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VwGH vom 30.01.2014, 2010/15/0191

VwGH vom 30.01.2014, 2010/15/0191

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des WL in F, vertreten durch Mag. Stefan Traxler, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Spitalmühlgasse 16/3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2849-W/10, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2009 Tierarztkosten für die Behandlung einer Krebserkrankung (Lymphsarkom) seiner Schäfer-Mischlingshündin im Betrag von 4.283,29 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend, die das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 2009 nicht berücksichtigte.

In der dagegen gerichteten Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, seine Hündin habe Ende April 2009 eine Schwellung im Halsbereich aufgewiesen, die bereits zu Atemnot geführt habe. Bei einer Untersuchung in der Tierklinik Dr. L sei der Verdacht eines Lymphsarkoms geäußert worden. Am sei ein Lymphknoten operativ entfernt und vom Labor Dr. A als Lymphsarkom diagnostiziert worden. Nach Zuweisung der Hündin in die Abteilung Onkologie der VETMED Wien sei der Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt worden, dass eine Chemotherapie den Tumor rückbilden und das Leben der Hündin verlängern könnte. Die dann durchgeführte Behandlung habe bis zum zu einer Vollremission mit Normalisierung des klinischen Bildes geführt, was de facto die totale Rückbildung und den Stillstand des Tumors bedeutet habe. Trotz der medizinisch notwendigen Weiterführung der Behandlung sei Ende Juli ein Rezidiv diagnostiziert worden. Der Tumor habe sich wieder ausgebreitet, die Medikamente hätten keine Wirkung mehr gezeigt und die Hündin habe am eingeschläfert werden müssen.

Die Tierarztkosten stellten eine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 dar, weil die Mehrzahl der mit dem Beschwerdeführer vergleichbaren Steuerpflichtigen keine bzw. nicht so hohe Tierarztkosten zu tragen habe, die Tierarztkosten die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers wesentlich beeinträchtigten und den Selbstbehalt überstiegen.

Weil der Halter eines Tieres nach § 15 Tierschutzgesetz (TSchG) verpflichtet sei, dafür zu sorgen, dass Verletzungen oder Krankheiten des Tieres unverzüglich ordnungsgemäß versorgt würden, erforderlichenfalls unter Heranziehung eines Tierarztes, seien die Tierarztkosten dem Beschwerdeführer auch zwangsläufig erwachsen. Kranke oder verletzte Tiere seien diesen besonderen Ansprüchen angemessen und erforderlichenfalls gesondert unterzubringen. Ein Zuwiderhandeln stehe nach § 38 Abs. 3 TSchG unter Strafe. Dies sei nicht etwa eine zufällige oder unerwünschte Folge der zitierten Bestimmungen, sondern stehe in Einklang mit § 1 TSchG, der die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf betone, und § 2 TSchG, der den Staat verpflichte, die Anliegen des Tierschutzes zu fördern, was eine steuerliche Förderung mit einschließe. Die Bedeutung des Tierschutzes ergebe sich auch aus § 285a ABGB, wonach Tiere keine Sachen seien, sondern durch besondere Gesetze geschützt würden.

Die angeführten Bestimmungen seien Ausdruck der bestehenden Moralvorstellung, wonach Menschen ihren Haustieren gegenüber verpflichtet seien. Auch der Philosoph Immanuel Kant, maßgeblich für die ideengeschichtliche Begründung der Menschenrechte und prägend insbesondere für § 16 ABGB, habe darauf hingewiesen, dass gegenüber einem Tier, das einem gedient habe, eine sittliche Pflicht bestehe, sich um dieses zu kümmern. Der Beschwerdeführer habe sich daher auch aus sittlichen Gründen der Belastung nicht entziehen können.

