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VwGH vom 20.04.2006, 2004/15/0113

VwGH vom 20.04.2006, 2004/15/0113

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des Dr. J in S, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alpenstraße 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom , GZ FSRV/0032-S/03, betreffend Abgabenhinterziehung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer bei VL durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, dass bei Ermittlung der Einkünfte des VL aus seiner selbständigen Tätigkeit als Dentist "anteilige Kosten" - diese seien von der L-KG weiterverrechnet worden - als Betriebsausgaben und die darauf entfallenden Umsatzsteuern als Vorsteuern geltend gemacht worden seien, obwohl diesen Positionen keine Belege und keine Buchungen zu Grunde gelegen seien. Es handle sich um folgende Beträge: 1990: 600.000 S plus 20% USt (120.000 S 1992: 400.000 S plus 20% USt (80.000 S). Der Aufwand sei bei VL nicht betrieblich veranlasst und könne daher - ebenso wie die geltend gemachten Vorsteuern - nicht anerkannt werden.

Auf Vorhalt gab VL mit Schreiben vom bekannt, der Beschwerdeführer sei seinerzeit sein Steuerberater gewesen. Der Beschwerdeführer habe selbständig und ohne VL zu informieren oder seine Zustimmung einzuholen bei der Gewinnermittlung für VL im Rahmen der "Um- und Nachbuchungen anteilige Kosten" angesetzt. Es fehle hiefür jede wirtschaftliche und rechtliche Grundlage, da keine Leistungen erbracht worden seien und auch kein Beleg mit gesondertem Mehrwertsteuerausweis vorliege. Zudem sei es zu keinem Zahlungsfluss gekommen. VL habe von diesen "Machenschaften" keine Kenntnis gehabt und hätte sie unter keinen Umständen gebilligt.

Mit Bescheid vom leitete die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren ein. Es bestehe der Verdacht, dass der Beschwerdeführer als Wahrnehmender der steuerlichen Agenden des VL vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für 1990 und 1992 bescheidmäßig festzusetzende Abgaben (konkret genannte Beträge an Einkommensteuer 1990 und 1992 und Umsatzsteuer 1990 und 1992) in Höhe von insgesamt 553.325 S verkürzt und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen habe.

Die gegen den eine Berufung gegen den Bescheid vom abweisende Berufungsentscheidung erhobene Beschwerde des auch nunmehrigen Beschwerdeführers wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 99/15/0217, als unbegründet ab.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Spruchsenates vom schuldig erkannt, als Wahrnehmender der steuerlichen Agenden des VL vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuererklärung für 1992 (am ) Umsatzsteuer in Höhe von 5.813,83 Euro (80.000 S) verkürzt zu haben. Er habe hiemit das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen. Es wurde deshalb eine Geldstrafe von 6.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Wochen) verhängt. Unter einem wurde das Finanzstrafverfahren betreffend Hinterziehung von Umsatzsteuer 1990 wegen Verjährung eingestellt. In gleicher Weise wurde das Finanzstrafverfahren betreffend Einkommensteuer 1990 und 1992 eingestellt. In der Begründung wird u.a. ausgeführt, bei einer abgabenbehördlichen Prüfung bei VL habe sich ergeben, dass im Zuge der Abschlussarbeiten betreffend die Gewinnermittlung des VL und der L-KG - der Beschwerdeführer sei steuerlicher Vertreter des VL und der L-KG - Kosten dieser KG dem Einzelunternehmen des VL weiterverrechnet worden seien. In diesem Zusammenhang seien für VL Vorsteuern geltend gemacht worden, während die Beträge bei der L-KG der Umsatzsteuer unterzogen worden seien. Da für VL keine entsprechenden Belege vorhanden gewesen seien, seien die Vorsteuern zu berichtigen gewesen.

In der Berufung gegen das Straferkenntnis brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die Finanzstrafbehörde erster Instanz habe auf das Fehlen von Rechnungen abgestellt. Aus dem Erlass des Bundesministers für Finanzen vom ergebe sich aber, dass der Unternehmer eine fehlende Rechnung während der abgabenbehördlichen Prüfung nachbringen könne, wenn während dieser Prüfung festgestellt werde, dass über eine an ihn erbrachte Leistung noch keine Rechnung ausgestellt worden sei, und wenn der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer rechtzeitig und vollständig abgeliefert habe. Im vorliegenden Fall seien die im Erlass genannten Voraussetzungen gegeben. Es sei nicht strafbar, eine Leistungsverrechnung vorzunehmen. Voraussetzung sei, dass der Leistende die Umsatzsteuer rechtzeitig und vollständig abgeführt habe. Die L-KG habe rechtzeitig mit der Abgabe der Steuererklärung die Leistung an VL der Umsatzsteuer unterzogen und diese Umsatzsteuer abgeführt. Demnach sei aus diesem Titel keine Nachzahlungspflicht entstanden, weshalb auch kein strafbarer Tatbestand erfüllt sei. In den Jahren 1987 und 1988 seien bereits vergleichbare Leistungen erbracht und entsprechend verrechnet worden. Es wäre auch wirklichkeitsfremd, davon auszugehen, dass die L-KG Leistungen an VL gar nicht erbracht habe.

