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VwGH vom 10.09.2020, Ro 2019/15/0178

VwGH vom 10.09.2020, Ro 2019/15/0178

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz in 4041 Linz, Hauptplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-450371/7/HW, betreffend Festsetzung und Rückerstattung der Kommunalsteuer 2011 bis 2016 (mitbeteiligte Partei: T GmbH in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Die Mitbeteiligte ist eine GmbH mit österreichischem Sitz, deren Unternehmensgegenstand unter anderem in der Überlassung von Personal zur Montage von Industrieanlagen besteht.

2Im strittigen Zeitraum überließ die Mitbeteiligte im Rahmen der gewerblichen Personalüberlassung Arbeitskräfte an verschiedene Beschäftiger, deren Unternehmenssitze zum Teil im Ausland gelegen waren. Von den ausländischen Beschäftigern wurden die überlassenen Arbeitnehmer an Tätigkeitsorten außerhalb Österreichs zur Arbeitsleistung eingesetzt.

3Im Jahr 2016 beantragte die Mitbeteiligte unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/13/0085, die Rückerstattung von in den Jahren 2011 bis 2015 zu viel entrichteter Kommunalsteuer für die ins Ausland überlassenen Dienstnehmer.

4Die Festsetzung der Kommunalsteuer für die Jahre 2011 bis 2016 durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz und nach Berufungserhebung durch den Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz ergab jeweils ein Kommunalsteuerguthaben. Das darüberhinausgehende Mehrbegehren der Mitbeteiligten wurde abgewiesen.

5Begründend wurde im Berufungsbescheid ausgeführt, strittig sei, wann die Kommunalsteuerpflicht bezüglich der ins Ausland überlassenen Dienstnehmer ende. Während die Mitbeteiligte die Rechtsauffassung vertrete, dass in jedem Fall bereits ab dem ersten Tag der jeweiligen Überlassung ins Ausland keine Kommunalsteuerpflicht bestehe, sei nach Ansicht der Berufungsbehörde anhand der allgemeinen von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu beurteilen, ob und wann eine mittelbare Betriebstätte des Überlassers in der Betriebstätte des Beschäftigers im Ausland entstehe. Dienstnehmer seien jener Betriebsstätte des Unternehmens zuzurechnen, mit der sie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten überwiegend unternehmerisch verbunden seien bzw. zu der die engeren ständigen Beziehungen bestünden. Da es darauf ankomme, zu welcher Betriebsstätte die Tätigkeit die überwiegende und stärkste Beziehung habe, führten sehr kurz andauernde Überlassungen ins Ausland nicht dazu, dass die Dienstnehmer der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen seien und die Kommunalsteuer entfalle.

6Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde.

7Das Verwaltungsgericht gab der Beschwerde insoweit statt, als es die Arbeitslöhne jener Dienstnehmer, die an einen ausländischen Beschäftiger überlassen wurden und für diesen auch im Ausland tätig waren, für den gesamten auf die Tätigkeit im Ausland entfallenden Zeitraum (ab dem ersten Tag) nicht der Kommunalsteuerpflicht unterwarf.

8Begründend führt es aus, dass nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/13/0085, nicht die Integration der überlassenen Dienstnehmer in die Betriebsstätte als solche, sondern ihre Beschäftigung jeweils in einer nicht im Inland gelegenen kommunalsteuerrechtlichen Betriebsstätte dazu führe, dass die in § 1 KommStG 1993 normierten Voraussetzungen in Bezug auf die im Ausland beschäftigten Dienstnehmer nicht erfüllt seien. Da bei einer Arbeitskräfteüberlassung am Ort der Arbeitserbringung durch die überlassenen Dienstnehmer eine Betriebsstätte des Überlassers iSd KommStG 1993 schon durch das Agieren der Dienstnehmer in Anlagen und Einrichtungen des Beschäftigers begründet werde, bestehe unabhängig von der Dauer der Beschäftigung des Dienstnehmers im Ausland eine (mittelbare) Betriebsstätte des Überlassers am Ort der Beschäftigung der überlassenen Arbeitskräfte. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts seien daher im gegenständlichen Fall die an einen ausländischen Beschäftiger überlassenen und auch im Ausland tätig gewordenen Dienstnehmer während ihrer gesamten Tätigkeit im Ausland (ab dem ersten Tag) nicht der Kommunalsteuerpflicht (in Österreich) unterworfen.

9Das Verwaltungsgericht erklärte weiters die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob die Ausführungen des zu konzerninternen Entsendungen ergangenen Erkenntnisses vom , 2012/13/0085, auch für nicht konzerninterne Arbeitskräfteüberlassungen einschlägig seien.

10Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Stadtsenats der Landeshauptstadt Linz. Das Verwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

11Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision ergänzend vorgebracht, dass das angefochtene Erkenntnis auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, indem das Verwaltungsgericht offenbar davon ausgehe, dass allein durch die Entsendung der Arbeitskräfte ins Ausland eine Betriebsstätte im Ausland begründet werde, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen für das Bestehen einer Betriebsstätte ankäme.

12Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13Gemäß § 1 KommStG 1993 unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind. Nach § 4 Abs. 1 KommStG 1993 gilt als Betriebsstätte jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die mittelbar oder unmittelbar der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit dient.

14Steuerschuldner ist gemäß § 6 KommStG 1993 der Unternehmer, in dessen Unternehmen die Dienstnehmer beschäftigt werden. Werden Personen von einer inländischen Betriebsstätte eines Unternehmens zur Arbeitsleistung überlassen, ist der überlassende Unternehmer Steuerschuldner.

15Die Revision bringt vor, dass für die Annahme einer „mittelbaren“ Betriebsstätte des Überlassers maßgeblich sei, ob die überlassenen Arbeitskräfte tatsächlich in einer Betriebsstätte im abgabenrechtlichen Sinne eingesetzt worden seien. Der Betriebsstättenbegriff setze eine feste örtliche Anlage oder Einrichtung voraus, über die der Unternehmer dauerhaft verfügen könne. Aus § 29 Abs. 2 BAO und der Judikatur zum Begriff der festen Anlage oder Einrichtung lasse sich ableiten, dass damit jedenfalls Einrichtungen von einer ein halbes Jahr übersteigenden Dauer erfasst seien. Bei wiederkehrender (Mit-)Benutzung einer festen örtlichen Anlage reiche eine Dauer von weniger als sechs Monaten im Kalenderjahr. Werde eine Überlassung entweder für eine Dauer von mehr als sechs Monaten in Aussicht genommen, dauere sie faktisch länger als sechs Monate oder erfolgten wiederkehrende Überlassungen, so entstehe gerade im ersten Fall bereits mit dem ersten Tag der Überlassung eine Kommunalsteuerbetriebsstätte im Ausland (Hinweis auf ).

16Im Berufungsverfahren sei daher zu Recht für jeden überlassenen Dienstnehmer geprüft worden, ob nach diesen Kriterien eine weitere (mittelbare) Betriebsstätte der Mitbeteiligten am Ort der Beschäftigung entstanden sei. Habe die Überlassung an einen bestimmten Beschäftiger zu einem bestimmten Einsatzort über sechs Monate (Unterbrechungen von unter einem Monat seien unberücksichtigt geblieben) gedauert, sei von Beginn an eine mittelbare Betriebsstätte im Ausland angenommen worden. Damit liege bereits ab dem ersten Tag keine Kommunalsteuerpflicht in Österreich vor. Bei einer Überlassung von unter sechs Monaten, sei geprüft worden, ob eventuell durch eine längere (sechs Monate übersteigende) Überlassung eines anderen Dienstnehmers an den gleichen Beschäftigungsort eine Betriebsstätte entstanden sei. Bei sehr kurzen Überlassungen könne jedenfalls nicht von einer funktionellen Zugehörigkeit ausgegangen werden. Das Verwaltungsgericht sei den Ermittlungen der belangten Behörde im Einzelnen nicht entgegengetreten, sondern habe die unzutreffende Rechtsansicht vertreten, dass alleine durch die Entsendung einer Arbeitskraft an einen Beschäftiger im Ausland eine mittelbare Betriebsstätte des Arbeitskräfte überlassenden Unternehmens entstehe, unabhängig davon, ob am Einsatzort überhaupt eine Betriebsstätte des Beschäftigers existiere.

17Voranzustellen ist, dass der mit dem Abgabenänderungsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 117/2016, eingefügte § 4 Abs. 3 KommStG 1993, der bei Arbeitskräfteüberlassungen die Begründung einer Betriebsstätte des Arbeitskräfte überlassenden Unternehmens in der Betriebsstätte des Beschäftigers nach Ablauf von sechs Kalendermonaten anordnet, gemäß § 16 Abs. 12 KommStG 1993 erst mit in Kraft getreten und daher im revisionsgegenständlichen Fall nicht anzuwenden ist.

18Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgeführt hat, ist der Begriff der Betriebsstätte für den Bereich der Kommunalsteuer eigenständig definiert. Das KommStG 1993 erweitert den Betriebsstättenbegriff der § 29 und 30 BAO einerseits durch Erfassung aller unternehmerischen Tätigkeiten und andererseits auch dadurch, dass selbst ein bloß „mittelbares“ Dienen der Anlagen oder Einrichtungen für die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausreicht, um eine Betriebsstätte im Sinne des KommStG 1993 herbeizuführen (vgl. ).

19Im Zusammenhang mit der Überlassung von Dienstnehmern betonte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2002/13/0051, die Eigenständigkeit des - u.a. durch die Einbeziehung bloß „mittelbar“ der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit dienender Anlagen oder Einrichtungen - weiten Betriebsstättenbegriffs des § 4 Abs. 1 KommStG 1993 und sprach aus, „eine Betriebsstätte des Arbeitskräfte überlassenden Unternehmens“ sei „nicht bloß dort (...), wo die in der Verwaltung des Überlassers tätigen Dienstnehmer agieren, sondern auch dort, wo die an Dritte überlassenen Dienstnehmer tätig werden, nämlich in der in Betracht kommenden Betriebsstätte des Beschäftigers“.

