VwGH vom 07.09.2021, Ra 2020/15/0062

VwGH vom 07.09.2021, Ra 2020/15/0062

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung in 8010 Graz, Burggasse 11-13, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100756/2019, betreffend Zurücknahme einer Beschwerde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit Haftungsbescheiden vom wurde im Gefolge einer Außenprüfung das Amt der Steiermärkischen Landesregierung als Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer der Jahre 2005 bis 2011 in Anspruch genommen.

2Eine dagegen gerichtete, „im Auftrag der Steiermärkischen Landesregierung“ eingebrachte sowie „Für die Steiermärkische Landesregierung“ unterfertigte Berufung (nunmehr Beschwerde) vom wies das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom als nicht zulässig zurück und führte zur Begründung aus, gemäß § 85 Abs. 1 EStG 1988 hätten Körperschaften öffentlichen Rechts die Lohnsteuer wie alle sonstigen Arbeitgeber einzubehalten. Obwohl § 85 EStG 1988 nur mit „Körperschaften öffentlichen Rechts“ überschrieben sei, richte sich die Bestimmung nicht nur an diese, sondern auch an die „öffentlichen Kassen“, denen in dieser Vorschrift ausdrücklich Rechte und Pflichten zugeschrieben würden und die damit den Körperschaften öffentlichen Rechts und allen anderen Arbeitgebern gleichgestellt würden. Durch die Bestimmung des § 85 EStG 1988 werde die Gebietskörperschaft als Arbeitgeber steuerrechtlich durch die öffentlichen Kassen verdrängt (Hinweis auf ).

3Dem vom Finanzamt in Anspruch genommenen Amt der Landesregierung komme steuerliche Rechtssubjektivität als Arbeitgeber insoweit zu, als es als öffentliche Kasse anzusehen sei. Aufgrund der dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Unterlagen sei davon auszugehen, dass das Amt der Steiermärkischen Landesregierung die verfahrensgegenständlichen Bezüge angewiesen, verrechnet und die gesetzlichen Abzüge vorgenommen habe.

4Das als Geschäftsapparat der Landesregierung und des Landeshauptmannes eingerichtete „Amt der Landesregierung“ komme zufolge der durch die Sondervorschrift des § 85 Abs. 1 Satz 2 EStG 1988 verliehenen Rechtsfähigkeit an Stelle der Gebietskörperschaft als rechtlich tauglicher Bescheidadressat im Sinne ihrer Eigenschaft als öffentliche Kasse in Betracht (Hinweis auf ).

5Gemäß § 246 Abs. 1 BAO sei zur Einbringung einer Beschwerde jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen sei. Im vorliegenden Fall sei zur Einbringung einer Beschwerde daher nur das Amt der Landesregierung legitimiert.

6Im Briefkopf der Beschwerde vom scheine zwar das „Amt der Landesregierung“ auf, jedoch lasse sich aus den Ausführungen in der Beschwerde nicht ableiten, dass die Beschwerde im Namen des Bescheidadressaten eingebracht worden sei. Ganz im Gegenteil gehe aus den Ausführungen klar und eindeutig hervor, dass die Beschwerde im Auftrag und für die Landesregierung eingebracht worden sei. Die Beschwerde sei somit nicht von dem Organ, dem gegenüber die Bescheide wirksam geworden seien, sondern von einem zur Einbringung der Beschwerde nicht berechtigten Organ eingebracht worden.

7Mit Erkenntnis vom , Ra 2018/15/0036, hob der Verwaltungsgerichtshof den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Er wies auf seine Rechtsprechung hin, wonach Parteierklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind. Es kommt also darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt.

8Im fortgesetzten Verfahren erließ das Bundesfinanzgericht einen Beschluss (Mängelbehebungsauftrag), in welchem es der revisionswerbenden Partei auftrug, bekanntzugeben, wem die Beschwerde zuzurechnen sei, und die Beschwerde vom mit einer Unterschrift zu versehen. In Bezug auf die fehlende Unterschrift führte es zur Begründung aus: „Es bedurfte keiner Erwägung, ob auch eine Ausfertigung in Form eines mit einer Amtssignatur gemäß § 19 E-Government-Gesetz versehenen elektronischen Dokuments das Schriftlichkeitserfordernis des § 85 Abs. 1 BAO erfüllt, denn auf der als Beschwerde zu wertenden Berufungsschrift vom befindet sich keine Bildmarke iSd § 19 Abs. 3 E-Government-Gesetz (vgl. ).“

9Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung gab dem Bundesfinanzgericht mit Schriftsatz vom bekannt, dass ihm die Beschwerde zuzurechnen sei. Zudem legte es eine (weitere) mit datierte Beschwerde vor. Diese enthält - ebenso wie die ursprünglich eingebrachte Beschwerde - auf der ersten Seite eine Bildmarke und den Vermerk: „Das elektronische Original dieses Dokumentes wurde amtssigniert. Hinweise zur Prüfung finden Sie unter https://as.stmk.gv.at.“

10Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss erklärte das Bundesfinanzgericht die Beschwerde für zurückgenommen und führte zur Begründung aus, aufgrund der Ausführungen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung im Schreiben vom sei die Beschwerde dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung zuzurechnen, jedoch sei die beschwerdeführende Partei dem Mängelbehebungsauftrag nicht nachgekommen; die „Berufungsschrift“ sei nicht unterschrieben. Es sei daher die als Beschwerde zu behandelnde Berufung vom gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss als zurückgenommen zu erklären.

11Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.

12Gegen diesen Beschluss wendet sich die außerordentliche Revision des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, in der zur Zulässigkeit u.a. ausgeführt wird, der angefochtene Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach ein Verbesserungsauftrag nur dann zu erlassen sei, wenn das Anbringen einen Mangel aufweise. Die amtssignierte Beschwerde vom habe in keinem Stadium des Verfahrens unter dem Mangel des Fehlens einer Unterschrift gelitten. Vielmehr habe die Beschwerde zunächst unter einer irrtümlich fehlerhaften Parteibezeichnung, das heißt einer fehlerhaften Fertigungsklausel gelitten, wobei die Unterschrift selbst den Erfordernissen einer Amtssignatur im Sinne des E-Government-Gesetzes entsprochen habe.

13Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

14Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15Die Revision ist zulässig und begründet.

16Die § 2 und 4 des Bundesgesetzes über elektronische Signaturen (Signaturgesetz-SigG) in der bei Einbringung der Beschwerde vom geltenden Fassung lauten auszugsweise:

㤠2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten

[...]

2.Signator: eine Person oder eine sonstige rechtsfähige Einrichtung, der Signaturerstellungsdaten und Signaturprüfdaten zugeordnet sind und die im eigenen oder fremden Namen eine elektronische Signatur erstellt;

3.fortgeschrittene elektronische Signatur: eine elektronische Signatur, die

a)ausschließlich dem Signator zugeordnet ist,

b)die Identifizierung des Signators ermöglicht,

c)mit Mitteln erstellt wird, die der Signator unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann, sowie

d)mit den Daten, auf die sie sich bezieht, so verknüpft ist, dass jede nachträgliche Veränderung der Daten festgestellt werden kann;

[...]

§ 4. (1) Eine sichere elektronische Signatur erfüllt das rechtliche Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift, insbesondere der Schriftlichkeit im Sinne des § 886 ABGB, sofern durch Gesetz oder Parteienvereinbarung nicht anderes bestimmt ist.“

17Die § 19 und 20 des E-Government-Gesetzes (E-GovG) in der bei Einbringung der Beschwerde vom geltenden Fassung BGBl. I Nr. 7/2008, lauten:

„Amtssignatur

§ 19. (1) Die Amtssignatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur im Sinne des Signaturgesetzes, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat ausgewiesen wird.

(2) Die Amtssignatur dient der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Auftraggeber des öffentlichen Bereichs. Sie darf daher ausschließlich von diesen unter den näheren Bedingungen des Abs. 3 bei der elektronischen Unterzeichnung und bei der Ausfertigung der von ihnen erzeugten Dokumente verwendet werden.

(3) Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur sind vom Auftraggeber des öffentlichen Bereichs bereitzustellen.

Beweiskraft von Ausdrucken

§ 20. Ein auf Papier ausgedrucktes elektronisches Dokument einer Behörde hat die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (§ 292 der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895), wenn das elektronische Dokument mit einer Amtssignatur versehen wurde. Die Amtssignatur muss durch Rückführung des Dokuments aus der ausgedruckten in die elektronische Form prüfbar oder das Dokument muss durch andere Vorkehrungen der Behörde verifizierbar sein. Das Dokument hat einen Hinweis auf die Fundstelle im Internet, wo das Verfahren der Rückführung des Ausdrucks in das elektronische Dokument und die anwendbaren Prüfmechanismen enthalten sind, oder einen Hinweis auf das Verfahren der Verifizierung zu enthalten.“

18In den Erläuterungen zur mit BGBl. I Nr. 7/2008 erfolgten Novelle des E-GovG wird u.a. ausgeführt (vgl. 290 BlgNR 23. GP):

