VwGH vom 20.12.1972, 2340/71

VwGH vom 20.12.1972, 2340/71

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter. Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde der M. & Co. in G, vertreten durch Dr. Peter Böhm, Rechtsanwalt in Graz, Annenstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 63-II/71, betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Finanzlandesdirektion für Steiermark) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 2.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund der Ergebnisse einer im August 1970 durchgeführten Lohnsteuerprüfung erließ das Finanzamt G. einen Haftungs- und Zahlungsbescheid, mit dem Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe nachgefordert wurden. Dieser Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin ausschließlich in einem Punkt angefochten, nämlich soweit er die Nachforderungen betraf, die sich auf die Bezüge jugoslawischer Fach- und Hilfsarbeiter bezogen, die im Prüfungszeitraum von der Beschwerdeführerin beschäftigt worden waren. Im Bericht des Lohnsteuerprüfers war zu diesem Punkt u.a. ausgeführt worden, der Prokurist der Beschwerdeführerin, Dipl.-Ing. R., habe erklärt, daß die jugoslawischen Arbeiter von der Fa. K, Marburg, auf Grund einer Vereinbarung zur Verfügung gestellt worden seien. Es handle sich nicht um Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin, sondern um Arbeitnehmer der Firma K, dies gehe auch aus der Vereinbarung und der Rechnungslegung der angeführten Firma hervor. Im Prüfungsbericht wird dazu weiter ausgeführt, daß auf Grund der Feststellungen die Firma K keinen bestimmten Auftrag zur selbständigen Ausführung von Arbeiten übernommen habe. Anhand von Rechnungen sei ermittelt worden, daß auch im Jahre 1966 jugoslawische Arbeiter durch die Firma K an die Beschwerdeführerin vermittelt worden seien, für die die angeführte Firma eine "Leihgebühr" von S 4,60 pro Arbeitsstunde in Rechnung gestellt habe. Diese Arbeiter seien als Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin behandelt worden. Die jugoslawischen Arbeiter hätten im Rahmen der Baustellen der Beschwerdeführerin anfallende Arbeiten nach den Anordnungen der Bauleiter bzw. Poliere der Beschwerdeführerin zu verrichten. Wenn auch auf Grund der Vereinbarung die Bezüge der jugoslawischen Arbeiter nicht direkt an diese von der Beschwerdeführerin ausbezahlt würden, so müsse trotzdem die Beschwerdeführerin als Arbeitgeber angesehen werden. Denn Arbeitgeber im Sinne des § 36 Abs. 1 EStG sei jeder, der Bezüge im Sinne des § 19 EStG auszahle, wobei jedoch eine bloße manipulative Handlung des Auszahlenden (Firma K) diesen noch nicht zu einem Arbeitgeber mache. Der Arbeitgeber müsse vielmehr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Aufwand auch wirtschaftlich tragen. Die Lohnsteuerberechnungen seien im Wege der Pauschalierung gemäß § 78 Abs. 3 EStG vorgenommen worden. In der Berufung wurde insbesondere auf eine Vereinbarung vom mit der Firma K hingewiesen, die in Photokopie vorgelegt worden sei. Die Vereinbarung vom hat folgenden Wortlaut:

"1. Das Bauunternehmen K aus Maribor, stellt und die Firma M. & Co., in G übernimmt für die Bauarbeiten auf den Baustellen in J und G von der erstgenannten Firma eine Gruppe von 15 Baufacharbeitern.

2. Der Arbeitseinsatz dieser Gruppe dauert von August bis Ende Dezember 1969. Eine Absage kann aus begründeter Ursache beiderseits erfolgen, doch erst nach einer 15tägigen Frist, wenn sie schriftlich dem Partner angekündigt wurde.

3. Es wurde für die Regiestunden von qualifizierten Arbeitern ein Preis zu S 41,50 und für die Bauhilfsarbeiter zu S 38,50 vereinbart. Die Überstunden, die über 45 Stunden in der Woche hinausgehen, werden mit S 12,50 pro Stunde verrechnet.

4. Kollektivvertraglich zu zahlende Erschwerniszulagen werden auf der Basis des Stundenlohnes für Facharbeiter, das sind S 16,50 pro Stunde errechnet.

5. Wird im Akkord oder Prämiensystem gearbeitet, so werden von der Firma M. & Co. die Überschüsse in Stunden bekanntgegeben. Die Überschußstunde wird mit einem mittleren Preis, der alle Zuschläge beinhaltet, von S 20,75 /50 % x 41,50/ und S 19,25 /50%

x 28,50/ verrechnet.

6. Für die Überstellungszeit von einer Baustelle auf die andere, werden die dazu gebrauchten Stunden als regiestunden betrachtet und werden mit dem vereinbarten Regiestundenpreis der Firma M. & Co. verrechnet.

