VwGH vom 30.10.2014, 2012/15/0143
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2012/15/0144 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde des M S in N, vertreten durch die Jirovec Partner RechtsanwaltsGesmbH in 1010 Wien, Bauernmarkt 24, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2466-W/09, miterledigt RV/2467-W/09 und RV/2468-W/09, betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2007 und Umsatzsteuer Jänner 2008, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Gesellschafter-Geschäftsführer bei der A GmbH, sein Gesellschaftsanteil beträgt 50 %. Frau Mag. B ist ebenfalls Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der A GmbH mit einem Gesellschaftsanteil von 50 %. Die beiden Gesellschafter lebten in den Streitjahren in einer Lebensgemeinschaft.
Im Zuge einer im Jahr 2008 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung wurden einerseits die vom Beschwerdeführer im Dezember 2006 in Rechnung gestellten Geschäftsführergehälter und Leistungsabrechnungen für das Geschäftsjahr 2006 im Jahr 2007 sowie andererseits die im Dezember 2007 in Rechnung gestellten Leistungen für das Geschäftsjahr 2007 im Jänner 2008 der Umsatzsteuer unterzogen. Bestehe ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft, sei ein Zufluss grundsätzlich anzunehmen, sobald die Forderung fällig sei. Daher seien die Geschäftsführergehälter und sonstigen Leistungsabrechnungen spätestens im Jänner des folgenden Jahres zu versteuern.
Mit Bescheiden vom betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 12/2007 und 01/2008 schloss sich das Finanzamt den Feststellungen der Betriebsprüfung an und unterzog die vom Beschwerdeführer in Rechnung gestellten Leistungen der Umsatzsteuer.
Mit Eingabe vom erhob der Beschwerdeführer gegen die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für den Zeitraum 12/2007 sowie den Zeitraum 1/2008 Berufung. Begründend führte er aus, dass mit den Abgabenbescheiden noch nicht zugeflossene Geschäftsführerbezüge der Umsatzsteuer unterzogen worden seien. Obwohl im Rahmen der Abgabenprüfung gegenüber dem Prüforgan dargelegt worden sei, dass er weder eine rechtliche noch eine faktische Verfügungsmacht über die noch nicht ausgezahlten Geschäftsführerbezüge gehabt habe, sei darauf nicht eingegangen worden. Das von der Abgabenbehörde herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/14/0155, betreffe die Auszahlung an einen Mehrheitsgesellschafter mit einem Gesellschaftsanteil von 75 %, während im vorliegenden Fall die zur Auszahlung verpflichtende Gesellschaft aus zwei 50%igen Gesellschaftern bestehe und es für keinen der beiden Gesellschafter einen beherrschenden Einfluss gebe. Darüber hinaus sei die Gesellschaft nicht liquid gewesen, sodass auch aus faktischen Gründen keine Auszahlung möglich gewesen sei. Die Auszahlung der Geschäftsführerbezüge an die Gesellschafter würde vielmehr je nach Zahlungseingang in die Gesellschaft und damit entsprechend vorhandener liquider Mittel vorgenommen und auch in den jeweiligen Auszahlungsmonaten der Umsatzsteuer unterzogen. Eine andere Vorgangsweise entspreche nicht den Bestimmungen des § 19 EStG 1988.
Nach einer abweisenden Berufungsvorentscheidung des Finanzamts stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
In der Folge erließ das Finanzamt auf Grundlage der Feststellungen der Betriebsprüfung einen Jahresbescheid betreffend Umsatzsteuer 2007 und einen Bescheid betreffend Einkommensteuer 2007, wobei es einen Zufluss der Geschäftsführerentgelte und des Leistungshonorars aus dem Jahr 2006 annahm und als Einnahmen den Einkünften aus selbstständiger Arbeit hinzurechnete.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer wiederum Berufung und wiederholte begründend im Wesentlichen die in der Berufung gegen die Bescheide betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 12/2007 und 1/2008 vorgebrachten Argumente.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sachverhaltsmäßig stellte sie dabei fest, dass der Beschwerdeführer einer von zwei Gesellschafter-Geschäftsführern mit einem jeweiligen Gesellschaftsanteil von 50% sei und die beiden Gesellschafter in einer Lebensgemeinschaft lebten. Im Zuge einer Umsatzsteuersonderprüfung seien die vom Gesellschafter und Geschäftsführer im Dezember 2006 ausgestellten Rechnungen für Geschäftsführergehälter und Leistungsabrechnungen im Jahr 2007 der Besteuerung unterzogen worden. Der Saldo des GmbH-Kontos betrage zum 102.000 Euro. Unter Abzug des bereits versteuerten Betrages in Höhe von 40.796,29 Euro verblieben 61.203,71 Euro brutto (51.003,09 Euro netto) zur Nachversteuerung. Die in Rechnung gestellten Leistungen des Jahres 2007 seien spätestens im Jänner 2008 der Umsatzsteuer zu unterziehen. Die vereinnahmten Entgelte würden im Jänner 2008 mit 50.000 Euro angesetzt und mit dem Normalsteuersatz von 20% versteuert.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 seien Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Abgabepflichtigen zugeflossen seien. Zugeflossen sei eine Einnahme, sobald der Empfänger über sie "rechtlich und wirtschaftlich" verfügen könne, wobei die Verfügungsmöglichkeit objektiv und tatsächlich bestehen müsse. Der Abgabepflichtige müsse objektiv in der Lage sein, über die Einnahme frei verfügen zu können, die subjektive Kenntnis über die Verfügungsmöglichkeit sei nicht maßgeblich, der Abgabepflichtige müsse also vom Zufluss keine Kenntnis haben. In diesem Sinne sei auch bei einem geschäftsführenden Gesellschafter eine durch eine Kapitalgesellschaft auf dessen Verrechnungskonto verbuchte Gutschrift, über die er die tatsächliche Verfügungsmacht habe, als Zufluss im Sinne des EStG anzusehen, ausgenommen jene Fälle, in denen Illiquidität der Gesellschaft gegeben sei.
Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass die Gesellschaft nicht liquid gewesen sei, sodass aus faktischen Gründen keine Auszahlung möglich gewesen sei und er seine Bezüge bis zum Eingang weiterer liquider Mittel gestundet habe, müsse entgegengehalten werden, dass gerade in diesen Fällen der Zufluss grundsätzlich anzunehmen sei, sobald die Forderung fällig sei, vorausgesetzt, dass die Gesellschaft nicht zahlungsunfähig sei. Wie die Prüferin in ihrer Stellungnahme ausgeführt habe, sei in der Bilanz 2006 keine Überschuldung feststellbar, die Forderungen und Verbindlichkeiten würden in ähnlicher Höhe ausgewiesen. Damit könne nicht von Illiquidität gesprochen werden. Vorübergehende Zahlungsstockungen, für die aber keinerlei Nachweise vorlägen, hinderten aber die Annahme des Zuflusses der Geschäftsführerbezüge des Beschwerdeführers nicht. Eine Zahlungsunfähigkeit setze ein dauerndes Nichtzahlen-Können voraus, während eine bloße Zahlungsstockung im Allgemeinen dann anzunehmen sei, wenn lediglich vorübergehend und kurzzeitig ein Mangel an Zahlungsmitteln bestehe, der durch alsbaldige Mittelbeschaffung (wie etwa durch kurzfristig mögliche Verwertung vorhandener Aktiva oder Aufnahme eines Überbrückungskredites) wieder behebbar sei. Da im gegenständlichen Verfahren permanente Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft als mögliches Hindernis für den Zufluss von Geldern nicht eingewandt worden sei, bestehe keine Veranlassung, am Zufluss der auf dem Verrechnungskonto des Beschwerdeführers verbuchten Beträge in der von der Betriebsprüfung festgestellten Höhe zu zweifeln. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen, dass es der GmbH nicht möglich gewesen sei, sich durch Vermögensumschichtungen Barmittel zu beschaffen, und dass sie mangels Kreditwürdigkeit keine Fremdmittel habe aufnehmen können, um die strittigen Honorare zu finanzieren (Aufnahme eines Überbrückungskredites).
Schließlich bestehe durch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer und die zweite Gesellschafterin und Geschäftsführerin in einer Lebensgemeinschaft lebten, die Möglichkeit einer steueroptimalen Gestaltung des Zuflusszeitpunktes auch bei einer nur 50 %igen Beteiligung, weshalb der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers, er sei kein Mehrheitsgesellschafter, fehl gehe. Die Einnahmen seien dem Beschwerdeführer daher einkommensteuerlich in den Jahren der Rechnungsausstellung und Fälligkeit zugeflossen.
Gemäß § 17 UStG 1994 entstehe bei der Ist-Besteuerung die Steuerschuld (für Leistungen) mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Entgelte vereinnahmt worden seien. Die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten entspreche dem einkommensteuerlichen Prinzip der Besteuerung nach Maßgabe des Zuflusses. Judikatur und Lehre zum einkommensteuerlichen Zuflussprinzip seien daher auf die Umsatzsteuer übertragbar. Vereinnahmung liege danach in dem Zeitpunkt vor, in dem der Unternehmer über den Wert der Gegenleistung rechtlich und wirtschaftlich verfügen könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Ein Betrag ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt des § 19 Abs. 1 EStG 1988 als zugeflossen anzusehen, wenn der Empfänger über ihn tatsächlich und rechtlich verfügen kann (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0061).