20Nach den dargestellten Maßstäben des § 4 Abs. 1 KommStG 1993 kann somit auch am Ort der Beschäftigung eine kommunalsteuerrechtliche Betriebsstätte liegen, ohne dass es dabei auf die Integration der überlassenen Dienstnehmer in die Betriebsstätten des ausländischen Beschäftigers ankäme (vgl. ). Für diese Beurteilung ist auch nicht maßgeblich, ob es sich bei Überlasser und Beschäftiger um in einem Konzern verbundene Unternehmen handelt.

21Die Einbeziehung von bloß „mittelbar der unternehmerischen Tätigkeit dienenden“ Einrichtungen in den Betriebsstättenbegriff des § 4 Abs. 1 KommStG 1993 ändert jedoch nichts daran, dass auch in diesem Fall die allgemeinen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Betriebsstätte zu prüfen sind. Erforderlich ist hierfür das Vorhandensein einer ortsgebundenen festen Vorkehrung, über die der Unternehmer dauerhaft verfügen kann (vgl. ).

22Im Fall der Arbeitskräfteüberlassung wird die faktische Verfügungsmacht über die Anlage oder Einrichtung des Beschäftigers vom die Arbeitskräfte überlassenden Unternehmen durch seine Arbeitskräfte an Ort und Stelle ausgeübt, weil die Arbeitsverrichtung im Unternehmen des Beschäftigers ohne faktischen Zugriff auf dessen Anlagen oder Einrichtungen im Allgemeinen nicht möglich wäre. Dem rechtlichen Element von „Verfügungsmacht“ ist - für den Zweck des weiten Betriebsstättenbegriffes des KommStG 1993 - schon dadurch ausreichend entsprochen, dass das die überlassenen Arbeitnehmer beschäftigende Unternehmen sich mit dem Tätigwerden der Arbeitnehmer des Arbeitskräfteüberlassers in seinen Anlagen und Einrichtungen einverstanden erklärt hat, worauf eine Arbeitskräfteüberlassung in der Regel beruht (vgl. ).

23Eine nicht bloß vorübergehende Verfügungsmacht kann jedoch - wie die revisionswerbende Partei zu Recht vorbringt - nur dann ausgeübt werden, wenn Dienstnehmer für längere Zeiträume überlassen werden oder wiederkehrende Überlassungen (etwa auch durch verschiedene Dienstnehmer des Überlassers) erfolgen. Auch dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/13/0085, lag - wie sich aus der Sachverhaltsschilderung ergibt - ein Fall zu Grunde, in dem Dienstnehmer „mehrjährig“ an ausländische Konzernunternehmen bei „vollständiger Einstellung jeglicher Leistung für den arbeitsrechtlichen Arbeitgeber in Österreich“ überlassen worden waren. Durch eine einmalige Überlassung eines Dienstnehmers von kurzer Dauer wird dem Überlasser nicht dauerhaft Verfügungsmacht eingeräumt und somit auch nicht mittelbar eine Betriebsstätte für diesen begründet.

24Weiters ist zu berücksichtigen, dass durch die Überlassung der Dienstnehmer zwar eine (weitere) „mittelbare“ Betriebsstätte am Ort der Beschäftigung geschaffen werden kann, diese aber nicht zwangsläufig an die Stelle der bestehenden inländischen Betriebsstätte treten muss. Bei Vorhandensein mehrerer Betriebsstätten sind die Dienstnehmer (bzw. die Arbeitslöhne) nach den tatsächlichen Verhältnissen jener Betriebsstätte zuzuordnen, zu der die stärkste organisatorische und wirtschaftliche Verbundenheit besteht (vgl. ; Platzer, Kommunalsteuerbetriebsstätte und Arbeitskräfteüberlassung, SWK 9/2017, 501ff).

25Zusammenfassend hat das Verwaltungsgericht daher verkannt, dass bei Arbeitskräfteüberlassungen ins Ausland nicht allein die Tatsache der Entsendung zur Begründung einer mittelbaren ausländischen Betriebsstätte führt, der die entsendeten Dienstnehmer zuzuordnen sind. Vielmehr sind Feststellungen dahingehend zu treffen, ob der überlassende Unternehmer mittelbar durch seine überlassenen Dienstnehmer nicht nur vorübergehend über Einrichtungen des ausländischen Beschäftigers verfügen kann. Sollte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen für die Begründung einer solchen „mittelbaren“ Betriebsstätte am Beschäftigungsort im Ausland vorliegen, wäre weiters zu prüfen, ob die dorthin überlassenen Dienstnehmer dieser Betriebsstätte zuzuordnen sind.

26Da das Verwaltungsgericht die erforderlichen Feststellungen in Verkennung der Rechtslage nicht getroffen hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019150178.J00

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