Besteuerung von in Österreich ansässigem Flugpersonal nach dem DBA Malta
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2024/13/0025.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7102502/2024-RS1 | Bei der Besteuerung von in Österreich ansässigem Flugpersonal nach dem DBA Malta schließt sich das BFG – abweichend von der mit BMF-Rechtsauskunft EAS 3448 vom dargelegten Rechtsauffassung – Literaturmeinungen wie Lang, SWI 2024, 10, an und geht von einem Redaktionsversehen hinsichtlich des Wortes „nur“ im deutschsprachigen Text von Art 23 Abs 1 DBA Malta aus.
Dieses Redaktionsversehen lässt sich demnach im Auslegungsweg derart beheben, dass dem englischsprachigen Text der Vorzug gegeben wird. Zumal die englischsprachige Fassung keine Entsprechung zu dem Wort „nur“ enthält, hat nach Beurteilung durch das BFG der Ansässigkeitsstaat (Österreich) in der vorliegenden Konstellation, in der der Quellenstaat (Malta) das Besteuerungsrecht hat, nach Art 23 Abs 1 DBA Malta die Einkünfte freizustellen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter MMag. Gerald Erwin Ehgartner in der Beschwerdesache **BF**, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 zu Recht:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der Bescheid wird gemäß § 279 BAO derart abgeändert, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, der Gesamtbetrag der Einkünfte, das Einkommen und somit auch die Einkommensteuer EUR 0,00 betragen.
II. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der in Österreich wohnhafte Beschwerdeführer war im Jahr 2022 bei **A** (mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Malta) als Pilot angestellt. Das Dienstverhältnis bei **A** bestand bereits seit 2020, zuvor lag ein Dienstverhältnis mit **B** vor. Anfangs agierte der Beschwerdeführer als Co-Pilot und absolvierte noch diverse Ausbildungen, im Jahr 2022 war er jedenfalls als Pilot tätig.
Am Jahreslohnzettel für 2022 finden sich steuerpflichtige Bezüge von EUR 90.927,91 und eine einbehaltene Lohnsteuer von EUR 32.793,77 ausgewiesen.
Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf "Rückzahlung Lohnsteuer aufgrund DBA". Von der belangten Behörde erfolgte mit Bescheid vom die abweisende Erledigung. Begründend wurde auf die EAS-Rechtsauskunft 3448 vom verwiesen (siehe dazu weiter unten).
Im daraufhin erlassenen Einkommensteuerbescheid 2022 vom finden sich unter den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von der **A** steuerpflichtige Bezüge iHv EUR 90.927,21 ausgewiesen. Abzüglich bestimmter angeführter Werbungskosten finden sich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit iHv EUR 84.848,86 festgeschrieben. In selber Höhe sind auch der Gesamtbetrag der Einkünfte sowie das Einkommen ausgewiesen. Andere Einkünfte liegen somit keine vor.
Begründend findet sich am Einkommensteuerbescheid hinsichtlich der Bezüge von **A** ausgeführt:
"Die Einkünfte der **A** werden in Österreich zur Besteuerung herangezogen.
Die Besteuerung erfolgt im Hinblick auf die Rechtsmeinung des BMF in der EAS 3448, Besteuerung von in Österreich ansässigem Flugpersonal nach dem DBA-Malta. Der Lohnzettel der **A** in Österreich zur Besteuerung herangezogen, die abgeführte Lohnsteuer wird berücksichtigt. Die Besteuerung der Einkünfte in Malta wurde nicht nachgewiesen und hat nach Informationsstand des Finanzamtes auch nicht stattgefunden. Durch die Besteuerung der Einkünfte in Österreich wird die doppelte Nichtbesteuerung von Einkünften verhindert. Im Hinblick auf die Kritik an der Rechtsansicht des BMF in dem von Ihnen erwähnten Artikel "DBA Malta: Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode auf Grundlage einer EAS- Rechtsauskunft des BMF?" ist anzumerken, dass bei einer Freistellung eine doppelte Nichtbesteuerung zur Folge hätte. Der von Ihnen erwähnte Antrag auf "Rückzahlung Lohnsteuer aufgrund DBA" für das Jahr 2022 wurde vom FAG bereits bearbeitet und zuletzt in der Beschwerdevorentscheidung () abgewiesen."