Bei Leistungsabrechnungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber seiner Kapitalgesellschaft sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Frage deren Zuflusses - abgesehen von der Zuleitung des Barbetrages - insbesondere zwei mögliche zuflussbegründende Umstände zu unterscheiden, die beide für sich einen Zufluss beim Gesellschafter-Geschäftsführer bewirken können und daher getrennt zu prüfen sind, wobei der frühere Zeitpunkt den Zufluss bewirkt.
Zum einen ist auf den Gutschriftszeitpunkt durch die Kapitalgesellschaft abzustellen. Nimmt eine Kapitalgesellschaft eine Gutschrift zu Gunsten ihres Geschäftsführers etwa auf dem Verrechnungskonto vor, geht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einem Zufluss aus, wenn die GmbH zahlungsfähig ist. Der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft hat grundsätzlich die tatsächliche Verfügungsmacht über die zu seinen Gunsten ausgestellten Gutschriften (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0061, mit den dort angeführten weiteren Nachweisen). Da es für den Zuflusszeitpunkt auf das Erlangen der Verfügungsmacht des Geschäftsführers im Sinne des § 19 EStG 1988 ankommt, ist dabei jedoch nicht die allfällige Erfassung der Gutschrift mit einem rückwirkenden Buchungstag im Rechenwerk der Kapitalgesellschaft, sondern der Zeitpunkt der tatsächlichen Einbuchung der Gutschrift seitens der Kapitalgesellschaft maßgebend.
Zum anderen kommt für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter jener GmbH ist, die sein Schuldner ist, noch einem weiteren Umstand Bedeutung zu. So nimmt die Rechtsprechung in diesem Fall einen Zufluss auch bereits an, sobald die Forderung fällig ist, vorausgesetzt die GmbH ist nicht zahlungsunfähig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2007/13/0037, und vom , 2002/13/0175). Für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit ist es dabei ausreichend, wenn der Kapitalgesellschaft die Kreditwürdigkeit zur Aufnahme von Fremdmitteln zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/14/0002).
Entscheidend für die Annahme eines Zuflusses von Gesellschafter-Geschäftsführerbezügen bereits mit deren Fälligkeit ist das Vorliegen eines beherrschenden Einflusses des Gesellschafter-Geschäftsführers auf die Gesellschaft über die Gesellschafterversammlung (vgl. das Erkenntnis , 93/14/0155) und damit ein besonderes Naheverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Aus welchen Umständen sich ein solcher beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft ergibt, ist dagegen nicht wesentlich. Die vom Verwaltungsgerichtshof angestellten Überlegungen zum Mehrheitsgesellschafter sind daher auf andere Konstellationen beherrschenden Einflusses übertragbar.
Vor diesem Hintergrund ist der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen diesbezüglichen Rechtsprechung auch bereits von der Einbeziehung mittelbarer Beteiligungen zur Beurteilung eines beherrschenden Einflusses und damit einer tatsächlichen Verfügungsmacht eines Gesellschafters und Gläubigers ausgegangen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0014). Bei Fehlen einer eigenen Mehrheitsbeteiligung kann sich ein beherrschender Einfluss eines Gesellschafters und Gläubigers aber auch aus einem Naheverhältnis zu anderen Anteilsinhabern ergeben, womit sich insgesamt ein entsprechendes Stimmgewicht in der Gesellschafterversammlung ergibt.
Ob ein zuflussbegründender beherrschender Einfluss eines Gesellschafters und Gläubigers auf seine Gesellschaft vorliegt, ist letztlich eine Tatfrage, die die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung festzustellen hat.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde einen solchen beherrschenden Einfluss aus der Feststellung abgeleitet, dass der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitpunkt unbestritten mit der Zweitgesellschafterin und -geschäftsführerin in einer Lebensgemeinschaft gelebt hat, womit sowohl eine persönliche Nahebeziehung als auch eine gleich gerichtete Interessenslage bestand. Daraus durfte sie einen gemeinsamen zuflussbegründenden beherrschenden Einfluss beider Gesellschafter-Geschäftsführer ableiten, zumal der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kein konkretes Vorbringen erstattet hat, woraus sich Anhaltspunkte ergeben hätten, dass ein solcher gemeinsamer beherrschender Einfluss im Beschwerdefall nicht vorliegt.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund wären von der belangten Behörde für die Beurteilung des maßgeblichen Zuflusszeitpunktes jedoch sowohl Feststellungen hinsichtlich des Zeitpunktes der tatsächlichen Einbuchung von Gutschriften auf dem Verrechnungskonto des Beschwerdeführers als auch hinsichtlich der Fälligkeit der von ihm in Rechnung gestellten Leistungen zu treffen gewesen.
Diese Feststellungen hat die belangte Behörde nicht in ausreichendem Maße getroffen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet in §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am