Zu beachten sei zudem, dass das Finanzamt im Zusammenhang mit der abgabenbehördlichen Prüfung der L-KG 300.000 S zurückbezahlt habe, während gegenüber VL lediglich 200.000 S zur Vorschreibung gelangt seien. Insgesamt seien somit im Zeitraum 1990 bis 1992 um 100.000 S zu viel an das Finanzamt bezahlt worden.

Gerade der Umstand, dass der gleiche Vorgang bei der Betriebsprüfung für die Vorjahre anerkannt worden sei, zeige auf, dass eine vorsätzliche Abgabenverkürzung nicht vorliegen könne. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang davon ausgehe, dass ein derartiger Vorgang nicht dem Gesetz entspreche, liege jedenfalls ein entschuldbarer Verbotsirrtum vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nur insoweit Folge, als sie die Strafe auf 3.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) herabsetzte.

Es sei unstrittig, dass es weder laufende Buchungen noch einen Beleg betreffend den Vorsteuerabzug gegeben habe. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liege eine Abgabenverkürzung vor, weil VL einerseits und die L-KG andererseits verschiedene Steuersubjekte darstellten. Eine Kompensation von Steuernachforderungen eines Unternehmers mit Gutschriften eines anderen Unternehmers sei nicht zulässig. Bei den beiden Unternehmen handle es sich auch nicht, wie vom Beschwerdeführer in der Berufung behauptet, um verbundene Unternehmen. Es liege keine Über- bzw Unterordnung zwischen den Unternehmen vor.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Erlass des Bundesministers für Finanzen vom berufe, sei darauf zu verweisen, dass eine Rechnung nicht nachgereicht worden sei. Wenn das Finanzministerium praeter oder contra legem aus verfahrensökonomischen Gründen eine bestimmte Praxis zulasse, sei dies ohne Auswirkung auf das Entstehen des Abgabenanspruches und auf die Entfaltung strafrechtlich relevanter Lebenssachverhalte. Zudem wolle der Beschwerdeführer übersehen, dass eine im Erlass erwähnte Voraussetzung nicht erfüllt sei, nämlich die rechtzeitige Entrichtung der Umsatzsteuer durch den leistenden Unternehmer. Von einer rechtzeitigen Entrichtung könne nämlich nicht die Rede sein, weil die Verbuchung und damit die Versteuerung erst im Zuge der Abschlussarbeiten stattgefunden hätten. Zudem stamme der Erlass aus dem Jahr 2000, weshalb sich ein Wirtschaftstreuhänder im Jahr 1993 noch keinesfalls in einem Irrtum über die Reichweite des Erlasses befunden haben könne.

Soweit der Beschwerdeführer eingewendet habe, der gegenständliche Vorgang gleiche jenem, der bei der abgabenbehördlichen Prüfung betreffend die Jahre 1987 und 1988 vom Finanzamt anerkannt worden sei, werde ihm entgegen gehalten, dass hinsichtlich der Jahre 1987 und 1988 die für den Vorsteuerabzug relevanten Rechnungen vorgelegen seien. Für das Jahr 1992 lägen hingegen keine Rechnungen vor.

Die Finanzstrafbehörde habe zu Gunsten des Beschwerdeführers einen Leistungsaustausch zwischen der L-KG und VL als gegeben angenommen. Zusätzliches Erfordernis für den Vorsteuerabzug wären aber Rechnungen iSd § 11 UStG gewesen. Das sei als steuerliches Basiswissen dem Beschwerdeführer bekannt gewesen.

