VwGH vom 26.02.2015, 2012/15/0177
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde der T GmbH in H, vertreten durch Mag. Herbert Niedermayer, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4780 Schärding, Passauer Straße 13, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0026-L/12, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH, die den Gewinn nach § 5 EStG 1988 für ein abweichendes Wirtschaftsjahr (1. Mai bis 30. April) ermittelt. Das Verrechnungskonto des zu 37 % beteiligten Gesellschafters wies im Streitzeitraum Verbindlichkeiten gegenüber der Beschwerdeführerin auf, wobei die Höhe des Kontostandes in den Jahren 2008, 2009 und 2010 auf Entnahmen des Gesellschafters basierte, die dessen private Lebenssphäre betrafen. Die in der Bilanz der Gesellschaft ausgewiesenen Forderungsstände wurden verzinst.
Bei der Beschwerdeführerin fand im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO für den Prüfungszeitraum 2004 bis 2009 statt.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers, die an den Gesellschafter geflossenen Beträge seien verdeckte Ausschüttungen in den Streitjahren gewesen, und zog die Beschwerdeführerin zur Haftung für Kapitalertragsteuer heran.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung, in der sie auf ein Kontokorrentverhältnis zwischen ihr und dem Gesellschafter verwies, und legte ergänzend eine Beilage über die Entwicklung des Verrechnungskontos des Gesellschafters vor:
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Bilanzstichtag | Guthaben / Verbindlichkeit | Betrag |
Verbindlichkeit der GmbH | - 210.097,80 | |
Verbindlichkeit der GmbH | -191.519,54 | |
Guthaben der GmbH | 84.935,70 | |
Guthaben der GmbH | 75.036,96 | |
Verbindlichkeit der GmbH | - 67.829,04 | |
Guthaben der GmbH | 277.834,14 | |
Guthaben der GmbH | 290.511,16 | |
Guthaben der GmbH | 367.862,57 | |
Guthaben der GmbH | 386.728,97 | |
Verbindlichkeit der GmbH (vorläufig) | -205.649,25 |
Im Rahmen der Berufung wurde zudem folgendes mit
datiertes Schreiben vorgelegt:
"Auf Grund der heutigen Besprechung in den Kanzleiräumen des Steuerberaters (...) wird schriftlich festgehalten, dass die T X GmbH an die Gesellschafter Franz und Regina K für eventuelle künftige private Anschaffungen ein Darlehen bis zu der Höhe der Grundschuld auf dem Privatgrundstück von ca. EUR 450.000,-- gewährt, nachdem die Gesellschafter die GmbH bereits in der schwierigen Phase finanziell unterstützt haben. Die Rückzahlung kann mit der jährlichen Pacht in den nächsten 15 bis 20 Jahren verrechnet werden."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte die Behandlung der Auszahlungen als verdeckte Ausschüttungen. Dabei verwies sie insbesondere auf fehlende Vereinbarungen hinsichtlich Darlehensrückzahlung, Zinsfälligkeiten und Sicherheiten zwischen dem Gesellschafter und der Beschwerdeführerin. So enthalte die schriftliche Darlehensvereinbarung vom keine Regelungen und Fristen hinsichtlich einer regelmäßigen und vollständigen Rückzahlung des aushaftenden Darlehens. Es widerspreche den Erfahrungen im Wirtschaftsleben, einem fremden Dritten ein derartiges Darlehen zur Verfügung zu stellen. Zudem sei in der Darlehensvereinbarung lediglich der vereinbarte Zinssatz in Höhe von 4 % angeführt, jedoch seien keine genauen Vereinbarungen hinsichtlich der Zinszahlungen getroffen. Schließlich sei es fremdüblich, dass Darlehen in der gegenständlichen Höhe durch werthaltige Sicherheiten bzw. Bürgschafts- und Haftungserklärungen abgedeckt würden. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach Sicherheiten nicht erforderlich gewesen seien, weil seit längerem auf den privaten Grundstücken des Gesellschafters grundbücherlich verankerte Sicherheiten eingetragen seien, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Die Vorgehensweise, dass ein früher als Sicherheit für eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber einer Bank begründetes Pfandrecht als Sicherheit für den Kontokorrentkredit des Gesellschafters verwendet werde, sei nämlich nicht fremdüblich. In der Vereinbarung vom seien diesbezüglich keine konkreten Regelungen getroffen. Es sei nur festgehalten worden, dass das Darlehen gewährt worden sei, nachdem die Gesellschafter der GmbH die Beschwerdeführerin bereits in der schwierigen Phase finanziell unterstützt hätten.
