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VwGH vom 20.12.2012, 2009/15/0146

VwGH vom 20.12.2012, 2009/15/0146

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg in 8430 Leibnitz, Lastenstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0305- G/08, betreffend Umsatzsteuer 2004 bis 2006, Umsatzsteuerfestsetzungen März, Mai und November 2007 (mitbeteiligte Partei: W GmbH in T, vertreten durch die Südsteirische Steuerberatung GmbH in 8430 Leibnitz, Hasendorfer Straße 75), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte betreibt einen gewerblichen Kfz-Handel. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung wurde festgestellt, dass der Nachweis über die innergemeinschaftlichen Lieferungen von Fahrzeugen gemäß Verordnung BGBl. 1996/401 nicht erbracht worden sei. In einer - vom Finanzamt bzw. der Großbetriebsprüfung diesbezüglich unwidersprochenen - Stellungnahme führte der steuerliche Vertreter aus, dass im Prüfungszeitpunkt der Nachweis betreffend der strittigen innergemeinschaftlichen Lieferungen von diversen Kfz in folgender Weise vorgelegen sei: Kopie der Rechnung; Bestimmungsort, der aus der Rechnung zu entnehmen ist;

Identitätsnachweis des Abholenden durch Kopie des Reisepasses;

Überprüfung der UID sowie "Empfangsbestätigung des Abnehmers" (Käufers), die im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung nachgereicht worden sei.

Damit fehlte im Zeitpunkt der Lieferung die für Abholfälle nach der Verordnung BGBl. 1996/401 vorgesehene "Erklärung des Abholenden, dass er den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird".

Das Finanzamt nahm auf Grund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung die Abgabenverfahren betreffend Umsatzsteuer 2004 bis 2006 wieder auf und nahm Umsatzsteuerfestsetzungen für 2004 bis 2006 sowie März, Mai und November 2007 vor, wobei es die Steuerfreiheit der betroffenen Lieferungen versagte.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Mitbeteiligte aus, dass im Zuge des Prüfungsverfahrens die Erklärung des Abholenden, dass er den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern werde, durch eine eidesstattliche Erklärung des Abnehmers (Käufers) ersetzt und Zeugen benannt worden seien, die als Begleitpersonen die Verbringung der Waren ins übrige Gemeinschaftsgebiet bezeugen würden. Darüber hinaus seien Zulassungsbestätigungen aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet vorgelegt worden. Trotz dieser (nachträglich) erbrachten Nachweise habe die Betriebsprüfung die Steuerfreiheit versagt und sei in ihrem Bericht auch nicht näher auf die Nachweise eingegangen. In Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH sowie unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes sei die Steuerfreiheit zu gewähren, wenn zweifelsfrei feststehe, dass die Kfz in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht worden seien. Das alleinige Fehlen einer Unterschrift dürfe nicht derart gravierende Folgen wie den Verlust der Steuerbefreiung nach sich ziehen.

Der Berufung lag eine ausführliche Dokumentation mit einer Aufstellung der betroffenen innergemeinschaftlichen Lieferungen und der jeweils beigebrachten alternativen Beförderungsnachweise (ausländische Zulassungsbestätigungen und eidesstattliche Erklärungen) bei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung in dem hier strittigen Punkt Folge. Begründend führte sie aus, dass die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen werden müssten (Art. 7 Abs. 3 UStG 1994), wobei in der Verordnung BGBl. 1996/401 geregelt sei, wie der Nachweis der Beförderung oder Versendung und der Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen auszusehen habe. Im Fall der Abholung durch den Erwerber habe der Unternehmer nach § 2 leg. cit. den Nachweis u.a. durch eine Erklärung des Abholenden, dass er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern werde, zu führen.

Im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung seien alle gesetzlich oder durch Verordnung vorgesehenen Nachweise vorgelegen. Fraglich sei ausschließlich, ob der Nachweis über die Beförderung des Gegenstandes bereits im Zeitpunkt der Lieferung vorhanden sein müsse oder ob ein Nachbringen desselben möglich sei.

