circularity Factor iHv 16,80% multipliziert (24 *16,80% =4,03) und um das Ergebnis dieser Multiplikation gekürzt (24 - 4,03 = USD 19,97USC). Im Ergebnis ergibt sich eine Besteuerung iHv etwa 20% eines fiktiven Nettoentgeltsin Höhe von etwa EUR 100:

Die USC wird von amerikanischen Telekommunikationsunternehmen auf den Rechnungenan die Kunden gesondert ausgewiesen und weiterverrechnet. So wurde dies von derBeschwerdeführerin auch in den gegenständlichen Fällen gehandhabt.
Die Art der Berechnung und die Weiterbelastung an den Endverbraucher veranschaulichen,
dass auch der US-amerikanische Gesetzgeber die USC als Verbrauchsteuer begreift.

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6.1.5 Höhe der Federal Universal Service Charge

Die Höhe der USC wird quartalsweise von der Bundesbehörde Federal CommunicationsCommission festgesetzt und ist online abrufbar.16 In den streitgegenständlichen Jahrenbetrug die USC zwischen 16,7% (Q4/2015) und 18,8% (Q4/2017). In den Folgejahrenbetrug die USCbis zum Q2/2019 nie unter 17,9% (Q3/2018) und bis zu 20,1% (Q4/2018).
Der Cicularity Factor verhält sich dabei analog wie im obigen Beispiel, sodass im Ergebnis
eine Besteuerung des Nettoentgelts in Höhe des jeweils einschlägigen Contribution Factorserreicht wird.

6.1.6 Verzugsfolgen und Exekution

Soweit von der USAC ausgestellte Rechnungen über USC nicht gezahlt werden, werdendiese gemäß Debt Collection Act 1982 bzw Debt Collection Improvement Act 1996gegenüber dem Bundesstaat USA geschuldet.
Vergleichbar mit der österreichischen Rechtslage gibt es auch im Zusammenhang mit der
USC Sanktionen für die verspätete Erklärung von Bemessungsgrundlagen17 -und für dieverspätete Zahlung (Verzugszinsen, Abgabenerhöhungen, etc.).18

6.1.7 Behördliche Überprüfung und Rechtsschutz

Die USAC ist auch zur Durchführung von Betriebsprüfungen im Hinblick auf die korrekteAbfuhr der USC befugt.19 Gegen Entscheidungen der USAC steht dem Abgabepflichtigen einRechtsmittel zu.20 Vergleichbar mit der österreichischen Beschwerdevorentscheidung ist dasRechtsmittel bei USAC einzubringen, die zunächst eine abweichende Entscheidung erlassenoder an ihrer Rechtsansicht festhalten kann. In zweiter Instanz entscheidet dieBundesbehörde FCC über das Rechtsmittel.

6.2 Sales Tax und Sales Tax-ähnliche Steuern

Telekommunikationsdienstleistungen bzw die gegenständlichen Roamingleistungen an US-amerikanischeEndverbraucher unterliegen zusätzlich einer sogenannten Sales Tax, die mitder europäischen Umsatzsteuer vergleichbar ist (siehe oben). Auf diese Roamingleistungenfallen in den USA oft noch weitere Sales Tax-ähnliche Steuern an.

So unterliegen Telekommunikationsdienstleistungen in den meisten US-Bundesstaatenentweder der angesprochenen generellen Sales Tax oder einer speziellen Sales Tax aufTelekommunikationsleistungen. Im Gegensatz zur USC sind dies keine bundesweitenAbgaben, sondern variieren je nach Bundesstaat und können auch je nach lokalerSteuergesetzgebung innerhalb eines Bundesstaates weiter variieren (z.B. auf Ebene Städte,Landkreise oderSonderbezirke). Überdies kann je nach Bundesstaat ein Umsatz nicht nur

16 https://www.usac.org/cont/tools/contribution-factors.aspx
17https://www.usac.org/cont/invoices/late-filing-sanction.aspx
18https://www.usac.org/cont/late-payments/default.aspx
19https://www.usac.org/cont/about/program-integrity/default.aspx
20https://www.usac.org/about/about/program-integrity/appeals.aspx

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der generellen Sales Tax oder der speziellen Sales Tax aufTelekommunikationsdienstleistungen unterliegen, sondern auch anderen Sales Tax- ähnlichenSteuern, wie zB der "gross receipt Tax". Weitere Beispiele für Sales Tax-ähnlicheSteuern sind etwa Steuern, dieNotfallkommunikationsdienste oder Dienstleistungen fürKunden mit Hörproblemen finanzieren. Die Steuerbelastung vonTelekommunikationsdienstleistungen ist in den USA daher bundesweit sehrunterschiedlich. Im Durchschnitt liegt die allgemeine Sales Tax bei ca. 6-8,5%.
Bemessungsgrundlage für die generelle Sales Tax/die spezielle Sales Tax auf
Telekommunikationsdienstleistungen und ggf. für die Sales Tax-ähnliche Steuern sindgrundsätzlich alle Telekommunikationsdienstleistungen unabhängig davon, ob diese aucheiner USC unterliegen. Es unterliegen daher auch jene Umsätze einer Besteuerung, für dieaus Sicht der USA mangels Anknüpfung an das Inland keine USC zu entrichten ist.
Sofern ein Umsatz sowohl mit USC als auch mit Sales Tax belastet ist, ist auch die USC als
Teil der Bemessungsgrundlage für die Sales Tax zu berücksichtigen, sodass die Sales Taxgemessen am Nettoentgelt exkl USC entsprechend höher ausfällt.
Daraus ist abzuleiten, dass auf die bei ca. 20% liegende USC noch eine weitere
Abgabenbelastung anfällt, die nicht nur den eigentlichen Umsatzerlös, sondern auch nochdie USC als Bemessungsgrundlage hat. Wird daher einem Kunden ein Entgelt iHv. 100 inRechnung gestellt, zu dem zusätzlich eine USC iHv 20 aufgeschlagen wird, liegt dieBemessungsgrundlage für die Sales Tax bei 120. Eine Sales Tax mit einem Satz von nur6% löst daher eine zusätzliche Belastung von 7,2 aus, sodass eine effektiveumsatzsteuerähnliche Abgabenbelastung bei einer effektiven Besteuerung von weit über20% liegt.

Zwischenfazit: Die Besteuerung von Telekommunikationsdienstleistungen in denUSA ist mit jener in Österreich vergleichbar. Mit Sales Tax und USC fallen in denUSA jedenfalls zumindest zwei Verbrauchsteuern an, die sowohl dem Grunde alsauch der Höhe nach mit der österreichischen Umsatzsteuer vergleichbar sind.

7. Erfordernis der Vermeidung von Doppelbesteuerung oderWettbewerbsverzerrung

Nach Artikel 59a der MwStSystRL kann der Zweck der Verlagerung des Leistungsortesneben der Vermeidung von Nichtbesteuerung auch in der Vermeidung vonDoppelbesteuerung oderWettbewerbsverzerrung liegen.

Auch wenn das Finanzamt nicht vom Vorliegen einer dieser Voraussetzungen ausgegangenist, hält die Beschwerdeführerin der Vollständigkeit halber ergänzend fest, dass auch dieanderen Tatbestandsmerkmale, die eine Verlagerung des Leistungsortes beiTelekommunikationsdienstleistungen rechtfertigen würden, im gegenständlichen Fall nichtanwendbar sind:

Im gegenständlichen Fall wird durch die vom Finanzamt angestrebte Verlagerung desLeistungsortes in das Inland eine Doppelbesteuerung nicht vermieden, sondern

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gerade herbeigeführt, da durch die Leistungsortverlagerung ein zusätzlicherBesteuerungsanspruch Österreichs begründet wird.

Der Zweck einer Vermeidung der Doppelbesteuerung kann nicht erreicht werden,wenn ein Leistungsort vom Drittland in das Inland verlagert wird.

So hat auch der VwGH zu der in Buchstabe b) des Artikels 59a der MwStSystRLvorgesehenen Maßnahme, die die Begründung einer inländischen Steuerpflicht zum Inhalthat, festgehalten, dass diesbezüglich der Fall der Vermeidung von Doppelbesteuerung grundsätzlich ausscheidet: 21

"Mitgliedstaaten können das Wahlrecht nach Absatz 3 des Artikel 9 der Richtlinie77/388/EWG ausüben, um "Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oderWettbewerbsverzerrungen zu vermeiden". Im Buchstaben b) dieses Absatzes 3Artikel 9, der die Begründung einer inländischen Steuerpflicht zum Inhalt hat,scheidet der Fall der Vermeidung von Doppelbesteuerung grundsätzlichaus." ( 2003/15/0059, Hervorhebungen erfolgten durch uns).

Nach der Rsp des VwGH ist die Besteuerung von in Österreich erbrachtenTelekommunikationsdienstleistungen durch einen im Drittstaat ansässigenMobilfunkanbieter an dessen ebenfalls im Drittstaat ansässige Kunden mit österreichischerUmsatzsteuer unionsrechtswidrig, weil die Verlagerung des Leistungsortes in das Inlandnicht der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen diene. Der Leistungsortbefinde sich nämlich unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer im Drittstaat, imEU-Ausland oder im Inland ansässig sei, im Drittstaat, sodass insoweit alle miteinander imWettbewerb stehenden Unternehmergleichbehandelt würden:22

"Weil sich der Leistungsort hinsichtlich aller Unternehmer, die zueinander imWettbewerb stehen können, im Drittland befindet, kann die Regelung betreffendden Leistungsort nicht die Grundlage für eine Wettbewerbsverzerrungdarstellen. Den Ort für Leistungen an im Drittland ansässige Abnehmer in dasGemeinschaftsgebiet zu verlagern, dient daher nicht der Vermeidung vonWettbewerbsverzerrungen. Vor diesem Hintergrund ist es auch zu sehen, dass dermit der Richtlinie 1999/59/EG in den Artikel 9 der Richtlinie 77/388/EWGaufgenommene Absatz 4 bloß auf solche Telekommunikationsdienstleistungenabstellt, die von einem in einem Drittland ansässigen Steuerpflichtigen anin der Gemeinschaft ansässige Personen erbracht werden.

Soweit die Verordnung BGBl. II 102/1997 undifferenziert auch alle Fälle der Leistungan im Drittland ansässige Abnehmer erfasst, ist sie durch Art. 9 Abs. 3 derRichtlinie 77/388/EWG nicht gedeckt." ( 2003/15/0059,Hervorhebungen erfolgten durch uns).

Auch eine Wettbewerbsverzerrung durch Umsatzsteuerumgehung kann daher bei derErbringung von Telekommunikationsdienstleistungen von im Drittland ansässigen

21 2003/15/0059
22 Vgl
2003/15/0059

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Anbietern an im Drittland ansässige Kunden nicht stattfinden und daher nicht alsRechtfertigung für die Verlagerung des Leistungsortes herangezogen werden.

Zwischenfazit: Die Verlagerung des Leistungsortes in das Inland ist weder durchden Zweck der Vermeidung von Doppelbesteuerung noch durch den Zweck derVermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gedeckt.

8. Leistungen von im Drittland ansässigen Unternehmern an ihre inDrittstaaten ansässigen Kunden fallen nach Judikatur des EuGH generellnicht in den Anwendungsbereich der MwStSystRL

Unabhängig davon, ob das BFG die in den USA vorliegende Besteuerung für vergleichbarmit der österreichischen Umsatzsteuer erachtet, wäre eine Leistungsortverlagerung fürLeistungen drittstaatlicher Unternehmer an ihre in Drittstaaten ansässigen Kunden in dasGemeinschaftsgebiet generell unzulässig. Dies geht eindeutig aus der Judikatur des EuGHzur Rechtssache Athesia Druck Srl ( C-1/08) hervor.

In der Rechtssache Athesia Druck Srl erbrachte ein Italienischer UnternehmerWerbeleistungen an einen im Drittstaat ansässigen Leistungsempfänger. DerDrittstaatsunternehmer verrechnete die Werbeleistungen seinerseits an imGemeinschaftsgebiet ansässige Kunden weiter.
Die Werbeleistungen des italienischen Unternehmers gelten nach damaliger Rechtslage als
sogenannte Katalogleistungen grundsätzlich als am Empfängerort, also im Drittstaat,ausgeführt. Das italienische Recht sah jedoch basierend auf Art. 9 Abs. 3 der 6. MwSt-Rl,der inhaltlich nunmehr Artikel 59a MwStSystRL entspricht, eine Verlagerung desLeistungsortes nach Italien vor, wenn die Werbeleistung in Italien genutzt bzw. ausgewertetwurde. Der EuGH hat diese Leistungsortverlagerung als unionsrechtskonform angesehen,da die Werbung im gegenständlichen Fall in Italien verbreitet und somit dort ausgewertetwurde.

Die italienische Finanzverwaltung vertrat jedoch weiters die Auffassung, dass sich auch fürdie Weiterverrechnung der Werbeleistungen durch den im Drittland ansässigenUnternehmer an dessen Kunden der Leistungsort nach Italien verlagere. Diese Ansichtwurde vom EuGH klar verworfen. Artikel 9 Abs. 3 der 6. MwSt-RL sei auf die Erbringungvon Dienstleistungen durch außerhalb der Gemeinschaft ansässige Unternehmervon vornherein nicht anwendbar. Der Leistungsort für diese Dienstleistungen seivielmehr ausschließlich nach den allgemeinen Regeln der Richtlinie zu bestimmen:

"Wenn folglich von der in dieser Bestimmung eingeräumten Möglichkeit Gebrauchgemacht wurde und eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens vorliegt, könnendie Steuerbehörden des betroffenen Mitgliedstaats die vom Dienstleistenden demEnd- oder Zwischenempfänger erbrachten Leistungen auf dem Gebiet der Werbungnach Art. 9 Abs. 2 und 3 der Sechsten Richtlinie zu Recht als im Inland erbracht undals solche steuerpflichtig ansehen, nicht aber die Dienstleistungen, die deraußerhalb der Gemeinschaft ansässige Zwischenempfänger seinen eigenenKunden erbracht hat, als steuerpflichtig betrachten." ( AthesiaDruck Srl, C-1/08, Rn 32; Hervorhebungen erfolgten durch uns).

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Die Ausführungen des EuGH sind auf die Weiterverrechnung vonTelekommunikationsdienstleistungen durch im Drittstaat ansässige Mobilfunkanbieterunmittelbar übertragbar. Artikel 59a MwStSystRL kann daher bei Vorliegen derVoraussetzungen zwar allenfalls die unionsrechtliche Grundlage für die Verlagerung desLeistungsortes von durch österreichische Unternehmer erbrachtenTelekommunikationsdienstleistungen in das Inland darstellen. Die Weiterverrechnungderartiger Leistungen durch einen im Drittland ansässigen Unternehmer fällt jedoch nachAnsicht des EuGH von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Artikel 59aMwStSystRL. Derartige Leistungen haben ihren Leistungsort vielmehr entsprechend denallgemeinen Leistungsortregeln dort, wo der Leistungsempfänger ansässig ist und daher ingegenständlichen Fällen im Drittland.23

Dies gilt jedoch nur für die Leistungsbeziehung zwischen dem drittstaatlichenTelekommunikationsdienstleister und seinen in einem Drittstaat ansässigen Kunden. DieQualifizierung der Leistungsbeziehung zwischen dem drittstaatlichenTelekommunikationsdienstleister und dem österreichischenTelekommunikationsunternehmen, welches die Nutzung des österreichischen Netzesermöglicht, ist von dieser Rechtsprechung unstrittiger Weise nicht erfasst.

Zwischenfazit: Nach der EuGH-Judikatur zur Rechtssache Athesia Druck Srl ( C1/08) fallen Leistungen von Drittstaats-Unternehmern anihre Kunden in Drittstaaten generell nicht unter Leistungsortverlagerungs-Bestimmungen der MwStSystRL. Daraus ergibt sich, dass im gegenständlichenFall für die durch die Beschwerdeführerin an ihre in den USA ansässige Kundenerbrachten Leistungen keine Verlagerung des Leistungsortes in das Inlandstattfinden kann.

In seiner jüngsten Rechtsprechung erachtete der VwGH (, Ro 2016/15/0035) dieRechtsprechung des EuGH zur Rechtssache Athesia Druck Srl ( C-1/08)für Sachverhalte wie den verfahrensgegenständlichen betreffendTelekommunikationsdienstleistungen, die unter Art. 59a MwStSystRL fallen, für nichteinschlägig. Dies begründete der VwGH im Wesentlichen damit, dass die der EuGH-Rechtsprechungzur Rechtssache Athesia Druck Srl zugrundeliegende Bestimmung nichtArt. 59a MwStSystRL, sondern Art. 9 Abs. 2 lit e der 6. MwSt-RL gewesen sei.

Dies ist insofern bemerkenswert, als Art. 59a MwStSystRL die Regelungen des Art. 9 Abs. 2lit e der 6. MwSt-RL im Wortlaut (abgesehen von angepassten Bestimmungsverweisen)unverändert fortführt, sodass sich materiell keine Änderungen ergeben. Hierbei würde sichdaher die zum VwGH-Erkenntnis gegenläufige Rechtsansicht geradezu aufdrängen, dassdie EuGH-Judikatur zur Rechtssache Athesia Druck Srl eins zu eins auch aufTelekommunikationsdienstleistungen nach Art. 59a MwStSystRL umzulegen ist.

Vor diesem Hintergrund hätten dem VwGH im Verfahren zu Ro 2016/15/0035 zumindestZweifel aufkommen müssen, ob die EuGH-Judikatur zur Rechtssache Athesia Druck Srl nicht auch auf Sachverhalte betreffend Telekommunikationsdienstleistungen nach Art. 59a

23 Vgl. dazu Haller, Besteuerung von Roaming-Dienstleistungen im Verhältnis zu Drittstaaten, SWK 2019, 558.

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MwStSystRL anzuwenden sind. Derartige Zweifel verpflichten den VwGH alsletztinstanzliches Gericht, die strittige Rechtsfrage dem EuGH für Zwecke einesVorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV vorzulegen.24 Dies ist im VwGH-Verfahrenzu Ro 2016/15/0035 unterblieben, weshalb die Einschlägigkeit derRechtsprechung des EuGH zur Rechtssache Athesia Druck Srl fürTelekommunikationsdienstleistungen nach Art. 59a MwStSystRL nach wie vor nicht vonjenem Gericht endgültig geklärt ist, welches die letztinstanzliche Kompetenz für derartigeAuslegungsfragen hat - dem EuGH.

Nach § 290 BAO kann auch das BFG den Beschluss fassen, eine Rechtsfrage zurVorabentscheidung nach Art. 267 AEUV dem EuGH vorzulegen. Im Zuge des zumfortgesetzten Verfahren zu Ro 2016/15/0035 ergangenen BFG-Erkenntnisses vom, RV/2101050/2018, nahm das BFG davon Abstand, einVorabentscheidungsverfahren beim EuGH einzuleiten. Das BFG-Erkenntnis wurde beimVfGH mit Erkenntnisbeschwerde angefochten (anhängig beim VfGH zu E 5126/2018).

Wir regen vor diesem Hintergrund an, dass das BFG folgende Rechtsfrage dem EuGH zurVorabentscheidung vorlegen möge:

Ist Art. 59a Buchstabe b MwStSystRL dahingehend auszulegen, dass er einernationalen Bestimmung wie jener des Ausgangsverfahrens entgegensteht, wonachder Leistungsort bei Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen iSd Art. 59MwStSystRL durch einen Unternehmer, der sein Unternehmen von einem Drittstaataus betreibt und im Gemeinschaftsgebiet keine an der Leistungserbringung beteiligteBetriebstätte hat, an einen Nichtunternehmer, welcher ebenfalls außerhalb desGemeinschaftsgebiets ansässig ist, ins Gemeinschaftsgebiet verlagert wird, wenn imGemeinschaftsgebiet die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt?

9. Rechtswidrige Leistungsortverlagerung aufgrund der unmittelbarenAnwendbarkeit des Art. 24b lit b MwSt-DVO

Im Hinblick auf die Beantwortung der angeregten Vorlagefrage zur Einschlägigkeit der Rechtssache Athesia Druck Srl ( C-1/08) erlauben wir uns auf dieBestimmung des Art. 24b lit b MwSt-DVO25 zu verweisen. Diese Bestimmung stellt für anNichtunternehmer erbrachte Telekommunikationsdienstleistungen die Vermutung auf,dass der Leistungsempfänger in dem Land ansässig ist, das durch den Ländercode der SIM-Kartebezeichnet wird. Eine Widerlegung dieser Vermutung durch den Fiskus ist gemäß Art.24d Abs. 2 MwSt-DVO nur zulässig, wenn es Hinweise auf falsche Anwendung oderMissbrauch durch den Leistungsempfänger gibt.
Die MwSt-DVO hat als europäische Verordnung Anwendungsvorrang und verdrängt
entgegenstehendes nationales Recht. Auf diese Weise legt die Bestimmung bei Leistungen

24 Vgl Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union 46. Ergänzungslieferung 2011, Art. 267 AEUV Rn 51 ff; zur Vorlagepflicht des VwGH Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht, 4. Auflage(2011) 198 ff.
25 Durchführungsverordnung (EU) 282/2011 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriftenzur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl L 77 vom ,S 1.

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an Nichtunternehmer zwingend den Leistungsort im Drittstaat fest, wenn kein Zweifeldarüber besteht, dass Roamingleistungen an einen Nichtunternehmer eines Drittstaatsvorliegen. Damit widerspricht Art. 24b lit b MwSt-DVO der Bestimmung des Art. 59aMwStSystRL, die unter gewissen Umständen (Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen,Doppelbesteuerung und Nichtbesteuerung) eine Leistungsortverlagerung in dasGemeinschaftsgebiet zulässt.26 Nichtsdestotrotz ist Art. 24b lit b MwSt-DVO nach derAuffassung der hL solange von nationalen Behörden und Gerichten aufgrund desAnwendungsvorrangs gegenüber nationalem Recht anzuwenden, bis der EuGH Art. 24b lit. b MwSt-DVO aufgrund eines Verstoßes gegen die MwStSystRL aufhebt.27 Vor diesemHintergrund hat die Leistungsortverlagerung nach der hier strittigenTelekommunikationsdiensteVO unangewendet zu bleiben.

