VwGH vom 13.09.2018, Ro 2018/16/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision der K GmbH in W, vertreten durch Dr. Caroline Toifl, Rechtsanwältin und Steuerberaterin in 1010 Wien, Stallburggasse 4/13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7200053/2013, betreffend Abrechnung gemäß § 216 BAO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Abrechnungsbescheid des Zollamtes Wien vom gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
2 Dem Abgabenverfahren liege - so die Entscheidungsgründe - folgender Sachverhalt zugrunde:
"Mit Bescheid vom ... schrieb das damalige Hauptzollamt Wien der nunmehrigen (Revisionswerberin) gemäß § 201 BAO iVm § 41 Abs. 1 Mineralölsteuergesetz 1995 (MinStG 1995) die Mineralölsteuer in Höhe von S 543.679,00 (EUR 39.510,69) vor; die (Revisionswerberin) habe im Zeitraum bis insgesamt 143.650 Liter Mineralöl zu gewerblichen Zwecken aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) bezogen (insgesamt 39 Lieferungen der Produkte ‚IME 82' und ‚IME MH').
Mit Berufungsentscheidung vom ... gab der damalige unabhängige Finanzsenat der in dieser Verbrauchsteuerangelegenheit eingebrachten Beschwerde der (Revisionswerberin) vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Wien vom ... teilweise statt und setzte die Mineralölsteuer neu fest (S 307.271,00 bzw. EUR 22.330,25); die Festsetzung der Mineralölsteuer für das Produkt ‚IME 82' sei zu Unrecht erfolgt.
Mit Schreiben vom ersuchte die (Revisionswerberin) das Zollamt Wien um Nachsicht der Mineralölsteuer gemäß § 236 BAO.
Das Zollamt Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom ... ab.
Die in dieser Billigkeitssache seitens der (Revisionswerberin) erhobene Beschwerde vom (dem unabhängigen Finanzsenat vorgelegt mit Schreiben des Zollamtes Wien vom ) wies der unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom ... als unbegründet ab.
Das Zollamt Wien forderte daraufhin die (Revisionswerberin) mit Schreiben vom ... auf, den offenen Abgabenbetrag in der Höhe von EUR 22.985,69 binnen zwei Wochen zu entrichten.
Mit Schriftsatz vom teilte die (Revisionswerberin) dem Zollamt Wien dazu mit, dass nach ihrer Ansicht hinsichtlich des offenen Abgabenrückstandes mit Ablauf des Jahres 2010 Einhebungsverjährung eingetreten sei und ersuchte das Zollamt, von weiteren Einbringungsschritten abzusehen.
Das Zollamt Wien schloss sich in seinem Schreiben vom ... dieser Meinung nicht an und forderte die (Revisionswerberin) auf, den vollstreckbaren Rückstand zu entrichten.
Die (Revisionswerberin) beharrte in ihrer dazu ergangenen Gegenäußerung vom auf ihrer Ansicht und ersuchte neuerlich, die Verjährung der vorgeschriebenen Abgaben von Amts wegen wahrzunehmen und von weiteren Einbringungsschritten abzusehen.
Für den Fall, dass die Abgabenbehörde sich nicht in der Lage sehe, diesem Ersuchen Folge zu leisten, stellte die (Revisionswerberin) den Antrag, gem. § 216 BAO einen Abrechnungsbescheid hinsichtlich des gegenständlichen Abgabenkontos auszufertigen.
Das Zollamt Wien erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen Bescheid vom ... und stellte fest, dass der erwähnte Abgabenrückstand in der Höhe von EUR 22.985,69 nicht erloschen sei."