„Durch die Novelle soll nun klargestellt werden, dass die Amtssignatur zumindest die Anforderungen einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur erfüllen muss. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass durch das entsprechende Attribut im Signaturzertifikat der Amtssignatur (OID der Verwaltung) keine qualifizierte Signatur notwendig ist und eine fortgeschrittene Signatur als ausreichend angesehen werden kann. [...] Für die Darstellung der Amtssignatur ist zwingend nun nur noch eine Bildmarke, die der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs als die seine im Internet veröffentlicht hat, und ein Hinweis, dass das Dokument amtssigniert wurde, nötig. Während die Bildmarke zur leichteren Erkennbarkeit der Herkunft des Dokumentes dient, bildet der zusätzliche Hinweis vor allem im Falle des Ausdrucks des amtssignierten Dokuments ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu Papierausfertigungen, die auf andere Art und Weise gefertigt wurden. Die Anforderung des Hinweises wird etwa schon dadurch erfüllt, dass am Schluss des Dokuments das Wort „amtssigniert“ angefügt wird.“

19Das Bundesfinanzgericht hat im fortgesetzten Verfahren ein Mängelbehebungsverfahren durchgeführt, in dem es die Revisionswerberin u.a. aufgefordert hat, die Beschwerde vom mit einer Unterschrift zu versehen. Dies mit der Begründung, dass sich auf der Beschwerde keine Bildmarke iSd § 19 Abs. 3 E-GovG befinde.

20Soweit das Bundesfinanzgericht den im Mängelbehebungsbeschluss vertretenen Standpunkt auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/16/0102, stützt, ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Anschluss an dieses Erkenntnis ausgesprochen hat, dass § 19 Abs. 3 E-GovG nicht entnommen werden kann, dass die Bildmarke an einer ganz bestimmten Stelle eines Dokumentes (etwa unter einem mit dem Hinweis auf die Amtssignierung) darzustellen ist. Dem Erfordernis des § 19 Abs. 3 E-GovG, die Amtssignatur auch durch die Bildmarke darzustellen, ist insbesondere auch dadurch entsprochen, dass sich die Bildmarke auf der ersten Seite des jeweiligen Dokuments findet. Dies vor dem Hintergrund, dass diese Art der Anbringung dem mit der Bildmarke verfolgten Ziel dient, die Herkunft des Dokuments leichter erkennbar zu machen. Ferner wird dem Erfordernis der Darstellung der Bildmarke auch dann entsprochen, wenn sich eine in Farbe gehaltene Bildmarke auf dem Ausdruck eines Dokuments in schwarz-weiß gehalten findet (vgl. ).

21Die in den Verwaltungsakten einliegende, mit einem Eingangsstempel des Finanzamts vom versehene Beschwerde vom enthält auf der ersten Seite (rechts oben) die von den dem Land Steiermark organisatorisch zugeordneten Behörden und Dienststellen verwendete Bildmarke und den Vermerk: „Das elektronische Original dieses Dokumentes wurde amtssigniert. Hinweise zur Prüfung finden Sie unter https://as.stmk.gv.at.“ Auf der letzten Seite der Beschwerde findet sich unter dem Namen des Abteilungsleiters weiters der Vermerk „(elektronisch gefertigt)“.

22Dass sich auf der Beschwerde vom keine Bildmarke iSd § 19 Abs. 3 E-GovG befindet, trifft daher - entgegen dem vom Bundesfinanzgericht vertretenen Standpunkt - nicht zu. Die Beschwerde vom weist auch alle weiteren in § 19 E-GovG normierten Anforderungen an eine Amtssignatur auf.

23Das Bundesfinanzgericht hat der revisionswerbenden Partei im fortgesetzten Verfahren u.a. aufgetragen, die Beschwerde vom mit einer Unterschrift zu versehen. Ein solcher Beschluss hätte nach dem Gesagten nicht ergehen dürfen, weil der Beschwerdeschriftsatz vom mit einer gültigen Amtssignatur versehen war und damit das Schriftlichkeitserfordernis des § 85 Abs. 1 BAO erfüllt hat.

24Wird einem rechtmäßigen Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen, so ist mit Bescheid auszusprechen, dass die Eingabe als zurückgenommen gilt (vgl. Ritz, BAO6, § 85 Tz 18, mwN). Dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Beschluss des Bundesfinanzgerichts, mit welchem die Beschwerde vom als zurückgenommen erklärt wurde, lag - in Bezug auf die vorgeblich fehlende Unterschrift, mit der die Zurücknahme letztlich begründet wurde - kein rechtmäßiger Mängelbehebungsauftrag zugrunde.

25Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020150062.L00

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