Zwischenfazit: Art. 24b lit b MwSt-DVO legt für Roamingleistungen von inDrittstaaten ansässigen Telekommunikationsunternehmen an ihre in Drittstaatenansässigen Kunden zwingend fest, dass der Leistungsort der Roamingleistung imDrittstaat liegt. Vor diesem Hintergrund ist eine Leistungsortverlagerung nach§ 1 der TelekommunikationsdiensteVO unionsrechtswidrig.

Im Lichte der Judikatur des EuGH zur Rechtssache Athesia Druck Srl () fügt sich Art. 24b lit b MwSt-DVO stimmig in das Unionsrecht ein: EineLeistungsortverlagerung für Leistungen von in Drittstaaten ansässigen Unternehmen anihre in Drittstaaten ansässigen Kunden in das Gemeinschaftsgebiet ist unzulässig.

Sollte das BFG Zweifel an dieser Rechtsansicht haben, regen wir weiters an, das BFG mögenach § 290 BAO auch folgende Frage an den EUGH zur Vorabentscheidung herantragen:

Steht Art. 24b lit b MwSt-DVO im einer nationalen Bestimmung wie jener imAusgangsverfahren entgegen, wodurch für die Leistungsbeziehung zwischen einemin einem Drittstaat ansässigen Unternehmer mit seinem in einem Drittstaatansässigen Kunden (Nichtunternehmer) eine Leistungsortverlagerung entsprechendArt. 59a MwStSystRL in das Gemeinschaftsgebiet erfolgt?

10.Verstoß gegen internationales Recht

Die Internationale Fernmeldeunion, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mitSitz in Genf, hat die Internationalen Fernmeldevorschriften als Ergebnis einer Konferenz inMelbourne 1988 verabschiedet.
Österreich ist Mitglied der Internationalen Fernmeldeunion, deren Rechtsgrundlage die
Satzung der Internationalen Fernmeldeunion und der Vertrag der InternationalenFernmeldeunion, Genf 1992 (samt nachher erfolgten Änderungen) ist, welche vonÖsterreich entsprechend ratifiziert wurden.

26 Berger/Wakounig in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG3 (2018) Einf Tz 16; Berger/Freitag, Dieneue Durchführungs-Verordnung der EU zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie im Überblick, SWK 12/2011, S 540(S 540 ff).
27 Ruppe/Achatz, UStG5, Einf Tz 28/4.

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Die Internationalen Fernmeldevorschriften, das sogenannte "Melbourne-Abkommen", giltdaher auch in Österreich.

Artikel 6.1.3 des Melbourne-Abkommens lautet folgendermaßen:

"Where, in accordance with the national law of a country, a fiscal tax is levied oncollection charges for international telecommunication services, this tax shallnormally only be collected in respect of international services billed tocustomers in that country, unless other arrangements are made to meet specialcircumstances."

Die Bestimmung sieht vor, dass Steuern, die auf internationaleTelekommunikationsdienste erhoben werden, in der Regel nur den Kunden desbetreffenden Landes in Rechnung gestellt werden sollen, also im Ansässigkeitsstaat desjeweiligen Kunden. Ausnahmen werden nur bei Bedarf und unter besonderen Umständengewährt, wenn Österreich auf Inkassokosten für Telekommunikationsdienste Umsatzsteuererhebt.

Sämtliche EU-Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien des Melbourne Abkommens. Als EU-Mitgliedstaatist Österreich an die Mehrwertsteuerrichtlinien gebunden, die dieMehrwertsteuergesetzgebung der Mitgliedstaaten weitgehend harmonisieren, so dasssowohl die EU-Richtlinien als auch das österreichische Recht dem Melbourne-Abkommen Rechnung tragen müssen:28

Gemäß dem Melbourne-Abkommen sollten Roaming-Verträge nicht dazu führen, dass demKunden die Umsatzsteuer auf die Dienste eines ausländischenTelekommunikationsanbieters in einem anderen Staat als seinem Heimatland berechnetwird. Diese Zielsetzung wurde nicht nur bereits im Melbourne-Abkommen formuliert,sondern findet auch in den - nachher in Kraft getretenen - einschlägigen unionsrechtlichenBestimmungen Deckung. Weder durch Unionsrecht, noch durch das österreichischeUmsatzsteuerrecht sollte von diesen Grundsätzen abgewichen werden, weshalb sehrstrenge Voraussetzungen für die Verlagerung des Leistungsortes in das Unionsgebiet bzw. in das Inland geschaffen wurden.

Bei Erlassung der angefochtenen Bescheide blendete das Finanzamt jene internationalenRechtsgrundlagen gänzlich aus, in die die österreichische TelekommunikationsdiensteVOeingebettet ist. Es widerspricht jedweder teleologischer Gesetzesinterpretation, würde manunterstellen, dass unionsrechtliche Rechtsgrundlagen einen Bruch mit internationalenRechtsvorschriften wie dem Melbourne-Abkommen in Kauf nehmen würden. Vielmehr sinddie unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen (Art. 59a MwStSystRL, Art. 24b lit b MwSt-DVO)und damit auch nationale Rechtsvorschriften (TelekommunikationsdiensteVO) soauszulegen, dass daraus kein Rechtsbruch mit internationalen Rechtsvorschriften entsteht.

Indem die österreichische Finanzverwaltung jedoch durch die bekämpften BescheideDienstleistungen, die die Beschwerdeführerin an ihre in den USA ansässige Kundenerbringt, der österreichischen Umsatzsteuer unterwirft, verstößt sie gegen diesefundamentalen Grundsätze des internationalen Rechts.

28 Tax Rules in Non Tax Agreements, Lang/Pistone/Schuch/Staringer/Storck, S 104

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Zwischenfazit: Vor dem Hintergrund des Melbourne-Abkommens und einschlägigerEuGH-Judikatur zur Rechtssache Athesia Druck Srl ( C-1/08) ergibt sichfür die hier strittige Rechtsfrage nur eine einzige vertretbare Lösung: Für eineösterreichische Besteuerung von Umsätzen aus Leistungen in Drittstaatenansässiger Unternehmer an ihre in Drittstaaten ansässigen Kunden bleibt keinRaum. Die angefochtenen Bescheide sind daher rechtswidrig.

Diesfalls stünde die TelekommunikationsdiensteVO in Widerspruch zurVerordnungsermächtigung des § 3a Abs. 16 UStG, da diese den Rahmen für eineLeistungsortverlagerung auf die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen,Doppelbesteuerung und Nichtbesteuerung eingrenzt.

Dieser gesetzliche Verordnungsermächtigungs-Rahmen ist im Lichte der - insoweitwortgleichen - Vorgaben des Art. 59a MwStSystRL zu prüfen. Dass Art. 59a MwStSystRLeine Leistungsortverlagerung für Leistungen zwischen drittstaatlichen Unternehmern undihren in Drittstaaten ansässigen Kunden nicht vorsieht, geht aus Judikatur des EuGH(Rechtssache Athesia Druck Srl, C-1/08) hervor; eineLeistungsortverlagerung bei der Höhe der gegenständlichen Besteuerung in den USA (über20%) ist überdies mit keinerlei österreichsicher Judikatur (vgl. oben zitierte VwGH- undBFG-Entscheidungen) vereinbar. Somit sprengt die Interpretation derTelekommunikationsdiensteVO durch die Finanzverwaltung jedwedengesetzlichen Verordnungsermächtigungsrahmen.

Darüber hinaus würde sich dadurch eine Rechtswidrigkeit derTelekommunikationsdiensteVO aufgrund des Widerspruchs zu internationalenRechtsgrundlagen, dem Melbourne-Abkommen, ergeben.

Zwischenfazit: Die Rechtsansicht des Finanzamts hinsichtlich der Auslegung derTelekommunikationsdiensteVO für Telekommunikationsdienstleistungendrittstaatlicher Unternehmer an ihre in Drittstaaten ansässigen Kundenunterstellt
- der TelekommunikationsdiensteVO einen gesetzeswidrigen Inhalt
- dem Gesetz (§ 3a Abs. 16 UStG) einen Bruch mit Unionsrecht (Art. 59a
MwStSystRL) und
- dem Unionsrecht eine Verletzung von Völkerrecht (Melbourne-Abkommen).

Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die Rechtsansicht der Finanzverwaltung einenkrassen Systembruch mit übergeordneten generellen Normen darstellt. Die angefochtenenBescheide sind daher rechtswidrig.

11.Unzulässige Vorschreibung von Verspätungszuschlägen

Nach § 135 BAO ist die Vorschreibung von Verspätungszuschlägen nur dann zulässig, wenneine Abgabenerklärung verspätet eingereicht wurde und die Verspätung nicht entschuldbar

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ist. Selbst wenn die Vorschreibung der strittigen Umsatzsteuer nicht rechtswidrig wäre (dieRechtswidrigkeit ist aus den oben genannten Gründen uE evident), kann keine Rede davonsein, dass Umsatzsteuererklärungen bzw Umsatzsteuervoranmeldungen schuldhaft (!)verspätet eingereicht wurden. Vielmehr beruhte die Nichteinreichung vonAbgabenerklärungen auf einer vertretbaren (und uE richtigen) Rechtsansicht. Dieangefochtenen Verspätungszuschläge sind daher ersatzlos aufzuheben.

D. Fazit

Das Vorliegen einer Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungist sowohl nach Unionsrecht als auch nach österreichischem UmsatzsteuerrechtTatbestandsvoraussetzung für die Verlagerung des Leistungsortes in das Inland.

Im gegenständlichen Fall scheiden sowohl die Vermeidung einer Doppelbesteuerung alsauch einer Wettbewerbsverzerrung als Tatbestandsvoraussetzung für die Verlagerung desLeistungsortes in das Inland aus.

Auch eine Nichtbesteuerung liegt im konkreten Fall nicht vor, weil die Leistungen derBeschwerdeführerin an ihre in den USA ansässigen Kunden in den USA einerUmsatzbesteuerung von über 20 % unterliegen.

Dass dies vom Finanzamt bei Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht entsprechendfestgestellt wurde, ist ausschließlich darin begründet, dass das Finanzamt diesbezüglichseiner amtswegigen Ermittlungspflicht nach § 115 BAO nicht nachgekommen ist.

Die angefochtenen Bescheide widersprechen unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen (Art. 59aMwStSystRL, Art. 24b lit b MwSt-DVO ) als auch nach EuGH-Judikatur (Athesia Druck Srl, C-1/08) und stehen in krassem Widerspruch zu internationalenRechtsgrundlagen (Melbourne-Abkommen).

Die angefochtenen Bescheide sind daher sowohl aufgrund der Verletzung vonVerfahrensvorschriften als auch aufgrund inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin hält sämtliche in ihrer Beschwerde gestellten Anträge aufrecht.
Weiters stellt die Beschwerdeführerin den
Antrag,gemäß § 274 BAO eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

…"

Im Zusammenhang mit den gleichzeitig erlassenen Jahresbescheiden 2015-2017 führte die Bf. ergänzend mit Schreiben vom (OZ. 43) Folgendes aus:
"

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1. Neue Auslegung betreffend die Verlagerung des Leistungsortes durch EuGH in SK Telecom

(6) Am erging das EuGH-Urteil in der Rechtssache SK Telecom1, welches für das gegenständliche Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung ist. Nunmehr erlaubt der EuGH erstmals eine Verlagerung des Leistungsortes im Sinne des Art. 59a MwStSystRL und damit eine Besteuerung von Dienstleistungen aus dem Drittland nach - in diesem Fall - Österreich, auch wenn die Dienstleistung bereits im Drittland besteuert wird. Der EuGH hat in Rz. 45 des Urteils klargestellt, dass (Hervorhebungen erfolgten durch uns)

"Als Zweites ist entsprechend der Feststellung des Generalanwalts in Nr. 88 seiner Schlussanträge auszuführen, dass bei der Anwendung dieser Bestimmung etwaige Fälle von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrung anhand der steuerlichen Behandlung der betreffenden Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu beurteilen sind,
ohne dass die Steuerregelung zu berücksichtigen ist, der diese Dienstleistungen in dem betreffenden Drittland unterliegen."

1 SK Telecom (Rs C-593/19).

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(7) Folglich ist nach der völlig neuen Auffassung des EuGH die Besteuerung im Drittland irrelevant. Für die in Österreich bis dahin einhellige Rechtsmeinung (dies gilt sowohl für die Verwaltungspraxis, Lehre, Rechtsprechung und Beratungspraxis) war dies eine große Überraschung, zumal vor der Entscheidung in SK Telecom die Besteuerung im Drittland übereinstimmend als entscheidend angesehen wurde.
(8) In Rz. 46 des Urteils hielt der EuGH gleichzeitig jedoch fest, dass eine solche Doppelbesteuerung, die aus einer Außerachtlassung der Besteuerung im Drittstaat resultiert, möglicherweise völkerrechtlichen Verpflichtungen entgegensteht und deren Berücksichtigung daher zu einem anderen Ergebnis führen könnte (Hervorhebungen erfolgten durch die Bf):

"
Anderes könnte sich zwar aus einem einschlägigen völkerrechtlichen Abkommen mit diesem Drittland ergeben. Im Vorabentscheidungsersuchen und in den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird jedoch kein derartiges Abkommen erwähnt."

Da vor dem EuGH die Anwendbarkeit eines solchen völkerrechtlichen Abkommens nicht vorgebracht wurde, hat sich der EuGH nicht dazu geäußert, ob ein völkerrechtliches Abkommen (oder welches Abkommen) zu einem anderen Ergebnis führen könnte.

(9) In der vorliegenden ergänzenden Stellungnahme wird die Beschwerdeführerin darlegen, dass (i) die neue Auffassung des EuGH (Irrelevanz der Besteuerung in einem Drittland) im Widerspruch zu einer im österreichischen Umsatzsteuerrecht bestehenden vorteilhafteren Regelung steht und (ii) dass eine Verlagerung des Leistungsortes im Sinne von Art. 59a MwStSystRL eine Verletzung von mehreren (!) völkerrechtlichen Abkommen nach sich zieht.

2. Nationales Umsatzsteuerrecht in Widerspruch zu EU-Recht

a. Auslegung des österreichischen Umsatzsteuerrechts vor SK Telecom
(10) Das Vorliegen einer Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder einer Wettbewerbsverzerrung ist sowohl nach EU-Recht als auch nach österreichischem Umsatzsteuerrecht Voraussetzung bei der Prüfung, ob es zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich kommen kann.
(11) Die bislang einhellige Auslegung von § 3a Abs. 16 UStG sowie der TelekommunikationsdiensteVO
2 ging davon aus, dass - zur Vermeidung von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen - eine Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich nur dann möglich ist, wenn die Leistungen im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen.

(12) Die Höhe der Besteuerung im Drittland war daher nach bisheriger Rechtspraxis von entscheidender Bedeutung, wie auch aus der nachfolgend (beispielhaft) aufgelisteten Judikaturlinie des VwGH und des BFG sowie den Umsatzsteuerrichtlinien des BMF und Literaturmeinungen hervorgeht (sämtliche Hervorhebungen in den nachfolgend angeführten Zitaten erfolgten durch die Bf).
• Die seit jeher bestehende Rechtsauffassung, dass eine vergleichbare Steuerbelastung im Drittland einer Leistungsortverlagerung nach Österreich entgegensteht, wurde in zwei Leitentscheidungen des VwGH höchstgerichtlich bestätigt. Hierbei verwies der VwGH auf die Implementierung von Art. 9 Abs. 3 lit b der Richtlinie 77/388/EWG
3 in österreichisches Recht, wonach eine Verlagerung des Leistungsortes zulässig

2 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, VO BGBl. II Nr. 383/2003
3Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage.

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sei, um Wettbewerbsverzerrungen, Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung zu vermeiden. Eine Nichtbesteuerung liegt nicht vor, wenn im Drittland eine vergleichbare Steuerbelastung besteht.

- In seiner Entscheidung vom , 2003/15/0059 hielt der VwGH folgendes fest:
"Maßnahmen nach Absatz 3 Buchstabe b) des Artikel 9 der Richtlinie 77/388/EWG (Verlagerung des Leistungsortes vom Drittland in das Inland) können sohin auf den Zweck der Vermeidung von Nichtbesteuerungen gestützt sein.
Das hat aber zur Voraussetzung, dass die Dienstleistung im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt."
- In seiner Entscheidung vom , 2005/15/0104 bestätigte der VwGH seine bisherige Rechtsprechungslinie:
"Maßnahmen nach Absatz 3 Buchstabe b) des Artikel 9 der Richtlinie 77/388/EWG können allerdings auch auf den Zweck der Vermeidung von Nichtbesteuerungen gestützt sein. Solches hat aber zur Voraussetzung, dass die Dienstleistung
im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt."

• In seiner jüngeren Rechtsprechung erachtete der VwGH eine Leistungsortverlagerung nach der TelekommunikationsdiensteVO in jenen Fällen für zulässig, in denen im Drittstaat keine Umsatzsteuer besteht (etwa zu Saudi-Arabien, Ro 2016/15/0035, in der die Feststellung des Finanzamts hinsichtlich einer fehlenden Umsatzbesteuerung im Ausland entscheidend war):
"Das Finanzamt versagte die Erstattung der Vorsteuern im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Umsätze der mitbeteiligten Partei (Roaming-Gebühren) nach der Verordnung
BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland steuerbar seien, weil die erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen im Drittland (Saudi-Arabien) keiner der inländischen Umsatzsteuer vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen würden."

• Als Folge auf diese VwGH-Judikatur schränkte auch die Finanzverwaltung für Telekommunikationsdienstleistungen den Anwendungsbereich der VO II 2003/383 idgF auf jene Fälle ein, in denen die Leistungen im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen (UStR 2000 Rz. 643):

"Liegt der Ort der Telekommunikationsdienstleistung, Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes und unterliegt die Leistung dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird sie nach der VO des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung an einen Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994 oder an einen Nichtunternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 erbracht wird."

• Nach der Verwaltungspraxis des - für ausländische Unternehmer örtlich zuständigen - Finanzamts Graz-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich), wie sie auch in der Literatur einhellig wiedergegeben wird, war bislang eine Umsatzbesteuerung im Drittstaat in Höhe von zumindest 15% erforderlich, um als "vergleichbar" zu gelten, da der Normalsteuersatz in der EU gemäß Art. 97 MwStSystRL mindestens 15% beträgt.4

4 Haller, Besteuerung von Roaming-Dienstleistungen im Verhältnis zu Drittstaaten, SWK 2019, 554.

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• In jüngerer Vergangenheit hat sich das BFG vermehrt mit der Frage einer vergleichbaren Besteuerung basierend auf der Höhe des Steuersatzes auseinandergesetzt. In seiner jüngsten Judikatur dazu hat das BFG eine Besteuerung in Höhe von 14% in einem Drittstaat außerhalb des Gemeinschaftsgebiets als vergleichbare Besteuerung beurteilt, die eine Verlagerung des Leistungsortes in das Inland ausschließt5:

"Ein Steuersatz von 14% kann als vergleichbare Steuerbelastung angesehen werden, da er lediglich um einen Prozentpunkt unter dem Mindestsatz der Normalsteuersatzrichtlinie liegt. Im Übrigen kann der oa. Judikatur des VwGH kein bestimmter Prozentsatz entnommen werden."

(13) Der oben dargelegten Judikatur und Verwaltungspraxis folgend wird in der Literatur die einhellige Meinung vertreten, dass § 3a Abs. 16 UStG iVm der TelekommunikationsdiensteVO6 dahingehend auszulegen ist, dass eine Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich nur dann möglich ist, wenn die Leistungen im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen:
• So vertritt Ecker
7 die Ansicht, dass im Drittstaat mindestens ein Steuersatz von 15% vorliegen muss, um von einer vergleichbaren Steuerbelastung auszugehen:
"[Das Fehlen einer vergleichbaren Steuerbelastung im Drittland] wird dann vorliegen, wenn der Unternehmer im Drittland keiner Umsatzsteuerbelastung iSd MwSt-RL unterliegt (vgl
2003/15/0059; , 2005/15/0104). Eine vergleichbare Steuerbelastung wird somit jedenfalls vorliegen, wenn auf die Umsätze des Unternehmers ein Umsatzsteuersatz von mindestens 15% angewandt wird."

• Hornich/Kronawetter/Reinisch8, legen sich hinsichtlich der Steuerbelastung im Drittstaat nicht auf einen bestimmten Steuersatz fest, stellen jedoch für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Leistungsortverlagerung sehr wohl auf eine Besteuerung im Drittstaat ab:
"
Offen bleibt, welche Höhe die Steuerbelastung aufweisen muss, damit von einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung gesprochen werden kann."

(14) Fazit: Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der bisherige Tatbestand des § 3a Abs. 16 UStG iVm der TelekommunikationsdiensteVO auf jene Fälle Anwendung findet, in denen die Dienstleistungen im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen.
Die neue Sichtweise des EuGH in der Entscheidung SK Telecom kommt daher überraschend und steht in völligem Widerspruch zu den österreichischen Regelungen, wie sie vom VwGH, BFG, Finanzamt und von der Literatur konsequent interpretiert wurden. Es ist offensichtlich, dass die bisherige Umsetzung des Artikel 59a in das österreichische Steuerrecht durch die TelekommunikationsdiensteVO für Drittlandsunternehmen günstiger war, da eine vergleichbare Besteuerung im Drittland eine solche Leistungsortverlagerung (und Doppelbesteuerung) verhinderte. Insofern ist es klar, dass der
österreichische Gesetzgeber explizit (!) das Steuersystem des Drittlands berücksichtigen wollte und somit der bisherige Tatbestand des § 3a Abs. 16 UStG iVm der TelekommunikationsdiensteVO im österreichischen Recht günstiger ist als das durch den EuGH iS SK Telecom ausgelegte EU-Recht.

5 RV/2100366/2016
6 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, VO BGBl. II Nr. 383/2003
7 Ecker in Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwersteuer - UStG 1994 (2015) zu § 3a UStG, Rz. 677
8 Hornich/Kronawetter/Reinisch, Richtlinienwidrige Verordnung betreffend Verlagerung bei Telekommunikationsdienstleistungen VwGH Erkenntnis und dessen Auswirkungen, ÖStZ 2006, 38f.

