VwGH vom 20.05.2010, 2007/15/0309
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Kitzbühel Lienz in 6370 Kitzbühel, Im Gries 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0094-I/07, betreffend Einkommensteuer 2005 (mitbeteiligte Partei: J E in V), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Im Verfahren betreffend Einkommensteuer 2005 beantragte der Mitbeteiligte die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen. Seine behinderte Tochter, für die er erhöhte Familienbeihilfe beziehe (Grad der Behinderung 100 %), besuche eine Sonderschule, für welche Schulgeld von insgesamt 648 EUR anfalle. Wegen der Behinderung der Tochter könne für das Erreichen der Schule nicht der öffentliche Schülerbus benutzt werden. Daher habe die Ehefrau des Mitbeteiligten die Tochter täglich mit dem rollstuhlgerecht ausgestatteten Kfz zur Schule gebracht und von dort wieder abgeholt (tägliche Fahrtstrecke 40 km). Daraus seien dem Mitbeteiligten Kosten in Höhe von insgesamt 1.036 EUR (geschätzt mit dem Kilometergeld) erwachsen. Für eine medizinisch verordnete Kontrolluntersuchung, für welche seine Tochter in den Ort I habe gebracht werden müssen, seien dem Mitbeteiligten Fahrtkosten (vom Wohnort in den Ort I und zurück) von 129,60 EUR (km-Geld von 0,36 EUR für 360 km) angefallen. Alle diese Kosten seien nach Ansicht des Mitbeteiligten nicht mit dem Pflegegeld abgegolten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Mitbeteiligte im Instanzenzug zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei anerkannte die belangte Behörde alle als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen, und zwar ohne Abzug eines Selbstbehaltes und ohne Gegenverrechnung mit den im Kalenderjahr 2005 bezogenen pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld von insgesamt 14.060,40 EUR).
Zur Begründung wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, die Aufwendungen für die Fahrten in den Ort I habe bereits das Finanzamt (in seiner Berufungsvorentscheidung) uneingeschränkt als "Kosten der Heilbehandlung" anerkannt, und zwar nach § 5 Abs. 3 iVm § 4 sowie § 1 Abs. 3 der Verordnung BGBl. 1996/303 in der im Streitjahr geltenden Fassung (im Folgenden: VO). Dieser Beurteilung des Finanzamtes schließe sich die belangte Behörde an.
Nach Ansicht der belangten Behörde sei auch das "Entgelt für die Unterrichtserteilung" (Schulgeld von 648 EUR) uneingeschränkt, also ohne Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld anzuerkennen. § 5 Abs. 3 der VO sehe nämlich vor, dass das Entgelt für Unterrichtserteilung zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschalbetrag nach § 5 Abs. 1 der VO zu berücksichtigen sei.
Die vom Mitbeteiligten weiters geltend gemachten Fahrtkosten für den Besuch der Sonderschule könnten nicht nach der VO berücksichtigt werden. Zwischen dem Schulbesuch und den Kosten der Unterrichtserteilung in der Sonderschule bestehe zwar ein enger Zusammenhang, § 5 Abs. 3 der VO erfasse aber nur "Entgelte für die Unterrichtserteilung".
§ 34 Abs. 6 Teilstrich 3 EStG 1988 sehe vor, dass Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt werde, nur abzugsfähig seien, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) überstiegen, was - wörtlich genommen - dazu führte, dass Pflegegeld mit jeglicher aus dem Grund der Behinderung des Kindes erwachsener außergewöhnlicher Belastung zu verrechnen wäre.
§ 34 EStG sei vom Grundsatz beherrscht, dass Kostenersätze, die der Steuerpflichtige beziehe, von den Aufwendungen abzuziehen seien. Die in Betracht kommenden Kostenersätze müssten jedoch mit den Aufwendungen in ursächlichem Zusammenhang stehen. Entscheidend sei, ob die Aufwendungen durch den immanenten Leistungszweck des Ersatzes abgedeckt seien.
Der immanente Leistungszweck des Bundespflegegelds ergebe sich aus der Widmung durch den Gesetzgeber. Nach § 1 BPGG verfolge das Pflegegeld den Zweck, pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern. Das Pflegegeld solle dazu beitragen, dass pflegebedürftige Personen Pflegeleistungen "einkaufen" könnten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2001/15/0075).