In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht über diesen unstrittigen Sachverhalt:
"Der geschilderte chronologische Ablauf des relevanten Geschehens lässt sich in tabellarischer Form wie folgt darstellen:
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Entstehung des Abgabenanspruches | 1995 bis 1997 |
UFS-Entscheidung in der Hauptsache | |
Antrag auf Billigkeit § 236 BAO | |
Antrag auf Stundung | |
Abweisung § 236 BAO (UFS) | |
Abweisung Stundung (Zollamt) | |
Zahlungsaufforderung | |
Verjährungseinrede | |
Abrechnungsbescheid (§ 216 BAO) | |
Unterbrechungshandlungen (§ 238 Abs. 2 BAO) laut Zollamt
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Vorlage der Beschwerde (§ 236 BAO) an UFS | |
E-Mail ZA an UFS (Urgenz wegen § 236 BAO) | 09/2011 und 12/2011 |
Die in § 238 BAO geregelte Einhebungsverjährung befristet das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen.
Die Verjährung fälliger Abgaben wird gemäß § 238 Abs. 2 BAO durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen und es beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, neu zu laufen.
Auch nicht notwendige Verwaltungsakte haben verjährungsunterbrechende Wirkung (vgl. , zu § 209 BAO).
Auf die Unterbrechung der Verjährung kann sich die Behörde dann mit Recht berufen, wenn die behauptete Unterbrechungshandlung aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten und irgendwie nach außen wirksam geworden und wenn ferner diese Unterbrechungshandlung einwandfrei aus den Verwaltungsakten nachweisbar ist ().
Die (Revisionswerberin) räumt ein, dass im Jahr 2005 (also in dem Jahr, in dem über das Bestehen des verfahrensgegenständlichen Abgabenanspruches letztinstanzlich abgesprochen worden ist) eine Unterbrechung der Einhebungsverjährung erfolgt sei.
Sie bestreitet aber, dass die vom Zollamt Wien ins Spiel gebrachten Amtshandlungen der Jahre 2006 und 2011 (siehe obige Tabelle) geeignet waren, eine weitere Unterbrechung der Verjährung zu bewirken. Nach ständiger Judikatur könne sich die Behörde auf die Unterbrechung der Verjährung nur dann mit Recht berufen, wenn die behauptete Unterbrechungshandlung aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten und irgendwie nach außen wirksam geworden seien und weiters, wenn diese Unterbrechungshandlung einwandfrei aus den Verwaltungsakten nachweisbar sei (). Solche Unterbrechungshandlungen hätten ausschließlich im Jahr 2005 stattgefunden.
Diesem Einwand kommt aus folgenden Gründen keinerlei
Berechtigung zu.
Zur Unterbrechungshandlung im Jahr 2006:
Die (Revisionswerberin) stellte im Jahr 2005 im Hinblick auf den aushaftenden Abgabenbetrag den Antrag aus Nachsicht gemäß § 236 BAO. Anschließend beantragte sie die Gewährung einer Zahlungserleichterung (Stundung) bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über das Nachsichtsbegehren.
Das Zollamt wies den Antrag auf Billigkeit mit Bescheid vom ab. Gegen diesen Bescheid erhob die (Revisionswerberin) am das Rechtsmittel der Berufung. Über diese Berufung entschied das Zollamt mit Berufungsvorentscheidung vom . Gegen diesen Bescheid richtete sich die Beschwerde der (Revisionswerberin) vom . Diese Beschwerde legte das Zollamt mit Schriftsatz vom dem damals dafür zuständigen unabhängigen Finanzsenat vor.
Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber durch das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz (AbgRmRefG), BGBl. I Nr. 97/2002, den unabhängigen Finanzsenat geschaffen hat, eine unabhängige Verwaltungsbehörde (§ 1 Abs. 1 UFS-Gesetz), die u. a. bei der Entscheidungsfindung von der damaligen Abgabenbehörde erster Instanz (etwa dem Zollamt) und deren Oberbehörde (etwa dem Bundesminister für Finanzen) unabhängig war. Das Gesetz sah ein kontradiktorisches Verfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat vor, in welchem das Finanzamt (§ 276 Abs. 7 BAO), das Zollamt (§ 85c Abs. 5 ZollR-DG) oder der Amtsbeauftragte (§§ 151, 157 und 159 FinStrG) als Partei des Verfahrens (Amtspartei) auftrat. Dem unabhängigen Finanzsenat kam kein Weisungsrecht gegenüber der Abgabenbehörde erster Instanz zu. Die (Revisionswerberin) ist daher nicht im Recht, wenn sie meint, beim Zollamt Wien und beim unabhängigen Finanzsenat handle es sich um ein und dieselbe Behörde.