Im Hinblick auf die fehlenden Vereinbarungen hinsichtlich Darlehensrückzahlung, Zinsfälligkeiten und Sicherheiten sei es nicht erwiesen, ob die Darlehensrückzahlung von vorneherein immer gewollt gewesen sei. Das Finanzamt habe daher zu Recht die Feststellung getroffen, dass die Darlehensgewährung keinesfalls wirtschaftlich begründet, sondern im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft zu finden sei. Da das Darlehen mit fremden Personen unter denselben wirtschaftlichen Voraussetzungen in der gleichen Form nicht abgeschlossen worden wäre, müsse sich die Beschwerdeführerin den Vorwurf einer subjektiven auf Vorteilsgewährung gerichteten Willensentscheidung gefallen lassen. Ein Verrechnungskonto dürfe "nicht so weit gehen, dass ein Gesellschafter (...) - nach Belieben und ohne genaue schriftliche Vereinbarung - Geld über das Verrechnungskonto aus der (Beschwerdeführerin) entnehmen kann um damit seine privaten Lebensführungskosten zu bestreiten. Im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ist nämlich das Trennungsprinzip zu beachten und kann die GmbH nicht - wie im gegenständlichen Fall - als 'Selbstbedienungsladen' betrachtet werden".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Ist in Fällen der vorliegenden Art, wie vom Prüfer und der belangten Behörde angenommen, davon auszugehen, dass auf Grund des zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft bestehenden Naheverhältnisses Zahlungen erfolgten, die an einen Außenstehenden nicht unter den gleichen Bedingungen geleistet worden wären, so bedarf es der Prüfung, worin der dem Gesellschafter dadurch allenfalls zugewendete Vorteil besteht. Ein wesentliches Element dieser Prüfung ist die Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Rückzahlung der auf dem Verrechnungskonto verbuchten Beträge von vornherein nicht gewollt oder wegen absehbarer Uneinbringlichkeit nicht zu erwarten war, womit die buchmäßige Erfassung der vollen Forderung nur zum Schein erfolgt wäre und im Vermögen der Gesellschaft keine durchsetzbare Forderung an die Stelle der ausgezahlten Beträge getreten wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/13/0115). Diesfalls lägen verdeckte Ausschüttungen der von der belangten Behörde angenommenen, nicht nur die Konditionen der Zurverfügungstellung zurückzuzahlender Beträge betreffenden Art vor (vgl. in diesem Zusammenhang vor allem das hg. Erkenntnis vom , 2004/13/0059, VwSlg 8440/F, und daran anknüpfend etwa noch die Erkenntnisse vom , 2006/13/0084, vom , 2009/13/0112, und vom , 2011/15/0003).
Ob verdeckte Ausschüttungen anzunehmen sind, hängt somit vor allem von der Ernstlichkeit einer Rückzahlungsabsicht hinsichtlich der von der Gesellschaft empfangenen Beträge ab (vgl. mit weiteren Nachweisen das hg. Erkenntnis vom , 2008/13/0005). Es ist zu prüfen, ob aus den Umständen zu schließen ist, dass die Erfassung auf dem Verrechnungskonto nach Ansicht der Gesellschaft einer tatsächlich aufrechten Verbindlichkeit des Gesellschafters entspricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2004/13/0059, VwSlg. 8440/F). Dies hängt vom Gesamtbild der jeweils im Einzelfall gegebenen Verhältnisse ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/15/0003).
Die belangte Behörde hat allerdings nicht die Ernstlichkeit einer Absicht auf Rückzahlung bzw. Rückforderung, sondern vielmehr die fehlende Fremdüblichkeit einzelner Umstände der Darlehenshingabe in den Mittelpunkt ihrer Prüfung gestellt und dabei insbesondere fehlende Vereinbarungen hinsichtlich Darlehensrückzahlung, Zinsfälligkeiten und Sicherheiten gerügt. Dass diese Umstände auf das tatsächliche Fehlen einer ernsthaften Rückzahlungsabsicht der Gesellschafterin schließen ließen, zeigt der angefochtene Bescheid jedoch nicht schlüssig auf.
Das Fehlen von Sicherheiten kann zwar geeignet sein, die Ernsthaftigkeit der behaupteten Rückzahlungsabsicht im Zeitpunkt der Entnahmen zu verneinen und die Verbuchung von Forderungen als korrekturbedürftig zu erachten, weil verdeckte Ausschüttungen in der Form von Vermögensverschiebungen zugunsten der Gesellschafterin vorliegen. Dazu hätte es aber einer Auseinandersetzung mit der Bonität des Gesellschafters bedurft (vgl. in diesem Sinne nochmals die hg. Erkenntnisse vom , 2004/13/0059 sowie vom , 2011/15/0003). Eine solche Auseinandersetzung ist allerdings unterblieben, obwohl die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ausdrücklich vorgebracht hat, dass seitens des Prüfungsorgans keine Bonitätsbeurteilung vorgenommen worden sei, was zu einer unrichtigen Beurteilung des Sachverhalts habe führen müssen. Dass die Rückzahlung der "Kreditvaluta" vom Gesellschafter an die Gesellschaft möglich und auch gewollt sei, stehe außer Frage. Selbst das Finanzamt hat in seiner Stellungnahme zur Berufung der Beschwerdeführerin die Rückzahlungsabsicht nicht in Frage gestellt und wörtlich festgehalten: "Von Seite der BP wurde keine Bonitätsbeurteilung vorgenommen, da die Rückzahlung der Verrechnungsschuld ob gewollt oder nicht gewollt, möglich oder unmöglich nie in Frage gestellt wurde und somit die Beurteilung keinen Einfluss auf die Gesamtbetrachtung und Würdigung durch die BP gehabt hatte."
Bei der anzustellenden Beurteilung der Bonität des Gesellschafters hätte die belangte Behörde auch das als Sicherheit ins Treffen geführte Grundstück des Gesellschafters nicht außer Betracht lassen dürfen. Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid diesbezüglich auf das Fehlen von (fremdüblichen) Sicherheiten etwa in Form eines ausdrücklichen Pfandrechts zu Gunsten der Beschwerdeführerin Bezug nahm, hat auch sie daraus nicht den Schluss gezogen, die verbuchten Forderungen gegen den Gesellschafter seien im Hinblick auf eine unzureichende Bonität des Gesellschafters ohne Wert gewesen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am