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b. Umsatzsteuerliche Konsequenzen, wenn das österreichische Recht vorteilhafter ist als das EU-Recht

(15) Das europäische Umsatzsteuerrecht basiert auf EU-Richtlinien. Richtlinien sind gem. Art. 288 AEUV für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet werden, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch die Wahl der Form und der Mittel der Umsetzung den Mitgliedstaaten.9 Richtlinien können keine Verpflichtung für die einzelnen Bürger, sondern nur für die Mitgliedstaaten begründen.10 In der Praxis geht die Bedeutung der Richtlinien gerade bei der Mehrwertsteuer weit über die bloße Funktion einer Grundsatzgesetzgebung hinaus. Dies beruht unter anderem darauf, dass sich die Bedeutung der Richtlinien aus der Rsp des EuGH ergibt, die vom Gedanken des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes geprägt ist.11
(16) Nach der Rechtsprechung des EuGH, sind - soweit Richtlinien eine unmittelbare Wirkung zukommt - Verwaltung und Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet, jene Bestimmungen des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, die mit den Richtlinien nicht in Einklang stehen, dh auch nicht richtlinienkonform interpretiert werden können (Anwendungsvorrang des Unionsrechts; zB
106/78 "Simmenthal II"; , 103/88 "Fratelli Costanzo"; , C-621/10 "Balkan and Sea Properties").12
(17) Wenn im Einzelfall das nationale Recht für den Steuerpflichtigen günstiger ist als die Bestimmungen einer EU-Richtlinie, so gilt, da die Richtlinie keine unmittelbare Verpflichtung der einzelnen Bürger begründen kann, der Anwendungsvorrang des nationalen Rechts.
13 Der Anwendungsvorrang des (günstigeren) nationalen Rechts ist sowohl in Judikatur als auch Literatur unumstritten:

• Hierzu hat der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom , V R 95/89, Folgendes festgestellt:
"Da sich die
von der Richtlinie abweichende [nationale] Regelung in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1980 zugunsten der Klägerin auswirkt, braucht die Frage einer Berufung der Klägerin auf die Richtlinie nicht erörtert zu werden."
• Dieses Urteil wurde im BFH-Urteil vom , V R 110/88, ausdrücklich bekräftigt, wonach:
"Soweit diese [
nationale] Regelung mit Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern […] unvereinbar ist, geht das für den Steuerpflichtigen günstigere nationale Recht vor."

• Auch der VwGH hat in seiner Entscheidung vom , 2010/15/0065 14, ausdrücklich festgehalten, dass
"Dem Mitgliedstaat steht es nicht zu, unter Berufung auf Grundfreiheiten des EU-Vertrages eine höhere Besteuerung vorzunehmen als jene, die sich für den konkreten Einzelfall aus dem nationalen Recht ergeben kann."

• Auch Berger/Wakounig15 halten fest, dass günstigeres nationales Recht Anwendungsvorrang genießt:

9 Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz, (Hrsg), Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 (2017) Einführung zum UStG, Rz. 22
10 Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar5, Rz. 25
11 Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar5, Rz. 22
12 Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar5, Rz. 26; Renner, Vorsteuerabzug: Verhältnis von nationalem Recht zu Unionsrecht und Anwendungsvorrang, SWI 2014, 114 (114)
13 Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz, UStG: Kommentar5, Rz. 26; Renner, SWI 2014, 117
14 2010/15/0065, mit Verweis auf EuGH, Lenz, C-315/02
15 Berger/Wakounig in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON (2018), Einführung in die österreichische Umsatzsteuer, Rz. 15.

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"Zu beachten ist auch, dass dem Gemeinschaftsrecht grundsätzlich Vorrang vor innerstaatlichem Recht zukommt, wobei aber grundsätzlich zunächst ein Anwendungsvorrang des nationalen Rechtes vor dem Richtlinienrecht besteht. Richtlinien entfalten nämlich keine unmittelbare Wirkung. […]"

• Dieselbe Ansicht vertreten Ruppe/Achatz16:

"Ist im Einzelfall das nationale Recht für den Steuerpflichtigen günstiger als das Richtlinienrecht, so gilt, da die RL keine unmittelbare Verpflichtung der einzelnen Bürger begründen kann, der Anwendungsvorrang des nationalen Rechts"

• Renner17 schließt sich mit Verweis auf die Entscheidung des 2010/15/0065, derselben Rechtsansicht an:
"Ist
unionsrechtswidriges nationales Recht für den Steuerpflichtigen im Einzelfall günstiger als Unionsrecht, kann die Verdrängung insoweit nicht zu seinen Lasten erfolgen. Dem Mitgliedstaat steht es dann nicht zu, unter Berufung auf Grundfreiheiten des EU-Vertrags (hier: Kapitalverkehrsfreiheit) eine höhere Besteuerung vorzunehmen als jene, die sich für den konkreten Einzelfall aus dem nationalen Recht ergeben kann."

(18) Fazit: Die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie führt nach hA nur dann zu einem Anwendungsvorrang gegenüber - zu EU-Recht in Widerspruch stehenden - nationalen Regelungen, sofern die Richtlinienbestimmung günstiger ist als die nationale Bestimmung.18
(19) Aus der Literatur und Rechtsprechung des BFH sowie VwGH geht jedoch klar hervor, dass in jenen Fällen, in denen das nationale Recht dem EU-Recht widerspricht und für den Steuerpflichtigen günstiger ist als EU-Recht, das nationale Recht anzuwenden ist.

c. UStR Wartungserlass 2021 - Entwurf

(20) In Bezug auf die Verlagerung des Leistungsortes iZm der Erbringung von Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen hat das Bundesministerium für Finanzen das Urteil des EuGH in der Rechtssache SK Telecom in den Entwurf des UStR Wartungserlasses 2021 aufgenommen (der Entwurf war zum Zeitpunkt der Erstellung dieser ergänzenden Stellungnahme vom BMF zur Begutachtung versandt worden). Die geänderte Rz. 643 des Entwurfs lautet wie folgt (die Änderungen sind fett gedruckt):

"Liegt der Ort der Telekommunikationsdienstleistung, Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes und unterliegt die Leistung dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird sie nach der VO des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 idgF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung in der Union vermieden wird, ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung diese Leistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen (vgl. C-593/19, SK Telecom Co. Ltd). Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung an einen Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994 oder an einen Nichtunternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 erbracht wird. Bis war zusätzliche Voraussetzung, dass die Leistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterlag. Bei Roamingleistungen ergibt

16 Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz, UStG: Kommentar5, Rz. 26
17 Renner, SWI 2014, 117
18 Vgl zB EuGH, Stockholm Lindöpark, C-150/99 - UR 2001; BFH , V R 49/00; Knechtl, Der (neue) Kleinunternehmer ab 2017, SWK 12/2017, 614 (617); Bahns/Brinkmann/Gläser/Sedlaczek in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht (2015) Art. 113 AEUV, Rn 46; Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (2016) Art. 1 AEUV, Rn 22; Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz, UStG: Kommentar5, Rz. 25 f.

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sich bereits aus der Natur dieser Leistungen, dass ihre tatsächliche Nutzung oder Auswertung notwendigerweise im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats erfolgt, wenn sich die Kunden von ausländischen Telekommunikationsbetreibern dort vorübergehend aufhalten (vgl. C593/19, SK Telecom Co. Ltd)."

(21) Offensichtlich ist auch das BMF der Ansicht, dass nach österreichischem Recht das Steuersystem des Drittlands vor der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache SK Telecom maßgeblich war. Folglich wird auch bei der Änderung der UStR berücksichtigt, dass, wenn nationales Recht günstiger ist als EU-Recht, ersteres Anwendungsvorrang genießt. Aus diesem Grund wird vom BMF bis zum eine "Schonfrist" eingeräumt, in der die vor dem EuGH-Urteil SK Telecom allgemein akzeptierte nationale Auslegung anwendbar bleiben soll. Daher ist die (für den verfahrensgegenständlichen Fall ungünstigere) Rechtsansicht des EuGH im SK Telecom-Urteil, wonach eine Besteuerung Drittstaat nicht relevant ist, für die strittigen Umsatzsteuerzeiträume 2015 bis 2017 auch nach Ansicht des BMF nicht anwendbar.

d. Fazit

(22) Es liegt auf der Hand, dass die österreichischen Regelungen, nämlich die auf der Grundlage des § 3a Abs. 16 UStG erlassene TelekommunikationsdiensteVO, in der die Vermeidung von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen normiert ist, deutlich günstiger sind als die MwStSystRL und daher - auch durch den Entwurf zum UStR-Wartungserlass 2021 des BMF bestätigt - der Anwendungsvorrang des nationalen Rechts für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum gelten soll.

(23) Das BMF als Verordnungsgeber hatte bei Einführung der TelekommunikationsdiensteVO sehr wohl die Absicht, die Besteuerung im Drittland zu berücksichtigen, andernfalls wäre dies in Verwaltungspraxis und Rechtsprechung nicht durchgehend so ausgelegt worden. Um dies zu ändern wäre ein neuer Rechtsakt erforderlich, zumal die TelekommunikationsdiensteVO zum Zeitpunkt ihres Erlasses einen anderen Anwendungsbereich hatte als das durch den EuGH in SK Telecom ausgelegte EU-Recht. Daher bleibt die historische Tatbestandsmäßigkeit dieser Regelung zur Vermeidung der Nichtbesteuerung "versteinert" und entfaltet aufgrund ihrer günstigeren Tatbestandsvoraussetzungen (Berücksichtigung einer Besteuerung im Drittstaat) weiterhin Anwendungsvorrang.

(24) Wie bereits in der Beschwerde vom (siehe Anlage ./1) ausführlich dargelegt, ist die Besteuerung von Telekommunikationsdienstleistungen in den USA mit jener in Österreich vergleichbar. Sowohl die "US-Sales Tax" als auch die Federal Universal Service Charge (USC) sind ihrem Wesen nach mit der österreichischen Umsatzsteuer vergleichbar: In beiden Fällen werden Umsätze besteuert, wobei sowohl die Bemessungsgrundlage dem Entgelt entspricht als auch die Konzeption als Steuer auf den Letztverbrauch im Ergebnis vergleichbar ist (besteuert wird in den USA nur der Umsatz an den Endverbraucher, wie es systematisch auch der österreichischen Umsatzsteuer aufgrund der Neutralität in der Unternehmerkette und Weiterbelastung an den Verbraucher entspricht). Wie in Österreich sind auch in den USA die Umsätze des abgelaufenen Quartals unterjährig zu erklären. Zudem unterliegen die Dienstleistungen der Beschwerdeführerin an ihre in den USA ansässigen Kunden in den USA einer Umsatzbesteuerung von über 20%.

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3. Die Leistungsortverlagerung steht im Widerspruch zu mehreren völkerrechtlichen Abkommen

(25) Im nachfolgenden Abschnitt wird dargelegt, dass die Republik Österreich bei einer Leistungsortverlagerung nach Österreich und einer damit verbundenen Besteuerung der strittigen Umsätze in Österreich gegen mehrere völkerrechtliche Abkommen verstoßen würde, insbesondere:
a. Doppelbesteuerungsabkommen USA - Österreich;
b. Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) der WTO;
c. Vollzugsordnung für Internationale Fernmeldedienste (ITR).

Nachfolgend werden die Rechtsverletzungen im Hinblick auf diese völkerrechtlichen Abkommen im Detail dargelegt.

(26) Art. 23 des Doppelbesteuerungsabkommens USA - Österreich (DBA USA-Österreich) 19 legt den Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Steuersachen fest. Mit dieser Vorschrift wird die Anwendung der innerstaatlichen Normen ausgeschlossen, die Personen aufgrund eines der in Art. 23 DBA USA-Österreich genannten Merkmale benachteiligen.

(27) Art. 23 Abs. 1 Satz 1 DBA USA - Österreich lautet wie folgt:

"Staatsangehörige eines Vertragsstaates dürfen in dem anderen Staat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können".

Diese Bestimmung entspricht nahezu vollständig dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen 2017 (OECD-Musterabkommen (2017).20 Nach dieser Nichtdiskriminierungsklausel ist jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit für Zwecke der Besteuerung untersagt.21 Das bedeutet, dass ein US-Staatsangehöriger, in Österreich nicht schlechter behandelt werden darf als ein österreichischer Staatsangehöriger, der sich mit dem US-Staatsangehörigen in gleichen Verhältnissen befindet.

(28) Eine verbotene Diskriminierung nach Art. 23 Abs. 1 DBA USA-Österreich setzt somit voraus, dass
(i) die Steuern, die in dem betreffenden Fall erhoben werden, in den Anwendungsbereich des
DBA USA-Österreich fallen;
(ii) Österreich einen US-Steuerpflichtigen im Vergleich zu einem österreichischen Steuerpflichtigen in gleichen Verhältnissen weniger günstig behandelt; und
(iii) die Diskriminierung auf der Staatsangehörigkeit der betreffenden US-Person beruht.

Nachfolgend wird auf die Punkte (i) bis (iii) gesondert eingegangen und dargelegt, warum Art. 23 Abs. 1 DBA USA-Österreich der gegenständlichen Leistungsortverlagerung und Besteuerung in Österreich entgegensteht.

19 Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen BGBl III 1998, 7 ff
20 Der Artikel des OECD-Musterabkommens 2017 enthält lediglich einen Zusatz, wonach die

Besteuerung des damit verbundenen Bedarfs insbesondere in Bezug auf den Wohnsitz nicht belastender sein darf.
21 Siehe Art. 24 Abs. 1 Rz. 5 OECD MC

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i. Die Nichtdiskriminierungsklausel gilt auch für die österreichische Umsatzsteuer

(29) Obwohl der Hauptzweck des DBA USA-Österreich zweifellos darin besteht, die Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen zu beseitigen, ist der Anwendungsbereich der Nichtdiskriminierungsklausel nicht auf Einkommens- oder Vermögensteuern beschränkt. Ausdrücklich gilt die Nichtdiskriminierungsklausel in Art. 23 DBA USA-Österreich auch für "Steuern jeder Art und Bezeichnung, die von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften erhoben werden". Ferner sieht Art. 2 Abs. 4 Satz 1 DBA USA-Österreich vor, dass das Abkommen für die Zwecke des Art. 23 auch für Steuern jeder Art und Bezeichnung gilt, die von einem Vertragsstaat oder seinen Gebietskörperschaften erhoben werden. Es ist daher unstrittig, dass auch die Umsatzsteuer vom Anwendungsbereich der Nichtdiskriminierungsklausel umfasst ist.22 Dies gilt insbesondere für die österreichische Umsatzsteuer, die dem EU-Mehrwertsteuersystem folgt, einem der weltweiten Leitbilder der Mehrwertbesteuerung. Daher besteht kein Zweifel daran, dass der Anwendungsbereich der Nichtdiskriminierungsklausel des DBA USA-Österreich für die Beschwerdeführerin in Bezug auf die im vorliegenden Fall von Österreich erhobene Umsatzsteuer eröffnet ist.

(30) Die von der Beschwerdeführerin in den USA entrichteten Abgaben auf die verfahrensgegenständlichen Umsätze, nämlich die US Sales Tax und die Federal Universal Service Charge (USC), erfüllen ebenfalls die Voraussetzungen für eine "Steuer" im Sinne des DBA USA-Österreich. Obwohl das Abkommen selbst keine Definition des Begriffs "Steuer" enthält, ist es hinsichtlich der Auslegung des Steuerbegriffs des OECD-Musterabkommens (das für die Auslegung des vorliegenden Abkommens relevant ist) allgemein anerkannte Auffassung, dass unter den Steuerbegriff jede Art von obligatorischer Geldzahlung zu subsumieren ist, die keine Gegenleistung für bestimmte Dienstleistungen darstellt.23 Ferner umfasst nach allgemeinem Verständnis der Begriff "Steuer" aufgrund der Formulierung "Steuern jeder Art" auch Abgaben, die nach dem innerstaatlichen Recht eines Staates zwar nicht als "Steuer" bezeichnet werden, die aber die Merkmale einer Steuer erfüllen.24 So können z.B. auch Sozialversicherungsbeiträge in den Anwendungsbereich der Nichtdiskriminierungsklausel fallen, wenn sie nach innerstaatlichem Recht der beteiligten Vertragsstaaten "Steuern" darstellen.25 Für die Einordnung einer Abgabe als Steuer im Sinne eines Doppelbesteuerungsabkommens ist es zudem nicht erforderlich, dass der andere Vertragsstaat eine vergleichbare Steuer erhebt.26 Im Einzelnen: a. Die US Sales Tax ist zweifellos eine Steuer im Sinne des DBA USA - Österreich, da es sich hierbei um eine Steuer nach US-amerikanischen abgabenrechtlichen Grundsätzen handelt, die verpflichtend zu entrichten ist und nicht als Gegenleistung für bestimmte Leistungen erhoben wird. Sales Taxes werden auf steuerpflichtige Transaktionen von Waren und Dienstleistungen erhoben und berechnen sich als Prozentsatz vom Transaktionswert. Die Tatsache, dass die Sales Tax nicht von den Bundesbehörden, sondern von den einzelnen Bundesstaaten und/oder Gemeinden oder Bezirken erhoben wird, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant, da Art. 23 Abs. 6 DBA USA-Österreich den Anwendungsbereich der Nichtdiskriminierungsklauseln in Art. 23 auf Steuern ausdehnt, die von Gebietskörperschaften, politischen Unterorganisationen oder lokalen Behörden des Vertragsstaates erhoben werden.27

b. Die gleiche Beurteilung als "Steuer" nach Art. 23 DBA USA - Österreich gilt für die USC, da es sich auch hierbei um eine zwingend zu entrichtende Abgabe handelt, zu deren Abfuhr Telekommunikationsanbieter gesetzlich verpflichtet sind und der kein Anspruch auf eine Gegenleistung gegenübersteht.28 Die Abgabe

22 Vgl. Wassermeyer/Schwenke in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 154. EL Juli 2021, Art. 24 OECD-MA 2017 Rz. 104; Rust in: Klaus Vogel on Double Taxation Conventions, 4. Auflage, Art. 24 Rz. 124; Lang, SWI 2011, 469 ff
23 Vgl. Wassermeyer in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung 154. EL Juli 2021, Art. 2 OECD-MA 2017 Rz. 26
24 Siehe Rust/Capristano/Luo in: Taxes covered under Art. 2 of the OECD Model, Chapter 11, p. 284
25 Siehe Rust/Capristano/Luo in: Taxes covered under Art. 2 of the OECD Model, Chapter 11, p. 284; betreffend DBA mit den USA siehe Blum in: Wassermayer, Doppelbesteuerung, 154. EL Juli 2021, DBA US Art. 24 Rz. 157
26 Rust in: Klaus Vogel on Double Taxation Conventions, 4. Auflage, Art. 24 Rz. 125
27 Siehe hierzu die englische Sprachfassung zu Art. 23 DBA USA-Österreich
28 Telecommunications Act von 1996.

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basiert auf den prognostizierten Endkunden-Telekommunikationsumsätzen und einem von einer US Bundesbehörde, der amerikanischen Federal Communications Commission, vierteljährlich festgelegten Steuersatz ("Contribution Factor").29 Wie oben dargelegt, ist es für die Einstufung als Steuer gemäß Doppelbesteuerungsabkommen, so auch des DBA USA-Österreich, nicht erforderlich, dass die Abgabe als "Steuer" bezeichnet wird. Daher ist auch die OECD der Ansicht, dass es sich bei der USC um eine "Steuer" handelt30; genauer gesagt handelt es sich bei der USC nach der Einordnung der OECD sogar um eine Mehrwertsteuer für ausgehende Roamingdienste!31

(31) Im Ergebnis sind somit sowohl die US Sales Tax als auch die USC, ebenso wie die österreichische Umsatzsteuer, "Steuern" im Sinne des Art. 23 DBA USA-Österreich. Diese funktionale Gleichwertigkeit der betreffenden US-Steuern mit der österreichischen Umsatzsteuer ist für den vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung. Wie im Folgenden dargelegt wird, führt die Nichtberücksichtigung dieser gleichwertigen Steuern in den USA im Zuge der Leistungsortverlagerung nach Österreich mit der daraus resultierenden Doppelbesteuerung in Österreich zu einem Verstoß gegen die Verpflichtungen Österreichs aus Art. 23 Abs. 1 des DBA USA-Österreich.

ii. Bestehende Diskriminierung der Beschwerdeführerin in Österreich

(32) Nach der Nichtdiskriminierungsklausel des Art. 23 Abs. 1 DBA USA-Österreich darf die Besteuerung eines US-Staatsangehörigen oder eine damit zusammenhängende Verpflichtung nicht beschwerlicher oder anders sein als die eines österreichischen Staatsangehörigen, sofern die Verhältnisse betreffend die Staatsangehörigen gleich sind. Alle Elemente dieser Nicht-Diskriminierungsklausel sind im vorliegenden Fall gegeben:
(33) Es ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführerin zwei getrennte, aber wirtschaftlich kumulative Belastungen durch die Umsatzsteuer (bzw. deren US-Äquivalent) für dieselben Dienstleistungen drohen: Einerseits unterliegen die Dienstleistungen der Beschwerdeführerin in den USA eindeutig der US-Sales Tax und der USC, andererseits erhebt Österreich auf dieselben Dienstleistungen ebenfalls Umsatzsteuer. Auf den Punkt gebracht ist die Beschwerdeführerin dadurch einer doppelten Umsatzsteuerbelastung ausgesetzt. Es ist daher im Rahmen eines (hypothetischen) Vergleichs der Beschwerdeführerin mit ihren inländischen (österreichischen) Mitbewerbern unter denselben tatsächlichen und rechtlichen Umständen
32 zu prüfen, ob ein österreichischer Telekommunikationsdienstleister mit seinen Dienstleistungen an Kunden, die diese Leistungen in Österreich nutzen und in Anspruch nehmen, ebenfalls einer solchen Doppelbesteuerung unterliegen würde.

(34) Dies ist offensichtlich nicht der Fall, da solche lokalen Mitbewerber nur in Österreich (und nirgendwo anders) besteuert werden: Telekommunikationsdienstleistungen, die von lokalen Mitbewerbern an Kunden in Österreich erbracht und dort genutzt werden, unterliegen ausschließlich der österreichischen Umsatzsteuer. Derartige Dienstleistungen würden somit eindeutig keiner Doppelbesteuerung unterliegen. Daraus folgt, dass die Beschwerdeführerin im Vergleich zu einem österreichischen Telekommunikationsanbieter einer anderen - deutlich nachteiligeren - Regelung unterliegt, die darauf basiert, dass die Existenz von US-Steuern bei der Auslegung der Bestimmung des § 3a Abs. 16 UStG iVm der TelekommunikationsdiensteVO in Österreich ignoriert wird. Im Vergleich zu österreichischen Telekommunikationsanbietern mit denselben Voraussetzungen erleidet die Beschwerdeführerin eine doppelte Steuerbelastung mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen.