Der genannte Vorlagebericht des Zollamtes vom ist nach der Aktenlage am beim unabhängigen Finanzsenat eingelangt. Das entsprechende Dokument mit dem Originaleingangsstempelabdruck liegt dem Bundesfinanzgericht vor. Für das Verfahren des unabhängigen Finanzsenates galten gemäß § 85c Abs. 8 ZollR-DG in der damals gültigen Fassung die diesbezüglichen Bestimmungen der BAO sinngemäß. Die erwähnte Vorlage löste daher die in § 276 Abs. 6 BAO in der damals gültigen Fassung vorgesehenen Wirkungen aus (etwa die Verpflichtung des Zollamtes, den unabhängigen Finanzsenat über Änderungen aller für die Entscheidung über die Beschwerde bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in Kenntnis zu setzen).
Die (Revisionswerberin) wurde seitens des Zollamtes - nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen in der Berufungsvorentscheidung - von der Vorlage in Kenntnis gesetzt.
Angesichts all dieser Umstände erachtet es das Bundesfinanzgericht als gesichert, dass entgegen der Ansicht der (Revisionswerberin) der (nachweislich im Jahr 2006 versandte) Vorlagebericht aus dem Amtsbereich des Zollamtes hinausgetreten ist und Außenwirksamkeit erlangte. Die diesbezüglichen Einwände der (Revisionswerberin) sind daher nicht geeignet, das Vorliegen einer tauglichen Unterbrechungshandlung berechtigt in Zweifel zu ziehen.
Zur Unterbrechungshandlung im Jahr 2011:
Das eben Gesagte gilt für den E-Mailverkehr zwischen Zollamt und unabhängigen Finanzsenat sinngemäß. Dem Bundesfinanzgericht liegt ein Ausdruck des entsprechenden Schriftwechsels vor. Demnach hat das Zollamt Wien mit E-Mails vom , und beim unabhängigen Finanzsenat eine Erledigung des damals noch anhängigen Billigkeitsverfahrens in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit urgiert. Der Umstand, dass eine Unterbrechungshandlung dem Abgabepflichtigen (zunächst) nicht zur Kenntnis gelangt ist, schadet nicht (). Der erwähnten Korrespondenz kommt daher unterbrechende Wirkung trotz der Tatsache zu, dass die Bf. in diesen Schriftverkehr nicht eingebunden war.
Damit steht fest, dass das Zollamt Wien - wie in § 238 Abs. 2 BAO gefordert - sowohl im Jahr 2006 als auch im Jahr 2011 nach außen erkennbare Amtshandlungen unternommen hat.
Zur Frage der Durchsetzbarkeit des Abgabenanspruches:
Zu prüfen bleibt, ob es sich bei diesen beiden Handlungen - wie ebenfalls in der zitierten Norm verlangt - um solche handelte, die zur Durchsetzung des Anspruchs unternommen worden sind.
Die gesetzlichen Bestimmungen des § 238 Abs. 2 BAO enthalten dazu eine beispielhafte und - wie das Zollamt zutreffend festgestellt hat - keines falls erschöpfende Aufzählung und nennt die Mahnung, die Vollstreckungsmaßnahmen, die Bewilligung einer Zahlungserleichterung und die Erlassung eines Haftungsbescheides.
