Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKB-S)
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1968/2024 anhängig.
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/7100407/2024-RS1 | wie RV/7100706/2024-RS2 Das Bundesfinanzgericht hegt keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität des EKBSG, die zu einem Aufhebungsantrag gemäß Art 89 Abs 2 B-VG Anlass geben würden. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH, Teinfaltstraße 8 Tür 5.01, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom betreffend bescheidmäßige Festsetzung des Energiekrisenbeitrages-Strom (EKB-S) für den Zeitraum Dezember 2022 bis Juni 2023, Steuernummer ***BFStNr***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Anbringen vom beantragte die Beschwerdeführerin gem. § 201 Abs. 3 Z. 1 BAO die bescheidmäßige Festsetzung des Energiekrisenbeitrages-Strom (EKB-S) nach dem Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl I Nr. 220/2022 (EKBSG). Sie brachte vor, dass sie im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insbesondere Windenergie, tätig ist und aufgrund dieser Geschäftstätigkeit gem. § 6 Abs. 2 EKBSG verpflichtet war, den EKB-S für den Zeitraum bis selbst zu berechnen und bis an die belangte Behörde zu entrichten. Demgemäß habe sie den EKB-S für den genannten Zeitraum mit € 8.684.554,53 selbst bemessen und am bezahlt. Sie erachtet jedoch den EKB-S aus verschiedenen Gründen (die in der Beschwerde nochmals und ausführlicher dargestellt werden; s. unten) als verfassungswidrig, sodass sie beantragte, den EKB-S für den Zeitraum bis mit € 0,00 festzusetzen, in eventu ihn auch für Überschusserlöse, die nach dem erzielt wurden, auf Grundlage der für den Zeitraum Dezember 2022 bis Mai 2023 geltenden Obergrenze von € 140,00 je MWh Strom festzusetzen, sowie das sich aus der Festsetzung ergebende Guthaben inklusive gesetzlicher Zinsen rückzuerstatten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag ab. Sie ging davon aus, dass die bekannt gegebene Selbstberechnung der Beschwerdeführerin richtig ist, sodass die Voraussetzungen des § 201 BAO nicht vorliegen.
Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom . Darin führt die Beschwerdeführerin aus, dass die Europäische Union im Oktober 2022 im Zuge der gestiegenen Energiepreise nach der russischen Invasion in der Ukraine die EU-Notfallmaßnahmen-VO (EU-VO 2022/1854) beschlossen habe, deren Ziel es gewesen sei, für sinkende Strompreise zu sorgen und einen "Solidaritätsbeitrag" für den fossilen Sektor einzuführen. Diese Verordnung sei im Hinblick auf die den Mitgliedstaaten eingeräumten Spielräume bei der Umsetzung nicht unmittelbar anwendbar. In Umsetzung der Verordnung habe der österreichische Gesetzgeber das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG) und das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKBFG), beide BGBl. I Nr. 220/2022, beschlossen. Das EKBSG erachtet die Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen für unionsrechts- und verfassungswidrig:
- Art. 6 Abs. 1 EO-Notfallmaßnahmen-VO sehe vor, dass Markterlöse, die Erzeuger für die Veräußerung von Strom aus den in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung genannten Quellen erzielen, auf höchstens € 180,00 / MWh begrenzt werden. Das EKBSG ziehe diese Grenze bei € 140,00 (für den Zeitraum Dezember 2022 bis Mai 2023) bzw. bei € 120,00 (für den Zeitraum ab Juni 2023). Maßnahmen der Mitgliedstaaten, welche die Markterlöse der Stromerzeuger weiter begrenzen seien nach Art. 8 Abs. 1 und 2 EU-Notfallmaßnahmen-Verordnung jedoch nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sie verhältnismäßig und ohne Diskriminierung erfolgen, keine negativen Auswirkungen auf Investitionssignale haben, sicherstellen, dass die Investitions- und Betriebskosten gedeckt sind, keine Marktverzerrungen verursachen und mit den Vorgaben des Unionrechts vereinbar sind. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Zudem berühre die österreichische Regelung unzulässigerweise die Tragweite der Verordnung selbst.
- Gem. § 3 Abs. 6 EKBSG stelle der EKB-S eine abzugsfähige Betriebsausgabe dar; dies finde ebenfalls keine Deckung in der EU-Notfallmaßnahmen-VO.
- Die Obergrenze nach der EU-Notfallmaßnahmen-VO stelle eine regulatorische Maßnahme im Sinne einer Preisfestsetzung dar und berechtige den nationalen Gesetzgeber nicht, eine steuerliche Regelung zu treffen und den EKB-S als Abgabe vorzusehen.
- Art. 10 Abs. 1 der EU-Notfallmaßnahmen-VO sehe vor, dass alle Überschusserlöse, die sich aus der Anwendung der Obergrenze für die Markterlöse ergeben, gezielt zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden müssen, mit denen Stromendkunden unterstützt werden, um die Auswirkungen der hohen Strompreise auf diese Kunden abzumildern. Im EKBSG finde sich keine derartige Bestimmung. Stattdessen werde der EKB-S zur ausschließlichen Bundesabgabe erklärt (§ 1 Abs. 2 EKBSG).
- Der Geltungszeitraum der EU-Notfallmaßnahmen-VO habe am geendet. Seit diesem Zeitpunkt sei der (bis gültige) EKB-S nicht mehr durch die EU-Notfallmaßnahmen-VO gedeckt.
- Selbst wenn man annehmen wollte, dass das EKBSG durch die EU-Notfallmaßnahmen-VO gedeckt ist bzw. diese Verordnung unmittelbar anwendbar ist, stehe sie im Widerspruch zu Art. 21 GRC (Recht auf Nichtdiskriminierung) und Art. 17 GRC (Eigentumsfreiheit) und verstoße damit gegen Primärrecht der Europäischen Union. Die in der GRC normierten Grundrechte seien verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleichzuhalten.
