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VwGH vom 28.11.2013, 2010/13/0172

VwGH vom 28.11.2013, 2010/13/0172

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk und Klosterneuburg in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2662-W/08, betreffend Einkommensteuer 2007 (mitbeteiligte Partei: Dr. L W, vertreten durch B G Wirtschaftstreuhand GmbH in 1190 Wien, Sieveringer Straße 129), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte, eine Ärztin, beantragte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2007 die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages für ihren Sohn, für den sie im Streitjahr Familienbeihilfe bezog, und brachte dazu vor, ihre Ehe sei mit Gerichtsbeschluss vom einvernehmlich geschieden worden. Die eheliche Lebensgemeinschaft habe schon mindestens sechs Monate davor nicht mehr bestanden, die Mitbeteiligte und ihr früherer Ehemann hätten bis zur Scheidung und danach - wenngleich in derselben Wohnung - getrennt gelebt. Im Mai 2007 habe die Mitbeteiligte den ersten Teil des Finanzierungsbeitrages für eine Genossenschaftswohnung geleistet, in die sie nach deren Fertigstellung im Sommer 2008 zusammen mit ihrem Sohn einziehen werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten gegen den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes, in dem der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt wurde, nach schriftlicher Befragung des früheren Ehemannes der Mitbeteiligten Folge. Die belangte Behörde begründete dies - im Anschluss an allgemeine Rechtsausführungen - im Wesentlichen wie folgt:

"Nach den übereinstimmenden Ausführungen der Berufungswerberin in der Berufung und im Vorlageantrag und ihres geschiedenen Ehegatten in seiner schriftlichen Zeugenaussage wurde im Berufungsjahr 2007 zwar noch dieselbe Wohnung benützt, jedoch haben die Ehegatten in verschiedenen Zimmern gelebt und es war keine gemeinsame Wirtschaftsführung und Lebensgestaltung mehr gegeben. Der Grund für das Benützen der selben Wohnung lag lediglich darin, dass die neue Wohnung der Berufungswerberin erst Anfang Juli 2008 bezugsfertig war.

Im gegenständlichen Fall war somit der Wille der Ehegatten bereits im Jahr 2007 (und lange vor dem Scheidungstermin) darauf gerichtet, auf Dauer getrennt zu leben. Es ist Zweck des Alleinerzieherabsetzbetrages, die mit der getrennten Lebensführung des alleinstehenden Steuerpflichtigen mit Kind verbundenen Belastungen (welche im Berufungsfall durch die getrennte Haushaltsführung gegeben waren) auszugleichen. Entscheidend für das Zustehen des Alleinerzieherabsetzbetrages ist nicht, wer die Wohnkosten oder Unterhaltskosten für das Kind trägt, sondern ausschließlich, ob die Ehegatten tatsächlich in Gemeinschaft oder getrennt leben.

Da im vorliegenden Fall die Lebensgemeinschaft der Ehegatten bereits im Jahr 2007 mehr als sechs Monate aufgehoben war, war der Berufung Folge zu geben."

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Argument, die Mitbeteiligte sei im Streitjahr mehr als sechs Monate lang noch verheiratet gewesen, wobei sie von ihrem Ehemann nicht "dauernd getrennt" gelebt habe. Ob noch eine Lebensgemeinschaft bestanden habe, sei "irrelevant". Hilfsweise wird geltend gemacht, "jedenfalls die Elemente der Wohnungsgemeinschaft und der Wirtschaftsgemeinschaft" seien gegeben gewesen. Wenn die belangte Behörde damit argumentiere, der Wille der Ehegatten sei darauf gerichtet gewesen, auf Dauer getrennt zu leben, so sei daraus "nicht ohne weiteres" ableitbar, "dass dieser Wille auch erfüllt" gewesen sei. Die Mitbeteiligte habe es unterlassen, aus der Ehewohnung auszuziehen und "wenn auch nur übergangsweise" eine eigene Wohnung zu beziehen. Durch den Verbleib in der Ehewohnung habe ihre Situation nicht der von "allein stehenden und vor allem allein wohnenden Müttern und Vätern" entsprochen, denen der Alleinerzieherabsetzbetrag nach dem Willen des Gesetzgebers zukommen solle. Der angefochtene Bescheid -

dessen Feststellungen zum Sachverhalt die Amtsbeschwerde nicht bekämpft - sei daher inhaltlich rechtswidrig.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Verwaltungsakten vorgelegt. Die Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Alleinerzieherabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 steht nach dieser Bestimmung Steuerpflichtigen zu, die "mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner" leben.

