VwGH vom 20.12.2016, Ro 2014/15/0045
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2014/15/0057
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Finanzamts Graz-Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorf Straße 14-18, gegen
1. das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100744/2013, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Feststellung einer Unternehmensgruppe (hg. Zl. Ro 2014/15/0045) und
2. den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100749/2013, betreffend Gegenstandsloserklärung (einer Beschwerde gegen die Feststellung des Nichtbestehens einer Unternehmensgruppe; hg. Zl. Ra 2014/15/0057),
(mitbeteiligte Parteien jeweils: 1. Bgesellschaft mbH in F, und
2. Agesellschaft mbH in S, beide vertreten durch die Consultatio Revision und Treuhand Steuerberatung GmbH Co KG in 1210 Wien, Karl-Waldbrunner-Platz 1),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision gegen den zweitangefochtenen Beschluss wird zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Das erstangefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom entsprach das Finanzamt dem Antrag vom auf Feststellung einer Gruppe gemäß § 9 Abs. 8 KStG 1988 zwischen der A GmbH als Gruppenträger und der B GmbH als Gruppenmitglied ab dem Jahr 2008.
2 Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 2005 bis 2009 kam der Prüfer zur Ansicht, dass die gesamte Betätigung der B GmbH als Liebhaberei iSd § 1 Abs. 2 Z 1 LVO zu beurteilen sei.
3 Mit Bescheid vom nahm das revisionswerbende Finanzamt das Verfahren hinsichtlich der Feststellung einer Gruppe gemäß § 9 Abs. 8 KStG 1988 wieder auf. Mit Bescheid gleichen Datums wurde festgestellt, dass eine Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG 1988 zwischen der A GmbH und der B GmbH (ab der Veranlagung 2008) nicht bestehe. Begründend führte das Finanzamt aus, im Zuge einer Außenprüfung sei hervorgekommen, dass die Betätigung der B GmbH in ihrer Gesamtheit Liebhaberei darstelle. Mangels Vorliegens von Einkommen könne die B GmbH nicht Gruppenmitglied einer Unternehmensgruppe sein.
4 In Berufungen u.a. gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung einer Gruppe und gegen den neuen Nichtfeststellungsbescheid einer Gruppe wandte sich die mitbeteiligte B GmbH mit umfangreichen Ausführungen gegen die Beurteilung ihrer Betätigung als Liebhaberei iSd § 1 Abs. 2 Z 1 LVO.
5 Mit dem erstangefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung einer Unternehmensgruppe mit der Begründung statt, dass es für das Bestehen einer Unternehmensgruppe ohne Belang sei, ob die Betätigung des Gruppenmitgliedes Liebhaberei darstelle oder nicht. Im Falle von Liebhaberei könnten dem Gruppenträger "Einkünfte von Null" zugerechnet werden. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die zur Zl. Ro 2014/15/0045 protokollierte ordentliche Revision.
7 Die mitbeteiligte B GmbH erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie zunächst auf ihre schon im Beschwerdeverfahren vertretene Auffassung hinwies, dass im Revisionsfall nicht von Liebhaberei auszugehen sei. Weiters trat sie der Ansicht des Bundesfinanzgerichts zum Vorliegen einer Unternehmensgruppe trotz Liebhabereieigenschaft des einzigen Gruppenmitgliedes bei.
8 Mit dem zweitangefochtenen Beschluss erklärte das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamts betreffend Feststellung des Nichtbestehens einer Unternehmensgruppe gemäß § 261 Abs. 2 BAO für gegenstandslos. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides sei auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid beseitigt worden. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die zur Zl. Ra 2014/15/0057 protokollierte außerordentliche Revision.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach Art. 133 Abs. 9 B-VG sind die für Erkenntnisse geltenden Bestimmungen auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sinngemäß anzuwenden.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis (Beschluss) ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 (und Abs. 5) VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
12 Nach § 34 Abs. la VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Das Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision vor, es sei die Frage zu klären, ob für den Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof der vom Finanzamt erhobenen Amtsrevision gegen den Wiederaufnahmebescheid Folge gebe, die mit Beschluss gemäß § 261 BAO gefasste Gegenstandsloserklärung ex lege aus dem Rechtsbestand trete oder der Beschluss betreffend die Gegenstandsloserklärung wegen Rechtswidrigkeit eigenständig mittels Revision bekämpft werden müsse.