- Der EKB-S verstoße gegen das vom Verfassungsgerichtshof für das Abgabenrecht anhand des Gleichheitssatzes entwickelte "objektive Nettoprinzip": Nach der dem Einkommensteuerrecht zugrundeliegenden Konzeption soll diese Steuer den periodisch erzielten Zuwachs an persönlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, ausgedrückt im Wesentlichen durch das am Markt erzielbare (freie) Einkommen erfassen. Dieses Konzept gebiete es grundsätzlich, die zur Erzielung des Einkommens aufgewendeten Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Gegen dieses Prinzip verstoße der österreichische Gesetzgeber, indem er hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für den EKB-S ohne sachliche Rechtfertigung nicht auf den Gewinn, sondern auf die realisierten Erträge abstellt. Zudem sei die Obergrenze für Markterlöse mit € 140,00 (bis Mai 2023) bzw. € 120,00 (ab Juni 2023) willkürlich gewählt.
- Anders als der EKB-S stelle der gleichzeitig eingeführte Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKB-F) nicht auf den erzielten Erlös ab, sondern auf die erzielten Übergewinne. Diese Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und fossilen Energieträgern trotz vergleichbarer Tatbestände (Besteuerung von "Zufallsgewinnen" im Energiesektor) entbehre einer sachlichen Rechtfertigung und verstoße gegen den Gleichheitssatz.
- Für Fernwärmeversorger sei überhaupt keine Übergewinnsteuer vorgesehen, obwohl auch diese in der Energieversorgung und damit im selben Sektor wie Stromerzeuger tätig sind. Auch hierfür fehle eine sachliche Rechtfertigung, sodass diese Ungleichbehandlung verfassungswidrig sei.
- Dasselbe gelte für Stromhändler. Dem EKB-S unterliegen nur Stromerzeuger. Für Stromhändler, die ebenfalls von den gestiegenen Strompreisen profitieren, sei ohne sachliche Rechtfertigung und damit verfassungswidriger Weise keine vergleichbare Regelung vorgesehen.
- Der EKB-S verstoße gegen das aus dem Gleichheitssatz abgeleitete "allgemeine Sachlichkeitsgebot", wonach jede gesetzliche Regelung auf einem vernünftigen Grund beruhen muss und nicht unverhältnismäßig sein darf. Der EKB-S habe das Ziel, die Strompreise für Verbraucher zu senken. Tatsächlich sei er zur Erreichung dieses Zieles ungeeignet, da die Stromhändler, die Strom an Verbraucher verkaufen, vom EKB-S ausgenommen seien und den Strom auch dann, wenn sie ihn günstig einkaufen, teuer weiterverkaufen können.
- Das EKBSG sei am im Bundesgesetzblatt publiziert worden und am , sohin rückwirkend in Kraft getreten. Hierbei handle es sich um eine verfassungsrechtlich verpönte "echte" Rückwirkung, da (auch) Tatbestände, die sich vor der Kundmachung verwirklicht haben, nämlich die Generierung von Überschusserlösen im Zeitraum bis , erfasst sind. Dadurch werde ohne rechtfertigende Gründe das Vertrauen auf die kundgemachte Rechtslage verletzt.
- Letztlich verstoße der EKB-S auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, da er weder sachlich gerechtfertigt sei noch im öffentlichen Interesse liege und zudem aufgrund seiner Höhe (90 % der Überschusserlöse) konfiskatorischen Charakter habe und die Vermögensverhältnisse der Betroffenen grundlegend, also in ihrem Stamm beeinträchtige.
Die Beschwerdeführerin beantragte daher, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der EKB-S mit € 0,00 festgesetzt wird, und regte an, einen Antrag auf Aufhebung der präjudiziellen Bestimmungen des EKBSG an den Verfassungsgerichtshof zu richten. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass mit der gegenständlichen Bescheidbeschwerde lediglich die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen geltend gemacht werde und daher gemäß § 262 Abs. 3 BAO eine Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben habe. Zusätzlich stellte sie auch einen Antrag auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO. Die belangte Behörde legte die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung innerhalb der in § 262 Abs. 2 lit. b BAO vorgesehenen dreimonatigen Frist dem Bundesfinanzgericht vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin erzeugt und veräußert Strom aus erneuerbaren Energien, insbesondere Windenergie. Im Zeitraum Dezember 2022 bis Juni 2023 veräußerte sie die nachstehend angeführten Mengen an Strom und erzielte hierdurch die jeweils angeführten Erlöse bzw. Überschusserlöse i.S.d. § 3 EKBSG:
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Monat | 12/2022 | 01/2022 | 02/2022 | 03/2022 |
Markterlöse je MWh in € | 514,50 | 268,63 | 268,63 | 268,63 |
Obergrenze gem. § 3 Abs. 2 EKBSG in € | 140,00 | 140,00 | 140,00 | 140,00 |
Überschusserlös je MWh in € | 374,50 | 128,63 | 128,63 | 128,63 |
veräußerte Menge in MWh | 17.389,72 | 18.927,38 | 17.077,70 | 19.141,42 |
Überschusserlös pro Monat in € | 6.512.541,53 | 2.434.629,35 | 2.196.704,01 | 2.462.161,05 |
Monat | 04/2023 | 05/2023 | 06/2023 | |
Markterlöse je MWh in € | 144,57 | 144,57 | 144,57 | |
Obergrenze gem. § 3 Abs. 2 EKBSG in € | 140,00 | 140,00 | 120,00 | |
Überschusserlös je MWh in € | 4,57 | 4,57 | 24,57 | |
veräußerte Menge in MWh | 13.322,34 | 13.023,40 | 7.878,33 | |
Überschusserlös pro Monat in € | 60.883,08 | 59.516,93 | 193.570,49 |
Insgesamt veräußerte sie daher 106.760,28 MWh Strom und erzielte dadurch Überschusserlöse i.H.v. € 13.919.916,43. Die Beschwerdeführerin und mit ihr verbundenen Unternehmen, die selbst nicht Beitragsschuldner i.S.d. § 5 EKBSG sind, haben in den Jahren 2022 und 2023 begünstigte Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz i.S.d. § 4 Abs. 1 EKBSG im Ausmaß von zumindest € 7.686.740,51 vorgenommen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstrittig. Die Mengen an veräußerter Energie, die dadurch erzielten (Überschuss-) Erlöse sowie das Ausmaß der begünstigten Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz wurden von der Beschwerdeführerin in ihrer Selbstberechnung des EKB-S angegeben und von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen. Auch für das Gericht besteht kein Grund zur Annahme, dass die Angaben der Beschwerdeführerin unzutreffend sein könnten.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
A. Unionsrechtliche Grundlage
Um die Auswirkungen der infolge des Ukraine-Krieges massiv gestiegenen Energiepreise abzumildern erließ die Europäische Union die Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates vom 6. Oktober 2022 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise, ABl. Nr. L 261 I vom 7.10.2022, S. 1 (EU-NotfallmaßnahmenVO). Demnach sollten gezielte und zeitlich begrenzte Maßnahmen gesetzt werden, deren Ziel u.a. darin bestand, eine Obergrenze für die mit der Stromerzeugung erzielten Markterlöse bestimmter Erzeuger einzuführen und diese Erlöse gezielt an Stromendkunden weiterzuverteilen, sowie Vorschriften für einen befristeten obligatorischen Solidaritätsbeitrag von im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen und Betriebsstätten einzuführen (Art. 1. EU-NotfallmaßnahmenVO).