29 Siehe 47 CFR Part 54 - § 54.709 (a)
30 Directorate for Science, Technology and Industry of the OECD of 21 December 2009, DSTI/ICCP/CISP(2009)8/FINAL, p. 48
31 Directorate for Science, Technology and Industry of the OECD of 21 December 2009, DSTI/ICCP/CISP(2009)8/FINAL, p. 46 und "overview table of taxes on mobile roaming", p. 48
32 Andere Umstände sind nicht zu berücksichtigen, vgl. Rust in: Vogel/Lehner, DBA, 7. Auflage. 2021, Art. 24 OECD-MA 2017 Rz. 58.

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(35) Damit stellt die Nichtberücksichtigung der gleichwertigen US-Steuern bei der Leistungsortbestimmung für umsatzsteuerliche Zwecke zweifelsohne eine diskriminierende Behandlung im Sinne des Art. 23 DBA USA-Österreich dar. Jede im österreichischen Recht vorgesehene Besteuerung müsste demnach zurückstehen, da Art. 23 DBA USA-Österreich - als lex specialis - dem österreichischen innerstaatlichen Recht vorgeht.33

(36) Da Nichtdiskriminierungsklauseln absoluten Charakter34 haben, kann der Verstoß gegen die Nichtdiskriminierungsklausel im Rahmen des DBA USA-Österreich nicht durch legitime Gründe außerhalb der ausdrücklich im Abkommen selbst festgelegten Einschränkungen gerechtfertigt werden.35 So ist es beispielsweise nicht möglich, die vom EuGH entwickelten Grundsätze anzuwenden, nach denen der Verstoß gegen die Diskriminierungsvorschriften des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann.36

iii. Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit

(37) Weiters muss die Diskriminierung auf einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit beruhen und nicht auf einer unterschiedlichen Behandlung aus anderen Gründen, zB. dem Wohnsitz.37 Die Definition des Begriffs "Staatsangehörigkeit" findet sich in Art. 3 Abs. 1 lit. h) DBA USA - Österreich und umfasst alle natürlichen Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzen, sowie alle juristischen Personen, Personengesellschaften und Vereinigungen, die ihren Status als solche aus dem geltenden Recht eines Vertragsstaates ableiten.
(38) Die Beschwerdeführerin ist nach den einschlägigen Bestimmungen eindeutig ein US-Staatsangehöriger, da die Gesellschaft ordnungsgemäß nach US-Recht gegründet wurde. Dies bedeutet, dass ein US-Staatsangehöriger einer höheren Besteuerung von Roamingdiensten in Österreich unterliegt als ein vergleichbarer österreichischer Staatsangehöriger.
(39) Die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin ist auch der Grund für die unterschiedliche steuerliche Behandlung. Wie bereits oben ausgeführt, ergibt sich die diskriminierende Behandlung der Beschwerdeführerin im Vergleich zu einem österreichischen Telekommunikationsdienstleister allein aus der Tatsache, dass die US-Steuern bei der Leistungsortbestimmung nach den geltenden österreichischen Umsatzsteuervorschriften außer Acht gelassen werden, was sohin zu einer Doppelbesteuerung der Beschwerdeführerin führt. Ein anderer Grund als die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin ist für diese Diskriminierung nicht ersichtlich: Wäre die Beschwerdeführerin ein Telekommunikationsdienstleister aus Österreich (oder aus einem anderen EU-Mitgliedstaat), würden sowohl das österreichische Umsatzsteuerrecht als auch die einschlägigen EU-Richtlinien einer solchen Doppelbesteuerung entgegenstehen. Die diskriminierende Behandlung der Beschwerdeführerin hat daher keinen anderen Grund als dass es sich bei ihr um einen US-amerikanischen Telekommunikationsanbieter handelt.
(40) Für den gegenständlichen Fall ist bemerkenswert, dass es sich hierbei nicht um die typische Frage des umsatzsteuerlichen Leistungsortes handelt, wo die Umsatzsteuervorschriften (sowohl in Österreich als auch im EU-Recht) bei der Bestimmung des Lieferortes häufig darauf abstellen, ob ein Lieferant in der EU oder in einem Drittland (wie etwa den USA) ansässig ist. Um diese typische Frage des umsatzsteuerlichen Leistungsortes geht es hier gerade nicht. Vielmehr fingiert das österreichische Recht einen österreichischen Leistungsort für die Dienstleistungen der Beschwerdeführerin alleine aufgrund der Tatsache, dass es sich bei den anderen Steuern um US-Steuern handelt (und nicht um österreichische oder Steuern anderer EU-Mitgliedstaaten). Dies ist eine Diskriminierung aufgrund der US-amerikanischen Staatsangehörigkeit der

33 Vgl. 89/16/0085, ÖStZB 1990, 248
34 Vgl. Wassermeyer/Schwenke in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 154. EL Juli 2021, Art. 24 OECD-MA 2017 Rz. 2f; Lüdicke, IStR 2017, 289, 295; Rust in: Klaus Vogel on Double Taxation Conventions, 4. Auflage, Art. 24 Rz. 4
35 Vgl. Wassermeyer/Schwenke in: Wassermeyer, Doppelbesteuerung, 154. EL Juli 2021, Art. 24 OECD-MA 2017 Rz. 2f
36 Vgl. Haslehner in: Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar, 2. Auflage. 2019, Art. 24, p 1581 Rz. 4
37 Vgl. Bourgois/Römer in: Lang/Melz/Kristoffersson, Value Added Tax and Direct Taxation: Similarities and Differences, 1231, 1239

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Beschwerdeführerin, da es praktisch unmöglich ist,dass Nicht-US-Telekommunikationsanbieter für ihre in Österreich erbrachten Dienstleistungen solchen US-Steuern unterliegen.

iv. Fazit

(41) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die offensichtliche Doppelbesteuerung der Beschwerdeführerin gegenüber ihren österreichischen Mitbewerbern eine klare Verletzung von Art. 23 Abs. 1 DBA USA - Österreich darstellt. Es ist das allgemeine Ziel des DBA USA - Österreich, derartige Diskriminierungen zu vermeiden. Um seinen Verpflichtungen aus dem DBA USA - Österreich nachzukommen, muss Österreich die von der Beschwerdeführerin geschuldeten US-Steuern bei der Anwendung (bzw. Nichtanwendung) der Bestimmung des Leistungsort nach § 3a Abs. 16 UStG iVm der TelekommunikationsdiensteVO berücksichtigen. Folglich verpflichtet das DBA USA-Österreich die Republik Österreich dazu, von einer Leistungsortverlagerung nach Österreich Abstand zu nehmen. Für die österreichische Umsatzsteuer muss der Leistungsort der Telekommunikationsdienstleistungen der Beschwerdeführerin daher in den USA verbleiben, sodass diese Leistungen in Österreich keiner (doppelten) Umsatzsteuerbelastung unterliegen.

b. Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)

(42) Die Nichtdiskriminierung ist eine zentrale Verpflichtung unter den Freihandelsabkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), zu denen insbesondere das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) gehört. Das GATS ist ein multilaterales, internationales Übereinkommen, dem (neben vielen anderen Ländern) auch Österreich und die USA angehören. Darüber hinaus sind auch alle anderen EU-Mitgliedstaaten und sogar die EU selbst Vertragspartei des GATS. Aufgrund seiner hohen Anzahl an Mitgliedern und deren weitreichender Abdeckung des Welthandels spielt das GATS-Abkommen eine Schlüsselrolle im internationalen Handel, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen der Mitgliedsländer zu gewährleisten, wenn diese ihre Dienstleistungen international anbieten.
(43) Artikel XVII des GATS-Abkommens enthält eine "Inländerbehandlung"-Regel (National Treatment), die nichts anderes ist als eine Nichtdiskriminierungsklausel zum Schutz der von einem Dienstleistungserbringer eines GATS-Mitglieds erbrachten Dienstleistungen vor Diskriminierung durch ein anderes GATS-Mitglied. Artikel XVII GATS lautet wie folgt (Hervorhebungen durch die Bf hinzugefügt):

Artikel XVII

Inländerbehandlung

1. In den in seiner Liste angeführten Bereichen gewährt jedes Mitglied unbeschadet der darin niedergelegten Bedingungen und Vorbehalte den Dienstleistungen und Erbringern von Dienstleistungen eines anderen Mitglieds hinsichtlich aller Maßnahmen, die die Erbringung von Dienstleistungen betreffen, eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die seinen eigenen Dienstleistungen und Erbringern von Dienstleistungen eingeräumte Behandlung.
2. Ein Mitglied kann die Bedingungen des Absatzes 1 dadurch erfüllen, daß es Dienstleistungen und Erbringern von Dienstleistungen eines anderen Mitglieds eine Behandlung gewährt, die derjenigen, die es seinen eigenen vergleichbaren Dienstleistungen oder Erbringern von Dienstleistungen gewährt, formal entweder gleich ist oder sich von ihr unterscheidet.
3. Eine formal gleiche oder formal unterschiedliche Behandlung gilt dann als weniger günstig, wenn ein Mitglied die Wettbewerbsbedingungen zugunsten seiner eigenen Dienstleistungen oder Erbringer von Dienstleistungen gegenüber vergleichbaren Dienstleistungen oder Erbringern von Dienstleistungen eines anderen Mitglieds verändert.

(44) Zunächst ist festzuhalten, dass es völlig unstrittig ist, dass Telekommunikationsdienstleistungen, die ein US-amerikanischer Telekommunikationsanbieter für seine Kunden während ihrer physischen Anwesenheit im österreichischen Hoheitsgebiet (wie im vorliegenden Fall) erbringt, in den Anwendungsbereich von Artikel XVII GATS fallen. Durch die Aufnahme von Telekommunikationsdienstleistungen in die Anlage zum GATS

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hat sich Österreich, wie in Art. XVII GATS (1) gefordert, verpflichtet, für solche Dienstleistungen den Nichtdiskriminierungsschutz im Rahmen des GATS zu gewähren.38 Bereits allein die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin in der Lage ist, Kunden in Österreich Telekommunikationsdienste anzubieten, beweist eindeutig, dass Österreich die Erbringung von Telekommunikationsdiensten in seinem Hoheitsgebiet erlaubt.

(45) Ferner steht außer Frage, dass Artikel XVII GATS auch Diskriminierungen abdeckt, die sich aus der Umsatzsteuerbelastung einer Dienstleistung ergeben. Schon aus dem Wortlaut von Art. XVII Abs. 1 GATS ergibt sich, dass die geforderte Gleichbehandlung von jedem Mitgliedstaat "Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern" zu gewähren ist. Mit anderen Worten: Für den Schutz vor Diskriminierung im Rahmen des GATS ist es unerheblich, ob eine nationale Maßnahme die Dienstleistung an sich oder den Dienstleistungserbringer diskriminiert. Es ist daher eindeutig, dass eine indirekte Steuer wie die Umsatzsteuer unter Artikel XVII (1) GATS fällt, unabhängig davon, ob sie wirtschaftlich vom Dienstleistungserbringer getragen oder an die Kunden weitergegeben wird, da ebenso jede Diskriminierung der Dienstleistung selbst gemäß Artikel XVII (1) GATS verboten ist. Tatsächlich gibt es im Rahmen des WTO/GATS-Streitbeilegungssystems zahlreiche Präzedenzfälle im Bereich der Umsatzsteuer, die bestätigen, dass die Umsatzsteuer zweifellos in den Anwendungsbereich von Artikel XVII (1) GATS fällt.39

(46) Da es sich bei der Umsatzsteuer um eine indirekte (und nicht um eine direkte) Steuer handelt, erübrigt sich die Prüfung, ob eine Diskriminierung nach Artikel XVII GATS durch die allgemeine steuerliche Ausnahmeregelung in Artikel XIV (d) GATS erlaubt ist. Diese Ausnahme in Artikel XIV (d) GATS würde (solange sie nicht willkürlich oder ungerechtfertigt ist) "eine unterschiedliche Behandlung zulassen, die darauf abzielt, die gerechte oder wirksame Auferlegung oder Erhebung direkter Steuern in Bezug auf Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer anderer Mitglieder sicherzustellen". Da Artikel XIV (d) GATS ausdrücklich auf direkte Steuern beschränkt ist, kann er eine Diskriminierung aufgrund einer indirekten Steuer wie der Umsatzsteuer naturgemäß nicht rechtfertigen.

(47) Die Diskriminierung der Dienstleistungen der Beschwerdeführerin (oder, in den Worten von Artikel XVII (1) GATS, eine ungünstigere Behandlung als Österreich seinen eigenen gleichartigen Dienstleistungen gewährt) ist auffallend: Die Beschwerdeführerin wird in Österreich (als dem Land, in dem ihre Dienstleistungen konsumiert werden) mit Umsatzsteuer belastet, obwohl ihre Dienstleistungen in den USA mit einer gleichwertigen Steuer belegt werden. Würde eine solche gleichwertige Steuer nicht von den USA (als Drittland), sondern von einem beliebigen EU-Mitgliedstaat (einschließlich Österreich) erhoben, würde Österreich die Beschwerdeführerin nicht mit einer solchen zweiten Umsatzsteuer belasten.40 Im Ergebnis führt dieses unverblümte Ignorieren der entsprechenden US-Steuer durch Österreich dazu, dass die Dienstleistungen der Beschwerdeführerin einer (erheblichen) Doppelbesteuerung in zwei Staaten (USA und Österreich) unterliegen. Wäre die Beschwerdeführerin kein Dienstleistungserbringer aus den USA, sondern aus Österreich (oder einem anderen EU-Mitgliedstaat), käme es niemals zu einer derartigen Doppelbesteuerung. Zweifelsohne sieht das österreichische Recht nicht vor, seine eigenen Telekommunikationsdienstleister (oder Anbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten) unter denselben Umständen (d.h. wenn Kunden die Telekommunikationsdienstleistungen innerhalb des österreichischen Hoheitsgebiets in Anspruch nehmen) mit einer zweiten Umsatzsteuer zu belasten, sondern stellt im Gegenteil sicher, dass die Steuer nur einmal (und nicht zweimal) auf die Dienstleistungen insgesamt erhoben wird. Im Ergebnis gewährt Österreich der Beschwerdeführerin damit keine "nicht weniger günstige

38 Austria - Schedule of Specific Commitments (GATS/SC/7 ), Chapter II/2/C (Sector Specific Commitments / Communication Services / Telecommunications)
39 WTO-Fall DS 309 (USA vs China - Value added tax on integrated circuits)
40 Zur Klarstellung sei folgendes angemerkt: Würde - unter rein theoretischer Betrachtung - die Beschwerdeführerin aus anderen Gründen als der Leistungsortverlagerung nach § 3a Abs. 16 UStG in Österreich der Umsatzsteuer unterliegen (bspw aufgrund einer umsatzsteuerlichen Niederlassung in Österreich), wären die gegenständlichen Leistungen der Beschwerdeführerin keineswegs ein weiteres Mal nach § 3a Abs 16 UStG in Österreich umsatzsteuerpflichtig. Somit ist die Doppelbesteuerung in Österreich aufgrund § 3a Abs. 16 UStG ausschließlich dadurch bedingt, dass es sich bei der steuerlichen Vorbelastung der Beschwerdeführerin "lediglich" um eine US-Steuer handelt.

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Behandlung", wie in Artikel XVII GATS gefordert, da es der Beschwerdeführerin eine zweite Umsatzsteuerzahlung aufbürdet, die Österreich auf "seine eigenen gleichartigen Dienstleistungen" nicht erheben würde, d.h. auf dieselben Telekommunikationsdienstleistungen, wenn sie von Telekommunikationsanbietern aus Österreich (oder einem anderen EU-Mitgliedstaat) erbracht werden. Es ist somit mehr als offensichtlich, dass eine solche Doppelbelastung mit einer wirtschaftlich bedeutsamen Steuer wie der Umsatzsteuer einen klaren Nachteil für das internationale Dienstleistungsangebot der Beschwerdeführerin im Vergleich zu ihren österreichischen (und anderen EU-) Mitbewerbern darstellt. Dies ist genau jene Situation, vor der Art. XVII GATS die Beschwerdeführerin schützen soll.

(48) Fazit: Es besteht kein Zweifel, dass das GATS-Abkommen als Teil der WTO ein internationales Abkommen ist, das Teil des österreichischen Rechtsbestandes ist. Ferner ist unbestritten, dass die Inländerbehandlungsregel (d.h. die Nichtdiskriminierung) des Artikel XVII GATS in Österreich unmittelbar anwendbar ist und keiner weiteren lokalen Umsetzung bedarf, um geltend gemacht zu werden. Daher ist Österreich nach internationalem Recht verpflichtet, der Beschwerdeführerin eine "nicht weniger günstige Behandlung" zu gewähren, d.h., wie oben ausgeführt, im vorliegenden Fall keine zweite Umsatzsteuer auf ihre Dienstleistungen zu erheben, wie es mit den bekämpften Bescheiden erfolgt ist.

c. Vollzugsordnung für Internationale Fernmeldedienste

(49) Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) wurde 1865 in Paris gegründet und ist die älteste und am längsten bestehende zwischenstaatliche Organisation. Im Jahr 1947 wurde sie zu einer "Sonderorganisation" der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. Ziel der ITU ist es, "die friedlichen Beziehungen, die internationale Zusammenarbeit zwischen den Völkern und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung mit Hilfe effizienter Telekommunikationsdienste zu fördern".41 Die Rechtsinstrumente der ITU sind die Satzung und der Vertrag der ITU (ITU Satzung)42 sowie die "Verwaltungsvorschriften", welche jeweils für die Mitgliedsstaaten verbindlich sind. Zu den Verwaltungsvorschriften gehören u.a. die "Vollzugsordnung für Internationale Fernmeldedienste" (ITR) und die "Vollzugsordnung für den Funkdienst".43

(50) 1988 wurde auf der World Administrative Telegraph and Telephone Conference (WATTC) in Melbourne ein neuer rechtlicher Rahmen für Telekommunikationsdienste vereinbart, der als erstes rechtsverbindliches internationales Abkommen für internationale Telekommunikationsdienste und -netze gilt (das sogenannte "Melbourne-Abkommen"). Es gilt als ITR im Sinne der ITU Satzung, ergänzt diese und ist daher für die ITU-Mitgliedstaaten verbindlich. Die jüngste Fassung des ITR wurde 2012 verabschiedet und veröffentlicht.44

(51) Österreich ist seit 1866 Mitglied der ITU. Es hat die Satzung der ITU ratifiziert und die Ratifikationsurkunden am beim Generalsekretär der ITU hinterlegt.45 Sowohl die ITU Satzung als auch die ITR sind daher für Österreich verbindliche Rechtsvorschriften.46 Damit völkerrechtliche Instrumente, wie z.B. Staatsverträge, in Österreich anwendbar werden und als Teil des österreichischen Rechts geltend gemacht werden können, müssen sie entweder in nationales Recht umgesetzt werden (was eine eigene nationale Gesetzgebung erfordert) oder unmittelbar anwendbar sein ("self-executing"). Staatsverträge gelten als unmittelbar anwendbares österreichisches Recht, wenn sie (i) durch den Nationalrat genehmigt und

41 Freie Übersetzung der Bf. Englisches Original: "[…] with the object of facilitating peaceful relations, international cooperation among peoples and economic and social development by means of efficient telecommunication services", Preamble of the Constitution of the International Telecommunication Union - https://www.itu.int/council/pd/constitution.html.
42 Revised Constitution and Convention of the International Telecommunication Union (Geneva, 1992) as amended by subsequent plenipotentiary conferences.
43 Artikel 4 Abs. 1 iVm Abs. 3
44 https://www.itu.int/en/history/Pages/RegulationsCollection.aspx. Wie im Folgenden gezeigt wird, führte die Revision von 2012 zu keiner wesentlichen Änderung der für die Besteuerung relevanten Bestimmung
45 https://www.itu.int/online/mm/scripts/gensel26?ctryid=1000100534
46 Siehe den Hinweis, dass die ITR ipso facto von Österreich genehmigt wurde https://www.itu.int/online/mm/scripts/gensel26?ctryid=1000100534.

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ordnungsgemäß kundgetan und (ii) hinreichend bestimmt sind.47 Die ITU Satzung und damit auch die ITR wurden vom Parlament genehmigt und ordnungsgemäß im österreichischen Bundesgesetzblatt kundgemacht.48 Es ist unstrittig, dass sowohl die ITU Satzung als auch die ITR hinreichend bestimmt sind, um unmittelbar anwendbar zu sein. Folglich sind die ITU Satzung und die ITR direkt anwendbares österreichisches Recht und müssen daher von der österreichischen Finanzverwaltung und Gerichtsbarkeit berücksichtigt werden.

(52) Die ITU Satzung sowie die ITR sind Staatsverträge im Sinne des österreichischen Verfassungsrechts und daher als "völkerrechtliche Abkommen" im Sinne der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache SK Telecom anzusehen. Für die weitere Anwendung in Österreich ist es dabei grundsätzlich unerheblich, ob die Europäische Union Vertragspartei dieses völkerrechtlichen Abkommens ist und ob es Teil des EU-Rechts ist. Nichtsdestotrotz sei erwähnt, dass die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft49 bei der Unterzeichnung der ITR im Jahr 1988 erklärt haben, dass sie die Regeln der ITR in Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anwenden werden.50

(53) In erster Linie befasst sich die ITR mit Regulierungsfragen im Telekommunikationssektor. Die ITR hat aber auch erhebliche Auswirkungen auf andere (Rechts-)Bereiche, wie etwa die Umsatzsteuer. So basiert die Definition von "Telekommunikationsdienstleistungen" in der MwStSystRL, ihren Begleitmaterialien und nationalen Umsetzungen (wie VO BGBl II 102/1997 idF VO BGBl II 2009/221) auf der Definition dieser Dienstleistungen der ITR. Allein dieser Umstand unterstreicht die Relevanz der ITR im Zusammenhang mit umsatzsteuerlichen Fragestellungen, wie sie im gegenständlichen Fall vorliegen.51

(54) Die ITR, bei der es sich, wie oben dargelegt, um ein völkerrechtliches Abkommen handelt, befasst sich speziell mit der Besteuerung. In Artikel 6.1.3 52 findet sich folgende Formulierung:

"Sofern die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in einem Land eine Besteuerung der Erhebungsgebühren für internationale Fernmeldedienste vorsehen, wird diese Steuer normalerweise nur erhoben, wenn die internationalen Dienste den Kunden in diesem Land in Rechnung gestellt werden, es sei denn, daß andere Regelungen für besondere Umstände getroffen werden."