14 Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung eines angefochtenen Erkenntnisses bzw. Beschlusses die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bzw. Beschlusses befunden hat. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet nicht nur, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung der aufgehobenen Entscheidung und ihrer Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob das aufgehobene Erkenntnis bzw. der aufgehobene Beschluss von Anfang an nicht erlassen worden wäre, sondern hat auch zur Folge, dass allen Rechtsakten, die während der Geltung der sodann aufgehobenen Entscheidung auf deren Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wird; solche Rechtsakte gelten infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit diesem dann als beseitigt, wenn sie mit der aufgehobenen Entscheidung in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang stehen (vgl. bereits zur neuen Rechtslage ab ).
15 Im Revisionsfall kann kein Zweifel daran bestehen, dass der (zweitangefochtene) Beschluss des Bundesfinanzgerichts, mit dem die Beschwerde gegen den (Nicht )Feststellungsbescheid Gruppe für gegenstandslos erklärt wurde, in einem untrennbaren Verfahrenszusammenhang mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens aufhebenden (erstangefochtenen) Erkenntnis steht und im Falle dessen Aufhebung mit aus dem Rechtsbestand beseitigt wird.
16 Die zur Zl. Ra 2015/15/0057 erhobene Revision wirft somit keine Rechtsfragen auf, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Zur Revision gegen das erstangefochtene Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
18 Liebhaberei kann auch bei Körperschaften vorliegen, die gemäß § 7 Abs. 3 KStG 1988 kraft Rechtsform Einkünfte aus Gewerbebetrieb haben (vgl. zur Liebhabereiverordnung BGBl. Nr. 33/1993 , vom , 2006/13/0140, und vom , 2007/13/0029, sowie Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG,§ 7 Tz 40ff).
19 Eine Zurechnung von Liebhabereiergebnissen an den Gruppenträger würde nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen zu einer Zurechnung einer rechnerischen Null führen. Fraglich ist aber, ob die Einordnung der (gesamten) Tätigkeit des Gruppenmitglieds als Liebhaberei zwangsweise zu deren Ausscheiden aus der Unternehmensgruppe führt.
20 Bei der Interpretation einer Gesetzesnorm ist auf den Wortsinn und insbesondere auch auf den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen (vgl. , VwSlg. 8672/F). Erläuterungen zur Regierungsvorlage können im Rahmen der Interpretation des Gesetzes einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzes bieten (vgl. mit weiteren Nachweisen ).
21 § 7 Abs. 1 KStG 1988 ordnet im Sinne einer Individualbesteuerung an, dass der Körperschaftsteuer das Einkommen zugrunde zu legen ist, das der unbeschränkt Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.
22 Nach § 9 Abs. 1 KStG 1988 (idF StReformG 2005, BGBl I Nr. 57/2004) können abweichend von § 7 KStG 1988 finanziell verbundene Körperschaften (Abs. 2 bis 5 leg. cit.) nach Maßgabe des Abs. 8 leg. cit. eine Unternehmensgruppe bilden. Dabei wird das steuerlich maßgebende Ergebnis des jeweiligen Gruppenmitglieds (Abs. 6 und Abs. 7 leg. cit.) dem steuerlich maßgebenden Ergebnis des beteiligten Gruppenmitglieds bzw. Gruppenträgers jenes Wirtschaftsjahres zugerechnet, in das der Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahres des Gruppenmitgliedes fällt.