Demgemäß wurde die Obergrenze für Markterlöse, die Erzeuger für die Stromerzeugung aus bestimmten Quellen, darunter auch Windenergie (Art. 7 Abs. 1 lit. a EU-NotfallmaßnahmenVO), erzielen, auf höchstens € 180,00 je MWh erzeugter Elektrizität begrenzt (Art. 6 Abs. 1 EU-NotfallmaßnahmenVO). Darüber hinaus können die Mitgliedsstaaten Maßnahmen aufrechterhalten oder einführen, durch die diese Markterlöse weiter begrenzt werden (Art. 8 Abs. 1 lit. a EU-NotfallmaßnahmenVO), wobei diese Maßnahmen verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sein müssen, Investitionssignale nicht gefährden dürfen, sicherstellen müssen, dass die Investitions- und Betriebskosten gedeckt sind, das Funktionieren der Stromgroßhandelsmärkte nicht verzerren dürfen und mit den Unionsrecht vereinbar sein müssen. Unter "Markterlösen" sind hierbei die realisierten Erträge, die ein Erzeuger für den Verkauf und die Lieferung von Strom in der Union erhält, zu verstehen (Art. 2 Z. 5 EU-NotfallmaßnahmenVO). Ergibt sich eine positive Differenz zwischen den Markterlösen und der Obergrenze für Markterlöse, wird diese als "Überschusserlös" bezeichnet (Art. 2 Z. 9 EU-NotfallmaßnahmenVO). Die Mitgliedsstaaten haben sicherzustellen, dass alle Überschusserlöse gezielt zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden, mit denen Stromendkunden unterstützt werden, um die Auswirkungen der hohen Strompreise auf diese Kunden abzumildern, wobei diese Maßnahmen eindeutig festgelegt, transparent, verhältnismäßig, diskriminierungsfrei und überprüfbar sein müssen und der Verpflichtung zur Senkung des Bruttostromverbrauchs nicht entgegenwirken dürfen (Art. 10 Abs. 1 und 2 EU-NotfallmaßnahmenVO). Als Beispiel für derartige Maßnahmen werden u.a. direkte Überweisungen an Stromendkunden und die Senkung der Strombezugskosten für Stromendkunden angeführt (Art. 10 Abs. 4 lit. b und d EU-NotfallmaßnahmenVO).
Der von im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen zu leistende befristete obligatorische Solidaritätsbeitrag beträgt mindestens 33 % der steuerpflichtigen Gewinne, die nach den nationalen Steuervorschriften im Haushaltsjahr 2022 und/oder im Haushaltsjahr 2023 und während der gesamten Dauer des betreffenden Haushaltsjahres ermittelt wurden und mehr als 20 % über dem Durchschnitt der steuerpflichtigen Gewinne liegen, die gemäß den nationalen Steuervorschriften in den vier am oder nach dem beginnenden Haushaltsjahren ermittelt wurden (Art. 15 und Art. 16 Abs. 1 EU-NotfallmaßnahmenVO). Auch der befristete Solidaritätsbeitrag ist von den Mitgliedstaaten für Maßnahmen zur Abmilderung der hohen Energiepreise zu verwenden, wobei auch diese Maßnahmen eindeutig festgelegt, transparent, verhältnismäßig, diskriminierungsfrei und überprüfbar sein müssen (Art. 17 EU-NotfallmaßnahmenVO).
Die EU-NotfallmaßnahmenVO trat am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (sohin am ) in Kraft und galt grundsätzlich bis zum , wobei die Art. 6, 7 und 8 lediglich vom bis zum galten (Art. 22 EU-NotfallmaßnahmenVO).
B. Österreichische Regelung
Zur Umsetzung dieser Verordnung erließ der österreichische Gesetzgeber das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG) und das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKBFG), beide BGBl I Nr. 220/2022.