Der Voraussetzung, "nicht in einer Gemeinschaft" zu leben, entspricht - als Gegensatz - für den Alleinverdienerabsetzbetrag bei aufrechter Ehe die in § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 vorgesehene Voraussetzung, vom Ehegatten "nicht dauernd getrennt" zu leben. Die entsprechende Voraussetzung für den Alleinverdienerabsetzbetrag ohne aufrechte Ehe war in der für das Streitjahr 2007 maßgeblichen Fassung dieser Bestimmung das Leben "in einer anderen Partnerschaft". Alleinverdienerabsetzbetrag und Alleinerzieherabsetzbetrag schließen einander aus, der "Status des Alleinerziehers" ist "gleichsam der entgegengesetzte Status eines Alleinverdieners" (vgl. Doralt/Herzog , EStG14, § 33 Tz 29/1 und 35).

Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall - im Sinne der in der Amtsbeschwerde und auch von der belangten Behörde vertretenen Auffassung - maßgeblich, ob die Mitbeteiligte und ihr Ehemann, die den überwiegenden Teil des Streitjahrs hindurch noch verheiratet waren, in den Monaten vor der Scheidung noch "in einer Gemeinschaft" oder trotz Benützung derselben Wohnung schon "dauernd getrennt" lebten. Änderungen ihrer Lebensgestaltung während des Streitjahres - im Besonderen: im überwiegenden Jahresteil vor der Scheidung - werden nicht ins Treffen geführt, weshalb sich eine Würdigung der Monate danach erübrigt.

In der Amtsbeschwerde wird unter Hinweis auf das von Fellner (vgl. jetzt Fellner in Hofstätter/Reichel , EStG Kommentar (März 2013), § 33 Tz 13; ähnlich Doralt/Herzog , a.a.O., Tz 31) zitierte hg. Erkenntnis vom , 83/13/0153, VwSlg 5857/F, ÖStZB 1984, 327, dargelegt, ein dauerndes Getrenntleben sei "anzunehmen, wenn" ein Partner die gemeinsame Wohnung verlasse und - getrennt von seinem Ehepartner, ohne wieder eine eheliche Gemeinschaft mit diesem aufzunehmen - auf Dauer sein Leben "in einer anderen Wohnung" verbringe.

Dem von der Amtsbeschwerde daraus gezogenen Umkehrschluss, ein dauerndes Getrenntleben sei im vorliegenden Fall zu verneinen, weil die Mitbeteiligte im Streitjahr noch nicht ausgezogen sei, steht jedoch entgegen, dass das erwähnte Erkenntnis nur ausspricht, unter den beschriebenen Voraussetzungen sei ein dauerndes Getrenntleben "jedenfalls" anzunehmen (so auch die Leitsätze der Veröffentlichungen in VwSlg 5857/F und ÖStZB 1984, 327). Dass eine Trennung im Sinne der Aufgabe der in § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 erwähnten "Gemeinschaft" bei Verheirateten nicht auch vor dem - bereits beschlossenen - Auszug aus der Wohnung möglich sei, kommt darin nicht zum Ausdruck.

Zieht man das in Betracht, so besteht kein Grund, an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu zweifeln. Haben die Mitbeteiligte und ihr früherer Ehemann im Jahr der Scheidung "zwar noch dieselbe Wohnung benützt", aber "in verschiedenen Zimmern gelebt", gab es "keine gemeinsame Wirtschaftsführung und Lebensgestaltung" mehr, und bestand der Grund für die Benützung derselben Wohnung "lediglich" darin, dass die neue Wohnung der Mitbeteiligten noch nicht bezugsfertig war, so kann von einer "Gemeinschaft" im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 nicht mehr die Rede sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am