Allein die mangelnde zeitliche Nähe des Nachweises oder die Tatsache, dass ein solcher erst nachträglich erbracht worden sei, rechtfertige für sich allein die Versagung der Steuerfreiheit nicht. Aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht sei eine andere Interpretation geboten: Ebenso wie bei Ausfuhrlieferungen sei eine Auslegung des Art. 7 UStG 1994 überschießend und verstoße gegen das dem Gleichheitssatz innewohnende Verhältnismäßigkeitsgebot, wenn ihr der Sinn beigelegt werde, dass ungeachtet des im Einzelfall völlig zweifelsfreien Vorliegens der materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit des in Rede stehenden Umsatzes die Steuerbefreiung allein deshalb nicht zu gewähren sei, weil der darüber hinausgehende - bloß formelle - Buchnachweis fehle (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , B 916/02). Auch sei eine solche Sichtweise aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht geboten, weil Maßnahmen, die dazu dienten, die genaue Erhebung der Steuer zu gewährleisten und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht so eingesetzt werden dürften, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellten.

Dagegen wendet sich die Beschwerde des Finanzamtes gemäß § 292 BAO, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und die Mitbeteiligte erwogen:

Gemäß Art. 7 UStG 1994 sind innergemeinschaftliche Lieferungen dann steuerfrei, wenn Liefergeschäfte mit einem der dort genannten Abnehmer durchgeführt und die Waren nachweislich von Österreich in einen anderen Mitgliedstaat, in dem der Erwerb steuerbar ist, verbracht wurden. Wie der Nachweis dieser Warenbewegung ins übrige Gemeinschaftsgebiet zu führen ist, regelt die Verordnung BGBl. Nr. 401/1996. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung lauten:

"Nachweis der Beförderung oder Versendung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

§ 1. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7 UStG 1994) muß der Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachweisen, daß er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat.

§ 2. In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, hat der Unternehmer den Nachweis wie folgt zu führen:

1. durch die Durchschrift oder Abschrift der Rechnung (§ 11, Art. 11 UStG 1994),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein, und

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten oder in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer durch eine Erklärung des Abnehmers oder seines Beauftragten, daß er den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern wird."

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , 2005/15/0031, zum umsatzsteuerlichen Buchnachweis ausgeführt, dass der Nachweis der materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 vom inländischen Lieferer zu erbringen ist. Aus den Ausführungen des , Albert Collee , hat der Verwaltungsgerichtshof abgeleitet, dass im Bereich der Nachweisführung jedoch nicht auf bloß formelle Belange, insbesondere den Zeitpunkt der Nachweiserbringung, abzustellen, sondern auch eine spätere Nachweisführung im Abgabenverfahren ausreichend ist. Entscheidend ist, dass dem liefernden Unternehmer der Nachweis gelingt, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen.

Entsprechend der Rechtsprechung des EuGH erfordert der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nämlich, dass die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Anders verhielte es sich - so der EuGH - nur, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhinderte, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (, Albert Collee, Rz 31).

Die Amtsbeschwerde vermag keinen Umstand aufzuzeigen, warum die auf die steuerliche Neutralität der Mehrwertsteuer gestützten Überlegungen des EuGH für den hier gegenständlichen Beförderungsnachweis - anders als für den Buchnachweis - nicht gelten sollten.

In beiden Fällen handelt es sich letztlich um Anwendungsbedingungen im Sinne von Art. 28c Teil A der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG für innergemeinschaftliche Lieferungen ("Bedingungen, die sie (die Mitgliedstaaten) zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen").

Ob der Nachweis der Beförderung erbracht ist, ist eine Frage der - vom Verwaltungsgerichtshof nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfenden - Beweiswürdigung (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0238).

Im Rahmen der ihm zukommenden Schlüssigkeitsprüfung vermag der Verwaltungsgerichtshof die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als unschlüssig zu erkennen: So wurden im Beschwerdefall entsprechende Identitätsnachweise der Abholenden bereits im Zeitpunkt der Abholung durch Kopie der Reisepässe angefertigt und gemeinsam mit den als Ersatz für die nach § 2 Z 3 der VO BGBl. Nr. 401/1996 fehlenden Erklärungen vorgelegten "Eidesstattlichen Erklärungen" Zulassungsbestätigungen aus dem übrigen Unionsgebiet vorgelegt.

Wenn die belangte Behörde vor diesem Hintergrund ungeachtet der erst nachträglich erbrachten Abnehmererklärungen vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 UStG 1994, insbesondere vom Vorliegen einer Warenbewegung in das übrige Gemeinschaftsgebiet im Rahmen der betroffenen Lieferungen, ausgegangen ist, kann darin keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit erkannt werden.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am