Der Energiekrisenbeitrag-Strom (EKB-S) ist eine ausschließliche Bundesabgabe (§ 1 Abs. 2 EKBSG); ihm unterliegt die Veräußerung von im Inland erzeugtem Strom u.a. aus Windenergie durch den Stromerzeuger (§ 1 Abs. 3 EKBSG). Die Bemessungsgrundlage für den EKB-S ist die Summe der monatlichen Überschusserlöse aus der Veräußerung von Strom, die zwischen dem und dem erzielt wurde, wobei unter Überschusserlös eine positive Differenz zwischen den Markterlösen des Beitragsschuldners je MWh Strom und der Obergrenze für Markterlöse von € 140,00 (bis inkl. Mai 2023) bzw. € 120,00 (ab inkl. Juni 2023) je MWh Strom zu verstehen ist (§ 3 Abs. 1 und 2 Z. 1 und 3 EKBSG). Liegen die notwendigen direkten Investitions- und Betriebskosten der Energieerzeugung über der Obergrenze für Markterlöse, können diese Kosten zuzüglich eines Aufschlags von 20 % als Obergrenze für Markterlöse angesetzt werden (§ 3 Abs. 3 EKBSG). Der EKB-S beträgt 90 % Überschusserlöse und stellt eine abzugsfähige Betriebsausgabe dar (§ 3 Abs. 5 und 6 EKBSG). Vom EKB-S kann ein Absetzbetrag für begünstigte Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz abgezogen werden, sofern Anschaffungs- oder Herstellungskosten von begünstigten Investitionsgütern nach dem und vor dem anfallen. Hierbei können begünstigte Investitionen eines verbundenen Unternehmens, das selbst nicht Beitragsschuldner ist, dem Beitragsschuldner zugerechnet werden (§ 4 Abs. 1 EKBSG). Begünstigte Investitionen sind im Ausmaß von 50 % der tatsächlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten als Absetzbetrag zu berücksichtigen, wobei dieser Absetzbetrag höchstens € 36,00 je MWh Strom bezogen auf die den Markterlösen zugrundeliegende gelieferte Menge beträgt (§ 4 Abs. 2 EKBSG). Beitragsschuldner des EKB-S sind u.a. die Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom gemäß § 1 Abs. 3 mit einer installierten Kapazität von mehr als 1 MW (§ 5 Abs. 1 Z. 1 EKBSG). Der EKB-S für den Zeitraum bis wurde am fällig und war vom Beitragsschuldner selbst zu berechnen und an das für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständige Finanzamt zu entrichten (§ 5 Abs. 2 Z. 1 und § 6 EKBSG).
Der Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKB-F) beträgt 40 % jenes Betrages, um den der steuerpflichtige Gewinn des Erhebungszeitraumes (zweites Kalenderhalbjahr 2022 und Kalenderjahr 2023) um mehr als 20 % über dem Durchschnitt der steuerpflichtigen Gewinne des Vergleichszeitraums (Kalenderjahre 2018-2021) liegt (§ 1 Abs. 3, § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 EKBFG). Der EKB-F stellt eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe dar (§ 3 Abs. 2 EKBFG). Auch vom EKB-F kann ein Absetzbetrag für begünstigte Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz abgezogen werden (§ 4 EKBFG). Schuldner des EKB-F sind jene im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen, die im jeweiligen Erhebungszeitraum mindestens 75 % ihres Umsatzes aus den in Art. 2 Z. 14 EU-NotfallmaßnahmenVO genannten Wirtschaftstätigkeiten (Extraktion, Bergbau, Erdölraffination, Herstellung von Kokereierzeugnissen) erzielen, sofern sie im Inland ansässig sind und ihre Wirtschaftstätigkeit im Inland ausüben oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind und ihre Wirtschaftstätigkeit durch eine inländische Betriebsstätte ausüben (§ 5 Abs. 1 und 2 EKBFG).
C. Rechtliche Einwände der Beschwerdeführerin
Vorweg ist festzuhalten, dass es sich bei der EU-NotfallmaßnahmenVO um eine Verordnung i.S.d. Art 288 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) handelt. Sie ist daher ungeachtet dessen, dass sie den Mitgliedstaaten verschiedene Optionsmöglichkeiten einräumt bzw. teilweise "dispositive" Regelungen enthält, unmittelbar anwendbar (so auch Art. 22 Abs. 2 letzter Satz EU-NotfallmaßnahmenVO). Als unionsrechtliche Regelung genießt sie Anwendungsvorrang vor innerstaatlichem Recht, auch vor innerstaatlichem Verfassungsrecht ( C-3 99/11, Melloni, Rn. 59; , C-409/06, Winner Wetten, Rn. 61). Im Hinblick auf die den Mitgliedstaaten eingeräumten Optionen handelt es sich beim EKBSG auch nicht um eine (unzulässige) Kundmachung eines ohnedies unmittelbar anwendbaren Unionsrechtsaktes, sondern um die Ausübung eben dieser Optionen durch den nationalen Gesetzgeber (so auch die Gesetzesmaterialien, 3024/A XXVII. GP, S. 6: "Die - an sich unmittelbar anwendbare - Verordnung enthält unzählige Bestimmungen, die einen Regelungsbedarf durch die Mitgliedstaaten nach sich ziehen [z.B. Optionen, die einem Mitgliedstaat eingeräumt werden].").
Soweit die Beschwerdeführerin es als unzulässig geachtet, dass § 3 Abs. 2 EKBSG die Markterlöse für Stromerzeuger abweichend von der EU-NotfallmaßnahmenVO mit € 140,00 (für den Zeitraum Dezember 2022 bis Mai 2023) bzw. € 120,00 (für den Zeitraum ab Juni 2023) begrenzt, ist zunächst festzuhalten, dass nach den Regelungen des EKBSG in ihrer Gesamtheit nicht sämtliche Erlöse über diesen Beträgen abgeschöpft werden und daher die Obergrenze für Markterlöse tatsächlich höher ist als € 140,00 bzw. € 120,00. Zum einen sieht § 4 EKBSG einen Absetzbetrag für begünstigte Investitionen i.H.v. bis zu € 36,00 je MWh vor, wodurch sich die Obergrenze im Ergebnis um bis zu € 36,00 erhöht. Auch die Beschwerdeführerin hat diesen Absetzbetrag mit dem Maximalbetrag in Anspruch genommen. Zum anderen werden die Überschusserlöse nicht zur Gänze abgeschöpft, sondern lediglich zu 90 % (§ 3 Abs. 5 EKBSG), und stellt der EKB-S eine abzugsfähige Betriebsausgabe dar (§ 3 Abs. 6 EKBSG), wodurch sich die Belastung für den Beitragsschuldner weiter verringert. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass einem Beitragsschuldner sogar mehr als € 180,00 pro MWh von seinen Markterlösen verbleiben, wie etwa der Beschwerdeführerin im Dezember 2022: In diesem Monat lagen die Markterlöse bei € 514,50 pro MWh. Von diesem Betrag verblieben ihr € 140,00 (Obergrenze gemäß § 3 Abs. 2 EKBSG), der Absetzbetrag von € 36,00 und 10 % (der nicht abgeschöpfte Teil) des Überschusserlöses von € 374,50, sohin € 37,45 und damit in Summe € 213,45.
