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VwGH vom 30.04.2015, 2012/15/0069

VwGH vom 30.04.2015, 2012/15/0069

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der P GmbH in L, vertreten durch die Achammer Mennel Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0081-F/09, betreffend Umsatzsteuer 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit Kraftfahrzeugen handelt, wurde eine Umsatzsteuernachschau durchgeführt. Die Prüferin stellte fest, dass die Beschwerdeführerin 2006 die Lieferung von acht Kraftfahrzeugen nicht der Umsatzsteuer unterzogen habe, obwohl die für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen erforderlichen Beförderungsnachweise fehlten, und vertrat den Standpunkt, dass eine nachträgliche Sanierung ungenügender Beförderungsnachweise ("z.B. in Abholfällen das Fehlen einer original unterschriebenen Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, dass er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird") nicht zulässig sei.

Das Finanzamt folgte der Prüferin und unterzog die in Rede stehenden Kraftfahrzeuglieferungen - nach Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 2006 - dem Normalsteuersatz (20%).

Die Beschwerdeführerin berief gegen den im Gefolge der Nachschau ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2006, legte mit der Berufung Unterlagen zu den streitgegenständlichen Kraftfahrzeuglieferungen vor und vertrat die Auffassung, dass durch die nunmehr vorgelegten Unterlagen ein lückenloser Nachweis für das Vorliegen innergemeinschaftlicher Lieferungen vorhanden sei. Die gegenständlichen Geschäfte hätten tatsächlich stattgefunden. Dies werde auch jederzeit durch Michael R, den Geschäftsführer der A GmbH, bestätigt. Dieser Zeuge werde somit namhaft gemacht.

Das Finanzamt wies die Berufung - mit der Begründung, dass ein mangelhafter Beförderungsnachweis im Nachhinein nicht sanierbar sei und sich durch die nachträglich vorgelegten Lieferscheine weiterhin Ungereimtheiten bezüglich der Verbringung der Fahrzeuge ins übrige Gemeinschaftsgebiet ergeben würden - mit Berufungsvorentscheidung ab, woraufhin die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

In einer Ergänzung zum Vorlageantrag brachte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das , Albert Collee , u.a. vor, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der in Rede stehenden Fahrzeuglieferungen auch nachträglich erbracht werden könnten. Zudem benenne sie Karl P, Michael R und Jochen M (unter Angabe ihrer Adressen) als Zeugen, "welche bestätigen können, dass die Fahrzeuge in (Deutschland) übernommen wurden bzw. ein Fahrzeug durch einen Spediteur abgeholt wurde." Auch die in der Berufungsvorentscheidung angeführten Ungereimtheiten könnten "von den Zeugen leicht widerlegt werden".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung - nach Durchführung eines "Erörterungsgespräches" - teilweise statt. Sie ging abweichend zur Prüferin und zum Finanzamt davon aus, dass die nachträgliche Sanierung ungenügender Beförderungsnachweise möglich sei und der Nachweis, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt sei, nicht nur durch die in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996, angeführten Beweismittel geführt werden könne. Zu prüfen sei daher, ob der Beschwerdeführerin der Nachweis mit den vorgelegten Beweismitteln gelungen sei. Dazu seien alle Beweismittel für die einzelnen Fahrzeuglieferungen zu berücksichtigen und auf ihre Beweistauglichkeit zu prüfen.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde zunächst aus, dass die Beschwerdeführerin während der Nachschau, die zwei Monate gedauert habe, keine Lieferscheine vorgelegt habe. Der Steuerberater sei mehrfach auf die Lieferscheine angesprochen worden, habe aber lediglich Beweise von dritter Seite angeboten. Ferner sei ungewöhnlich, dass Rechnungen teilweise einen Monat vor der Lieferung ausgestellt würden. Es liege auch kein Buchnachweis vor. Bei den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen handle es sich um Jahres-Kontoblätter über die innergemeinschaftlichen Lieferungen, bei denen die Anschrift des Abnehmers, der Tag der Lieferung und der Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet fehlten. Darüber hinaus sei der Liefervorgang fragwürdig. Laut Beschwerdeführerin habe die in Österreich etablierte X GmbH bei der in Deutschland ansässigen A GmbH acht Kraftfahrzeuge bestellt, welche die Kraftfahrzeuge bei der Beschwerdeführerin eingekauft habe. Die Beschwerdeführerin habe die Kraftfahrzeuge in Deutschland an die A GmbH übergeben. Die A GmbH habe die Kraftfahrzeuge sodann in Deutschland an die X GmbH übergeben bzw. von Deutschland aus an die X GmbH geliefert. Unverständlich sei, wieso Kraftfahrzeuge durch ihren Bestimmungsort in Österreich hindurch nach Deutschland geliefert würden, nur um gleich anschließend wieder an ihren Bestimmungsort in Österreich zurück zu gelangen. Darüber hinaus wiesen die vorgelegten Beweisunterlagen in den meisten Fällen Widersprüche hinsichtlich des Lieferdatums und des Übergabeortes auf. Im Hinblick auf diese Widersprüche kam die belangte Behörde sodann zur Überzeugung, dass nur in Bezug auf drei Fahrzeuge von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung auszugehen sei, wohingegen hinsichtlich der weiteren fünf Fahrzeuge die Beförderung nach Deutschland nicht erwiesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß Art. 7 UStG 1994 sind innergemeinschaftliche Lieferungen dann steuerfrei, wenn Liefergeschäfte mit einem der dort genannten Abnehmer durchgeführt und die Waren nachweislich von Österreich in einen anderen Mitgliedstaat, in dem der Erwerb steuerbar ist, verbracht wurden. Wie der Nachweis dieser Warenbewegung ins übrige Unionsgebiet zu führen ist, regelt die Verordnung BGBl. Nr. 401/1996. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung lauten:

"Nachweis der Beförderung oder Versendung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

§ 1. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7 UStG 1994) muß der Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachweisen, daß er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat.

§ 2. In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein, und

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten oder in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer durch eine Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, daß er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird."

Strittig ist das Vorliegen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen nach Art. 7 UStG 1994. Vor allem geht es darum, ob die Beschwerdeführerin den Nachweis dafür, dass die in Rede stehenden Kraftfahrzeuge nach Deutschland befördert wurden, erbracht hat.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid zutreffend davon aus, dass im Bereich der Nachweisführung nicht auf bloß formelle Belange, insbesondere den Zeitpunkt der Nachweiserbringung, abzustellen, sondern auch eine spätere Nachweisführung im Abgabenverfahren ausreichend ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2012/15/0192, und vom , 2009/15/0146). Ausgehend davon hat sie sich ausführlich mit den - teils erst im Berufungsverfahren vorgelegten - Nachweisen für die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit (Ausgangsrechnungen, Lieferscheinen, Übernahmebestätigungen etc.) zu den streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen auseinandergesetzt, in Bezug auf einzelne Lieferungen Widersprüche zwischen von der Beschwerdeführerin erstellten Unterlagen einerseits und von ihren Abnehmern erstellten Unterlagen andererseits hinsichtlich des Lieferdatums und des Übergabeortes festgestellt und daher die Beförderung nach Deutschland als nicht erwiesen angesehen.

Von einer Einvernahme der im Berufungsverfahren zum Nachweis dafür angebotenen Zeugen, "dass die Fahrzeuge in (Deutschland) übernommen wurden bzw. ein Fahrzeug durch einen Spediteur abgeholt wurde", hat sie indessen ohne Angabe von Gründen entgegen der Vorgaben des § 183 Abs. 3 BAO Abstand genommen. Dabei hat die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren zudem noch ergänzend vorgebracht, dass auch die bereits in der Berufungsvorentscheidung angeführten Widersprüche (Ungereimtheiten) "von den Zeugen leicht widerlegt werden können".

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid mit der Begründung, dass die vorgelegten Beweisunterlagen in Bezug auf fünf Fahrzeuge Widersprüche hinsichtlich des Lieferdatums und des Übergabeortes aufwiesen, als nicht erwiesen angenommen, dass die Fahrzeuge nach Deutschland gelangt seien. Die eben zu diesem Beweisthema angebotenen Zeugen hat sie allerdings nicht einvernommen. Dabei kann aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Aufnahme dieses Beweismittels die belangte Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen lassen. Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Es von vornherein auszuschließen, dass die Aussagen der Zeugen zum Beweisthema, ob die Fahrzeuge nach Deutschland gelangt sind nicht geeignet gewesen wären, das von der Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zu beurteilende Gesamtbild der Umstände entscheidend zu verändern, entspräche einer unzulässigen vorweggenommenen (antizipativen) Beweiswürdigung (vgl. Ritz , BAO5, § 167 BAO, mwN).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am