Die (Revisionswerberin) hat am Stundung bis zur Entscheidung über das Billigkeitsbegehren beantragt. Das Zollamt hat für die Entscheidung über dieses Zahlungserleichterungsansuchen den Ausgang des Rechtsmittels in der Billigkeitssache als relevant erachtet und dies dem unabhängigen Finanzsenat im Rahmen der Urgenz auch zur Kenntnis gebracht. Den vom Zollamt im Zusammenhang mit der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Abweisung des Nachsichtsansuchens gesetzten Schritten (umgehende Vorlage an den unabhängigen Finanzsenat und Verzicht auf die Erlassung einer zweiten Berufungsvorentscheidung, Urgenzschreiben an den unabhängigen Finanzsenat) kann bei verständiger Würdigung des nachgewiesenen Verwaltungshandelns somit nur der Sinn zugeschrieben werden, der Durchsetzung des Anspruches zu dienen.
Die (Revisionswerberin) verweist auf das Erkenntnis des Zl. 2005/16/0095 und die darin vorgenommene Aufzählung jener Maßnahmen, die unter § 238 Abs. 2 BAO zu subsumieren sind und meint es ließe sich daraus nicht ableiten, dass eine Anfrage beim unabhängigen Finanzsenat nach dem Verfahrensstand eine Unterbrechungshandlung zur Durchsetzung des Abgabenanspruches wäre. Das Verfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat stelle vielmehr zur Gänze keine (Unterbrechungs-) Handlung der Behörde dar, sondern sei ausschließlich der Initiative des Abgabepflichtigen zuzurechnen, sodass auch alle daraus resultierenden Maßnahmen (wie z.B. die Weiterleitung des Aktes) kein aktives Handeln, sondern eine (passive) Folgewirkung darstellten.
Dem ist zu entgegnen, dass weder das Gesetz noch das von der (Revisionswerberin) zitierte Judikat eine erschöpfende Aufzählung aller denkbaren Amtshandlungen enthält, denen unterbrechende Wirkung zukommt. Die Vorlage der Beschwerde an den unabhängigen Finanzsenat durch das Zollamt stellt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zweifellos ein aktives Handeln der Abgabenbehörde dar.
Nach dem Einlangen des Vorlageantrages hatte das Zollamt mehrere Möglichkeiten:
auf den Vorlageantrag nicht reagieren (dann könnte man
tatsächlich von einem passiven Handeln sprechen)
eine zweite Berufungsvorentscheidung erlassen
die Beschwerde dem unabhängigen Finanzsenat vorzulegen.
Das Zollamt hat sich für die letzte Variante entschieden und die Beschwerde umgehend dem unabhängigen Finanzsenat vorgelegt. Das Zollamt hat durch das Ausfüllen des dafür vorgesehenen Vordruckes dokumentiert, dass es eine Berufungsvorentscheidung erlassen hat und dass es keine von dieser abweichende Entscheidung beantragt. Damit hat das Zollamt seine auch für den Ausgang des damals beim Zollamt noch anhängigen Stundungsverfahrens als entscheidungsmaßgeblich erachtete Ansicht zum Ausdruck gebracht, dass über das Nachsichtsbegehren zu Recht abschlägig entschieden worden ist.
Stellen die - in § 238 Abs. 2 BAO ausdrücklich genannten - Bewilligungen von Zahlungserleichterungen Maßnahmen zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, kann der Aktenvorlage einer (nach Ansicht des Zollamtes) mit einer solchen Zahlungserleichterung untrennbar in Verbindung stehenden Beschwerde im Billigkeitsverfahren keine andere Wirkung zukommen. Sowohl die erwähnte Aktenvorlage als auch die anschließenden Urgenzschreiben können damit als Amtshandlungen gewertet werden, die letztlich auf die Durchsetzung des Abgabenanspruches abzielten.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es für die Unterbrechungswirkung einer Amtshandlung nicht darauf ankommt, ob diese Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet war und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte (). Es ist daher nicht zu untersuchen ob der vom Zollamt erachtete Konnex zwischen einerseits Stundungsansuchen und andererseits Nachsichtsansuchen (ein solcher besteht etwa insofern, als ein Stundungsansuchen abzuweisen ist, wenn die betreffende Abgabenschuld durch die Gewährung einer Nachsichtsmaßnahme bereits erloschen ist) tatsächlich im vermeinten Ausmaß bestand.