Mit Beschwerde vom beantrage der Beschwerdeführer die Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2022. Aufgrund entsprechender DBA-Regelungen könne die EAS Rechtsauskunft 3448 nicht herangezogen werden. Das ausschlaggebende Wort "nur", auf das sich die EAS beziehe, sei nur in der deutschen Fassung zu finden. Die englische Fassung werde schlicht ignoriert.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom erfolgte von Seiten der belangten Behörde die abweisende Beschwerdeerledigung. Ausgeführt findet sich im Wesentlichen, dass der Lohnzettel der **A** in Österreich zur Besteuerung herangezogen und die abgeführte Lohnsteuer berücksichtigt worden sei. Die Besteuerung der Einkünfte in Malta sei nicht nachgewiesen worden und habe nach Informationsstand der belangten Behörde auch nicht stattgefunden. Durch die Besteuerung der Einkünfte in Österreich werde die doppelte Nichtbesteuerung von Einkünften verhindert.
Auch im Hinblick auf die laufende Diskussion in der Literatur sehe die belangte Behörde die Rechtsauskunft des BMF, EAS 3448, als schlüssig und vorrangig an. Die Entscheidung sei schließlich auch im Hinblick der DBA-Zielsetzung, Vermeidung der Doppelbesteuerung oder Doppelnichtbesteuerung, erfolgt.
Mit Antrag vom , eingebracht durch FinanzOnline am , wurde die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt.
Mit Bericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Ausgeführt findet sich dabei, dass die gegenständlichen Bezüge in Malta nicht besteuert worden seien, weshalb eine Besteuerung nach EAS 3448 vorgenommen worden sei.
Der Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht entsprechend, legte die belangte Behörde am noch diverse Dokumente (wie etwa den abweisenden Bescheid vom und Dokumente rund um Fristverlängerungsansuchen und Vorhaltsbeantwortungen) vor.
Der vom Bundesfinanzgericht am befragte Beschwerdeführer führte erklärend aus, dass seine Einkünfte in den Jahren vor 2022 tatsächlich wesentlich geringer ausgefallen seien, zumal er zuvor nur als Copilot tätig gewesen sei und es aufgrund der COVID-Krise wesentlich weniger Arbeit gegeben habe.
Er führte weiter aus, dass die Fluglinie **X** dasselbe Modell wie **A** habe, alle Dienstnehmer von **X** somit in Malta beschäftigt seien. Er wisse, dass den Beschäftigten von **X** im Rahmen der Lohnverrechnung lediglich Sozialversicherung in Abzug gebracht werde, jedoch würde seines Wissens nach überhaupt keine Lohnsteuer in Abzug gebracht. **X** berufe sich direkt auf die Regelungen im Doppelbesteuerungsabkommen.
Mit Schreiben vom wurden die zuvor gestellten Anträge auf mündliche Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurückgezogen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
1. Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war im beschwerdegegenständlichen Jahr 2022 wohnhaft (Hauptwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen) in Österreich und war als angestellter Pilot für **A** tätig. Die Tätigkeit als Pilot führte er an Bord von Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr aus.
**A** war und ist eine Fluggesellschaft mit Sitz in ***, Malta, mit registrierter Adresse in ***, Malta. Auch der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befand und befindet sich in Malta.
2. Beweiswürdigung
Die obig getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig bzw können sie öffentlichen Registern entnommen werden und als unstrittig beurteilt werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Zu Spruchpunkt I. (Beschwerdestattgabe)
Der Beschwerdeführer verfügte gemäß § 26 der Bundesabgabenordnung (BAO) über einen Wohnsitz in Österreich und ist damit gemäß § 1 Abs 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG) unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich demnach auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
Als angestellter Pilot erzielt er gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
DBA Recht
Unstrittig ist der Beschwerdeführer DBA-rechtlich in Österreich ansässig.
Art 15 des persönlich und sachlich anwendbaren Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Malta zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (StF BGBl 294/1979 idF BGBl III 93/2018; in der Folge DBA Malta) regelt die Verteilung im Fall von unselbständiger Arbeit. Art 15 DBA Malta lautet auszugsweise:
"Artikel 15
Unselbständige Arbeit
(1) Vorbehaltlich der Artikel 16, 18, 19 und 20 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.