Der Beschwerdeführer, der an der jährlichen in seiner Kanzlei stattfindenden Besprechung der steuerlichen Rechenwerke der VL und der L-KG teilgenommen habe, sei mit dem Fehlen der Rechnung konfrontiert gewesen, weil der auffällige und für den konkreten Sachbearbeiter sicherlich berichtenswerte Vorgang auch Gegenstand der Besprechung gewesen sei. Er habe jedoch entschieden, wider sein steuerliches Wissen die gegenständliche strafrelevante Vorgangsweise zu setzen. Der Beschwerdeführer sei daher zu Recht der Abgabenhinterziehung schuldig erkannt worden.

Bei der Strafbemessung seien als mildernd die finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit und die Schadensgutmachung zu berücksichtigen. Ein weiterer Milderungsgrund liege darin, dass es sich um eine schon lange zurückliegende Tat handle, für welche im Übrigen am Verjährung eingetreten wäre. Dem Beschwerdeführer wäre es ein Leichtes gewesen, durch Beweisanträge eine Vertagung und damit die Einstellung des Finanzstrafverfahrens zu erreichen. Der Beschwerdeführer habe sich aber aus freien Stücken der Verantwortung gestellt, offenbar deshalb, weil er bereit sei, letztlich für sein Fehlverhalten einzustehen. Zu seinem Unglück habe der Beschwerdeführer aber diesen positiven Ansatz bei der Berufungsverhandlung nicht durchgehalten und sich als nicht schuldeinsichtig gezeigt. In Abwägung sämtlicher Argumente halte die belangte Behörde eine minimale Geldstrafe von 3.000 Euro für tat- und schuldangemessen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde. Sie sei folgenden Beweisanträgen nicht nachgekommen: Antrag auf Vernehmung von Univ.-Prof. Dr. L und Dr. B als Zeugen zum Beweisthema, dass VL bereits im Jahr 1995 nicht mehr ausreichend geschäfts- und handlungsfähig gewesen sei; Antrag auf Einvernahme von Dr. W und CW zum Thema, dass bei der Betriebsprüfung 1986 bis 1988 ein gleich gelagerter Sachverhalt vorgelegen sei; Antrag auf Einvernahme der Finanzbeamtin GE zum Beweisthema, dass das Unternehmen des VL und jenes der L-KG verbundene Unternehmen gewesen seien, zumal VL Geschäftsführer der L-KG gewesen sei. Weil die belangte Behörde keine Sachverhaltsfeststellungen darüber getroffen habe, dass verbundene Unternehmen vorgelegen seien, sei der Sachverhalt im Übrigen ergänzungsbedürftig geblieben. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, die Sachverhaltsfeststellung zu treffen, dass das Finanzamt als Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung für den Zeitraum 1990 bis 1992 der L-KG 300.000 S zurückbezahlt, dem Einzelunternehmer VL aber lediglich eine Nachzahlung von 200.000 vorgeschrieben habe, sodass letztlich keine Verkürzung von Umsatzsteuer eingetreten sei.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weil die Beschwerde die Relevanz allfälliger Verfahrensfehler nicht darzutun vermag: Was die beantragte Einvernahme von Univ.-Prof. Dr. L und Dr. B anlangt, ist nicht zu erkennen, wie sich eine "nicht mehr ausreichend(e)" Handlungs- und Geschäftsfähigkeit des VL im Jahr 1995, selbst wenn - wie in der Beschwerde vorgebracht - "aus dem Gesundheitszustand zu einem bestimmten Zeitpunkt … auch Rückschlüsse zu ziehen wären über davor gelegene Zeiträume", auf die strafrechtliche Beurteilung der Handlungen des Beschwerdeführers auswirken sollte. Hinsichtlich der der abgabenbehördlichen Prüfung betreffend den Zeitraum 1986 bis 1988 zu Grunde liegenden Umstände wendet sich die Beschwerde nicht gegen die Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, dass seinerzeit über die betreffenden Verrechnungen von der L-KG an VL Rechnungen iSd § 11 UStG vorgelegen seien, sodass sich daraus bereits der wesentliche Unterschied zu dem dem Beschwerdefall zu Grunde liegenden Sachverhalt ergibt.

In Bezug auf das Vorbringen betreffend "verbundene Unternehmen" genügt der Hinweis, dass das UStG 1972 einen solchen Begriff nicht kennt. Sollte der Beschwerdeführer damit ein Organschaftsverhältnis ansprechen wollen, sei darauf verwiesen, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Z 2 UStG offenkundig nicht erfüllt sind. Vor diesem Hintergrund steht es der Erfüllung der objektiven Tatseite der Abgabenhinterziehung nicht entgegen, dass die abgabenbehördlichen Prüfungen bei der L-KG zu einer Steuergutschrift geführt haben.

