VwGH vom 28.05.2009, 2008/15/0042

VwGH vom 28.05.2009, 2008/15/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des B W, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Adalbert-Stifter-Straße 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0043-L/04, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 180,00 EUR zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Landesgerichtes R vom gemäß § 15a GmbHG zum Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt, nachdem diese mit Beschluss des Landesgerichtes R vom infolge rechtskräftiger Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 39 FBG aufgelöst wurde.

Mit Haftungsbescheid vom machte das Finanzamt gegenüber dem Beschwerdeführer die Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin geltend, weil dieser die im Zusammenhang mit der Versteigerung eines Superädifikates der Primärschuldnerin angefallene Umsatzsteuer von 4.333,33 EUR dem Finanzamt gemeldet, es jedoch verabsäumt habe, dafür zu sorgen, "dass bei der Verteilung die Umsatzsteuer an das Finanzamt entrichtet wird".

In der gegen den Haftungsbescheid gerichteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, das Superädifikat der Primärschuldnerin sei Erwin T im Rahmen einer Zwangsversteigerung um das Meistbot von 26.000 EUR zugeschlagen worden. Der Beschwerdeführer habe über Aufforderung von Erwin T eine den umsatzsteuerlichen Vorschriften entsprechenden Rechnung ausgestellt, in der er die 20%ige Umsatzsteuer von 4.333,33 EUR ausgeworfen habe. Diese Umsatzsteuer habe der Beschwerdeführer auch beim Finanzamt angemeldet. Das Bezirksgericht R habe in weiterer Folge eine Verhandlung über die Verteilung des Meistbots angesetzt. Die Verteilung sei nach den Vorschriften der §§ 137, 138, 215 und 216 EO erfolgt. § 216 EO regle die Rangordnung der zu berichtigenden Ansprüche. Nach § 216 Abs. 1 Z 2 EO genieße die durch die Verwertung der Liegenschaft oder des Liegenschaftszubehörs anfallende Umsatzsteuer kein Vorzugsrecht, weshalb er die Umsatzsteuer nicht angemeldet habe. Dem Beschwerdeführer sei die Umsatzsteuer nicht angewiesen worden, weshalb er sie nicht an das Finanzamt entrichten könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde u.a. aus, die Primärschuldnerin sei infolge rechtskräftiger Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 39 FBG aufgelöst worden. Die Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgabenschuld beim Vertretenen sei daher unstrittig. Zu prüfen sei, ob eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer vorliege, die zur Uneinbringlichkeit der Abgaben geführt habe.

Dies sei aus folgendem Grund zu bejahen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG unterlägen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführe. Die Steuerpflicht werde dadurch nicht ausgeschlossen, dass der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt werde oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gelte. Durch den Zuschlag im Zuge einer Versteigerung werde eine Lieferung des ursprünglichen Eigentümers an den Meistbieter erbracht. Entgelt sei das Meistbot zuzüglich dessen, was dem Verpflichteten in Form einer Freistellung von Schulden zukomme, oder was er gemäß § 217 Abs. 2 nach Berichtigung aller Ansprüche als erübrigten Rest der Verteilungsmasse erhalte. Daher werde auch im Zuge einer "Versteigerung durch einen Zuschlag" ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft getätigt, bei dem der Verpflichtete als Lieferant im Sinne des § 11 UStG anzusehen sei. Enthielten die Versteigerungsbedingungen keine Bestimmung, wonach der Ersteher das Meistbot und die auf dieses entfallende Umsatzsteuer zu entrichten habe, dann sei im Meistbot ein festgesetztes Bruttoentgelt zu sehen, das auch eine allfällige Umsatzsteuer umfasse.