(2) […]
(3) Ungeachtet der Absätze 1 und 2 dürfen Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffs oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet."
Der Methodenartikel Art 23 DBA Malta sieht zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auszugsweise wie folgt vor:
"Artikel 23
Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
(1) Bezieht eine in einem Vertragstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und können diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen nur in dem anderen Vertragstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat, vorbehaltlich des Absatzes 2, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; dieser Staat kann aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.
(2) Bezieht eine in einem Vertragstaat ansässige Person Einkünfte, die nach den Absätzen 2 der Artikel 10, 11 und 12 in dem anderen Vertragstaat besteuert werden können, so rechnet der erstgenannte Staat auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in dem anderen Vertragstaat gezahlten Steuer entspricht. In Österreich darf der anzurechnende Betrag jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die Einkünfte entfällt, die aus Malta bezogen werden.
In Malta darf die Anrechnung unter Beachtung der maltesischen Vorschriften über die Anrechnung ausländischer Steuern auf die maltesische Steuer erfolgen.
[…]"
Nach den Ausführungen am Ende des DBA existieren zwei Urschriften, eine in deutscher und eine in englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Beide Fassungen wurden im BGBl kundgemacht.
Die englischsprachige Fassung von Art 23 Abs 1 DAB Malta lautet wörtlich:
"Article 23
Elimination of Double Taxation
1. Where a resident of a Contracting State derives income or owns capital which may be taxed in the other Contracting State in accordance with the provisions of this Convention, the first-mentioned State shall, subject to the provisions of paragraph 2 hereof, exempt such income or capital from tax but may, in calculating tax on the other income or capital of that person, apply the tax which would have been applicable if the exempted income or capital had not been so exempted."
Es zeigt sich eine signifikante Abweichung zwischen den beiden sprachlichen Versionen: Der deutschsprachige Text sieht eine Freistellung dann vor, wenn die Einkünfte "nur" in dem anderen Vertragsstaat (Quellenstaat) besteuert werden können. Der englischsprachige Text setzt für die Freistellung (lediglich) voraus, dass der Quellenstaat nach dem Abkommen besteuern darf. Das Wort "nur" bzw "only" findet sich in der englischsprachigen Version nicht.
EAS Rechtsauskunft
Zur beschwerdegegenständlich relevanten Frage der Besteuerung von in Österreich ansässigem Flugpersonal im Zusammenhang mit dem DBA Malta erließ das BMF die Rechtsauskunft EAS 3448 vom , 2023-0.825.422, gültig ab . Diese lautet:
"Besteuerung von in Österreich ansässigem Flugpersonal nach dem DBA-Malta
Gehört eine Person, die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und auch iSd DBA-Malta ansässig ist, dem Flugpersonal einer Fluggesellschaft an, deren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung sich in Malta befindet, stellt sich die Frage, ob deren Gehälter im Ansässigkeitsstaat Österreich besteuert werden dürfen.
Gemäß Art. 15 Abs. 3 DBA-Malta dürfen, ungeachtet der Absätze 1 und 2 des Art. 15 DBA-Malta, Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffs oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Die Bestimmung erlaubt somit die Besteuerung in jenem Staat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Fluggesellschaft befindet (Malta), allerdings nicht in ausschließlicher Weise, wie dies bei Verwendung des Wortes "nur" der Fall wäre. Art. 15 Abs. 3 DBA-Malta schränkt daher den Besteuerungsanspruch des Ansässigkeitsstaates des Flugpersonals (Österreich) nicht ein und Einkünfte dieser Art können auch im Ansässigkeitsstaat des Flugpersonals (Österreich) besteuert werden.
Art. 23 Abs. 1 DBA-Malta sieht als Grundnorm zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anwendung der Befreiungsmethode vor, bezieht sich jedoch explizit nur auf jene Fälle, in denen die Verteilungsnormen des DBA-Malta Österreich (als Ansässigkeitsstaat) das Besteuerungsrecht entzieht. Dies ist durch das Wort "nur" in Art. 23 Abs. 1 DBA-Malta zum Ausdruck gebracht. Somit findet Art. 23 Abs. 1 in Bezug auf die von Art. 15 Abs. 3 DBA-Malta erfassten Einkünfte keine Anwendung. Die in Art. 23 Abs. 2 DBA-Malta vorgesehene Anrechnungsmethode findet ebenso wenig Anwendung, da ein Verweis auf Art. 15 Abs. 3 DBA-Malta in der Auflistung der im Quellenstaat steuerpflichtigen Einkünfte fehlt.
