VwGH vom 02.02.2010, 2009/15/0026

VwGH vom 02.02.2010, 2009/15/0026

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2007/13/0127 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Feldkich in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0428-F/07, betreffend Einkommensteuer 2006 (mitbeteiligte Partei: C Ü in H), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

In seiner Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 brachte der Mitbeteiligte u.a. vor, im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen sei auf die 100%-ige Invalidität seines Sohnes DC - für diesen wird gemäß § 8 Abs 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt - Bedacht zu nehmen. Der Sohn habe ab September 2006 das Schulheim M besucht. Der Mitbeteiligte habe hiefür Schulgeld zahlen müssen.

Unter einem legte der Mitbeteiligte Rechnungen über die Entrichtung des Schulgeldes von insgesamt 1.227,39 EUR vor.

In der Berufungsvorentscheidung wurden der monatliche Freibetrag gemäß § 5 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303, sowie das Schulgeld gemäß § 5 Abs 3 der Verordnung zwar dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anerkannt, aber mit dem erhaltenen Pflegegeld von monatlich 801,52 EUR gegenverrechnet, sodass sich keine steuerliche Auswirkung ergab.

Nach der Einbringung eines Vorlageantrages entschied die belangte Behörde über die Berufung. Dabei anerkannte sie das Schulgeld in vollem Ausmaß als außergewöhnliche Belastung. Zur Begründung wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, das Finanzamt habe nicht nur in Bezug auf den Pauschbetrag von monatlich 262 EUR, sondern auch in Bezug auf das Schulgeld für das Schulheim M eine Gegenrechnung mit dem Pflegegeld durchgeführt. Dies stehe im Widerspruch zum Wortlaut des § 5 Abs 3 der Verordnung BGBl 1996/303, der von bestimmten Aufwendungen spreche, die zusätzlich zum gegebenenfalls verminderten Pauschbetrag nach § 5 Abs 1 der Verordnung zu berücksichtigen seien, wobei eine Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld ausdrücklich nicht vorgesehen sei. Explizit handle es sich bei den genannten Aufwendungen u. a. um Entgelte für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule.

Das Schulgeld im Betrag von 1.227,39 EUR sei daher ohne Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld einkommensmindernd in Ansatz zu bringen.

Gegen diesen Bescheid hat das Finanzamt gemäß § 292 BAO Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. In der Beschwerde wird vorgebracht, der Sohn des Mitbeteiligten habe im Jahr 2006 das Schulheim M besucht, dies sei eine Landessonderschule für körper- und mehrfachbehinderte Kinder. In dieser Schule kämen die Lehrpläne für Haupt- und Volksschulen ebenso zum Tragen wie die der allgemeinen Sonderschulen. Das Schulheim M sei primär als Sonder- oder Pflegeschule zu beurteilen, welche die Förderung im Bereich der Kulturtechniken, im sozial-emotionalen und im musischen Bereich umfasse.

Nach dem Wortlaut des § 1 Abs 3 der Verordnung BGBl. 1996/303 seien nur Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um pflegebedingte Geldleistungen (insb Pflegegeld) zu kürzen. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass alle anderen Mehraufwendungen, also auch die in § 5 Abs 3 der Verordnung erfassten Aufwendungen für Sonder- oder Pflegeschulen, sehr wohl um das Pflegegeld zu kürzen seien. Die Aktivitäten des Schulheimes M seien darauf ausgerichtet, die Kinder auf ein selbstbestimmtes und bedürfnisorientiertes Leben vorzubereiten. Die Aufgabenstellung der Schule decke sich somit mit den Zielen, welche mit der Gewährung von Pflegegeld verfolgt würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 34 Abs 1 Satz 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.

§ 34 Abs. 6 leg. cit. idF des AbgÄG 1997, BGBl. I 1998/9, lautet:

"(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:


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Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
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Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
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Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."
Auf Grund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung BGBl. 1996/303, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen


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durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
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bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988) oder
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bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

(2) ...

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

...

§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

(2) Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.

(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Der Aufbau der Verordnung BGBl. 1996/303 stellt sich wie folgt dar: die §§ 1 bis 4 der Verordnung finden Anwendung auf den sich aus § 1 Abs 1 ergebenden Personenkreis, der § 5 der Verordnung hingegen auf den sich aus § 5 Abs 1 ergebenden Personenkreis. Die §§ 6ff finden auf beide dieser Personenkreise Anwendung.

Zu dem in § 1 Abs 1 der Verordnung genannten Personenkreis zählen - unter der Voraussetzung eines Anspruches auf Kinderabsetzbetrag oder Unterhaltsabsetzbetrag - Personen mit einem Kind, für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 4 FLAG 1967 gewährt wird (3. Teilstrich).

§ 5 Abs 1 der Verordnung erfasst hingegen Personen mit einer unterhaltsberechtigten Person, für die gemäß § 8 Abs 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird.

Auf den Mitbeteiligten findet in Bezug auf seinen Sohn - im Hinblick auf die Gewährung erhöhter Familienbeihilfe - unzweifelhaft § 5 der Verordnung Anwendung. Solcherart wird er nicht von § 1 der Verordnung erfasst.

Aus § 5 Abs 1 und 3 der Verordnung ergibt sich die Regelung, dass die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zwar vom Pauschbetrag nach § 5 Abs 1 in Abzug zu bringen ist, nicht aber vom "Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte" und auch nicht von jenen Aufwendungen, für deren Erfassung sich § 5 Abs 3 der Verordnung der Technik der Bezugnahme auf § 4 der Verordnung ("Aufwendungen gemäß § 4") bedient.

Es ist sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die Aufwendungen für eine Sonder- oder Pflegeschule nicht um bezogene pflegebedingte Geldleistungen gekürzt hat (vgl auch Doralt, EStG11, § 35 Tz 18).

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am