Gem. Art. 8 Abs. 1 der EU-NotfallmaßnahmenVO können die Mitgliedstaaten die Markterlöse der Stromerzeuger weiter begrenzen, wobei die in Art. 8 Abs. 2 der EU-NotfallmaßnahmenVO genannten Voraussetzungen zu beachten sind. Dass diese Voraussetzungen bei Erlassung der österreichischen Regelung, wonach die Markterlöse mit € 140,00 bzw. € 120,00 begrenzt werden, missachtet worden wären, legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Von dieser Maßnahme waren alle Beitragsschuldner betroffen; sie ist daher diskriminierungsfrei. Dass Investitions- und Betriebskosten ungedeckt sind, ist aufgrund der Regelung des § 3 Abs. 3 EKBSG, wonach dann, wenn die Investitions- und Betriebskosten über der Obergrenze für Markterlöse liegen, diese Kosten zzgl. 20 % als Obergrenze für Markterlöse angesetzt werden können, auszuschließen. Aufgrund dieser Regelung ist auch auszuschließen, dass die weitere Begrenzung der Markterlöse durch den österreichischen Gesetzgeber unverhältnismäßig ist. Dass durch diese (mittlerweile nicht mehr in Geltung stehende) Maßnahme Investitionssignale gefährdet worden wären (der in § 4 EKBSG vorgesehene Absetzbetrag stellt vielmehr einen Anreiz für Investitionen dar), das Funktionieren der Stromgroßhandelsmärkte verzerrt worden wäre oder Unionsrecht verletzt worden wäre, ist nicht erkennbar.
Inwiefern die Beschwerdeführerin dadurch, dass der EKB-S eine abzugsfähige Betriebsausgabe darstellt (§ 3 Abs. 6 EKBSG) in Rechten verletzt sein könnte, ist nicht ersichtlich.
Dass die Obergrenze nach der EU-Notfallmaßnahmen-VO eine regulatorische Maßnahme im Sinne einer Preisfestsetzung darstellen und den nationalen Gesetzgeber nicht berechtigen soll, eine steuerliche Regelung zu treffen, ist aufgrund der Regelung des Art. 10 EU-NotfallmaßnahmenVO auszuschließen. Um die dort vorgesehene Verteilung der Überschusserlöse (z.B. durch direkte Überweisungen an Stromendkunden) vornehmen zu können, müssen die Mitgliedstaaten über die Überschusserlöse verfügen können. Dies wäre aber nicht der Fall, wenn sie die Überschusserlöse nicht abschöpfen, sondern lediglich Preise festsetzen und dadurch das Entstehen von Überschusserlösen verhindern würden.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Bestimmung vermisst, wonach in Entsprechung des Art. 10 Abs. 1 der EU-Notfallmaßnahmen-VO die lukrierten Überschusserlöse zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden, mit denen Stromendkunden unterstützt werden, um die Auswirkungen der hohen Strompreise auf diese Kunden abzumildern, ist sie auf das Bundesgesetz über die befristete Einführung eines Stromkostenzuschusses für Haushaltskundinnen und Haushaltskunden (Stromkostenzuschussgesetz - SKZG), BGBl. I Nr. 156/2022, zu verweisen. Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes wird natürlichen Personen für einen begrenzten Zeitraum ein Stromkostenzuschuss für ein jährliches Grundkontingent von 2.900 kWh in Höhe der Differenz zwischen dem gemäß Stromlieferungsvertrag vereinbarten Energiepreis und einem Referenzenergiepreis gewährt (sog. "Stromkostenbremse"; nähere Regelung s. §§ 4 ff. SKZG; mit dem Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Unternehmen [Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz - UEZG], BGBl. I Nr. 117/2022, wurde eine entsprechende Unterstützungsleistung auch für Unternehmen geschaffen). Im Übrigen ergibt sich die grunsätzliche Verpflichtung zur Verwendung der Überschusserlöse zur Unterstützung von Stromendkunden schon unmittelbar aus Art. 10 der EU-NotfallmaßnahmenVO. Um die Einhaltung dieser Verpflichtung zu gewährleisten, haben die zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaates die Umsetzung der in Art. 10 genannten Maßnahmen in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen (Art. 19 Abs. 1 EU-NotfallmaßnahmenVO) und haben die Mitgliedsstaaten der Kommission über die Maßnahmen zur Verteilung der Überschusserlöse zur Abmilderung der Auswirkungen der hohen Strompreise auf die Stromendkunden Bericht zu erstatten (Art. 19 Abs. 3 lit. c EU-NotfallmaßnahmenVO). Eine Verpflichtung, im nationalen Recht eine ausdrückliche Zweckbindung für die abgeschöpften Überschusserlöse vorzusehen, ist der EU-NotfallmaßnahmenVO nicht zu entnehmen.
Beschwerdegegenständlich ist der EKB-S für den Zeitraum Dezember 2022 bis Juni 2023. Dass die Art. 6, 7 und 8 der EU-NotfallmaßnahmenVO, also die unionsrechtlichen Bestimmungen über eine verbindliche Obergrenze für Markterlöse von Stromerzeugern mit ausgelaufen ist, der EKB-S in Österreich jedoch bis einschließlich Dezember 2023 erhoben wurde, ist daher für das gegenständliche Beschwerdeverfahren ohne Relevanz. Die Frage, ob durch den längeren Geltungszeitraum der österreichischen Regelung Unions- oder Verfassungsrecht verletzt wird, ist also nicht präjudiziell.