Im Ergebnis wird dem Wortlaut des Abkommens nach das Besteuerungsrecht Österreichs weder auf Ebene der Verteilungsnormen (Art. 15 Abs. 3 iVm Art. 15 Abs. 1 DBA-Malta) noch auf Ebene des Methodenartikels (Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 iVm Art. 15 Abs. 3 DBA-Malta) eingeschränkt.
Im Wege einer teleologischen Auslegung des Art. 23 DBA-Malta kann jedoch die Anrechnungsmethode auch für Einkünfte iSd Art. 15 Abs. 3 DBA-Malta angewendet werden, um damit dem Ziel und Zweck des Abkommens gerecht zu werden. Dieses Ergebnis wird auch auf die durch das MLI abgeänderte Präambel des DBA-Malta gestützt, die als Ziel dieses Abkommens explizit nicht nur die Beseitigung der Doppelbesteuerung, sondern auch die Notwendigkeit der Vermeidung der Nicht- oder Niedrigbesteuerung vorsieht. Dementsprechend ist der auszulegenden DBA-Bestimmung unter mehreren möglichen Interpretationen derjenige Sinn beizumessen, welcher ihre effektive Anwendung gewährleistet und nicht zu einem Ergebnis führt, das dem Ziel und Zweck der eingegangenen Verpflichtungen widerspricht. Sind zwei Auslegungsvarianten des Doppelbesteuerungsabkommens möglich, so ist jener der Vorzug zu geben, die den Eintritt von Doppelbesteuerung oder ungerechtfertigter Doppelnichtbesteuerung beseitigt.
Darüber hinaus kann die Anwendung der in Art. 2 Abs. 5 DBA-Malta vorgesehenen "Remittance-base-Klausel" nicht ausgeschlossen werden, wobei es sich hier aus Sicht des BMF um eine Sachverhaltsfrage handelt, die im Einzelfall der Beurteilung des zuständigen Finanzamts obliegt.
Bundesministerium für Finanzen, "
Nach der zitierten EAS-Auskunft schränke Art 15 Abs 3 DBA Malta den Besteuerungsanspruch des Ansässigkeitsstaates des Flugpersonals (Österreich) nicht ein und könnten Einkünfte dieser Art auch im Ansässigkeitsstaat des Flugpersonals (Österreich) besteuert werden. Die Befreiungsmethode nach Art 23 Abs 1 DBA Malta komme jedoch dabei nicht zur Anwendung, was durch das Wort "nur" in Art 23 Abs 1 DBA Malta zum Ausdruck gebracht werde. Ebenso wenig komme mangels Verweis auf Art 15 Abs 3 DBA Malta die Anrechnungsmethode des Art 23 Abs 2 DBA Malta zur Anwendung. Das Besteuerungsrecht würde somit weder auf Ebene der Verteilungsnormen noch auf Ebene des Methodenartikels eingeschränkt. Über eine teleologische Auslegung könne jedoch die Anrechnungsmethode auch für Einkünfte iSd Art 15 Abs 3 DBA Malta angewendet werden, was auch durch die durch das MLI abgeänderte Präambel des DBA-Malta gestützt werden könne, die als Ziel des Abkommens auch die Vermeidung der Nicht- oder Niedrigbesteuerung vorsehe.
Rechtsauffassung der belangten Behörde
Die belangte Behörde folgte der unter EAS 3448 dargelegten Rechtsauffassung und unterwarf die am Jahreslohnzettel für 2022 ausgewiesenen Bezüge aus dem gegenständlichen Dienstverhältnis der Einkommensteuer - bzw lehnte es die Erstattung der in Abzug gebrachten Lohnsteuer ab.
Zur Unterstützung des eigenen Standpunkts legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht eine undatierte Stellungnahme des BMF zur betreffenden Thematik vor. Darin findet sich unter anderem ausgeführt, dass das Ziel und der Zweck eines DBA darin lägen, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden und nicht eine (ungerechtfertigte) Doppelnichtbesteuerung herbeizuführen (). Art 31 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK) weise damit auf die teleologische Auslegung hin. Art 33 Abs 1 WVK normiere zudem, dass jede sprachliche Fassung in gleicher Weise verbindlich sei, sofern die Vertragsstaaten nichts anderes vereinbart haben. Betreffend das DBA Malta komme der englischen Fassung kein Vorrang vor der deutschen Fassung zu.