Sofern bei einer Mehrheit von Berechtigten, deren Ansprüche aus dem Meistbot zu befriedigen seien, kein Einverständnis zu erzielen sei, würden die Ansprüche in der Art und Weise und in der Rangordnung der §§ 216 ff EO verteilt. Für die vorzugsweise Befriedigung aus einer Sondermasse sei nur § 49 KO anzuwenden. Nach § 49 Abs. 1 KO seien aus dem Erlös einer zur Sondermasse gehörigen Sache von den Absonderungsgläubigern die Kosten der besonderen Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Sondermasse zu berichtigen. Die beim exekutiven Verkauf einer Liegenschaft für deren bewegliches Inventar zu entrichtende - im Meistbot enthaltene - Umsatzsteuer gehöre zu den Kosten der Verwertung der Sondermasse, die gem. § 49 Abs. 1 KO das Vorrecht vor den Absonderungsgläubigern genieße. Die Kosten des Masseverwalters im Zusammenhang mit der Verwertung der Sondermasse (einschließlich der bei der Versteigerung angefallenen Umsatzsteuer) gehörten ohne Rücksicht auf einen der Sondermasse verschafften Nutzen zu den das Vorrecht genießenden Spezialmassekosten.

Der Beschwerdeführer hätte - aufgrund der dargelegten Rechtslage mit Erfolg - im Verteilungsverfahren beim Exekutionsgericht neben seinen sonstigen bei der Verwertung der Sondermasse entstehenden Kosten die beim Zuschlag angefallene Umsatzsteuer geltend machen können. In Form dieser Verfügungsmöglichkeit sei ihm eine rechtliche Position zugestanden, die dem Vorhandensein von Mitteln zur Bezahlung der geschuldeten Umsatzsteuer gleichzuhalten sei. Die unterlassene Ausschöpfung dieser Verfügungsmöglichkeit - wodurch die im Meistbot enthaltene Umsatzsteuer zur Verteilung an andere Gläubiger gelangt und uneinbringlich geworden sei - sei der Unterlassung der Abfuhr der Umsatzsteuer aus vorhandenen Mitteln, insbesondere vereinnahmten Entgelten, gleichzuhalten. Der Beschwerdeführer habe daher die ihn als Vertreter treffende Pflicht verletzt, für die Begleichung der Abgabenverbindlichkeiten zu sorgen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Zu den gesetzlichen Vertretern im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO gehören auch die gemäß § 15a GmbHG vom Gericht bestellten Geschäftsführer (vgl. Ritz, BAO3, § 80 Tz 1).

§ 216 EO lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Aus der Verteilungsmasse sind in nachfolgender

Rangordnung zu berichtigen:

1. falls während des Versteigerungsverfahrens zu

Gunsten der auf das Meistbot gewiesenen Personen eine Verwaltung

stattgefunden hat, die im § 120 Abs. 2 Z. 4 bezeichneten Auslagen

und Vorschüsse;

2. die aus den letzten drei Jahren vor dem Tage der

Erteilung des Zuschlages rückständigen, von der Liegenschaft zu entrichtenden Steuern samt Zuschlägen, Vermögensübertragungsgebühren und sonstige von der Liegenschaft zu entrichtende öffentliche Abgaben, die nach den bestehenden Vorschriften ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht genießen, sowie die nicht länger als drei Jahre rückständigen Verzugszinsen dieser Steuern und Abgaben, und zwar die Zuschläge in gleicher Rangordnung mit den Steuern und Abgaben, welche die Grundlage ihrer Bemessung bilden. Diese Ansprüche sind jedoch ohne Rücksicht auf das ihnen sonst zustehende Vorrecht erst nach voller Befriedigung des betreibenden Gläubigers aus der Verteilungsmasse zu berichtigen, wenn sie nicht spätestens im Versteigerungstermin vor Beginn der Versteigerung angemeldet wurden;

3. ...