Die Beschwerdeführerin erblickt darin, dass nicht der Gewinn, sondern die realisierten Erträge für die Bemessungsgrundlage des EKB-S maßgeblich sind, einen Verstoß gegen das "objektive Nettoprinzip". Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt, da die Produktionskosten bei den verschiedenen betroffenen Stromerzeugern unterschiedlich seien. Ein einheitliches Anknüpfen an den Erlös anstatt an den Gewinn widerspreche daher dem Gleichheitsgrundsatz. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass die unionsrechtliche Obergrenze für Markterlöse bzw. der österreichische EKB-S eine befristete Maßnahme zur Bewältigung einer Krisensituation darstellen. Die exorbitant gestiegenen Strompreise haben einerseits dazu geführt, dass Haushalte gravierend belastet werden und andererseits Stromerzeuger hohe Erlöse erzielt haben, die bei Erzeugern mit niedrigen Grenzkosten bzw. durch die Energiekrise nicht beeinflussten Erzeugungskosten (also bei den in Art. 7 Abs. 1 EU-NotfallmaßnahmenVO bzw. § 1 Abs. 3 EKBSG genannten Stromerzeugern) auch zu dementsprechend hohen (unerwarteten) Gewinnen geführt haben. Um dies auszugleichen sollen die außergewöhnlichen Markterlöse abgeschöpft und für Maßnahmen zur Unterstützung der Haushalte verwendet werden. Diese Überlegungen ergeben sich auch deutlich aus den Erwägungsgründen (ErwGr) zur EU-NotfallmaßnahmenVO:
(8) Die Störungen am Energiemarkt, die von einem der wichtigsten Marktakteure durch die künstliche Drosselung der Gasversorgung im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verursacht wurden, und die damit verbundene hybride Kriegsführung haben zu einer Krisensituation geführt, deren untragbaren Auswirkungen auf Verbraucher und Unternehmen durch die Annahme einer Reihe dringender, befristeter und außerordentlicher Wirtschaftsmaßnahmen begegnet werden muss. Wenn auf diese Krisensituation nicht rasch reagiert wird, kann sie für die Inflation, die Liquidität der Marktbetreiber und die Wirtschaft insgesamt gravierende Folgen haben.
(23) Auf dem Day-Ahead-Großhandelsmarkt werden zunächst die kostengünstigsten Kraftwerke eingesetzt; der Preis für alle Marktteilnehmer wird jedoch durch das letzte Kraftwerk bestimmt, das zur Deckung der Nachfrage benötigt wird, d. h. durch das Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten bei Markt-Clearing. Der jüngste Anstieg der Gas- und Steinkohlepreise schlägt sich inzwischen in einem außergewöhnlichen und anhaltenden Anstieg der Angebotspreise der gas- und kohlebetriebenen Energieerzeugungsanlagen auf dem Day-Ahead-Großhandelsmarkt nieder. Dies wiederum hat in der gesamten Union zu außergewöhnlich hohen Preisen auf dem Day-Ahead-Markt geführt, da es sich bei diesen Kraftwerken oftmals um diejenigen mit den höchsten Grenzkosten handelt, die zur Deckung der Stromnachfrage erforderlich sind.
(24) Da der Preis auf dem Day-Ahead-Markt als Referenzpreis für andere Stromgroßhandelsmärkte dient und alle Marktteilnehmer denselben Clearingpreis erhalten, wurden bei den Technologien mit deutlich niedrigeren Grenzkosten seit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 durchweg hohe Erlöse erzielt, die weit über die Erwartungen bei der Investition hinausgingen.
(25) In einer Situation, in der die Verbraucher extrem hohen Preisen ausgesetzt sind, die auch der Wirtschaft der Union schaden, müssen die außergewöhnlichen Markterlöse von Erzeugern mit niedrigeren Grenzkosten vorübergehend begrenzt werden, indem auf diese Markterlöse aus dem Stromverkauf in der Union die Obergrenze für Markterlöse angewandt wird.
(32) Die Obergrenze für Markterlöse sollte für Technologien gelten, deren Grenzkosten unter der Obergrenze für Markterlöse liegen, wie beispielsweise Wind-, Solar-, Kernenergie oder Braunkohle.