Der Beschwerdeführer wendet sich auch dagegen, dass die belangte Behörde trotz seines Einwandes betreffend eine entsprechende Verwaltungspraxis in Bezug auf die Möglichkeit der Nachreichung von Rechnungen während einer abgabenbehördlichen Prüfung Vorsatz in Bezug auf die Abgabenverkürzung als erwiesen erachtet hat.

Hiezu ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Abschlussarbeiten bzw der Erstellung der Steuererklärungen und sohin in zeitlichem Zusammenhang sowohl den Vorsteuerabzug bei VL als auch die korrespondierende Umsatzsteuerentrichtung bei der L-KG veranlasst hat, sodass in einer Gesamtschau beider Vorgänge dem Steuergläubiger kein Nachteil (auch kein Zinsnachteil) erwachsen sollte. Dieser Umstand stellt ein Indiz gegen beim Beschwerdeführer vorliegenden Vorsatz auf die Verkürzung der Umsatzsteuer dar (vgl das hg Erkenntnis vom , 2000/14/0167). Dazu kommt folgender wesentlicher Umstand:

In ÖStZ 2000, 34f, berichtet Ministerialrat Mag. Scheiner, Leiter der Abteilung Umsatzsteuer im Bundesministerium für Finanzen, von einer schriftlichen Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen zur parlamentarischen Anfrage vom , Nr. 40/J, zu Fragen des Vorsteuerabzuges iZm der Prüfung von Gastwirten. In dieser Anfragebeantwortung wird unter 2, ausgeführt:

"Ist bei fehlerhaften oder mangelhaften Rechnungen eine Ergänzung der Barverkaufsrechnung durch die Brauereien erforderlich, löst eine derartige Ergänzung an sich keine steuerrechtlichen oder finanzstrafrechtlichen Konsequenzen aus.

In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Vorsteuerabzug erst in dem Veranlagungszeitraum vorgenommen werden kann, in dem die berichtigte Rechnung vorliegt (keine Rückwirkung). Nach der Verwaltungspraxis können allerdings Rechnungsmängel, die im Verlauf einer finanzbehördlichen Überprüfung festgestellt werden, innerhalb einer vom Prüfer festzusetzenden Frist auch mit Wirkung für den Prüfungszeitraum behoben werden."

Ein Erlass des Bundesministers für Finanzen vom (siehe ÖStZ 2000, 241) führt u.a. aus:

"2. Nachträgliche (erstmalige) Ausstellung einer Rechnung

Wurde für eine an den Unternehmer bewirkte Leistung (Lieferung) keine Rechnung oder nur ein Beleg ausgestellt, der nicht als Rechnung zu qualifizieren ist (zB Lieferschein), setzt ein Vorsteuerabzug eine (nachträgliche) Rechnungslegung durch den leistenden Unternehmer voraus. …

Wird im Verlauf einer finanzbehördlichen Überprüfung festgestellt, dass ein Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde, obwohl über eine an den Unternehmer ausgeführte Leistung (Lieferung) noch keine Rechnung iSd § 11 UStG 1994 gelegt worden ist, und bringt der Unternehmer die fehlende Rechnung innerhalb einer vom Prüfer festzusetzenden Frist (im Regelfall nicht mehr als ein Monat) nach, bestehen keine Bedenken, wenn der Vorsteuerabzug auf Grund der nachgebrachten Rechnung mit Wirkung für den Prüfungszeitraum berücksichtigt wird."

Ruppe schreibt in der im Jahr 1995 erschienenen ersten Auflage seines Kommentars zum UStG 1994, § 12 Tz 58, aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich, dass auch bei Vorliegen aller Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug mit Ausnahme der Rechnung der Vorsteuerabzug erst in dem Veranlagungszeitraum vorgenommen werden könne, in dem die Rechnung vorliege. Liege eine Rechnung vor, die nicht den Erfordernissen des § 11 UStG entspreche, und werde diese in der Folge berichtigt, sei der Vorsteuerabzug erst in dem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in welchem die berichtigte Rechnung vorliege (keine Rückwirkung). Ruppe verweist allerdings auf eine gegenteilige Verwaltungspraxis , wonach Rechnungsmängel, die im Verlauf von finanzbehördlichen Überprüfungen festgestellt würden, innerhalb einer vom Prüfer festzusetzenden Frist auch mit Wirkung für den Prüfungszeitraum behoben werden könnten. Als Nachweis für diese Verwaltungspraxis verweist Ruppe auf Kranich/Siegl/Waba Kommentar zum UStG 1972, § 12 Anm. 52 (Stand April 1993).