(55) Artikel 6.1.3 ITR ist aus den folgenden Gründen für den vorliegenden Fall besonders relevant:
a. Vergleichbar mit den Bestimmungen in konventionellen Doppelbesteuerungsabkommen betreffend Steuern vom Einkommen- und vom Vermögen befasst sich Artikel 6.1.3 eindeutig mit der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten der ITU. Dies lässt sich aus der Wortfolge "wird diese Steuer …
nur erhoben " ableiten, die in einem herkömmlichen Doppelbesteuerungsabkommen zweifellos nur einer der Vertragsparteien das Besteuerungsrecht zuweist.53

Nicht anders verhält es sich mit Artikel 6.1.3 ITR: Als die ITR 1988 ursprünglich vereinbart wurden, waren die relevanten Akteure im Telekommunikationssektor zumeist dem öffentlichen Sektor zuzuordnen (sogenannte "Postal and Telecommunications Operators", kurz "PTO").54 Die PTOs im Geltungsbereich des

47 Artikel 18 Abs. 1 und 2 iVm Artikel 49 Abs. 2 iVm Artikel 50 Abs. 1 lit 1 und Abs. 2 B-VG; Öhlinger, Verfassungsrecht8 Rz. 107ff; Öhlinger/Müller in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (14. Lfg 2018) zu Artikel 50 B-VG, Rz. 98ff
48 BGBl III 1997/17
49 Deutschland, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Portugal, Niederlande, Vereinigtes Königreich
50 Siehe Erklärung Nr. 35 zum Schlussprotokoll des ITR 1988
51 Siehe Vellen, UR 1997, 202; Bernegger, Umsatzsteuer und Telekommunikation, in Bernegger et al. (Hrsg) Umsatzsteuer bei Telekomleistungen (2000) 39 (41)
52 Artikel 8.3.1 des überarbeiteten Dubai Agreement aus 2012 enthält in der englischen Sprachfassung denselben Wortlaut. ]
53 Vgl. zB. Art 21 OECD-MC betreffend "Andere Einkünfte" (Hervorhebungen erfolgten durch Bf): "Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden, können ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in diesem Staat besteuert werden."
54 Vgl. Purcell, VAT and the telecoms industry - a UK perspective, The EC Tax Journal, Volume 5, Issue 3, 2001, 127 (127 ff)

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Abkommens waren somit mit den Mitgliedstaaten gleichzusetzen. Als sich die Mitgliedstaaten der ITU auf die in Artikel 6.1.3 ITR festgelegten Besteuerungsrechte einigten, gingen sie eindeutig davon aus, dass sich diese Bestimmung auf ihr Recht zur Besteuerung der in den Geltungsbereich der ITR fallenden Dienstleistungen auswirken würde, da sie das Besteuerungsrecht jeweils nur einem Land (Mitgliedstaat) zuwiesen. Aufgrund der Endgültigkeit einer solchen Zuweisung kann kein anderes Land (Mitgliedstaat) die gleichen Dienstleistungen nochmalig besteuern.

Da sowohl Österreich als auch die USA Vertragsparteien der ITC Satzung sowie des ITR sind55, gilt diese Regel auch für Dienstleistungen, die zwischen diesen Ländern und/oder von deren Dienstleistern erbracht werden.56

b. Nachdem die Auslegung von Artikel 6.1.3 ITR als Bestimmung zur endgültigen Zuweisung von Besteuerungsrechten zwischen den Mitgliedstaaten geklärt ist, muss bestimmt werden, welches Land (Mitgliedstaat) dieses Besteuerungsrecht ausüben darf. Während der deutsche Wortlaut57 von Artikel 6.1.3 ITR als nicht ganz eindeutig in Bezug auf das Land, dem das Besteuerungsrecht zugewiesen wird, angesehen werden könnte, ist die französische Sprachfassung - die eine der offiziellen Arbeitssprachen der ITU58 ist und somit eine Quelle für eine authentische Auslegung darstellt - unmissverständlich klar und eindeutig. Sie knüpft das Besteuerungsrecht an das Land, in dem die Kunden einen Vertrag mit dem Dienstleistungserbringer abgeschlossen haben und in dem die Dienstleistungen daher in Rechnung gestellt werden:

"Quand la législation nationale d'un pays prévoit l'application d'une taxe fiscale sur la taxe de perception pour les services internationaux de télécommunication, cette taxe fiscale n'est normalement perçue que pour les services internationaux facturés aux clients de ce pays (…)."

Dadurch, dass sich diese französische Fassung genau auf die Kunden aus einem bestimmten Land "de ce pays" konzentriert, stellt sie klar, dass die Kunden, um gemäß der ITR besteuert zu werden, mit dem Land des Dienstleistungserbringers verbunden sein müssen (d.h. woher die Kunden typischerweise kommen). Damit wird jede mögliche Unklarheit der deutschen Fassung beseitigt. Außerdem bestätigt die ebenso authentische spanische Fassung die Auslegung der französischen Sprachfassung.59

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Kunden um US-Kunden, die von der Beschwerdeführerin in den USA Rechnungen erhalten. Folglich können gemäß Artikel 6.1.3 ITR nur die USA eine Steuer auf die ihren Kunden in Rechnung gestellten Gebühren erheben.

c. Schließlich ist der Wortlaut insofern eindeutig, als er nicht verlangt, dass das Land des Kunden (d. h. die USA) tatsächlich eine Steuer auf die spezifischen Dienstleistungen erhebt, es handelt sich also um keine "subject-to-tax"-Klausel. Vielmehr geht es um das bloße Vorhandensein oder die Möglichkeit der Einhebung einer Steuer, die auf Gebühren für internationale Telekommunikationsdienstleistungen erhoben wird. Die

55 Die USA sind seit Mitglied und Partei der ITU und ITR, siehe Übersicht unter: https://www.itu.int/online/mm/scripts/gensel26?ctryid=1000100445
56 Bei der ITR handelt es sich um ein multilaterales Abkommen zur Zuteilung von Besteuerungsrechten an einen einzigen der vielen Mitgliedstaaten. Somit geht die Bedeutung des ITR weit über jene eines bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens hinaus.
57 "Sofern die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in einem Land eine Besteuerung der Erhebungsgebühren für internationale Fernmeldedienste vorsehen, wird diese Steuer normalerweise nur erhoben, wenn die internationalen Dienste den Kunden in diesem Land in Rechnung gestellt werden." Es könnte als zweifelhaft angesehen werden, ob Kunden "in diesem Land" als Kunden aus dem Land des Telekommunikationsanbieters oder als Kunden des Landes, in dem die Telekommunikationsdienstleistung konsumiert wird, zu verstehen sind.
58Art. 29 Abs. 1 Z 1 ITU Satzung
59 Die spanische Fassung lautet: "Cuando en la législation national de un pais se prevea la aplicaciôn de una tasa fiscal sobre la tasa de percepciôn por los servicios internacionales de telecomunicaciôn, esa tasa fiscal solo se percibirâ normalmente por los servicios internacionales de telecomunicaciôn facturados a los clientes de ese pais, (…)."

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ITR gehen damit über Artikel 59a MwStSystRL60 hinaus, da keine Verpflichtung zur Besteuerung im Land des Kunden besteht, um insgesamt eine Nichtbesteuerung zu verhindern. Daher ist es für die Anwendbarkeit von Artikel 6.1.3 ITR in Österreich unerheblich, ob die USA tatsächlich eine Steuer auf die spezifischen Dienstleistungen erheben.

Wenn, wie im vorliegenden Fall, das andere Land, hier die USA, eine Steuer erhebt (wie oben ausgeführt), ist es umso offensichtlicher, dass Artikel 6.1.3 ITR Österreich daran hindert, eine Steuer auf Dienstleistungen zu erheben, die US-Kunden in Rechnung gestellt werden.

(56) Fazit: Zusammenfassend kann aus den obigen Ausführungen geschlossen werden, dass Österreich durch die Anwendbarkeit von Artikel 6.1.3 ITR kein Recht hat, die Dienstleistungen zu besteuern, die die Beschwerdeführerin ihren US-Kunden in den USA in Rechnung stellt.

d. Schlussfolgerungen

(57) Der vorangehende Abschnitt hat gezeigt, dass Österreich aufgrund mehrerer völkerrechtlicher Verpflichtungen (nach dem DBA USA-Österreich, dem GATS sowie nach der ITR) die betreffenden Dienstleistungen der Beschwerdeführerin nicht mit seiner eigenen Umsatzsteuer belasten darf. Die Beschwerdeführerin vertraut darauf, dass Österreich bereit ist, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Soweit diese Verpflichtungen von den österreichischen Abgabenbehörden im vorliegenden Fall bisher nicht erfüllt wurden, ersucht die Beschwerdeführerin hiermit das BFG, diese völkerrechtlichen Verpflichtungen angemessen zu berücksichtigen.

(58) Solche völkerrechtlichen Verpflichtungen sind genau die Art von "völkerrechtlichen Abkommen", auf die der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache SK Telecom hingewiesen hatte. In diesem Urteil hat der EuGH klargestellt, dass es Art. 59a MwStSystRL nicht erlaubt, bei der Leistungsortverlagerung für Telekommunikationsdienstleistungen die drohende Doppelbesteuerung mit Steuern aus Drittstaaten zu ignorieren, wenn eine solche Nichtberücksichtigung einen Verstoß gegen ein "völkerrechtliches Abkommen" darstellen würde. Es besteht kein Zweifel, dass die dargelegten völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs, seien sie bilateraler (DBA USA-Österreich) oder multilateraler Natur (GATS, ITR), solche "völkerrechtlichen Abkommen" darstellen.

(59) Die Beschwerdeführerin regt daher an, dass die vorliegende Frage der Auslegung von Artikel 59a MwStSystRL als ein acte clair61 qualifiziert und daher vom BFG sofort zugunsten der Beschwerdeführerin entschieden wird, sodass es Österreich aufgrund der genannten völkerrechtlichen Abkommen verwehrt wird, Umsatzsteuer auf die strittigen Dienstleistungen zu erheben.

4. Vorabentscheidung des EuGH

(60) Sollte das BFG jedoch nicht bereit sein, den acte clair-Charakter der vorliegenden Frage hinsichtlich der Relevanz völkerrechtlicher Abkommen, wie oben dargestellt, zu akzeptieren, schlägt die Beschwerdeführerin dem Gerichtshof vor, eine Vorabentscheidung des EuGH zu dieser Frage einzuholen.

(61) Die dem EuGH vorzulegende Vorfrage könnte wie folgt lauten:

"Sind das DBA USA - Österreich, das GATS und die ITR "völkerrechtliche Abkommen" im Sinne des EuGH-Urteils in der Rechtssache SK Telecom (C-593/19) und daher bei der Feststellung zu berücksichtigen, ob der Leistungsort von Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Art. 59a EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie nach Österreich verlagert werden kann?"

60 Art. 59a MwStSysRL sieht explizit vor, dass Mitgliedstaaten eine Verlagerung des Leistungsorts vorsehen können, wenn dies der Vermeidung von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrung dient.
61 Dabei muss es sich um eine klar und eindeutig zu beantwortende Rechtsfrage handeln und die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig sein, dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel an der gestellten Frage besteht. Siehe dazu grundlegend C-283/81, CILFIT.

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5. Anträge

(62) Zusammenfassend beantragt die Beschwerdeführerin, die angefochtenen Bescheide aus den folgenden Gründen ersatzlos aufzuheben:
i. Die umsatzsteuerlichen Tatbestände des österreichischen Rechts (§ 3a Abs. 16 UStG iVm der TelekommunikationsdiensteVO
62) waren günstiger für die Beschwerdeführerin als das EU-Recht nach Auslegung der EuGH-Entscheidung SK Telecom, daher ist für die verfahrensgegenständlichen Zeiträume das österreichische Recht (das eine Leistungsortverlagerung nach Österreich im Falle einer vergleichbaren Besteuerung in einem Drittland verhindert) maßgebend.
ii. Die österreichischen Regeln zur Leistungsortverlagerung stehen, wie aus dem EuGH-Urteil in der Rs SK Telecom abzuleiten ist, im Widerspruch zu den folgenden völkerrechtlichen Abkommen:

a. Doppelbesteuerungsabkommen USA - Österreich,
b. Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) im Rahmen der WTO,
c. Vollzugsordnung für Internationale Fernmeldedienste (ITR).

(63) …

62Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, VO BGBl. II Nr. 383/2003.

Mit Schreiben vom (OZ. 21) überreichte die Bf. eine ergänzende Beschwerdebegründung und führte Folgendes aus:
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(1) unter Bezugnahme auf das anhängige Beschwerdeverfahren (RV/2100752/2021) übermittelt die
Beschwerdeführerin hiermit eine

ergänzende Beschwerdebegründung.

(2) Ziel der vorliegenden ergänzenden Beschwerdebegründung ist es, die bereits in der Stellungnahme vom erörterten internationalen Abkommen, die - folgend der Entscheidung des EuGH in derRechtssache SK Telecom - von den österreichischen Abgabenbehörden zu berücksichtigen sind, nochmalsnäher zu erläutern.

(3) Darüber hinaus wird die Beschwerdeführerin Nachweise dafür vorlegen, dass die erbrachtenSprachtelekommunikationsdienstleistungen in den Vereinigten Staaten von Amerika (den "USA") besteuertwurden, zumal das Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung vom feststellte, dass solcheNachweise noch nicht erbracht wurden. Die Beschwerdeführerin möchte jedoch auch festhalten, dassderartige Nachweise für die Entscheidung des vorliegenden Falles keine entscheidende Rolle spielen können,da Österreich aufgrund langjähriger internationaler Abkommen und Gesetze nicht dazu berechtigt ist, diebetroffenen Roaming-Dienstleistungen der Beschwerdeführerin zu besteuern.

(4) Nachfolgend wird die Beschwerdeführerin darlegen, dass

i. ein internationales Abkommen im Sinne der EuGH-Rechtssache SK Telecom die Verlagerung desLeistungsortes nach Österreich unabhängig von einer Besteuerung in den USAverbietet und
ii. Sprachtelekommunikationsdienstleistungen in Österreich auch unabhängig vom
Anwendungsbereich dieses Abkommens nicht besteuert werden dürfen, da sie in den USA einervergleichbaren Steuerbelastung in Form der Federal Universal Service Charge ("FUSF") sowie derSales und Use Tax unterliegen.

I. Österreich ist nicht berechtigt, die von der Beschwerdeführerin an ihre US-Kunden erbrachtenDienstleistungen zu besteuern

1. Überblick

(5) Die Beschwerdeführerin wird - wie bereits in der Stellungnahme vom erörtert - darlegen, dassÖsterreich aufgrund internationaler Abkommen kein Besteuerungsrecht an den von derBeschwerdeführerin an ihre US-Kunden in Österreich erbrachten Telekommunikationsdienstleistungenhat. Insbesondere das bereits in der Stellungnahme vom erörterte "Melbourne-Abkommen"weist das alleinige Besteuerungsrecht an diesen Dienstleistungen unabhängig von einer etwaigenBesteuerung in den USA ausschließlich den USA zu. Es ist unerheblich, ob die von der Beschwerdeführerinan ihre Kunden erbrachten Roaming-Dienstleistungen in den USA der Besteuerung unterliegen.

2. Die EuGH-Entscheidungin der RechtssacheSK Telecom

(6) Der EuGH hat in SK Telecom klargestellt, dass das Vorliegen von Besteuerung, die eineLeistungsortverlagerung in die EU (hier: Österreich) gemäß Art. 59a MwStSystRL verbietet, "anhand dersteuerlichen Behandlung der betreffenden Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu beurteilen sind, ohnedass die Steuerregelung zu berücksichtigen ist, der diese Dienstleistungen in dem betreffenden Drittlandunterliegen" (Rz. 45). Der EuGH hält in Rz. 46 des Urteils gleichzeitig fest, dass sich "anderes [...] aus einemeinschlägigen völkerrechtlichenAbkommen mit diesem Drittland ergeben könnte".

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(7) Diese Formulierung zeigt deutlich, dass ein zwischen einem EU-Mitgliedstaat (Österreich) und einemDrittstaat (USA) abgeschlossenes völkerrechtliches Abkommen dieLeistungsortverlagerung in die EU nachArt. 59a MwStSystRL verbieten kann. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das internationaleAbkommen einem der Vertragsstaaten das Besteuerungsrecht in einer einemDoppelbesteuerungsabkommen vergleichbaren Weise zuweist. Der EuGH hat den Umfang derinternationalen Abkommen, aus denen sich "anderes ergeben könnte", nicht eingeschränkt. In unsererStellungnahme vom haben wir dargelegt, dass im vorliegenden Fall mehrere Abkommenanwendbar sind.

(8) In diesem Abschnitt wird dargelegt, dass das Melbourne-Abkommen Österreich unabhängig von einerBesteuerung in den USA daran hindert, die von der Beschwerdeführerin an ihre US-Kunden erbrachtenDienstleistungen zu besteuern. Dieser Abschnitt besteht daher aus (i) einem Überblick über das Melbourne-Abkommen, (ii) einer detaillierten Erläuterung zur Funktionsweise von Art. 6.1.3 des Melbourne-Abkommens und (iii) einer Beschreibung der Relevanz dieser Bestimmung in verschiedenen Ländern.1

3. Hintergrund und Ziele des Melbourne-Abkommens

(9) Die Internationale Fernmeldeunion ("ITU") wurde 1865 gegründet und 1947 als Sonderorganisation in dieVereinten Nationen aufgenommen. Ziel der ITU ist es, "friedliche Beziehungen, die internationaleZusammenarbeit zwischen den Völkern und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung mit Hilfe effizienterTelekommunikationsdienste zufördern".2 Die Rechtsinstrumente der ITU sind die Satzung und der Vertragder ITU ("ITU-CC")3 sowie Verwaltungsvorschriften, welche jeweils für die Mitgliedstaaten verbindlich sind.Zu den Verwaltungsvorschriften gehören u.a. die "Vollzugsordnung für InternationaleFernmeldedienste"(ITR) und die "Vollzugsordnung für den Funkdienst".4 Österreich hat das ITU-Übereinkommen ratifiziert unddie Ratifizierungsurkunden am beim Generalsekretär der ITU hinterlegt.

(10) 1988 wurde auf der World Administrative Telegraph and Telephone Conference (WATTC) in Melbourne einneuer rechtlicher Rahmen für Telekommunikationsdienste vereinbart, der als erstes rechtsverbindlichesinternationales Abkommen für internationale Telekommunikationsdienste und -netze gilt (das sogenannte"Melbourne-Abkommen"). Es gilt als ITR im Sinne der ITU-Satzung und ergänzt diese. Sowohl Österreich alsauch die USA sind Vertragsparteien des ITU-CC und des Melbourne Abkommens.5Sowohl die ITU-CC alsauch das Melbourne Abkommen sind daher für Österreich verbindliche Rechtsvorschriften.6DasMelbourne Abkommen wird in der Literatur als "eine Form einesDoppelbesteuerungsabkommens"beschrieben.7

(11) Auf der Weltkonferenz für internationale Telekommunikation 2012 in Dubai wurden Änderungen zumMelbourne-Abkommen ausgehandelt ("Dubai-Abkommen").8 Das Dubai-Abkommen wurde lediglich von 89ITU-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Für die Vertragsparteien des Dubai-Abkommens ersetzt dieser Vertragdas Melbourne-Abkommen. 55 andere ITU-Mitgliedstaaten, die an der Konferenz in Dubai teilnahmen -

1 Die Relevanz von zwei weiteren internationalen Abkommen (DBA Österreich-USA und das Allgemeine Abkommen über den Handel mitDienstleistungen (GATS) der WTO) wurde bereits in der November-Stellungnahme erläutert. Da diese Abkommen das Vorliegen einerDoppelbesteuerung voraussetzen, wird im Anhang zu dieser Stellungnahme dargelegt, dass die von der Beschwerdeführerin erbrachtenSprachtelekommunikationsdienstleistungen in den USA der Besteuerung unterliegen.
2Präambel der Verfassung der Internationalen Fernmeldeunion - https://www.itu.int/council/pd/constitution.html
3 Überarbeitete Satzung und Vertrag der ITU (Genf, 1992), geändert durch nachfolgende Bevollmächtigtenkonferenzen
4 Art. 4 Abs.1 iVm Abs. 3
5 Die Vereinigten Staaten sind seit dem Mitglied und Vertragspartei der ITU-CC und ITR - siehe die Übersicht:
https://www.itu.int/online/mm/scripts/gensel26?ctryid=1000100445
6https://www.itu.int/online/mm/scripts/gensel26?ctryid=1000100534
7 Schoeman/Steyn/Homeier, A South African perspective on Value-Added Tax on international mobile telecommunication services, Journalof Economic and Financial Sciences 2015, 861(867)
8https://www.itu.int/en/history/Pages/RegulationsCollection.aspx

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darunter sämtliche EU-Mitgliedstaaten, die USA und viele OECD-Länder - haben die Schlussakte nichtunterzeichnet. Diese Länder sind weiterhin an das Melbourne-Abkommen gebunden.9

4. Die Steuerklausel des Melbourne-Abkommens und ihre Bedeutung für die Umsatzsteuer

(12) In Art. 6.1.3 des Melbourne Abkommens findet sich folgende Formulierung:

"Sofern die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in einem Land eine Besteuerung derErhebungsgebühren für internationale Fernmeldedienste vorsehen, wird diese Steuernormalerweise nur erhoben, wenn die internationalen Dienste den Kunden in diesem Landin Rechnung gestellt werden, es sei denn, daß andere Regelungen für besondere Umständegetroffen wurden." 10