Die Beschwerdeführerin erzeugt Strom aus Wienenergie. Ihre Grenzkosten sind daher niedrig bzw. ist nicht ersichtlich, dass sich ihre Erzeugungskosten infolge der Energiekrise verändert hätten. Sie zählt daher zu jenen Unternehmen, bei denen die krisenbedingten außergewöhnlichen Markterlöse zu einem entsprechend hohen Gewinn geführt haben müssen. Sie behauptet auch nicht, dass der EKB-S auch Erlöse, die keine Zufallserlöse darstellen, abschöpfen und ihr Betriebsergebnis soweit reduzieren würde, dass es nun unter dem Vorkrisenniveau liegen würde oder gar negativ wäre. Sollten in einzelnen (Ausnahme-) Fällen die Investitions- und Betriebskosten über der Obergrenze für Markterlöse liegen, werden derartige unerwünschte Folgen durch § 3 Abs. 3 EKBSG, wonach diese Kosten zzgl. 20 % als Obergrenze angesetzt werden können, verhindert. Dass - wie die Beschwerdeführerin ausführt - manche Betriebe wegen des EKB-S ihre Betriebskosten nicht mehr vollständig decken könnten - ist sohin auszuschließen. Ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip ist daher nicht ersichtlich. Festzuhalten ist weiters, dass die Maßgeblichkeit der Erlöse (und nicht der Gewinne) zudem unionsrechtlich vorgegeben ist (s. Art. 2 Z. 5 und 9, Art. 6 Abs. 1 EU-NotfallmaßnahmenVO). Inwiefern die Festlegung der Obergrenze für Markterlöse mit € 140,00 bzw. € 120,00 in § 3 Abs. 2 EKBSG willkürlich sein soll, führt die Beschwerdeführerin nicht näher aus und ist auch nicht erkennbar, inwiefern der österreichische Gesetzgeber dadurch seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten bzw. eine überschießende Regelung geschaffen hätte. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Inflation in Österreich deutlich über jener der übrigen Mitgliedstaaten lag (vgl. Thomas/Böttcher, Inflation im Jahr 2023 (2024), abzurufen unter: https://www.statistik.at/fileadmin/pages/214/PK_17.01.24_Praesentation.pdf), sodass es auch aus diesem Grunde gerechtfertigt erscheint, die Markterlöse der österreichischen Stromerzeuger stärker zu begrenzen, als es unionsrechtlich geboten wäre. Nachdem in Österreich im April 2023 die Inflation - u.a. aufgrund überproportional gestiegener Energiepreise - weiter auf 9,7 % anstieg (Statistik Austria, Pressemitteilung 13 074-102/23, abrufbar unter https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2023/05/20230517VPIApril2023.pdf), während ab dem Frühjahr 2023 die Großhandelspreise signifikant sanken (Statistik Austria, Pressemitteilung, 13 236-002/24, abrufbar unter https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2024/01/20240105GHPIDezember2023.pdf), erscheint es auch nicht unsachlich, dass der österreichische Gesetzgeber die Obergrenze für Markterlöse ab Juni 2023 von € 140,00 auf € 120,00 reduziert hat. Der Verordnungsgeber der EU-NotfallmaßnahmenVO geht jedenfalls davon aus, dass die Gestehungskosten deutlich unter der Obergrenze für Markterlöse liegen, sodass den von der Verordnung betroffenen Stromerzeugern trotz Begrenzung der Markterlöse eine beträchtliche Marge verbleibt:
(29) Darüber hinaus ist die Obergrenze für Markterlöse von 180 EUR pro MWh durchweg höher - einschließlich einer angemessenen Marge - als die derzeitigen Stromgestehungskosten für die einschlägigen Erzeugungstechnologien und erlaubt es den betroffenen Erzeugern, ihre Investitions- und Betriebskosten zu decken. Da durch die Obergrenze für Markterlöse eine beträchtliche Marge zwischen den zu erwartenden Stromgestehungskosten und der Obergrenze für Markterlöse bleibt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Investitionen in neue inframarginale Kapazitäten beeinträchtigt.
Ähnliche Überlegungen gelten auch für den - von der Beschwerdeführerin als diskriminierend betrachteten - Umstand, dass der Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKB-F) anders als der EKB-S nicht auf den erzielten Erlös, sondern auf die erzielten Übergewinne abstellt. Anders als Stromerzeuger profitieren im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätige Unternehmen nicht von den extremen krisenbedingten Preisanstiegen, da sich bei diesen Unternehmen auch die Gestehungskosten krisenbedingt erhöht haben. Bei diesen Unternehmen könnte ein Anknüpfen an die Erlöse tatsächlich dazu führen, dass infolge des EKB-F Investitions- und Betriebskosten nicht mehr gedeckt sind, sodass sinnvollerweise auf den Gewinn abgestellt wird. Auch die Erwägungsgründen zur EU-NotfallmaßnahmenVO bringen dies zum Ausdruck:
(45) Die Geschäfts- und Handelspraktiken und der Rechtsrahmen im Stromsektor unterscheiden sich deutlich vom Sektor für fossile Brennstoffe. Da mit der Obergrenze für Markterlöse das Marktergebnis nachgebildet werden soll, das die Erzeuger hätten erwarten können, wenn die globalen Lieferketten seit Februar 2022 normal und ohne Störungen bei den Gaslieferungen funktionieren würden, muss die Maßnahme für Stromerzeuger auf die Erlöse aus der Stromerzeugung angewandt werden. Umgekehrt muss der befristete Solidaritätsbeitrag, da er auf die Rentabilität von im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen und Betriebsstätten der Union abzielt, die im Vergleich zu den Vorjahren erheblich zugenommen hat, auf deren Gewinne angewandt werden.
Eine unsachliche Differenzierung kann in der unterschiedlichen Behandlung von Stromerzeugern einerseits und Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebranche andererseits sohin nicht erblickt werden. Anzumerken ist, dass auch diese unterschiedliche Behandlung durch Unionsrecht vorgegeben wird (vgl. Art. 2 Z. 5 u 9 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EU-NotfallmaßnahmenVO, wonach in Bezug auf Stromerzeuger die Markterlöse begrenzt und die Überschusserlöse abgeschöpft werden, während Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebranche gem. Art. 15 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 EU-NotfallmaßnahmenVO einen Teil ihres Gewinnes als befristeten Solidaritätsbeitrag zu leisten haben). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang weiters, dass der österreichische Gesetzgeber auch Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebranche höher besteuert als es die EU-NotfallmaßnahmenVO verlangen würde (gem. Art. 16 Abs. 1 EU-NotfallmaßnahmenVO beträgt der befristete Solidaritätsbeitrag mindestens 33 % der Bemessungsgrundlage, während der EKB-F gem. § 3 Abs. 1 EKBFG 40 % der Bemessungsgrundlage beträgt) und dass der EKB-F (anders als der EKB-S) eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe darstellt (§ 3 Abs. 2 EKBFG).