Damit steht fest, dass alle in § 238 Abs. 2 BAO geforderten Voraussetzungen erfüllt sind und dem geltend gemachten Einwand, es sei Einhebungsverjährung eingetreten, keine Berechtigung zukommt.
Denn die in Rede stehenden Abgaben wurden nach der o.a. Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates im Jahr 2005 fällig und die in § 238 Abs. 1 genannte Frist von fünf Jahren begann zu laufen. Der Vorlageantrag des Jahres 2006 bewirkte eine Unterbrechung und hatte zur Folge, dass die Frist neu zu laufen begann. Es wäre daher per Einhebungsverjährung eingetreten, wenn nicht zuvor (nämlich durch die oben erwähnten Urgenzschreiben des Jahres 2011) eine neuerliche Unterbrechung stattgefunden hätte. Da diesen Amtshandlungen aus den oben genannten Gründen unterbrechende Wirkung zuzuschreiben ist, begann die fünfjährige Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2011 wiederum neu zu laufen. Die Zahlungsaufforderung vom ist somit fristgerecht ergangen.
Das Zollamt Wien hat im angefochtenen Abrechnungsbescheid daher zu Recht festgestellt, dass die Verpflichtung zur Entrichtung des im Bescheid genannten Abgabenrückstandes nicht erloschen ist."
Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision damit, zur Frage, ob einem Vorlageantrag (gemeint: Vorlagebericht) bzw. einem Urgenzschreiben im gegebenen Zusammenhang Unterbrechungswirkung zukomme, bestehe - soweit ersichtlich - keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.
3 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision teilt die Beurteilung des Gerichts in der Frage ihrer Zulässigkeit nach Art. 133 Abs. 4 B-VG und fügt dem nur Ausführungen zur Relevanz bei, dass, wenn die in Rede stehenden Handlungen in den Jahren 2006 und 2011 keine Unterbrechungswirkungen entfaltet hätten, spätestens mit Ende des Jahres 2011 Einhebungsverjährung eingetreten wäre.
Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses sieht die Revisionswerberin darin, die einzige wirksame und jederzeit mögliche Unterbrechungshandlung für das Zollamt wäre die Erledigung des Stundungsansuchens gewesen. Das Zollamt habe erst am - und sohin nach Eintritt der Einhebungsverjährung - die Abweisung des Stundungsansuchens verfügt. Eine nach Ablauf der Einhebungsverjährung gesetzte Amtshandlung könne nicht mehr zur Unterbrechung der Verjährung führen. Weder ein Vorlagebericht noch eine E-Mail von Zollbeamten an den Sachbearbeiter des unabhängigen Finanzsenates verfolge den Zweck oder seien geeignet, den Abgabenanspruch durchzusetzen, weil diese Amtshandlungen in keinem Zusammenhang mit der Einhebung der Abgabe stünden. Die in Rede stehenden Amtshandlungen mögen zwar in Zusammenhang mit dem Abgabenanspruch gestanden haben, sie seien jedoch nicht völlig losgelöst von einem bestimmten Abgabenschuldner oder Abgabenanspruch erfolgt. Dennoch müsse dem Gesetzeswortlaut "zur Durchsetzung des Anspruches" mehr Bedeutungsinhalt beigemessen werden als nur ein erkennbarer Zusammenhang mit einem bestimmten Abgabenschuldner oder -anspruch. Weder der Vorlagebericht im Jahr 2006 noch die E-Mails im Jahr 2011 stellten daher eine Unterbrechungshandlung gemäß § 238 Abs. 2 BAO für die Einhebung der seit 2005 fälligen Abgabe dar. Die Einhebungsverjährung sei sohin Ende 2010 eingetreten und der Abgabenbetrag gemäß § 238 BAO zu löschen. Wohl stehe dem Erkenntnis des unabhängigen Finanzsenates vom die bereits eingetretene Einhebungsverjährung nicht entgegen, diese sei durch § 