(13) Es besteht breiter Konsens darüber, dass Art. 6.1.3 des Melbourne-Abkommens auf die Umsatzsteueranwendbar ist.11 Der Begriff "Steuer" wird im Melbourne-Abkommen zwar nicht definiert, jedoch wird inArt. 6.1.3 die Bezugnahme auf "Steuer" durch die Formulierung "die innerstaatlichen Rechtsvorschriften ineinem Land" eingeschränkt. Diese Einschränkung ist so zu verstehen, dass der Begriff "Steuer" nach deminnerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten zu definieren ist.12 Da es sich bei der Umsatzsteuer nach demgemeinsamen Begriffsverständnis im EU-Recht und im österreichischen Recht um eine "Steuer" handelt, istArt. 6.1.3 auf die österreichische Umsatzsteuer anwendbar.13

(14) Im Bereich der EU-Umsatzsteuer ist das bestehende Bewusstsein für das Melbourne-Abkommenunbestritten: Die Definition des Begriffs "Telekommunikation" in Art. 2.1. des Melbourne-Abkommens("Jede Übertragung, Sendung oder jeder Empfang von Zeichen, Signalen, Schrift, Bildern oder Nachrichtenjeglicher Art über Draht, Funk, optische oder andere elektromagnetische Systeme") wurde 1997übernommen, um den Begriff"Telekommunikationsdienstleistungen" in der MwStSystRL14 und in ihrenBegleitmaterialien15 zu definieren.
(15) Ähnlich wie die Verteilungsnormen in herkömmlichen Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen weist Art. 6.1.3Besteuerungsrechteim Verhältnis zwischenden ITU-Mitgliedstaaten zu. Dies ergibt sich aus der Formulierung "wird diese Steuer [...] nur erhoben", die- wenn sie in einem herkömmlichen Doppelbesteuerungsabkommen verwendet wird - das

9 Scheurle/Mayen/Goebbels, Telekommunikationsgesetz3, § 8 Internationaler Status Rz. 7; Schoeman/Steyn/Homeier, A South Africanperspective on Value-Added Tax on international mobile telecommunication services, Journal of Economic and FinancialSciences 2015, 861(867).
10 Die in Art. 6.1.3 des Melbourne-Abkommens enthaltene Regelung wurde unverändert in das Dubai-Abkommen übernommen. Art. 8.3.1des Dubai-Abkommens lautet wie folgt: "[Wenn nach dem nationalen Recht eines Landes eine Steuer auf Gebühren für internationaleTelekommunikationsdienste erhoben wird, wird diese Steuer in der Regel nur für internationale Dienstleistungen erhoben, die Kunden indiesem Land in Rechnung gestellt werden, es sei denn, es werden andere Vereinbarungen getroffen, um besonderen Umständen Rechnungzu tragen." Die Tatsache, dass die Steuerklausel des Dubai-Abkommens jene des Melbourne-Abkommens widerspiegelt, zeigt, dass die ITU-Mitgliedstaatenselbst nach mehr als 30 Jahren nach Abschluss des Melbourne-Abkommens an den Vorschriften festhalten.
11 Bouzidi/Taferner, VAT Aspects of Telecommunication Interconnection Services in the EU, VAT Monitor 2000, 275 (275); Purcell, VAT andthe Telecoms Industry- A UK Perspective, ECTax Journal 2001, 127 (128); Eriksen,Telecoms- Norway and the EUPart I, VATMonitor 1999,152(153); Vellen, Umsatzbesteuerung von Telekommunikationsdienstleistungen, UR1997, 197(202); Slapio, Umsatzsteuerliche Behandlungvon Telekommunikationsdienstleistungen, DStR 1997, 1068 (WEß);Gummert/Trapp, Umsatzsteuer auf Leistungen im Internet, MMR 1998,227 (229); Huschens, Die Entwicklung des EG-Umsatzsteuerrechts im Jahr 1997, EuZW1998, 357 (358 ff).
12 DePasquale/Varley, Telecommunications & Methods for Avoiding Double Taxation, https://www.itu.int/ITU-D/finance/work-costtariffs/events/tariff-seminars/Geneva Taxation/pdf/DePasquale Varley-Contribution-e.pdf [aufgerufen am ]
13 Die britischen Abgabenbehörden stellten ausdrücklich fest, dass das Melbourne-Abkommen "stets so ausgelegt wurde, dass es dieUmsatzsteuer einschließt". UK Customs& Excise Manual, Vol VI, Part 4, Chapter 3, Appendix F
14 Siehe Art. 24 Abs. 2 UStR: "Telekommunikationsdienste' meint Dienste Im Zusammenhang mit der Übertragung, der Aussendung oderdem Empfang von Signalen, Worten, Bildern und Tönen oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder andereelektromagnetische Systeme [...]".
15 Siehe Vellen, UR 1997, 202; Bernegger, Umsatzsteuer und Telekommunikation, in Bernegger et al. (Hrsg) Umsatzsteuer beiTelekomleistungen (2000) 39 (41); Hinnekens, The Challenges of Applying VAT and Income Tax Territoriality Concepts and Rules toInternational Electronic Commerce, Interfax 1998, 52 (58); Korf, Neuregelung des Leistungsorts von Telekommunikationsdienstleistungen,DB1997, 744 (IV).

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Besteuerungsrecht zweifellos nur einer der Vertragsparteien zuweist.16 Aufgrund der abschließenden Naturdieser Zuweisung darf kein anderes Land dieselbe Dienstleistung besteuern. Als das Melbourne-Abkommen1988 geschlossen wurde, handelten am Telekommunikationssektor überwiegend öffentliche Betreiber, diesogenannten "Post- und Telekommunikationsbetreiber" ("PTO").17 Die PTOs, die in den Anwendungsbereichdes Abkommens fielen, waren somit den ITU-Mitgliedstaaten gleichgestellt. Als sich die Mitgliedstaaten derITU auf die in Art. 6.1.3 festgelegte Verteilung der Besteuerungsrechte einigten, gingen sie eindeutig davonaus, dass diese Bestimmung ihr Recht zur Besteuerung von Telekommunikationsdienstleistungenbeeinflussen würde.

(16) Art. 6.1.3. weist das alleinige Besteuerungsrechtdem Staat zu, in dem die Dienstleistungendem Kundenin Rechnung gestellt werden. Aus der französischen Fassung von Art. 6.1.3 (Französisch ist eine deroffiziellen Arbeitssprachen der ITU18 und somit ist die französische Sprachfassung eine Quelle für eineauthentische Auslegung) geht eindeutig hervor, welches Land das Besteuerungsrecht hat. Sie knüpft dasBesteuerungsrecht an das Land, in dem die Kunden einen Vertrag mit dem Dienstleistungserbringergeschlossen haben und in dem die Dienstleistungen daher in Rechnung gestellt werden: "Quand lalegislation nationale d'un pays prevoit /'application d'une taxe fiscale sur la taxe de perception pour lesservices internationaux de telecommunication, cette taxe fiscale n'est normalement pergue que pour lesservices internationaux factures aux clients de ce pays (…)-

(17) Da sich die französische Fassung genau auf die Kunden aus einem bestimmten Land "de ce pays"konzentriert, verlangt sie für eine Besteuerung in Einklang mit Art. 6.1.3, dass die Kunden einen Konnex zumLand des Dienstleistungserbringers aufweisen. Die ebenso authentische spanische Fassung von Art. 6.1.3.enthält den gleichen Wortlaut wie die französische Fassung und bestätigt somit die Absicht derVertragsparteien des Melbourne-Abkommens.19

(18) Schließlich ist der Wortlaut von Art. 6.1.3. insofern eindeutig, als er nicht verlangt, dass in dem Land, in demder Kunde ansässig ist, tatsächlich eine Steuer auf die spezifischen Dienstleistungen erhoben wird. Inanderen Worten: Art. 6.1.3. enthält keine "subject-to-tax"-Klausel, sondern weist das ausschließlicheBesteuerungsrecht einem Vertragsstaat unabhängig von der Besteuerung in einem anderen Staat zu. Daherist es unerheblich, ob die USA tatsächlich eine Steuer auf die spezifischen Dienstleistungen erheben.

(19) Zahlreiche Drittländer haben die unbestreitbare Bedeutungdes Melbourne-Abkommens erkannt und ihreUmsatzsteuergesetze so ausgestaltet, dass grenzüberschreitende Telekommunikationsdienstleistungennicht besteuert werden.20 Auch EU-Mitgliedstaaten haben die aus dem Melbourne-Abkommenerwachsenden Verpflichtungen anerkannt: Beispielsweise hat das Vereinigte Königreich in derzeit, in der

16 Siehe Art. 21 OECD-MK zu sonstigen Einkünften, der besagt: "Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in denvorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden, können ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in diesem Staat besteuert werden"(Hervorhebung hinzugefügt).
17 Siehe Purcell, VAT and the telecoms industry - a UK perspective, The ECTax Journal, Volume 5, Issue 3, 2001, 127 (127 f).
18Art. 29 Abs.1 Unterabs. 1 ITU CC.
19 Die spanische Version lautet: "Cuando en la legislation national de un pais [of a country] se prevea la aplicacion de una tasafiscal sobre latasa de perception por los servicios internacionales de telecomunicacidn, esa tasa fiscal solo se percibirä normalmente por los serviciosInternationales de telecomunicacidnfacturados a los clientes de ese pais,
20 Russland änderte 2002 den Mehrwertsteuerteil des Steuergesetzes, um das von der ehemaligen UdSSR unterzeichnete Melbourne-Abkommen zu erfüllen (VAT around the World, International VAT Monitor 2002, 394 (433 ff.)). Das südafrikanische Mehrwertsteuergesetzwurde 2021geändert,um eine Nullbesteuerungsvorschrift für internationale Roamingleistungen im SinnedesDubai-Abkommens einzufügen(Republic of South Africa, Government Gazette 667/44083, ; Explanatory Memorandum on the Taxation Laws Amendment Bill,2020, , 43 ff). Die chilenische Steuerverwaltung stellte die mehrwertsteuerliche Behandlung von Roamingleistungen in einerVerwaltungsentscheidung ausdem Jahr 2004 klar und wies darauf hin, dass das Melbourne-Abkommen in Chile (nur) deshalb nicht gilt, weiles zu diesem Zeitpunkt noch nicht vom Nationalkongress ratifiziert oder genehmigt worden war (wie in der chilenischen Verfassungvorgeschrieben) (VAT Around the World, International VAT Monitor 2004, 270 (276)). Die Nationale Finanzverwaltung von Bahrain stellte2020 klar, dass "in Bahrain ansässige Telekommunikationsunternehmen nicht verpflichtet sind, sich in Bezug auf Dienstleistungen, die siefürihre nicht in Bahrain ansässigen Kunden, die Bahrain besuchen, erbringen, für Mehrwertsteuerzwecke registrieren zu lassen oderMehrwertsteuer abzurechnen", und dass diese Klarstellung darauf abzielte, "die Vorschriften über den Ort der Erbringung dieserDienstleistungen an [...] das Melbourne Abkommen anzupassen" (Nationale Finanzverwaltung von Bahrain, öffentliche KlarstellungVAT/PC/20/3, ).

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es noch Mitglied der EU war, das Melbourne-Abkommen eingehalten, indem es Roaminggebühren mit 0 %besteuerte.21 Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass andere EU-Mitgliedstaaten gerade ausdiesem Grund nicht von der Möglichkeit der Umsetzung von Art. 59a MwStSystRL Gebrauch machen.

(20) Australien hat - unter Berufung auf das Melbourne-Abkommen - 2010 eine Befreiung von der Waren- undDienstleistungssteuer ("GST") für globale Roaming-Dienstleistungen eingeführt.22 Die Begründung23 des TaxLaws Amendment Act 2010 weist darauf hin, dass diese Änderung darauf abzielt, "sicherzustellen, dassTelekommunikationsdienstleistungen im Rahmen von Global-Roaming-Vereinbarungen, die an Kunden vonnicht in Australien ansässigen Telekommunikationsanbietern während des "Roamings" in Australien erbrachtwerden, weiterhin nicht der Steuer auf Waren und Dienstleistungen unterliegen [...] Dies steht im Einklangmit einer Verpflichtung, die Australien im Rahmen der Internationalen Telekommunikationsvorschriften(Melbourne, ), dem so genannten ,Melbourne Abkommen', auferlegt wurde".24 Weiter:
"Die Erhebung von GST auf die Leistung [...] des nicht-ansässigenTelekommunikationsanbieters wird alsunvereinbar mit den vertraglichen Verpflichtungen Australiens im Rahmen des Melbourne Abkommensangesehen".25 Interessanterweise wurde diese Änderung auf Leistungen, die am oder nach dem getätigt wurden, anwendbar gemacht, d.h. die neu eingeführte Steuerbefreiung wurde mit einerRückwirkung von zehn Jahren ausgestattet - was die bereits davor bestehende Gesetzesauslegung imEinklang mit dem Melbourne-Abkommen bestätigte.

(21) Zusammenfassend zeigen die obigen Ausführungen, dass Österreich zugestimmt hat, die von derBeschwerdeführerin an ihre US-Kunden erbrachten Dienstleistungen Art. 6.1.3 des Melbourne-Abkommens folgend nicht zu besteuern. Der Standpunkt der österreichischen Abgabenbehörden imvorliegenden Fall ignoriert bislang die seit Langem bestehenden völkerrechtlichen VerpflichtungenÖsterreichs, die Österreich daran hindern, auf Telekommunikationsdienstleistungen, die von einem in denUSA ansässigen Unternehmen an US-Kunden in Rechnung gestellt werden, Umsatzsteuer zu erheben. Dadies von den österreichischen Abgabenbehörden im vorliegenden Fall bisher nicht getan wurde, ersuchtdie Beschwerdeführerin das BFGhiermit, das Melbourne-Abkommen entsprechend zu berücksichtigen.

(22) Das Melbourne-Abkommen ist die Art von internationalem Abkommen, auf die sich der EuGH in SKTelecom bezieht. In dieser Rechtssache stellte der EuGH klar, dass Verpflichtungen, die sich aus derartigeninternationalen Abkommen (denen sich Staaten völlig freiwillig unterwerfen) ergeben, bei derAnwendung von Art. 59a MwStSystRL nicht ignoriert werden dürfen.

21UK Customs & Excise Manual, Vol VI, Part 4, Chapter 3, Appendix F; Purcell, VAT and the telecoms industry - A UK perspective, EC TaxJournal 2001, 127 (141).
22 In Subdivision 38 des GSTAct 1999 wurde ein neuer Absatz 570 eingefügt, siehe Tax Laws Amendment (2010 GSTAdministration Measures No. 3) Act 2010, No. 91/2010
23 Die Begründung enthält auch eine breite Palette von Beispielen wie z. B. das Folgende: UK Phone Ltd, ein Telekommunikationsanbieter imVereinigten Königreich, betreibt außerhalb Australiens ein Unternehmen zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen und führtein solches Unternehmen nicht in Australien (ein nicht ansässigerTelekommunikationsanbieter). Charlie (ein Kunde) wohnt im VereinigtenKönigreich und hat einen Vertrag mit UK Phone Ltd (ein Abonnement). Im Rahmen dieses Vertrags versorgt UK Phone Ltd Charlie mitTelekommunikationsdiensten, einschließlich Mobiltelefon- und Internetdiensten im Vereinigten Königreich und Global Roaming inAustralien, wobei Charlie die Rechnung an seine Adresse im Vereinigten Königreich erhält.UmCharlie (und seine anderen Kunden) mit GlobalRoaming in Australien zu versorgen, schließt UK Phone Ltd eine Vereinbarung mit einem australischen Telekommunikationsanbieter, AusPhones Plus, ab, um den Kunden von UK Phone Ltd, die in Australien roamen, Zugang zu dessen australischem Netz zu gewähren. Währender sich in Australien aufhält und Global Roaming in einem australischen Netz betreibt, nutzt Charlie sein Smartphone im Rahmen seinesVertrags mit UK Phone Ltd, um Anrufe und E-Mails zu tätigen und zu empfangen, SMS zu versenden, auf das Internet zuzugreifen,Bildnachrichten zu versenden usw. Obwohl sich Charlie physisch in Australien befindet und Global Roaming in einem australischenTelekommunikationsnetz nutzt, ist die Bereitstellung von Global Roaming GST-frei (sowohl die Bereitstellung durch dengebietsfremdenTelekommunikationsanbieter als auch die Bereitstellung durch den in Australien ansässigen Telekommunikationsanbieter).
24 Australia, Tax Laws Amendment (2010 GST Administration Measures No. 3) Bill 2010, Explanatory Memorandum, 2.1 ff.
25 Australia, Tax Laws Amendment (2010 GSTAdministration Measures No. 3) Bill 2010, Explanatory Memorandum, 2.18.

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(23) Die Beschwerdeführerin hält daher fest, dass die vorliegende Frage zur Auslegung von Art. 59aMwStSystRL als acte claire16 qualifiziert und daher vom BFG sofort zugunsten der Beschwerdeführerinentschieden werden kann.

II. Keine Besteuerung von Sprachtelekommunikationsdienstleistungen in Österreich aufgrundvergleichbarer Steuerbelastung in den USA

(24) Im vorliegenden Fall vertritt die Abgabenbehörde die Ansicht, dass die Besteuerung vonTelekommunikationsdienstleistungen in den USA dafür maßgeblich ist, ob Österreich tatsächlich berechtigtist, auf solche Dienstleistungen Umsatzsteuer zu erheben. Diese Ansicht basiert offenbar auf Rz. 643 derösterreichischen Umsatzsteuerrichtlinien, wonach eine Besteuerung in Österreich nur dann zulässig ist,wenn "die außerhalb desGemeinschaftsgebiets erbrachte Dienstleistung keiner mit der inländischenUmsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt" (das BMF wendet diese Auffassung aufdie Steuerjahre 2015-2017 an, die Gegenstand der vorliegenden Beschwerde sind). Wie oben in Abschnitt I.erläutert macht die Beschwerdeführerin jedoch geltend, dass eine Analyse der Besteuerung in den USA fürZwecke dieser Stellungnahme irrelevant ist, zumal Österreich als Vertragspartei des Melbourne-Abkommensgar nicht berechtigt ist, auf die vorliegenden Dienstleistungen Umsatzsteuer zu erheben.

(25) Sollte das BFG dies dennoch für notwendig erachten, wird in den Ausführungen im ANHANG (mitbeigefügten Nachweisen) die Steuerbelastung der von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen inden USA in den relevanten Veranlagungszeiträumen (2015-2017) dargelegt. Darin werden all jene USSteuernauf Sprachtelekommunikationsdienstleistungen erläutert, die für sie eine mit der österreichischenUmsatzsteuer vergleichbare Steuerbelastung darstellen.

(26) Die relevanten Abgaben in den USA sind die Federal Universal Service Charge ("FUSF") sowiebundesstaatliche und lokale Sales and Use Taxes. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin drei Artenvon Telekommunikations-Dienstleistungen an ihre Kunden erbracht, nämlich (i)Sprachtelekommunikationsdienstleistungen (Voice-Mobilfunkanrufe), (ii) Messaging-Dienste (Text- undBildnachrichten) und (iii) Internetzugangsdienste (Data-Packages). Obwohl diese drei Dienstleistungen fürZwecke des österreichischen Umsatzsteuerrechts gemeinsam als "Telekommunikationsdienstleistungen"gelten, werden sie nach geltendem US-Recht als eigenständige und getrennte Dienstleistungen behandelt.
Im vorliegenden Fall werden die relevanten US-Abgaben - FUSF und Sales and Use Tax - auf Umsätze aus
Sprachtelekommunikationsdienstleistungen einschließlich der Umsätze aus der Erbringung vonSprachtelekommunikationsdienstleistungen für einen Kunden, der in Österreich Roaming-Leistungen inAnspruch nimmt, erhoben. Umsätze aus Internetzugangsdiensten unterliegen weder der FUSFnoch der US-Salesand UseTax. Umsätzeaus Messaging-Diensten hingegen unterliegen nicht der FUSF, wohl aber der US-Salesand Use Tax.

26 Dabei muss es sich um eine klar und eindeutig zu beantwortende Rechtsfrage handeln und die richtige Anwendung des Unionsrechts derartoffenkundig sein, dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel an der gestellten Frage besteht. Siehe dazu grundlegend C-283/81, CILFIT, Rz. 16

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(27) Aus den Aufzeichnungen der Beschwerdeführerin geht hervor, dass sich die Roaming-Dienstleistungen in

Österreich im angefochtenen Zeitraum wie folgt auf die drei Arten von Dienstleistungen verteilten:

(28) Wie aus der Tabelle hervorgeht unterlagen im gegenständlichen Zeitraum 13% - 27% der Umsätze ausRoaming-Dienstleistungen (entsprechend dem Anteil der Sprachtelekommunikationsdienstleistungen) derFUSF sowie der US-Sales and Use Tax. Umsätze aus Sprachtelekommunikationsdienstleistungen (13% -27% aller Umsätze im Zusammenhang mit Roaming-Dienstleistungen in Österreich in den Zeiträumen2015-2017) unterliegen in den USA einer Steuerbelastung, die sowohl ihrer Art als auch ihremGesamtbetrag nach mit der österreichischen Umsatzsteuer vergleichbar ist (und sogar die von derösterreichischen Abgabenbehörde geforderten Schwellenwerte übersteigt), sodass Österreich solcheDienstleistungen auch dem derzeitigen Standpunkt der österreichischen Abgabenbehörde folgend nichtbesteuern darf.

(29) Wie in Abschnitt I. erläutert, ist Österreich aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen ohnehin nichtberechtigt, auf Telekommunikationsdienstleistungen (unabhängig davon, ob es sich um Sprach-, MessagingoderInternetzugangsdienste handelt) Umsatzsteuer zu erheben. Aus diesem Grund ist eine weitere Prüfungder Vergleichbarkeit der US-Steuerbelastung, bestehend aus FUSF und US-Sales and Use Tax, mit derösterreichischen Umsatzsteuerbelastung nicht erforderlich. Sollte das BFG jedoch eine solcheVergleichbarkeitsprüfung für notwendig erachten, so legt die Beschwerdeführerin im ANHANG zu dieserStellungnahme weitere Erläuterungen und Beweise vor.

III. Anträge

(30) Aus den oben dargelegten Gründen beantragt die Beschwerdeführerin, dass das BFG die Rechtsfragen dervorliegenden Beschwerde als acte claire betrachtet und die angefochtenen Bescheide aufhebt.