Weiters liefe es dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz zuwider, würden andere außergewöhnliche Belastungen steuerlich begünstigt werden, aber gerade jene nicht, die auf Grund einer rechtlichen und sittlichen Pflicht gegenüber Tieren entstünden und im Einklang mit den sich aus der Rechtsordnung ergebenden Wertungen aufgewendet worden seien.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab, woraufhin der Beschwerdeführer deren Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und führte aus wie folgt:

Es stehe fest, dass dem Beschwerdeführer aus der Krebserkrankung seiner Schäfer-Mischlingshündin 2009 Aufwendungen (Tierarzt- bzw. Behandlungskosten) von 4.283,29 EUR erwachsen seien. Bei der Hündin handle es sich um einen "Freizeithund".

Laut Rechtsprechung und Lehre stellten Ausgaben für die Hundehaltung Aufwendungen der privaten Lebensführung dar, die gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 (bzw. alternativ nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a leg. cit.) auch dann nicht abziehbar seien, wenn der Hund für den eigenen Schutz gehalten werde. Anderes gelte nur, wenn der Erwerb des Tieres betrieblich oder beruflich veranlasst sei, wie etwa bei Wachhunden von Wachpersonal oder Jagdhunden von Berufsjägern und Förstern, was im Streitfall unstrittig nicht gegeben sei.

Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertrete, dass die in Rede stehenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien, weil er als Tierhalter gesetzlich verpflichtet sei, sein krankes Tier ärztlich behandeln zu lassen (§ 15 iVm § 38 TSchG), eine sittliche Pflicht bestehe, sich um das Tier zu kümmern, und die Erkrankung des Tieres unvorhersehbar gewesen sei, verkenne er, dass er die Hündin aus freien Stücken angeschafft habe. Die streitgegenständlichen Aufwendungen seien Folge eines Verhaltens, zu dem sich der Beschwerdeführer freiwillig entschlossen habe, weshalb das in § 34 Abs. 1 und 3 EStG 1988 normierte Erfordernis der Zwangsläufigkeit nicht gegeben sei.

Ausgaben, die im Zusammenhang mit einem bzw. für einen Hund getätigt worden seien, seien nur dann als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn der Hund (Krankheits)Kosten verursacht habe (Hundebiss) oder als Hilfsmittel eines Menschen mit Behinderung diene (Blindenhund, "Partnerhund" eines (schwerst)behinderten Kindes). Beides liege im Streitfall nicht vor.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

§ 34 Abs. 1 EStG 1988 lautet:

"Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:


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1.
Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2.
Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein."
Der Beschwerdeführer vertritt wie im Verwaltungsverfahren die Auffassung, dass die in Rede stehenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien, weil er als Tierhalter gesetzlich verpflichtet sei, sein krankes Tier ärztlich behandeln zu lassen (§ 15 iVm § 38 TSchG), eine sittliche Pflicht bestehe, sich um das Tier zu kümmern, und die (schwere) Erkrankung des Tieres nicht vorhersehbar gewesen sei.
§ 34 Abs. 3 EStG 1988 macht den Anspruch auf Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung davon abhängig, dass die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst; dies ist dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige sich der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dabei ist die Zwangsläufigkeit des Aufwandes stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen (vgl.
Hofstätter/Reichel , § 34 Abs. 2 bis 5 EStG 1988, Tz 7).
Der Beschwerdeführer hat sich aus freien Stücken dazu entschlossen, eine Hündin für private Zwecke zu halten. Dieser freiwillige Entschluss hatte die von der Beschwerde ins Treffen geführte rechtliche und sittliche Verpflichtung zur Folge, sich um die Hündin zu kümmern und sie im Falle einer Krankheit, erforderlichenfalls unter Heranziehung eines Tierarztes, entsprechend behandeln zu lassen. Erwächst eine Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht, so muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen. Im Hinblick darauf hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass etwa Aufwendungen, die Folge der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung sind, zu keiner Steuerermäßigung nach § 34 EStG 1988 führen (vgl. mit zahlreichen Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung
Hofstätter/Reichel , aaO, Tz 8, sowie das hg. Erkenntnis vom , 2010/13/0130). Nichts anderes kann gelten, wenn sich ein Abgabepflichtiger aus freien Stücken dazu entschließt, ein Haustier zu halten. Eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung zur Haltung von Haustieren besteht nicht.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am