An der genannten Stelle des Kommentars von Kranich/Siegl/Wabe (Stand April 1993) findet sich der Nachweis für eine solche Verwaltungspraxis.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich: In umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht trifft es gewiss zu, dass der Vorsteuerabzug erst in jenem Zeitpunkt vorgenommen werden darf, in welchem - zusätzlich zu den weiteren Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug - auch eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Diese Rechtsansicht hat jüngst auch durch das , Terra Baubedarf-Handel GmbH, Bestätigung erfahren. Andererseits ist zu beachten, dass eine schon lange vor dem Jahr 2000 geübte - gesetzwidrige - vom Bundesminister für Finanzen gebilligte Praxis der Finanzverwaltung besteht, wonach für den Vorsteuerabzug der Mangel einer Rechnung iSd § 11 UStG unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend sanierbar sei.

Ein Irrtum über die Tatbestandsmerkmale der Steuerrechtsnorm steht der Annahme von Vorsatz entgegen (vgl § 9 Abs 1 FinStrG). Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zu erkennen gegeben, dass sie einen Rechtsirrtum des Beschwerdeführers nicht für erwiesen hält (und die anstehende Rechtsfrage dem steuerlichen "Basiswissen" zurechnet).

Ob Handlungen oder Unterlassungen mit dem Ziel erfolgen, Abgaben zu verkürzen, beruht meist auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, auf den - bei einem den Vorsatz verneinenden Täter - nur nach dessen nach außen tretendem Verhalten geschlossen werden kann. Die Ermittlung des nach außen nicht erkennbaren Willensvorganges stellt einen Akt der Beweiswürdigung dar (vgl das hg Erkenntnis vom , 2000/14/0135).

Die Bestimmung des § 98 Abs 3 FinStrG, wonach die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht, bedeutet nicht, dass dieser in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Es obliegt dem Verwaltungsgerichtshof in den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangte, insbesondere zu prüfen, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind. Somit wird also vom Verwaltungsgerichtshof geprüft, ob das Ergebnis der von der Behörde durchgeführten Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang steht und die Sachverhaltsannahme der Behörde in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren gewonnen wurde (vgl das hg Erkenntnis vom , 2002/14/0060).

Unter Beachtung des Umstandes, dass im gegenständlichen Fall offenkundig zeit- und betragsgleich einerseits Vorsteuer geltend gemacht und andererseits die entsprechende Umsatzsteuer entrichtet worden ist, erscheint es - trotz der Gesetzwidrigkeit der in Rede stehenden Verwaltungspraxis - im Hinblick auf eben diese seit langem geübte Verwaltungspraxis durchaus nahe liegend, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines Rechtsirrtums davon ausgegangen ist, unter den besonderen Umständen des Beschwerdefalles stehe es dem Vorsteuerabzug nicht entgegen, dass eine Rechnung nicht sofort (sondern erst auf Aufforderung eines Betriebsprüfers) gelegt werde. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, auf Grund derer sie einen Rechtsirrtum des Beschwerdeführers im Hinblick darauf, dass der Erlass aus dem Jahr 2000 bei Begehung der in Rede stehenden Tat noch nicht vorgelegen sei, als nicht gegeben erachtet, hält daher der verwaltungsgerichtlichen Schlüssigkeitsprüfung nicht stand. Nicht von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung betreffend den Zeitraum 1990 bis 1993 eine Aufforderung zur Beibringung einer Rechnung ergangen ist und ob einer solchen Aufforderung tatsächlich entsprochen worden ist; der Tatvorsatz muss nämlich vor bzw bei der Ausführung der Tat vorliegen (vgl Leitner, Finanzstrafrecht2, 175), sodass nachträglich eingetretene Umstände nicht von Bedeutung sind. Im Beschwerdefall ist auch die "Rechtzeitigkeit" der Entrichtung der Umsatzsteuer nicht von Bedeutung, ist diese doch in zeitlichem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Vorsteuern erfolgt.

Ergänzend sei bemerkt, dass im hg Erkenntnis vom , 99/15/0217, zur Einleitung des Strafverfahrens gegenüber dem Beschwerdeführer - dieses hat sich im Übrigen auch auf die Einkommensteuer bezogen, während das gegenständliche Verfahren Einkommensteuer nicht betrifft - schon mangels eines entsprechenden Vorbringens ein Irrtum des Beschwerdeführers nicht beurteilt worden war.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am