(31) Sollte das BFG den acte claire-Charakter dieser Frage nicht teilen, regt dieBeschwerdeführerin an (wiebereits in der Stellungnahme vom dargelegt), dass das BFG eine Vorabentscheidung des EuGHzu dieser Fragestellung einholt.

Anhang: Vergleichbarkeit der FUSFund USSales and Use Tax mit der österreichischen Umsatzsteuer

(wird nicht wiedergegeben)

In ihrer als Beweisantrag umschriebenen Stellungnahme vom (OZ. 44) führt die Bf. Folgendes aus:
" …
(1) wie telefonisch besprochen, übermittelt die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf das anhängige Beschwerdeverfahren (RV/2100752/2021) hiermit einen

Antrag auf Beweisaufnahme

betreffend die Bedeutung des Melbourne-Abkommens für die Umsatzbesteuerung von Telekommunikationsdienstleistungen in Österreich.

(2) Die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH hat Univ.-Prof. Dr. Y. mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens zur Bedeutung des Melbourne Abkommens für die Umsatzbesteuerung von Telekommunikationsleistungen in Österreich beauftragt. Dieses Rechtsgutachten ist dieser Eingabe als Anlage ./I beigefügt.
(3) Hierbei kommt Univ.-Prof. Dr. Y.
zum Ergebnis, dass das Melbourne-Abkommen in Österreich ratifiziert wurde (somit integraler Bestandteil des geltenden Rechts ist), als völkerrechtlicher Vertrag anzuwenden ist und der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ("MwStSystRL") nicht entgegensteht. Insbesondere steht dieses nicht im Widerspruch zu Art. 59a der MwStSystRL, da diese Bestimmung lediglichein Mitgliedstaatenwahlrecht vorsieht. Dieses Wahlrecht, welches einen fakultativen Charakter innehat,vermag nicht dievölkerrechtliche Verpflichtung Österreichs - die Österreich durch Ratifizierung desMelbourne-Abkommens eingegangen ist - zu umgehen. Folglich ist das Melbourne-Abkommen imgegenständlichen Fall zwingend anzuwenden und steht einer Steuerpflicht in Österreichentgegen.

(4) Wir erlauben uns darauf hinzuweisen, dass vor kurzem eine Entscheidung des RV/2100350/2019, ergangen ist, - die Prof. Dr. Y. ebenso in seinem Rechtsgutachtenberücksichtigt hat - mit der das BFG die Rechtsverbindlichkeit anderer rechtlicher Bestimmungen (dasDubai-Abkommen) der ITR ("International Telecommunication Regulations") ablehnt. In dieser Entscheidunghat sich das BFG jedoch nicht mit dem Melbourne-Abkommen auseinandergesetzt, weshalb dieseEntscheidung auf den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar ist. Wie in unsererStellungnahme vom in Rz. 10 ausgeführt, wurde das Melbourne-Abkommen durch Österreichunterzeichnet und ist daher in Kraft sowie rechtsverbindlich. Dies ist bei den anderen, vom BFG in derEntscheidung vom genannten ITR-Quellen, jedoch nicht der Fall. Die Rechtsfrage bezüglich derAnwendbarkeit des Melbourne-Abkommens ist daher auch in Folge der Entscheidung des BFGvom nach wie vor in der bisherigen Rechtsprechung nicht geklärt, da das BFG hierzu keine Feststellungengetroffen hat.

(5) Prof. Dr. Y. kommt in seinem Rechtsgutachten zu dem Schluss, dassdasMelbourne-Abkommenzweifelsfrei anwendbar ist und somit eine Steuerpflicht in Österreich verhindert. Umsätze aus Roaming-Dienstleistungen, die von Nicht-EU ansässigenTelekommunikationsdienstleistern an Nicht-EU ansässigeKunden erbracht werden, sind daher in Österreich nicht zu besteuern.

(6) Wir möchten darauf hinweisen, dass Prof. Y. seine Ansicht auch in derösterreichischen Steuerzeitungveröffentlicht hat (Staringer, Die Bedeutung völkerrechtlicher Abkommen für das Umsatzsteuerrecht, ÖStZ2023, 657, siehe Anlage ./2). In diesem Artikel fasst Prof. Y. das Ergebnis seiner rechtlichenWürdigung wie folgt zusammen:

"Geht man somit von Bestehen einer Mitgliedstaaten-Kompetenz für den Abschluss desMelbourneAgreements aus, ist eine mit Art. 6.1.3 dort angeordnete Pflicht zum Verzicht auf dieUmsatzbesteuerung von Telekom-Leistungen an nichtansässige Kunden nicht nur

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sondern auch innerstaatlich wirksam. Diese Pflicht wird nicht durch entgegenstehendes Unionsrechtverdrängt. Eine auf § 3 Abs. 16 UStG IVm der USt-Telekom-VO gestützte inländische Besteuerungsolcher Leistungen wäre somit abkommens- und rechtswidrig."

(7) …

Anlage. / l : Rechtsgutachten zur Bedeutung des Melbourne Abkommens für dieUmsatzbesteuerung vonTelekommunikationsleistungen in Österreich von Univ.-Prof. Dr. Y.
Anlage./2: Staringer, Die Bedeutung völkerrechtlicher Abkommen für das Umsatzsteuerrecht,
ÖStZ 2023, 657"

Mit Auskunftsersuchen vom (OZ. 45, 46) wurden die H. GmbH und die A. GmbH aufgefordert, entsprechende Gutschriftsbelege über gewährte Rabatte (Discounts) der Jahre 2015-2023 bekannt zu geben, da diese von der Bf. gänzlich oder teilweise bestritten wurden.

Die Beantwortung der Auskunftsersuchen erbrachte eine Bestätigung der Feststellungen der belangten Behörde und wurden der Bf. ausdrücklich mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom (OZ. 91) nachweislich vorgehalten.
Eine schriftliche Beantwortung des Vorhaltes des Bundesfinanzgerichts durch die Bf. erfolgte nicht.

In der mündlichen Verhandlung (Niederschrift vom , OZ. 111) stellte der steuerliche Vertreter Vorsteuerberichtigungen aus gewährten Rabatten außer Streit.


Prof. Dr. Y. trägt das Gutachten, welches in ÖStZ 2023/634, ÖStZ 2023, 657 veröffentlicht ist, auszugsweise vor und verweist insbes. auf die Fußnoten 63 und 77, dass das Melbourne Abkommen in anderen Staaten wesentlich ausführlicher diskutiert worden sei. Er weist darauf hin, dass die in Art. 6.1.3 des Melbourne Abkommens enthaltene Möglichkeit von den Vorgaben dieses Abkommens wieder abzuweichen nur im Rahmen sogenannter "special arrangements" im Sinne des Artikel 9 des Melbourne Abkommens möglich sei (vgl. FN 63). Ein solches special arrangement liege in Bezug auf die Umsatzsteuer nicht vor, selbst wenn eine solche Abweichung vereinbart wäre, wäre diese im Verhältnis zu den USA unwirksam.
Zum Einwand der Abgabenbehörde, es sei fraglich, ob das Melbourne Agreement überhaupt auf moderne Arten der Telekommunikation anwendbar sei (insbesondere Internetdienstleistungen) wird von Prof. Dr. Y. ausgeführt, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie der EU den Begriff der Telekommunikationsdienstleistung aus dem Melbourne Agreement übernommen habe. Der Anwendungsbereich des EU-Rechts und des Melbourne Agreements seien daher zwangsläufig deckungsgleich.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1.1. Entgeltsminderung Gutschrift mit einem Vorsteuerbetrag von 3.462,95 € aus 2015 (Firma D. bzw. H. GmbH:

1.2. Entgeltsminderung Gutschrift mit einem Vorsteuerbetrag von 5.726,38 € aus 2016 (Firma A. AG:

1.3. Entgeltsminderung Gutschrift mit einem Vorsteuerbetrag von 25.097,83 € aus 4/2017 (Firma A. AG)

Die sachverhaltsmäßige Bestreitung der Vorsteuerverminderung aus gewährten Rabatten wurden von der Bf. nicht aufrechterhalten, sodass sich hier weitere Feststellungen erübrigen und auf die angefochtenen Bescheide verwiesen wird.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung ergibt sich aus den vorgenommenen Auskunftsersuchen und deren Beantwortungen, die der Bf. entsprechend zur Kenntnis gebracht wurden. Diese haben die Feststellungen der belangten Behörde bestätigt und wurden auch nicht mehr weiter bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtsquellen

UStG 1994

§ 3a Abs. 16 UStG 1994

Der Bundesminister für Finanzen kann, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich nach Abs. 6, 7, 12, 13 oder 14 bestimmt, der Ort der sonstigen Leistung danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach
1. statt im Inland als im Drittlandsgebiet gelegen und
2. statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen
behandelt werden.

Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 221/2009 VO BGBl II 2003/383 Telekom-VO

§ 1
Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes
BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.

UStR 2000

"3a.16.3. Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen
Rz. 643 (alte Fassung)
Liegt der Ort der Telekommunikationsdienstleistung, Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes und unterliegt die Leistung dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird sie nach der VO des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung an einen Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994 oder an einen Nichtunternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 erbracht wird.
Die österreichischen Netzanbieter haben die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihnen erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandsunternehmer auf das für sie günstigere EU-Recht zu berufen. Eine Berufung ist jedoch nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistungen im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen. Letztere Voraussetzung ist vom österreichischen Netzanbieter nachzuweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann.

Beispiel:

Ein österreichischer Mobilfunkbetreiber schließt mit einem Mobilfunkbetreiber mit Sitz im Drittland einen Vertrag ab, wonach die beiden Vertragsparteien den jeweils berechtigten Kunden der anderen Vertragspartei die Möglichkeit geben, Telekommunikationsleistungen auf dem von ihnen betriebenen Netz zu erhalten (Roaming-Vertrag). Der Kunde des Drittlandsunternehmers telefoniert in Österreich.
Die Telekommunikationsdienstleistung unterliegt im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung.

Der Ort der Leistung des österreichischen Unternehmers beurteilt sich zunächst nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 und liegt nach dieser Bestimmung im Drittland, da die Leistung einem Unternehmer gegenüber erbracht wird. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich.

Der Ort der Leistung des Drittlandsunternehmers richtet sich nach § 3a Abs. 6 bzw. Abs. 13 UStG 1994 idF ab (bis : § 3a Abs. 7 UStG 1994 bzw. § 3a Abs. 13 lit. a UStG 1994 bzw. § 3a Abs. 15 UStG 1994). Erbringt er seine Leistung gegenüber einem Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet, liegt der Ort der Leistung im Gemeinschaftsgebiet. Hat der Unternehmer seinen Sitz in Österreich, liegt der Ort der Leistung in Österreich. In diesem Fall kann es zum Übergang der Steuerschuld kommen.
Wird die Leistung einem Unternehmer im Drittland oder einem Nichtunternehmer im Drittland gegenüber erbracht, liegt der Ort der Leistung gemäß
§ 3a Abs. 6 oder Abs. 13 UStG 1994 idF ab (bis : § 3a Abs. 13 lit. a oder Abs. 7 UStG 1994) jeweils im Drittland. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich.

Rz. 643 (neue Fassung)

Liegt der Ort der Telekommunikationsdienstleistung, Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird sie nach der VO des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 idgF im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung in der Union vermieden wird, ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung diese Leistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen (vgl. C-593/19, SK Telecom Co. Ltd). Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung an einen Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994 oder an einen Nichtunternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 erbracht wird. Bis war zusätzliche Voraussetzung, dass die Leistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterlag.

Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, sind als Dienstleistungen anzusehen, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt (vgl. C-593/19, SK Telecom Co. Ltd).

Beispiel:
Ein österreichischer Mobilfunkbetreiber schließt mit einem Mobilfunkbetreiber mit Sitz im Drittland einen Vertrag ab, wonach die beiden Vertragsparteien den jeweils berechtigten Kunden der anderen Vertragspartei die Möglichkeit geben, Telekommunikationsleistungen auf dem von ihnen betriebenen Netz zu erhalten (Roaming-Vertrag). Der Kunde des Drittlandsunternehmers telefoniert in Österreich.

Der Ort der Leistung des österreichischen Unternehmers beurteilt sich zunächst nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 und liegt nach dieser Bestimmung im Drittland, da die Leistung einem Unternehmer gegenüber erbracht wird. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich.

Der Ort der Leistung des Drittlandsunternehmers richtet sich nach § 3a Abs. 6 bzw. Abs. 13 UStG 1994. Erbringt er seine Leistung gegenüber einem Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet, liegt der Ort der Leistung im Gemeinschaftsgebiet. Hat der Unternehmer seinen Sitz in Österreich, liegt der Ort der Leistung in Österreich. In diesem Fall kann es zum Übergang der Steuerschuld kommen.

Wird die Leistung einem Unternehmer im Drittland oder einem Nichtunternehmer im Drittland gegenüber erbracht, liegt der Ort der Leistung gemäß § 3a Abs. 6 oder Abs. 13 UStG 1994 jeweils im Drittland. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich.

Gemeinschaftsrecht

Art. 24 Abs. 2 MwStSystRL

(2) Als "Telekommunikationsdienstleistung" gelten Dienstleistungen zum Zweck der Übertragung, Ausstrahlung oder des Empfangs von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder andere elektromagnetische Medien, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Abtretung oder Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang, einschließlich der Bereitstellung des Zugangs zu globalen Informationsnetzen.

Vorgängerbestimmung Sechste RL

Art. 9 Abs. 2 lit. e Sechste RL RL 1999/59

Es gilt jedoch
e) als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuer pflichtige erbracht werden, der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort:
- Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichen sowie ähnlichen Rechten,
- Leistungen auf dem Gebiet der Werbung,
- Leistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und Leistungen sowie die Datenverarbeitung und die Überlassung von Informationen,
- Verpflichtungen, eine berufliche Tätigkeit ganz oder teilweise nicht auszuüben oder ein unter diesem Buchstaben e) genanntes Recht nicht wahrzunehmen,
- Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern,
- Gestellung von Personal,
- Dienstleistungen von Vermittlern, die im Namen und für Rechnung Dritter handeln, wenn sie bei der Erbringung von unter diesem Buchstaben e) genannten Dienstleistungen tätig werden.
- Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel
- Gewährung des Zugangs zu Erdgas- und Elektrizitätsverteilungsnetzen und Fernleitung oder Übertragung über diese Netze sowie Erbringung anderer unmittelbar damit verbundener Dienstleistungen,
- Telekommunikationsdienstleistungen. Als Telekommunikationsdienstleistungen gelten solche Dienstleistungen, mit denen die Übertragung, die Ausstrahlung oder der Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien ermöglicht werden, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Abtretung oder Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang. Zu den Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift gehört auch die Bereitstellung des Zugangs zu globalen Informationsnetzen
- Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen,
- auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistungen wie unter anderem die in Anhang L aufgeführten Dienstleistungen;

Art. 59a MWStSystRL idgF

Artikel 59a

Um Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten bei Dienstleistungen, deren Erbringungsort sich gemäß den Artikeln 44, 45, 56, 58 und 59 bestimmt,
a) den Ort einer oder aller dieser Dienstleistungen, der in ihrem Gebiet liegt, so behandeln, als läge er außerhalb der Gemeinschaft, wenn die tatsächliche Nutzung oder Auswertung außerhalb der Gemeinschaft erfolgt;
b)
den Ort einer oder aller dieser Dienstleistungen, der außerhalb der Gemeinschaft liegt, so behandeln, als läge er in ihrem Gebiet, wenn in ihrem Gebiet die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt.

Art. 9 Abs. 3 Sechste Mehrsteuerrichtlinie (Vorgänger-RL)

Um Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten bei den in Absatz 2 Buchstabe e) bezeichneten Dienstleistungen, mit Ausnahme der unter dem letzten Gedankenstrich genannten Dienstleistungen, sofern diese an nicht steuerpflichtige Personen erbracht werden, und auch bei der Vermietung von Beförderungsmitteln
a) den Ort einer Dienstleistung, der nach diesem Artikel im Inland liegt so behandeln; als läge er außerhalb der Gemeinschaft, wenn dort die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt;

b) den Ort einer Dienstleistung, der nach diesem Artikel außerhalb der Gemeinschaft liegt, so behandeln, als läge er im Inland, wenn dort die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt.

Völkerrechtliche Rechtsquellen

Doppelbesteuerung - Einkommensteuer (USA), Kundmachungsorgan BGBl. III Nr. 6/1998

Artikel 23
Gleichbehandlung
(1) Staatsangehörige eines Vertragsstaats dürfen im anderen Staat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können. Diese Bestimmung gilt ungeachtet des Artikels 1 (Persönlicher Geltungsbereich) auch für Personen, die in keinem Vertragsstaat ansässig sind. Für Zwecke der Steuer der Vereinigten Staaten befinden sich ein Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten, der nicht in den Vereinigten Staaten ansässig ist, und ein österreichischer Staatsangehöriger, der nicht in den Vereinigten Staaten ansässig ist, nicht in gleichen Verhältnissen.

GATS

21994A1223(16) Die multilaterale Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986- 1994) - Anhang 1 - Anhang 1B - Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (WTO) WTO Amtsblatt Nr. L 336 vom 23/12/1994 S. 0191 - 0212

Artikel XVII
Inländerbehandlung
(1) In den in seiner Liste aufgeführten Sektoren gewährt jedes Mitglied unter den darin festgelegten Bedingungen und Vorbehalten den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds hinsichtlich aller Maßnahmen, welche die Erbringung von Dienstleistungen beeinträchtigen, eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die, die es seinen eigenen gleichen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern gewährt.
(2) Ein Mitglied kann das Erfordernis des Absatzes 1 dadurch erfüllen, daß es Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds eine Behandlung gewährt, die mit der, die es seinen eigenen gleichen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern gewährt, entweder formal identisch ist oder sich formal von ihr unterscheidet.
(3) Eine formal identische oder formalunterschiedliche Behandlung gilt dann als weniger günstig, wenn sie die Wettbewerbsbedingungen zugunsten von Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern des Mitglieds gegenüber gleichen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds verändert.

Abkommen von Melbourne (ITR, WATTC-88)

Art. 6.1.3.

Deutscher Text

Sofern die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in einem Land eine Besteuerung der Erhebungsgebühren für internationale Fernmeldedienste vorsehen, wird diese Steuer normalerweise nur erhoben, wenn die internationalen Dienste den Kunden in diesem Land in Rechnung gestellt werden, es sei denn, dass andere Regelungen für besondere Umstände getroffen werden.

Englischer Text:
Where, in accordance with the national law of a country, a fiscal tax is levied on collection charges for international telecommunication services, this tax shall normally be collected only in respect of international services billed to customers in that country, unless other arrangements are made to meet special circumstances.

Französischer Text:
Quand la législation nationale d'un pays prévoit l'application d'une taxe fiscale sur la taxe de perception pour les services internationaux de télécommunication, cette taxe fiscale n'est normalement perçue que pour les services internationaux factures aux clients de ce pays, a moins que d'autres arrangements soient conclus pour faire face a des circonstances spéciales.

Arbeitsübersetzung:

Wenn das nationale Recht eines Landes die Einhebung einer Steuergebühr auf die Erhebungsgebühr für internationales Telekommunikationsdienste vorsieht, wird diese Steuergebühr normalerweise nur für internationale Dienste erhoben, die Kunden dieses Landes in Rechnung gestellt werden.

Spanischer Text:
Cuando en la législation national de un pais se prevea la aplicaciôn de una tasa fiscal sobre la tasa de percepciôn por los servicios internacionales de telecomunica ciôn, esa tasa fiscal solo se percibirâ normalmente por los servicios internacionales de telecomunicaciôn facturados a los clientes de ese pais, a menos que se concierten otros arreglos para hacer frente a circunstancias especiales.

3.1.2. rechtliche Erwägungen Umsatzsteuerbescheide

3.1.2.1. nationales Umsatzsteuerrecht

Die Darstellung der historischen Rechtsentwicklung im Schriftsatz der Bf. vom (OZ. 43) in den Rz. 6 bis 25 ist im Wesentlichen richtig, deren Schlussfolgerungen werden auf Grund der späteren VwGH-Judikatur nicht geteilt.

Im besonders hervorzuhebenden Fall eines Telekommuniktionsunternehmens aus Südafrika kam das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis vom , RV/2100366/2016 noch zum Schluss, dass auf Grund der in Südafrika gegebenen Umsatzsteuerbelastung von 14% eine vergleichbare Steuerbelastung mit der österreichischen Umsatzsteuer im Sinne der damaligen Rechtsauffassung gegeben wäre und daher die Ortsverlagerung nach der Telekom-VO (s.o.) nicht zulässig wäre. Diese Rechtsansicht wurde im Rahmen einer ordentlichen Amtsrevision vom angerufenen VwGH nicht geteilt (). Er bemerkt dazu in Rz. 16 wörtlich:
"Diese Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts steht im Widerspruch zu den Ausführungen des SK Telecom Co. Ltd , C-593/19, wonach Art. 59a Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom mit Wirkung vom geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen."
Daraus ist zu schließen, dass er sich auf Grundlage der Entscheidung des EuGH von seiner älteren Judikatur (, 2004/15/0010 und , 2005/15/0104) gefordertes Abstellen auf die Steuerbelastung im Drittland - ohne dies ausdrücklich zu erwähnen - materiell getrennt hat. Insofern hatte das EuGH-Urteil eine Änderung der innerstaatlichen Rechtsansicht herbeigeführt. Abgesehen davon hat er keinen Vertrauenstatbestand in die als nunmehr unrichtig erkannte innerstaatliche Rechtsansicht erblickt und ohne weiteres die neue Rechtslage angewandt, obwohl sich die der Beurteilung zu Grund liegenden Sachverhalte sich vor dem SK Telecom Co. Ltd, C-593/19, ereignet hatten.

In ähnlicher Weise wurden die Fälle der Drittländer Australien (), Guernsey () und Japan () entschieden, deren Sachverhalte in den Jahren 2013 und 2014 stattgefunden hatten.

Auf die im Wartungserlass UStR 2000, Rz. 643 ausgedrückte Toleranzregelung kommt es nicht an, weil das Bundesfinanzgericht an derartige Richtlinien nicht gebunden ist. Warum diese von der belangten Behörde nicht weiter beachtet wurden, konnte der vorliegenden Aktenlage nicht entnommen werden. Sollte die Bf. in einem von der Behörde veranlassten Vertrauen verletzt sein, müsste dies in einem Verfahren nach § 236 BAO releviert werden.