209a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 BAO "geschützt und könne ergehen". Ungeachtet dessen gehe die Entscheidung ins Leere, weil der bezughabende Abgabenanspruch in Folge Einhebungsverjährung bereits erloschen sei. Ob die zwischenzeitig erloschene Abgabe nachgesehen worden wäre oder nicht, interessiere diesfalls nicht mehr. Durch die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom beginne die Frist für die Einhebungsverjährung gemäß § 238 Abs. 1 BAO nicht neu zu laufen, weil die Abgabe durch die Entscheidung nicht fällig geworden sei. Auch liege kein Hemmungstatbestand gemäß § 238 Abs. 3 BAO vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
4 Im Revisionsfall ist die Frage zu beantworten, ob den in Rede stehenden Amtshandlungen der Abgabenbehörde, nämlich dem Vorlagebericht des Zollamtes an den unabhängigen Finanzsenat vom und mehreren E-Mails des Zollamtes an den unabhängigen Finanzsenat zwischen Juni und Dezember 2011 zum Zwecke der Urgenz einer Erledigung des Billigkeitsverfahrens Unterbrechungswirkung nach § 238 Abs. 2 BAO zukommt.
5 Gemäß § 238 Abs. 1 BAO in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 124, verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist.
Nach Abs. 2 leg.cit. wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
6 Nach der - vom Bundesfinanzgericht zutreffend referierten - ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es für die Unterbrechungswirkung einer Amtshandlung nach § 238 Abs. 2 BAO, dass sie nach Außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet war und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte (vgl. das vom Gericht zitierte Erkenntnis vom , 2005/16/0095, sowie etwa die Erkenntnisse vom , 2010/16/0264, 2010/16/0265, vom , 2010/13/0153, und die in Ritz, BAO6, unter Rz 15 zu § 238 BAO wiedergegebene Judikatur sowie die aaO unter Rz 13 genannten Beispiele).
7 § 238 Abs. 2 BAO nennt als Fall einer nach außen erkennbaren Amtshandlung demonstrativ u.a. die Bewilligung einer Zahlungserleichterung. Aufgrund eines Größenschlusses ist davon auszugehen, dass auch einer - allenfalls im Instanzenzug erfolgten - Versagung einer Nachsicht nach § 236 BAO Unterbrechungswirkung nach § 238 Abs. 2 BAO zukommt; kommt einer solchen Entscheidung Unterbrechungswirkung zu, so kommt sie auch allen auf die Herbeiführung einer solchen Entscheidung im Nachsichtsverfahren abzielenden Amtshandlungen der Abgabenbehörde zu, mögen sie auch dem Abgabenschuldner nicht zur Kenntnis gelangen oder nicht unmittelbar von Erfolg gekrönt sein.
8 Darin liegt auch keine für den Abgabenschuldner unbillige Verzögerung der Rechtsdurchsetzung (zum Telos der Verjährung vgl. etwa Stoll, Kommentar zur BAO Band 3, 2456, iVm. Band 2, 2157), hat doch dieser das Nachsichtansuchen erhoben und wäre andernfalls die Abgabenbehörde gehalten, die Abgabenschuld jedenfalls innerhalb der Frist des § 238 Abs. 1 BAO ungeachtet des anhängigen Verfahrens über das Nachsichtsansuchen des Schuldners, gegebenenfalls auch schon vor dessen rechtskräftiger Erledigung einzuheben.
9 Somit sind auch die in Rede stehenden Amtshandlungen der Abgabenbehörde in den Jahren 2006 und 2011, die auf die Erledigung des Nachsichtsansuchens gerichtet waren, mit Unterbrechungswirkung nach § 238 Abs. 2 BAO versehen.
10 Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
11 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018160016.J00 |
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