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid aus, dass die beim exekutiven Verkauf einer Liegenschaft für deren bewegliches Inventar zu entrichtende, im Meistbot enthaltene Umsatzsteuer zu den Kosten der Verwertung der Sondermasse gehöre, die gemäß § 49 Abs. 1 KO das Vorrecht vor den Absonderungsgläubigern genieße. Der Beschwerdeführer hätte somit im Verteilungsverfahren beim Exekutionsgericht neben seinen sonstigen bei der Verwertung der Sondermasse entstehenden Kosten die beim Zuschlag angefallene Umsatzsteuer geltend machen können. In Form dieser Verfügungsmöglichkeit sei dem Beschwerdeführer eine rechtliche Position zugekommen, die dem Vorhandensein von Mitteln zur Bezahlung der geschuldeten Umsatzsteuer gleichzuhalten sei. Die Unterlassung der Ausschöpfung dieser Verfügungsmöglichkeit - wodurch die im Meistbot enthaltene Umsatzsteuer zur Verteilung an andere Gläubiger gelangt und uneinbringlich geworden sei - sei der Unterlassung der Abfuhr der Umsatzsteuer aus vorhandenen Mitteln, insbesondere vereinnahmten Entgelten gleichzuhalten, weshalb der Beschwerdeführer die ihn als Vertreter treffende Pflicht verletzt habe, für die Begleichung der Abgabenverbindlichkeiten zu sorgen.

Dem ist zu erwidern, dass die Bestimmung des § 49 Abs. 1 KO nur bei Zwangsversteigerungsverfahren im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zur Anwendung gelangt. Die streitgegenständlichen Zwangsversteigerung erfolgte außerhalb eines Insolvenzverfahrens, weshalb die Verteilungsgrundsätze der Exekutionsordnung zum Tragen kommen. Gemäß § 216 Abs. 1 Z 1 EO sind aus der Verteilungsmasse vorzugsweise an erster Stelle der Rangordnung - ranggleich mit den Sondermassekosten im (hier nicht vorliegenden) Konkursfall - die sonst unmittelbar aus den Erträgnissen der Verwaltung zu berichtigenden Kosten der Zwangsverwaltung, die Kosten der Erhaltung und notwendigen Verbesserung der Liegenschaft und die zur einstweiligen Bestreitung dieser Kosten geleisteten Vorschüsse zuzuweisen, wenn während des Versteigerungsverfahrens eine Verwaltung zugunsten aller auf das Meistbot gewiesenen Personen stattgefunden hat (vgl. Lecher in Burgstaller/Deixler §§ 216, 217, Rz 5). Gemäß § 216 Abs. 2 Z 2 leg. cit. kommen nach den vorweg zu befriedigenden Ansprüchen die rechtzeitig angemeldeten, aus den letzten drei Jahren vor dem Tag der Erteilung des Zuschlags rückständigen, von der Liegenschaft zu entrichtenden Steuern samt Zuschlägen, Vermögensübertragungsgebühren und sonstigen von der Liegenschaft zu entrichtenden öffentlichen Abgaben, die nach den bestehenden Vorschriften ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht genießen, sowie die nicht länger als drei Jahre rückständigen Verzugszinsen dieser Steuern und Abgaben, und zwar die Zuschläge in gleicher Rangordnung mit den Steuern und Abgaben, zum Zug. Die im Zwangsversteigerungsverfahren aufgrund der Veräußerung anfallende Umsatzsteuer gehört nicht zu den Abgaben mit Vorzugsrecht, weshalb - außerhalb eines Insolvenzverfahrens - keine Möglichkeit besteht, diese vorweg aus der Verteilungsmasse zu beanspruchen (vgl. Feil/Marent, Exekutionsordnung, Kommentar (2008), Rz 22 zu § 216; Lecher in Burgstaller/Deixler §§ 216, 217, Rz 12 u. Rz 19ff, Mohr, KO10 (2006), E 33 zu § 49). Folglich liegt die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Pflichtverletzung nicht vor.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig und war somit § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen. Gemäß § 48 Abs. 1 Z 2 VwGG ist Schriftsatzaufwand nur dann zuzuerkennen, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Einem Rechtsanwalt in eigener Sache ist Schriftsatzaufwand nicht zuzusprechen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/06/0088, mwN).

Wien, am