3.1.2.2. Doppelbesteuerungsabkommen USA-Österreich

Nichtdiskriminierungsklausel

Auch wenn Art. 2 Abs. 4 DBA im Sinne des Artikels 23 (Gleichbehandlung) das Abkommen auch für Steuern jeder Art und Bezeichnung, die von einem Vertragsstaat oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, hinsichtlich des im Sinne des Artikels 25 Absätze 1 bis 5 vereinbarten Informationsaustausches und der Amtshilfe auch für Steuern jeder Art, die von einem Vertragsstaat erhoben werden, gilt, kann die von der Bf. geortete angebliche Diskriminierung auf dem Gebiete der Umsatzbesteuerung der Telekommunikationsleistungen nicht erblickt werden. Denn nach der bisher bekannten Judikatur kann bei der Nutzung von Telekommunikationsdienstleistungen, die von einem nicht in der EU ansässigen Nichtunternehmer im Inland genutzt, der Ort der Leistung nach der Telekomverordnung ins Inland verlagert werden ().

Somit ist davon auszugehen, dass eine inländische Dienstleistung der Umsatzsteuer unterworfen wird. Eine Diskriminierung auf Grund der Staatsbürgerschaft findet nicht statt. Selbst die Dienstleistung an einen Österreicher mit amerikanischen Wohnsitz würde bei Inanspruchnahme derartiger Leistung der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Abgesehen davon, kommt es bei der Ortbestimmung der Besteuerung der umsatzsteuerpflichtigen Leistungen nicht auf die Staatsbürgerschaft an.
Die von der Bf. kritisierte Doppelbesteuerung dürfte auch daraus resultieren, dass das amerikanische Umsatzsteuerrecht Leistungen, die nach innerstaatlicher Sicht in die inländischen (US-Besteuerung) einbezogen wurden, aus österreichischer Sicht im dortigen Inland (USA) besteuert werden. Es liegt in diesem Fall keine Diskriminierung auf Grund der Staatsbürgerschaft oder des Wohnsitzes, sondern eine Doppelbesteuerung auf Grund unterschiedlicher Umsatzsteuerrechte statt. Es könnte auch aus österreichischer Sicht die Ansicht vertreten werden, dass nicht weiter verständlich wäre, warum die Inanspruchnahme des inländischen Mobilfunkleitungsnetzes durch einen Endverbraucher nicht der inländischen, sondern der amerikanischen Umsatzsteuer unterliegen sollte, obwohl in Österreich zumindest zum Teil keine amerikanischen Telekommunikationsnetze in Anspruch genommen wurden.

In ähnlicher Weise ist auch nicht zweifelhaft, dass ein Friseurbesuch eines amerikanischen Touristen in Österreich als Dienstleistung an einen Nichtunternehmer der österreichischen Umsatzsteuer genauso wie der Friseurbesuch eines österreichischen Touristen in Amerika der amerikanischen Sales-Tax oder vergleichbarer anderer Steuern unterliegen würde. In diesen Fällen würde weder eine Diskriminierung auf Seiten Österreichs noch der USA vorliegen. Abgesehen davon würden derartige Leistungen die von dort ansässigen Inländern (österreichische oder amerikanische Nichtunternehmer beim Bezug von Leistungen eines österreichischen oder amerikanischen Unternehmers) der entsprechenden Besteuerung unterliegen.

Da eine steuerliche Diskriminierung nicht stattgefunden hat, erübrigen sich darob weitere Ausführungen.

3.1.2.3. Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)

Was die Rechte Einzelner nach dem im Rahmen der WTO (Welthandelsorganisation) abgeschlossener Abkommen anlangt, ist die Rechtsprechung des EuGH eher zurückhaltend ( P und C-121/96 P, FIAMM, FIAMM Technologies) . Bespielsweise wird ausgeführt, dass es nicht Zweck der WTO-Übereinkünfte sei, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, daher könne ein Verstoß gegen diese Übereinkünfte auch nicht die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft auslösen, andernfalls würde der Spielraum, über den die Mitglieder der WTO verfügten, um einer Entscheidung des DSB (Dispute Settlement Body - Streitbeilegungsgremium) nachzukommen beeinträchtigt (Rz. 78). Was konkret die WTO-Übereinkünfte anbelangt, gehören diese nach der ständigen Rechtsprechung wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu den Normen, an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst (vgl. u.a. Urteile Portugal/Rat, Randnr. 53, sowie Van Parys, Randnummer 40 und die dort angeführte Rechtsprechung (Rz. 111). Ebenso wenig wie die materiellen Regeln der WTO-Übereinkünfte kann eine Empfehlung oder Entscheidung des DSB, mit der die Nichtbeachtung dieser Regeln festgestellt wird, für den Einzelnen ein Recht begründen, sich vor dem Gemeinschaftsrichter zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verhalten der Gemeinschaftsorgane darauf zu berufen, welche genaue rechtliche Bedeutung einer solchen Empfehlung oder Entscheidung auch immer zukommen mag (Rz. 129). In ähnlicher Weise bemerkt der BFH in seinem Urteil BFH , VII R 8/08 in seinem Leitsatz, die Rechtsprechung des EuGH, dass sich ein Zollbeteiligter auf die Bestimmungen des GATT und die dazu ergangenen Entscheidungen der Streitschlichtungsgremien der WTO über die zum GATT in Widerspruch stehende Bananenmarktordnung der Gemeinschaft nicht berufen kann, stellt unbeschadet der gegen sie erhobenen Einwände keinen ausbrechenden Rechtsakt i.S. der diesbezüglichen Rechtsprechung des BVerfG dar. Im Übrigen bemerkt der BFH, dass WTO-Übereinkünfte wie das GATT 1994 wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu jenen Normen gehören, an denen die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsorgane zu messen sei (Rz. 28).

In ähnlicher Weise zur angeblichen Diskriminierung in Doppelbesteuerungsfällen übersieht die Bf. mit ihrer Argumentation, dass es sich bei der Verschaffung von Sprachtelefonie und Internetdienstleistungen in Österreich durch Benützung des inländischen Mobilfunknetzes um eine im Inland verschaffte Möglichkeit der Inanspruchnahme auch dieser Leistung handelt, für die auch für österreichische Handynutzer Telefongebühren (Telefonentgelte) mit inländischer Umsatzsteuer anfallen. Daher könnte die Bf. auch eine Überprüfung heimischen US-Steuerrechts anstreben, ob nicht aus der Umsatzbesteuerung österreichischer Telekommunikationsdienstleistungen eine von ihr geortete Verletzung der von den USA abgeschlossenen völkerrechtlicher Abkommen vorliegen könnte.

3.1.2.4. Das Melbourne Agreement der ITU

Den zum Beschwerdevorbringen erhobenen Ausführungen der Rechtsauffassung des Autors (Staringer, ÖStZ 2023, 657) haben weite Teile der Textanalyse zum Inhalt und behaupten, dass die französische und spanische Fassung gegenüber der deutschen und englischen deutlicher sei, wobei nicht klar genug sei, was unter "Kunden in diesem Land" oder "custumers in that country" zu verstehen sei. Es handle sich um "Kunden, die aus einem bestimmten Land" stammen.

Nach der oa. Arbeitsübersetzung des französischen Textes ist kein signifikanter Unterschied zwischen dem englischen und deutschen Text festzuhalten. Daraus kann unschwer geschlossen werden, dass dem Staat der Leistungserbringung der Telekommunikationsdienstleistung ein Recht auf Besteuerung zusteht, wenn diese Erhebungsgebühr (Entgelt) den Kunden dieses Landes in Rechnung gestellt wird. Da unter Kunde dieses Landes hier wohl primär der ausländische Telekommunikationsanbieter (Leistung 1, s. später) verstanden wird, gibt das Abkommen keine näheren Aufschlüsse.

Die oa. Formulierungen lassen sich in ihrer Allgemeinheit nur interpretativ auf die umsatzsteuerlichen Regelungen der Besteuerung der Telekommunikationsdienstleistungen übertragen, zumal sie noch aus einer Zeit stammen (1988), wo Telekommunikationsdienstleistungen von der staatlichen Hoheitsverwaltung betrieben wurden (Post- und Fernmeldemonopol abgeleitet aus dem früheren landesfürstlichen Postregal).

Die Post war bis zur Ausgliederung () durch das PoststrukturG, BGBl 201/1996, eine Einrichtung des Bundes zur Wahrnehmung der Aufgaben des Postwesens. Hiezu gehörte vor allem die ordnungsgemäße Abwicklung des dem Bund vorbehaltenen Rechts zur Beförderung von Nachrichtensendungen (Walter/Mayer2, 511). Nach hA übte der Bund in diesem Bereich - obwohl auch bei der Beförderung von Nachrichtensendungen bereits Konkurrenzsituationen bestanden - öffentliche Gewalt aus, sodass die Tätigkeit der Post nach allgemeinen Grundsätzen nicht als BgA zu qualifizieren war (). Gleiches galt für die Leistungen des Bundes in Wahrnehmung der sog Fernmeldehoheit (Walter/Mayer2, 517 f). Aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit wurden in diesem Bereich jedoch schon nach dem UStG 1972 bestimmte Tätigkeiten als unternehmerisch qualifiziert. Dies war einerseits die Beförderung von Personen durch die Post und andererseits (seit ) die Lieferung (nicht auch die Vermietung) von Fernsprechnebenstellenanlagen (Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 (2017) zu § 2 UStG Rz. 227).
Die Tätigkeit des Bundes im Rahmen des Fernmeldewesens galt - konform mit der 6. MwSt-RL - als unternehmerisch (§ 2 Abs. 4 Z 2), nach § 29 Abs. 1 wurden die Umsätze in diesem Bereich jedoch befreit, ausgenommen die Lieferung von Fernsprechnebenstellenanlagen (somit keine Änderung gegenüber UStG 1972). Die Befreiung beruhte auf dem Beitrittsvertrag. (Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 (2017) zu § 2 UStG Rz. 228). In ähnlicher Weise erfolgte die Privatisierung des Fernmeldewesens in Deutschland im Jahr 1998. Das Melbourne-Abkommen wurde allerdings zehn Jahre früher vereinbart. Daher erklären sich auch die nach heutiger Lesart eher fremd anmutenden Formulierungen, wie Erhebungsgebühr oder Steuergebühr, was in der entsprechenden Begriffswelt des Umsatzsteuergesetzes nichts Anderes ist, als Entgelt und Umsatzsteuer, wobei natürlich keineswegs als Allgemeingut vorausgesetzt werden kann, dass sämtliche Unterzeichnerstaaten ein der Mehrwehrsteuersystemrichtlinie entsprechendes Besteuerungssystem anwenden (Nettoallphasenumsatzsteuer mit der Subtraktionsmethode des Vorsteuerabzuges, Ruppe-Achatz, UStG 19945, Einf. Rz. 5), zumal Österreich die Bruttoallphasenumsatzsteuer des UStG 1959, das im Wesentlichen noch auf dem deutschen UStG 1934 aufbaute, auch erst 1973 mit dem UStG 1972 abschaffte.

Wie von der Bf. bereits in der Beschwerde und im Gutachten richtig erkannt, liegen bei einem "Roaming"- Angebot zwei getrennte Leistungen vor, nämlich
- Leistung 1: Inländisches Telekommunikationsunternehmer stellt dem Drittlands-Telekommunikationsunternehmen ihr Mobilnetz zur Verfügung (Roaminggebühr, Netzbenützungsentgelt, Miete) und
- Leistung 2: Drittlands-Telekommunikationsunternehmen erbringt an seine im Inland aufhältigen Kunden die eigentliche Mobilfunkleistung in Form von Sprachtelefonie, SMS-Mitteilungen oder sog. Datenroaming.

Die nähere Untersuchung der umsatzsteuerlichen Behandlung ist hier auch nicht weiter strittig, da die umsatzsteuerliche Entlastung der Vorleistung ohnehin über den Vorsteuerabzug des ausländischen Leistungsempfängers erfolgt.

Die Bf. führte dazu ausdrücklich aus, der vorliegende Beitrag untersuche Fragen der umsatzsteuerlichen Behandlung der Leistung 2 in Österreich mit Blick auf mögliche Auswirkungen von Österreich in diesem Bereich geschlossener völkerrechtlicher Abkommen. Gerade dies kann im Zusammenhang mit dem von der Bf. rekurrierten Art. 6.1.3. nicht unbesehen gelassen werden, zumal der Abkommenstext offenlässt, ob er ausschließlich die erste, die zweite oder beide Leistungsbeziehung(en) meint.

Im Mehrwertsteuerausschuss ist 1987 einstimmig eine Leitlinie verabschiedet worden, wonach die Leistungen zwischen Diensteanbietern befreit werden, wenn sie zwischen öffentlichen Diensteanbietern erfolgen. Für eine solche Maßnahme fehlte allerdings eine Rechtsgrundlage und sie führte zu einer Diskriminierung gegenüber privaten Diensteanbietern. Derzeit ist die Leitlinie kaum anwendbar, da es fast nur mehr private Diensteanbieter gibt.
(Mehrwertsteuer: Kommentar, Ecker/Epply/Rößler/Schwab § 3a Abs. 4 bis 16 vor - Kommentierung, Rz. 277).
Aus dem Melbourne-Abkommen wird vielfach geschlossen, dass die Leistungen zwischen den Netzbetreibern steuerfrei sind. Nach Vellen, UR 1997, 208, kann aus dem Abkommen keine Befreiung, noch weniger eine Verpflichtung, eine entsprechende Befreiung zu gewähren, abgeleitet werden (ebenso Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, deutsch, Tz. 210.14 zu § 3a). Käme man zu einer Steuerbefreiung, müsste diese zum Verlust des Vorsteuerabzuges führen (Mehrwertsteuer: Kommentar, Ecker/Epply/Rößler/Schwab § 3a Abs. 4 bis 16 vor - Kommentierung, Rz. 279). Diese Ansicht wird im Hinblick auf die Erwähnung "vergleichbar mit den Befreiungen für die den Ausfuhrumsätzen gleichgestellten Umsätze" nicht geteilt, da der Mehrsteuerausschuss wahrscheinlich eine sog. echte Befreiung im Auge hatte, wenngleich wesentliche andere Vorleistungen außer den "Roaminggebühren" im Inland bei einem ausländischen Telekommunikationsunternehmen kaum angefallen dürften.

Aus der oa. Interpretation des Mehrwertsteuerausschusses:
"(LEITLINIEN AUS DER 22. SITZUNG vom 19.-, XXI/889/87
e) Steuerliche Behandlung von Fernmeldeleistungen
Die Ausschußmitglieder befürworten einstimmig:
1. die Anwendung des Artikels 15 Nummer 8 auf die Fernmeldeleistungen an Seeschiffe;
2.
Aus Vereinfachungsgründen
a) eine Steuerbefreiung - vergleichbar mit den Befreiungen für die den Ausfuhrumsätzen gleichgestellten Umsätze - der Netzüberlassung zwischen den öffentlichen Fernmeldeverwaltungen der Mitgliedstaaten;

b) die Fernmeldeleistungen an Bord von Seeschiffen, die sich in internationalen Gewässern befinden oder auf einer kurzen Strecke die Gewässer des Hoheitsgebietes befahren, als außerhalb des territorialen Anwendungsbereichs der Steuer erbracht anzusehen.)"

lässt sich jedoch ableiten, dass dem Mehrwertsteuerausschuss das Melbourne-Abkommen, bekannt sein gewesen dürfte und hinsichtlich der ersten Leistungsbeziehung (inländisches Telekommunikationsunternehmen an drittländisches Telekommunikationsunternehmen eine Steuerbefreiung ableiten wollte, was auch bedeuten könnte, dass die hier strittige zweite Leistungsbeziehung (drittländische Telekommunikationsunternehmen an drittländische Kunden) vom Melbourne-Abkommen gar nicht betroffen ist bzw. nicht näher beurteilt wurde.

Was die im Rahmen der der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU), einer Organisation im Rahmen der Vereinten Nationen, "International Telecommunication Regulations" abgeschlossenen Abkommen anlangt, können diese sowohl dem Richtliniengesetzgeber als auch dem MwSt-Ausschuss als bekannt vorausgesetzt werden. Der bloße Hinweis, dass Steuern auf internationale Telekommunikationsleistungen nur Kunden im Inland vorgeschrieben werden sollen/dürfen, kann in dieser Allgemeinheit keine ausschlaggebende Bedeutung erlangen, zumal derartige Entgelte/ Gebühren und damit verbundene Steuern in der Regel aus Telekommunikationsdienstleistungen regelmäßig über den Telekommunikationsanbieter im Inland (aus der Sicht des ansässigen Kunden) vorgeschrieben werden. Eine Direktvorschreibung an den ausländischen Kunden im Roamingstaat findet wohl aus praktischen Gründen deshalb nicht statt, da der inländische Roaminganbieter seine Leistungen gegenüber dem ausländischen Telekommunikationsbetreiber erbringt, der sie dann seinen Kunden in Form von Entgelten für Sprachtelefonie oder Internetdienstleistungen weiterverrechnet. Ob die Roaminggebühren nun gesondert oder in Form von "Auslandsmobiltelekommunikationspaketen" pauschaliert oder diese dem Endkunden einzeln weiterverrechnet werden, macht in der rechtlichen Beurteilung keinen Unterschied. Den (ausländischen) Kunden ist auch in der Regel nicht bekannt, ob darin auch inländische (österreichische) Abgaben enthalten sind, zumal Telekommunikationsanbieter ihren Kunden ihre Preiskalkulation nicht einmal bei der Einzelverrechnung von Roaming-Einheiten tatsächlich offenlegen, zumal die gewährten Discounts oder Rabatte selbst den Abgabenbehörden lange Zeit verborgen blieben. Eine allgemeine Steuerfreistellung von Roaminggebühren und ein derart weitgehender Eingriff in das Besteuerungsrecht der Staaten kann daraus nicht abgeleitet werden. Es dürfte lediglich eine Regelung sein, in welchem Staat entsprechende Entgelte/Gebühren und auch Steuern (mit-) vorgeschrieben werden (vgl. , ).

Nach hg. Ansicht erlaubt Pkt. 6.1.3. des Abkommens eine Besteuerung der Erhebungsgebühren (Entgelte), wenn diese internationalen Dienste in diesem Land in Rechnung gestellt werden. Sollten die inländischen Telekommunikationsdienstleister keine "Leitungsgebühren" in Rechnung stellen, stellt sich das Problem ohnedies nicht, da die Bemessungsgrundlage Null wäre. Sobald jedoch für internationale Fernmeldedienste Entgelte in Rechnung gestellt werden, darf auch eine Besteuerung im Inland erfolgen. Abgesehen davon kann auch in Frage gestellt werden, ob überhaupt internationale Fernmeldedienste beim verrechneten Roaming vorliegen, da es vorwiegend um die Nutzung der inländischen Mobilfunkinfrastruktur geht, die vom inländischen Telekommunikationsanbieter weiterverrechnet wird. Der Kunde der Bf. nutzt mittelbar das inländische Mobilfunknetz, ohne das eine Verbindung zum heimischen Telefonnetz nicht möglich wäre. Daher ist ein ausreichender Inlandsbezug gegeben, der von der Judikatur ohnehin nicht weiter in Frage gestellt wird. Die vergleichbare Benützung inländischer Autobahnen und Schnellstraßen durch ausländische oder inländische Fahrzeuge zu Lande wird ebenfalls unbestrittenermaßen als Inlandsleistung qualifiziert.

Abgesehen davon hatte die Mobiltelefonie nach dem Stand der Technik bei der Konferenz von Melbourne vom 28.11.- (WATCC-88) noch nicht einmal GSM-Standard. Das Global System for Mobile Communications (früher Groupe Spécial Mobile, GSM) ist ein 1990 eingeführter Mobilfunkstandard für volldigitale Mobilfunknetze, der hauptsächlich für Telefonie, aber auch für leitungsvermittelte und paketvermittelte Datenübertragung sowie Kurzmitteilungen (Short Messages) genutzt wurde. Es ist der erste Standard der sogenannten zweiten Generation ("2G") als Nachfolger der analogen Systeme der ersten Generation (in Deutschland: A-Netz, B-Netz und C-Netz) und war der weltweit am meisten verbreitete Mobilfunk-Standard.

Sofern die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in einem Land eine Besteuerung der Erhebungsgebühren für internationale Fernmeldedienste vorsehen, wird diese Steuer normalerweise nur erhoben, wenn die internationalen Dienste den Kunden in diesem Land in Rechnung gestellt werden, es sei denn, dass andere Regelungen für besondere Umstände getroffen werden. Daher hatte die Mobiltelefonie zum damaligen Zeitpunkt wohl noch eine geringe wirtschaftliche Bedeutung, sodass die auf wenige Zeilen beschränkte und eher rudimentäre Ausführungen des Art. 6.1.3. des Abkommens verständlich sind.

Was die Internetnutzung anlangt, wurde diese erst in den 1990er-Jahren kommerzialisiert und konnte von den vertragsschließenden Parteien des Abkommens noch nicht bedacht werden, weshalb sich weitergehende Ausführungen erübrigen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Internet#1981%E2%80%931993:_TCP/IP,_DNS_und_Usenet)

Im Zusammenhang mit der von vielen Staaten abgelehnten geplanten Revision des Melbourne Abkommens anlässlich der World Conference on International Telecommunications (WCIT) in Dubai vom 3.- , hielt die deutsche Bundesregierung fest, dass sie massive Vorbehalte gegen eine Regulierung des Internets habe und auch ITR-Regelungen zu Fragen der Besteuerung von Telekommunikationsdienstleistungen ablehne (https://post-und-telekommunikation.de/PuT/1Fundus/Dokumente/Internationale_Fernmeldeunion/haltung-der-bundesregierung-zur-world-conference-on-international-telecommunications.pdf, RV/2100476/2021 vom )

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Für die steuerliche Bedeutsamkeit des ratifizierten Melbourne-Abkommens liegt keine entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 3a Abs. 16 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003
Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung - Telekommunikationsd., BGBl. II Nr. 102/1997
§ 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 3a Abs. 6 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 59a Abs. 1 Buchstabe b RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Verweise




P
BFH , VII R 8/08

ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100752.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at