Soweit die Beschwerdeführerin eine unsachliche Differenzierung darin erblickt, dass Fernwärmeversorger und Stromhändler keiner vergleichbaren Steuer unterliegen, ist festzuhalten, dass die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, auch diese Marktteilnehmer würden von den Preissteigerungen im Energiesektor profitieren, unbelegt geblieben ist und auch nicht nachvollzogen werden kann. Fernwärme wird in Österreich zu einem erheblichen Teil aus fossilen Energieträgern erzeugt, insb. aus Erdgas, also aus jenem Energieträger, dessen Preis infolge des Ukraine-Krieges besonders rasch und besonders stark angestiegen ist. Stromhändler müssen den gehandelten Strom am Markt, also zu den krisenbedingt erhöhten Preisen einkaufen. Sowohl Fernwärmeversorger als auch Stromhändler haben daher - anders als die dem EKBSG unterliegenden Stromerzeuger - gestiegene Einstandspreise zu verzeichnen, sodass in der unterschiedlichen Behandlung keine unsachliche Differenzierung erblickt werden kann. Auch hier ist anzumerken, dass unionsrechtlich lediglich eine Begrenzung der Markterlöse von Stromerzeugern und ein befristeter Solidaritätsbeitrag für Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebranche verpflichtend vorgegeben ist, nicht aber eine entsprechende Besteuerung der Erlöse oder Gewinne von Fernwärmeversorgern oder Stromhändlern (in Bezug auf Stromhändler eröffnet Art. 8 Abs. 1 lit. a EU-NotfallmaßnahmenVO lediglich die Möglichkeit, auch deren Markterlöse zu begrenzen).
Auch die Behauptung, der EKB-S verstoße gegen das allgemeine Sachlichkeitsgebot, da er zur Erreichung seines Zieles, nämlich der Entlastung der Stromverbraucher, nicht geeignet sei, weil Stromhändler auch dann teuer an Verbraucher verkaufen können, wenn sie den Strom selbst billig einkaufen, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, wo für Stromhändler während der Energiekrise die Möglichkeit bestanden haben soll, Strom billig einzukaufen, verpflichtet - wie bereits ausgeführt - Art. 10 der EU-NotfallmaßnahmenVO die Mitgliedsstaaten, die abgeschöpften Überschusserlöse gezielt zur Unterstützung von Stromendkunden zu verwenden. Der österreichische Gesetzgeber hat mit dem SKZG einen befristeten Stromkostenzuschuss eingeführt, der (ganz oder teilweise) durch die Einnahmen aus dem EKB-S finanziert werden kann und zweifellos eine Entlastung der Verbraucher bewirkt hat.
Soweit die Beschwerdeführerin das rückwirkende Inkrafttreten des EKBSG als verfassungsrechtlich problematisch erachtet, ist festzuhalten, dass die - grundsätzlich unmittelbar anwendbare - EU-NotfallmaßnahmenVO bereits am in Kraft getreten ist und eine Begrenzung der Markterlöse für Stromerzeuger mit höchstens € 180,00 pro MWh ab dem vorgesehen hat (Art. 22 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c EU-NotfallmaßnahmenVO). Somit musste die Beschwerdeführerin auch während des "Rückwirkungszeitraumes" (1. bis ) davon ausgehen, dass ihre Markterlöse zumindest insoweit abgeschöpft werden, als sie diesen Betrag übersteigen. Zwar hat der österreichische Gesetzgeber die Obergrenze für Markterlöse (rückwirkend) mit € 140,00 festgelegt, doch haben die sonstigen Regelungen des EKBSG (Absetzbetrag, Abschöpfung von lediglich 90 % der Überschusserlöse) im Ergebnis bewirkt, dass der Beschwerdeführerin von ihren Markterlösen im Dezember € 213,45 pro MWh verblieben sind (s. oben). Ein Vertrauen der Beschwerdeführerin in eine kundgemachte Rechtslage kann daher nicht verletzt worden sein.
Auch ein Verstoß gegen die Unverletzlichkeit des Eigentums ist nicht erkennbar. Die finanzielle Unterstützung der durch die gestiegenen Energiepreise massiv betroffenen Haushalte stellt zweifellos ein wichtiges öffentliches Interesse dar. Dass die für diese finanzielle Unterstützung erforderlichen Mittel bei jenen Stromerzeugern, die infolge niedriger Grenzkosten unerwarteterweise und in erheblichem Ausmaß von den gestiegenen Energiepreisen profitiert haben, abgeschöpft werden, ist naheliegend. Hierbei werden im Regelfall nur solche Erlöse abgeschöpft, die ohne die krisenbedingt gestiegenen Energiepreise nicht erzielt worden wären. Für die - wohl seltenen - Ausnahmefälle, in denen die Investitions- und Betriebskosten die Obergrenze für Markterlöse übersteigen, sieht § 3 Abs. 3 EKBSG eine entsprechende "Schutzklausel" vor. Dass der EKB-S die Vermögensverhältnisse der betroffenen Stromerzeuger in ihrem Stamm beeinträchtigen würde, ist daher auszuschließen und wird auch von der Beschwerdeführerin in Bezug auf sie selbst nicht behauptet. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentumsrecht ist daher nicht erkennbar.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der EKB-S weder dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 7 B-VG, Art. 21 GRC) noch der Eigentumsfreiheit (Art. 5 StGG, Art. 1 des 1. ZPEMRK, Art. 17 GRC) widerspricht und damit für einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung der präjudiziellen Bestimmung des EKBSG keine Veranlassung besteht. Der von der Beschwerdeführerin selbst bemessene und abgeführte EKB-S entspricht - wie sie auch selbst einräumt - den Bestimmungen des EKBSG. Die Voraussetzungen für eine bescheidmäßige Festsetzung des EKB-S liegen daher nicht vor, da dies gemäß § 201 Abs. 1 BAO erfordern würde, dass der Abgabepflichtige keinen selbst berechneten Betrag bekannt gegeben hat oder die Selbstberechnung sich als nicht richtig erweist. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass die Beschwerdeführerin dem EKB-S unterliegt, sowie in welcher Höhe sie diesen abzuführen hat, ergibt sich - unstrittigerweise - unmittelbar aus dem insoweit klaren Wortlaut des EKBSG. Die Beurteilung der Frage, ob dieses Gesetz - wie die Beschwerdeführerin meint - verfassungswidrig ist, fällt nicht in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes (Art. 133 Abs. 5 B-VG), sodass diese Frage eine Zulässigkeit der Revision nicht begründen kann (; , Ra 2019/12/0042; , Ra 2021/01/0181). Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100407.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at