Aufgrund des Fehlens des Wortes "nur" weise Art 15 Abs 3 DBA Malta kein ausschließliches Besteuerungsrecht jenem Staat zu, in dem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens liegt. Es sei daher der Besteuerungsanspruch des Ansässigkeitsstaates des Flugpersonals (Österreich) weiterhin gegeben. Im Ergebnis dürften gemäß Art 15 Abs 3 DBA Malta Gehälter von in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigem und auch ansässigem Flugpersonal einer Fluggesellschaft, deren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung sich in Malta befindet, ebenfalls in Österreich besteuert werden, weil das Besteuerungsrecht Österreichs als Ansässigkeitsstaat des Flugpersonals in Bezug auf dessen Gehälter durch das DBA Malta nicht eingeschränkt werde.
Art 23 Abs 1 DBA Malta finde in Bezug auf die von Art 15 Abs 3 DBA Malta erfassten Einkünfte keine Anwendung. Die in Art 23 Abs 2 DBA-Malta vorgesehene Anrechnungsmethode finde aufgrund des Fehlens eines Verweises ebenso wenig Anwendung. Somit werde dem Wortlaut des Abkommens nach das Besteuerungsrecht Österreichs weder auf Ebene der Verteilungsnormen noch auf Ebene des Methodenartikels eingeschränkt.
Kritik in der Literatur
Die unter EAS 3448 dargelegte Rechtsansicht des BMF wurde im Schrifttum kritisch diskutiert:
Etwa weist Lang (DBA Malta: Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode auf Grundlage einer EAS-Rechtsauskunft des BMF? SWI 2024, 10) auf die Konsequenzen der vom BMF vertretenen Rechtsauffassung hin, die weit über Art 15 Abs 3 DBA Malta hinausgingen: Die Konsequenzen würden auch in allen anderen Fällen, in denen der Quellenstaat abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht hat, ohne dass es ihm aber in der jeweiligen Verteilungsnorm ausschließlich eingeräumt wurde, zum Tragen kommen. Es wäre daher immer dann, wenn der Quellenstaat zwar besteuern darf, aber eben nicht "nur" der Quellenstaat besteuern darf, die Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode zu beseitigen. Dies könnte etwa der Fall bei Einkünften aus unbeweglichem Vermögen, bei Unternehmensgewinnen, bei der Veräußerung aus unbeweglichem Vermögen, bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit, etc, sein (vgl Lang, SWI 2024, 10 mwN).
Fälle, in denen die Freistellungsmethode zur Anwendung kommen würde, gäbe es bei dieser Rechtsauslegung nur mehr wenige: Etwa bei Gewinnen aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr, etc. Die Freistellungsmethode würde derart zur bloßen Ausnahme.
Es wäre nicht bloß der Anwendungsbereich, sondern auch die normative Bedeutung des Art 23 Abs 1 DBA Malta auf Grundlage dieser Auffassung äußerst gering. In den angeführten Fällen räume bereits die Verteilungsnorm "nur" dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht ein, womit es das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates ausschließe. Die nochmalige Anordnung in Art 23 Abs 1 DBA Malta erweise sich damit als überflüssig.
Schließlich sei auch die bisher von der österreichischen Finanzverwaltung vertretene Auffassung eine andere gewesen, als die nunmehr in EAS 3448 dargelegte (vgl Lang, aaO mit beispielhaftem Verweis auf EAS 1956 und mwN). Weiter unterstützend führt Lang die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum DBA Malta (ErlRV 1045 BlgNR 14. GP, 22) ins Treffen, insbesondere den in Zusammenhang mit Art 23 DBA Malta stehenden Satz "Beide Staaten wenden im Allgemeinen die Befreiungsmethode unter Progressionsvorbehalt an." (ErlRV 1045 BlgNR 14. GP, 24). Daneben verweist er noch auf den Bericht des Finanz- und Budgetausschusses des Nationalrats (AB 1131 BlgNR 14. GP, 1) und auf die Erläuterung durch die Berichterstatterin BR Kubanek anlässlich der Beschlussfassung im Bundesrat am , wonach durch das vorliegende Abkommen die Doppelbesteuerung grundsätzlich nach der sogenannten Befreiungsmethode beseitigt werden solle.