7. Die Arbeiter der Firma K werden nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen förderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit /Art. 8 Punkt a/ in Jugoslawien sozialversichert. Die Lohnverrechnung erfolgt durch die Firma K. Firma M. & Co. verpflichtet sich, die wöchentlichen Lohnvorschüsse, sowie die Lohnrestzahlungen für den vergangenen Monat an den Vertreter der Firma K gegen Bestätigung auszuzahlen. Diese Beträge werden monatlich bei der Rechnungslegung abgesetzt.

8. Firma M. & Co. streckt die Kosten für die ärztliche Behandlung sowie für den eventuellen Krankenhausaufenthalt der Arbeiter vor und verrechnet diese Kosten monatlich mit der Firma K.

9. Die Unterbringung der Arbeiter ist in den Wohnungen der Firma M. & Co. direkt an die Arbeiter vergütet.

10. Wenn die Arbeiter mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Baustelle fahren müssen, dann werden diese Kosten von der Firma M. & Co. direkt an die Arbeiter vergütet.

11. Firma M. & Co. verpflichtet sich, die Baustellen nach den österreichischen Sicherheitsvorschriften einzurichten und für die Arbeiter der Firma K die Erste Hilfe sicherzustellen.

12. Die Rechnungslegung erfolgt moantlich nach den von beiden Seiten bestätigten Regiestunden.

Als Zweck der Vereinbarung wurde in der Berufung die Entsendung von Bauarbeitern in Regie nach Österreich angeführt, wobei die Arbeiter nicht namentlich genannt gewesen seien. Daher könne mit diesen auch kein Dienstvertrag zustandegekommen sein. Die Arbeitnehmer der Firma K seien disziplinär nicht dem jeweiligen Bauleiter der Beschwerdeführerin, sondern der Firma K unterstellt gewesen. Sie hätten diese Arbeitnehmer weder entlassen noch sonstige Veranlassungen treffen können, sondern nur die Firma K verständigen, daß sie die Arbeitskräfte abziehe. Von der Firma K sei mindestens wöchentlich ein Aufsichtsorgan nach Österreich gekommen, welches diese Angelegenheiten erledigte. Zu den Aufgaben des Aufsichtsorganes gehörten auch das Inkasso der Rechnungsbeträge bei der Beschwerdeführerin und das Auszahlen der Löhne an die Dienstnehmer der Firma K auf Grund der in Marburg erstellten Lohnverrechnung. Die Dienstnehmer seinen nicht in den Betriebsorganismus der Beschwerdeführerin eingegliedert gewesen und könnten daher auch aus diesem Grunde nicht als ihre Dienstnehmer betrachtet werden. Weiters wurde in diesem Zusammenhang auf einen Bescheid des Arbeitsamtes J und auf das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit, BGBl. Nr. 289/1966, Abschnitt I Art. 8 lit. a hingewiesen.

Die Firma K sei hinsichtlich der beigestellten Arbeitskräfte nicht Vermittler, sondern Vertragspartner der Beschwerdeführerin gewesen. Sie habe die Arbeitskräfte aus ihrem Stammpersonal zur Verfügung gestellt und müsse daher als Subunternehmer des Unternehmens der Beschwerdeführerin betrachtet werden.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Das Abkommen über die soziale Sicherheit mit Jugoslawien gelte gemäß dem Art. 2 nicht für den steuerlichen Rechtsbereich. Außerdem seien dort keine Definitionen der Begriffe Dienstnehmer und Dienstgeber enthalten. Für die steuerliche Beurteilung der Art des Beschäftigungsverhältnisses sei daher nach wie vor das Einkommensteuergesetz maßgebend. Die Beschwerdeführerin habe auf Grund vertraglicher Abmachungen von der Marburger Firma K für Arbeiten eine Gruppe von 15 Baufacharbeitern übernommen, diese seien auf verschiedenen Baustellen der Beschwerdeführerin verwendet worden. Die jugoslawischen Bauarbeiter hätten die gleiche Arbeit unter den gleichen Bedingungen wie die inländischen Arbeiter zu leisten. Sie seien an die Arbeitszeit des Betriebes gebunden, von den Organen der Beschwerdeführerin (Bauleiter, Poliere) beaufsichtigt worden und seien verpflichtet gewesen, den Weisungen der Beschwerdeführerin nachzukommen. Auch bei der Festsetzung der Entlohnung sei auf die Vorschriften des geltenden Kollektivvertrages geachtet worden. Lediglich die Lohnzahlung selbst sei im Ausland erfolgt. Durch diese vertraglichen Abmachungen über die Lohnzahlung könne jedoch die gesetzliche Pflicht der Beschwerdeführerin zur Einbehaltung und Entrichtung der Lohnsteuer sowie zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe nicht berührt werden.

Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweise, daß sie die jugoslawischen Arbeiter nicht entlassen, sondern nur die Firma K in Marburg verständigen habe können, damit diese die Arbeiter abziehe, so stelle dies eine besondere Form der Kündigung dar, die auf Grund des dispositiven Kündigungsrechtes ohne weiters rechtlich möglich sei.

Auch der Hinweis, daß die Beschwerdeführerin nicht einmal die Namen der jugoslawischen Arbeiter gekannt habe, spreche nicht gegen das Bestehen eines Dienstverhältnisses, da diese Arbeiter unter der Leitung und Aufsicht der Beschwerdeführerin tätig gewesen seien und die Feststellung der persönlichen Daten der Arbeitnehmer daher leicht möglich gewesen wäre. Da bei den inländischen Arbeitnehmern, die unter den gleichen Verhältnissen wie die jugoslawischen Arbeitnehmer von der Beschwerdeführerin beschäftigt werden, das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nicht ernstlich bestritten werden könne, bestehe kein begründeter Anlaß, das Beschäftigungsverhältnis der jugoslawischen Arbeiternehmer abweichend zu beurteilen. Damit sei die Beschwerdeführerin auch als Arbeitgeberin der jugoslawischen Arbeiter anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 EStG ist Arbeitgeber im Sinne des Einkommensteuergesetzes, wer Bezüge im Sinne des § 19 EStG auszahlt. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in einer Reihe von Erkenntnissen (vgl. Erkenntnisse vom , Zl. 1963/56, vom , Zl. 1617/60, Slg. Nr. 2768/F, vom , Zl. 1688/66, Slg. Nr. 3592/F, und vom , Zl. 889/67, Slg. Nr. 3817/F) ausgesprochen hat, kann unter dem Begriff des Auszahlens der Bezüge nicht eine bloß manipulative Tätigkeit mit der Gebarung von Dienstbezügen verstanden werden. Als Arbeitgeber ist vielmehr derjenige anzusehen, der den Aufwand für die Dienstnehmer zu tragen hat.

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin mit der Firma K, Marburg, einen Vertrag abgeschlossen, nach dem diese für die Bauarbeiten auf den Baustellen in J und G der Beschwerdeführerin eine Gruppe von 15 Baufacharbeitern zu stellen hatte. Die Verrechnung erfolgte nach Regiestunden. Die Lohnzahlung und Lohnverrechnung für diese Arbeiter führte weiterhin die Firma K durch, die auch für die Sozialversicherung in Jugoslawien sorgte. Die Beschwerdeführerin hatte nach der in den Akten liegenden Vereinbarung vom keinen Einfluß auf die Höhe der an die einzelnen Arbeiter ausgezahlten Bezüge. Nach Auffassung des Gerichtshofes stellt die Vereinbarung vom einen Dienstverschaffungsvertrag (Dienstnehmeranstellungsvertrag) dar, durch den - zivilrechtlich - kein Dienstverhältnis zu demjenigen begründet wird, dem die Dienste verschafft werden. Es bleibt vielmehr das Dienstverhältnis zu demjenigen aufrecht, der die Dienste verschafft (vgl. Oberster Gerichtshof vom , 4 Ob 100/55, Arb Slg. Nr. 6329). Es liegt im Wesen des Dienstverschaffungsvertrages, daß die Dienste nicht für den Dienstgeber, sondern für denjenigen geleistet werden, dem sie verschafft werden (, ArbSlg. Nr. 7210). Aber auch wirtschaftlich betrachtet kann die Beschwerdeführerin nicht als Arbeitgeber dieser Facharbeitergruppe angesehen werden, weil die von ihr geleisteten Zahlungen nicht Arbeitslohn, sondern ein Entgelt für die Gestellung der Arbeitskräfte darstellten, aus denen die Firma K nicht nur die Löhne an diese Arbeiter zahlte, sondern - wie die von der belangten Behörde selbst zur Argumentation herangezogenen Vorgeschichte des Vertragsverhältnisses zeigt (in den Vorjahren wurde ein gesondertes Entgelt neben dem Ersatz der Löhne gezahlt) -

auch eine Entgeltzahlung für die in der Gestellung der Arbeitskräfte liegende Leistung der Firma K enthielt.

Die Firma K ist daher nicht bloß manipulativ als auszahlende Stelle tätig geworden, sondern hat aus dem vereinbarten Entgelt für die Arbeitergestellung auch den Aufwand für die Löhne dieser Arbeiter wirtschaftlich getragen. Sie hat damit zu erkennen gegeben, daß sie weiterhin für diese Arbeiter als Arbeitgeber anzusehen ist (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 125/66, Slg. Nr. 3528/F).

Da somit die Beschwerdeführerin nicht Arbeitgeber im Sinne des § 36 Abs. 1 EStG 1967 gewesen ist, war der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 führen mußte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 und auf der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 427, und insbesondere auf deren Art. IV Abs. 2.

Wien, am