23 Mit der Abweichung von § 7 KStG 1988 ist das Abgehen vom Prinzip der Individualbesteuerung gemeint (vgl. die ErläutRV zum StRefG 2005, 451 BlgNR 22. GP 15, sowie z.B. Vock in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, KStG 1988, 26. Lfg, § 9 Tz 53). Gewinne und Verluste von Mutter- und Tochtergesellschaften können durch Bildung einer Unternehmensgruppe miteinander ausgeglichen werden, wodurch sich die Steuerbelastung verringern kann (vgl. Wiesner/Kirchmayr/Mayr, Gruppenbesteuerung2, 2).
24 Gemäß § 9 Abs. 6 Z 1 KStG 1988 (idF AbgÄG 2004, BGBl I Nr. 180/2004) gilt als Ergebnis eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieds das Einkommen unter Berücksichtigung der Z 4 leg. cit. Durch die Verwendung des Begriffes "Einkommen" sollte klargestellt werden, dass das Einkommen von unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedern nach § 7 Abs. 2 KStG 1988 zu ermitteln ist (vgl. die ErläutRV zum AbgÄG 2004, 686 BlgNR 22. GP 18). Das Regime der Gruppenbesteuerung ist damit nach der Gesetzessystematik auf die Einkünfte werbender Körperschaften im Sinne des § 7 KStG 1988 ausgerichtet (vgl. ).
25 Somit sprechen schon Gründe der Gesetzessystematik gegen die Ansicht des Bundesfinanzgerichts, wonach eine Unternehmensgruppe auch zwischen einem Gruppenträger und einer lediglich eine Liebhabereitätigkeit ausübenden Körperschaft als einziges Gruppenmitglied gebildet werden könne. Dass die Einkünfte eines Gruppenmitglieds, dessen Gesamttätigkeit als Liebhaberei beurteilt wurde, mit Null festgestellt werden könnten, ist - worauf das revisionswerbende Finanzamt zu Recht hinweist -, zum einen schon methodisch verfehlt, weil diesfalls richtigerweise ausgesprochen werden müsste, dass Einkünfte nicht vorliegen. Vor allem aber liefe die Anerkennung einer derartigen Unternehmensgruppe dem Sinn und Zweck der Gruppenbesteuerung zuwider, der wie oben ausgeführt gerade darin besteht, Gewinne und Verluste von Mutter- und Tochtergesellschaft auszugleichen.
26 Schließlich widerspricht der Ausschluss einer "Liebhabereigesellschaft" aus dem Regime der Gruppenbesteuerung auch nicht dem Gesetzeswortlaut, auf den alleine das Bundesfinanzgericht seine Entscheidung gestützt hat. Gemäß § 9 Abs. 1 KStG 1988 in der Fassung nach dem StRefG 2005 können finanziell verbundene Körperschaften nach Maßgabe des Abs. 8 eine Unternehmensgruppe bilden. Abs. 8 spricht ausdrücklich davon, dass der Gruppenantrag vor dem Ablauf jenes Wirtschaftsjahres jeder einzubeziehenden inländischen Körperschaft unterfertigt werden muss, für das die Zurechnung des "steuerlich maßgebenden Ergebnisses" erstmalig wirksam sein soll. Somit geht auch die Bestimmung, die die Bildung einer Unternehmensgruppe regelt, implizit davon aus, dass Gruppenmitglieder "steuerlich maßgebende Ergebnisse" erzielen, was auf Körperschaften, die ausschließlich eine Liebhabereitätigkeit ausüben, nicht zutrifft.
27 Der Verwaltungsgerichtshof gelangt daher zum Ergebnis, dass eine Körperschaft, deren gesamte Tätigkeit als Liebhaberei anzusehen ist, nicht Gruppenmitglied iSd § 9 Abs. 2 KStG 1988 sein kann.
28 Das Bundesfinanzgericht hat daher insoweit die Rechtslage verkannt, sodass das erstangefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Wien, am