Insgesamt überrasche es, so Lang, dass das BMF in der EAS-Rechtsauskunft 3448 von einer bisher vom BMF seit 1979 und auch von der Bundesregierung und dem zuständigen Ausschuss des Nationalrats bei der parlamentarischen Genehmigung des DBA Malta vertretenen Auffassung abgehe, ohne auf diese Meinungsänderung auch nur hinzuweisen.
Zumal schließlich neben dem deutschsprachigen DBA-Text auch der englischsprachige authentisch sei, genüge es nicht, das DBA alleine anhand des deutschsprachigen Textes auszulegen, vielmehr sei die englischsprachige Version in gleicher Weise heranzuziehen. Wie bereits oben ausgeführt, unterscheiden sich die beiden Versionen, weil sich nur im deutschsprachigen Text in Art 23 Abs 1 DBA Malta ein "nur" findet. Es liege somit ein Widerspruch zwischen den beiden in gleicher Weise authentischen Texten des Art 23 Abs 1 DBA Malta vor.
In der völkerrechtlichen Rechtsprechung fänden sich Hinweise, die bei zwei oder mehreren authentischen Vertragssprachen der Fassung größere Bedeutung beimessen, in deren Sprache der Text verhandelt wurde, somit vermutlich der englischen Version (vgl Lang, aaO mwN).
Doch selbst wenn man diese Überlegungen verwerfe, lägen andere gute Gründe vor, jener Interpretation des Art 23 Abs 1 DBA Malta zu folgen, die aus seiner englischsprachigen Fassung hervorleuchte: Eben, wie oben ausgeführt, dass zumindest der erste Satzteil des Art 23 Abs 1 DBA Malta völlig überflüssig wäre und die aus dem deutschsprachigen Text gewonnene Interpretation zu dem irritierenden Ergebnis führen würde, dass nur die - seltenen - Einkünfte, die nach den Verteilungsnormen "nur" im Quellenstaat besteuert werden können, vom Text erfasst wären.
Dafür, dass die EAS-Rechtsauskunft 3448 im Sinne einer "teleologischen Interpretation" die Anwendung der Anrechnungsmethode für geboten halte, gebe es nach Lang keine Begründung; der klare Wortlaut des Art 23 Abs 2 DBA Malta beschränke diese Methode klar auf Art 10, 11 und 12 des DBA.
Der Blick auf die englischsprachige Fassung des DBA löse nach Lang all diese Probleme: Nach diesem Text des Art 23 Abs 1 DBA Malta seien alle Einkünfte, für die der andere Vertragsstaat nach einer Verteilungsnorm das Besteuerungsrecht hat, im Ansässigkeitsstaat von der Besteuerung freizustellen. Die einzige Ausnahme sei Art 23 Abs 2 DBA Malta, mit dem die wenigen Fälle beschrieben würden, für die ausnahmsweise die Anrechnungsmethode maßgeblich ist.
Letztlich nimmt Lang noch zu der durch das Multilaterale Instrument zur Anpassung von Doppelbesteuerungsabkommen (MLI) in das DBA Malta eingeführten Präambel bzw zur diesbezüglichen in die EAS 3448 eingegangenen Begründung Stellung und kommt zum Ergebnis, dass unter Berufung auf die Präambel eine allfällige niedrige Besteuerung für Einkünfte nach Art 15 Abs 3 DBA Malta im Quellenstaat keineswegs dazu führen könne, dass Art 23 Abs 1 DBA Malta seinen Anwendungsbereich verliere (vgl Lang, aaO mwN).
Lang gelangt damit zur zusammenfassenden Würdigung, dass es sich bei der Einfügung des Wortes "nur" in die deutschsprachige Fassung des Art 23 Abs 1 DBA Malta um ein Redaktionsversehen handle: "Die DBA-Verhandlungen wurden vermutlich in englischer Sprache geführt, und bei der Kontrolle der Übersetzung der englischen in die deutsche Fassung wurde offenbar übersehen, dass sich in die deutschsprachige Fassung irrtümlich das Wort "nur" eingeschlichen hat."
Auch Bendlinger/Rosenberger sprechen davon, dass das BMF in der Auskunft EAS 3448 zu einem "überraschenden Ergebnis" gekommen sei. Die beiden Autoren gehen ebenfalls davon aus, dass es sich bei der Einfügung des Wortes "nur" in die deutsche Sprachfassung des Art 23 Abs 1 DBA Malta um ein Redaktionsversehen gehandelt haben dürfte, weil auch davon ausgegangen werden müsse, dass die Verhandlungen mit dem maltesischen Vertragspartner in Englisch geführt worden seien, weshalb gute Gründe dafürsprächen, dem englischsprachigen Text Vorrang zu geben. Im Zweifel (wenn, wie im gegenständlichen Fall, beide Sprachfassungen einen unterschiedlichen Wortlaut haben) werde wohl tatsächlich der (mutmaßlichen) Verhandlungssprache Englisch Vorrang einzuräumen sein, wenn man Sinn und Zweck des Staatsvertrags ergründen möchte (vgl Bendlinger/Rosenberger, Update aus dem internationalen Steuerrecht, SWK 7/2024, 383).
Weiter befasste sich Waser (Besteuerung von in Österreich ansässigem Flugpersonal nach dem DBA Malta, PV-Info 2/2024, 22) mit der EAS-Auskunft 3448 und gelangte gleichfalls zum Ergebnis, dass sowohl systematische Erwägungen als auch ein Blick auf die englische Sprachfassung dafür sprächen, dass sowohl für die Verteilungsnorm des Art 15 Abs 3 DBA Malta als auch für alle anderen, nicht explizit in Art 23 Abs 2 DBA Malta genannten, offenen Verteilungsnormen die Befreiungsmethode zur Anwendung gelangen müsse.
Angeführt werden kann schließlich noch der Beitrag von Kudert/Höppner/Steinhauser, "Nur" ein Wort - Überlegungen zum Methodenartikel im DBA-Malta, ÖStZ 2024/59, der ebenfalls ein der Rechtsauskunft 3448 widersprechendes Ergebnis nach sich zieht.
Ergebnis
Das Bundesfinanzgericht schließt sich den genannten Literaturstimmen an und geht ebenfalls von einem Redaktionsversehen hinsichtlich des Wortes "nur" im deutschsprachigen Text von Art 23 Abs 1 DBA Malta aus.
Dieses Redaktionsversehen lässt sich - wieder in Übereinstimmung mit Lang, SWI 2024, 10 - im Auslegungsweg derart beheben, dass dem englischsprachigen Text der Vorzug gegeben wird. Zumal die englischsprachige Fassung keine Entsprechung zu dem Wort "nur" enthält, hat nach Beurteilung durch das Bundesfinanzgericht der Ansässigkeitsstaat (somit Österreich) in der vorliegenden Konstellation, in der der Quellenstaat (Malta) das Besteuerungsrecht hat, nach Art 23 Abs 1 DBA Malta die Einkünfte freizustellen.
Damit war die vorliegende Beschwerde vom Bundesfinanzgericht stattgebend zu erledigen. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2022 war gemäß § 279 der Bundesabgabenordnung (BAO) derart abzuändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, der Gesamtbetrag der Einkünfte das Einkommen und derart auch die Einkommensteuer EUR 0,00 betragen.
Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zumal sich der Verwaltungsgerichtshof - soweit ersichtlich - noch nicht der diesbezüglichen Auslegung von Art 15 Abs 3 und Art 23 Abs 1 DBA Malta widmete, lag eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) vor. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof war somit zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 15 Abs. 3 DBA M (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Malta (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 294/1979 Art. 23 DBA M (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Malta (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 294/1979 Art. 23 Abs. 1 DBA M (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Malta (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 294/1979 Art. 15 DBA M (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Malta (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 294/1979 § 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, BGBl. III Nr. 93/2018 § 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | EAS 3448 |
Anmerkung | Abweichend BMF-Rechtsauskunft EAS 3448 vom |
Zitiert/besprochen in | Ehgartner/Knechtl in Weiss de Resende/Beer/Pregesbauer in SWI 2024, 469 Ehgartner in BFGjournal 2024, 307 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102502.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at