Das Pflegegeld erfülle somit nicht die Funktion eines Beitrags zu den Aufwendungen (Treibstoffkosten, AfA usw.) des Mitbeteiligten, die ihm dadurch erwachsen seien, dass sein Kraftfahrzeug von seiner Gattin dafür verwendet werde, seine Tochter zur Schule zu bringen und wieder abzuholen (Treibstoffkosten, AfA usw.). § 34 Abs. 6 Teilstrich 3 EStG 1988 sei daher - in verfassungskonformer Auslegung (teleologischer Reduktion) - dahingehend zu verstehen, dass nur solche behinderungsbedingte Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen mit Ersatzleistungen zu verrechnen seien, die sich aus der Betreuung des erheblich behinderten Kindes ergäben. Für eine solche Auslegung spreche insofern auch der Wortlaut des Gesetzes, als er von "pflegebedingten" Geldleistungen spreche. § 34 Abs. 6 sehe als "pflegebedingte Geldleistung" das Pflegegeld, die Pflegezulage, das Blindengeld und die Blindenzulage an.
Aufwendungen, die durch die Benutzung eines Kraftfahrzeugs erwüchsen, seien ebenso wenig "pflegebedingt" wie Entgelte für die Erteilung von Unterricht in einer Sonderschule. Werde ein erheblich behindertes Kind - dem Zweck des Gesetzes am ehesten entsprechend - von seinen Eltern gepflegt, entstünden naturgemäß keine Aufwendungen, wie sie anfielen, wenn das Kind von einer fremden Person gepflegt werde und das Pflegegeld zur Abgeltung der Pflegeleistungen an die betreuende Person weitergegeben werde. Der von den Eltern geleistete Pflegeaufwand stelle keinen "pekuniären" - unmittelbar gegen Pflegegeld aufrechenbaren - Aufwand dar. Würde das Pflegegeld zur Gänze an eine dritte Person weitergereicht, könnte zwar deshalb keine außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, weil dem Bezug des Pflegegelds ein tatsächlicher Aufwand gegenüber stehe. Wohl aber wären in einem solchen Fall - bei Geltendmachung sämtlicher behinderungsbedingter Mehraufwendungen in tatsächlicher Höhe - Fahrtkosten der strittigen Art unbestritten ohne Selbstbehalt abzugsfähig.
Behinderungsbedingter Aufwand sei pflegebedingtem Aufwand nicht gleichzusetzen. Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die zwar mit einer Behinderung des Kindes in Zusammenhang stünden, aber keinen pflegebedingten Aufwand darstellten, seien daher zur Gänze ohne Selbstbehalt abzugsfähig. Eine andere Auslegung würde nicht nur dazu führen, dass der Nachweis der tatsächlichen Kosten iSd § 34 Abs. 6 Teilstrich 3 EStG 1988 insbesondere bei höherem Pflegegeld de facto nicht mehr zu erbringen wäre. Das Pflegegeld würde auch noch zur Bestreitung eines Aufwands herangezogen, der durch den Zweck des Pflegegelds nicht mehr abgedeckt sei.
Die strittigen Fahrtkosten von 1.036 EUR seien durch die Behinderung, aber nicht durch die Pflege der Tochter des Mitbeteiligten bedingt. Es handle sich, soweit der Mitbeteiligte nicht Schulfahrtbeihilfe bezogen habe, um eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG 1988, von der Pflegegeld nicht gemäß § 34 Abs. 6 Teilstrich 3 EStG 1988 abzuziehen sei.
Gegen diesen Bescheid hat das Finanzamt Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Das Finanzamt wendet sich dagegen, dass im angefochtenen Bescheid zwangsläufige Mehraufwendungen in Form des Schulgeldes für die Sonderschule und auch in Form der Fahrtaufwendungen zur Sonderschule ohne Kürzung um das bezogene Pflegegeld als außergewöhnliche Belastungen anerkannt worden sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
§ 34 Abs. 6 leg. cit. idF des AbgÄG 1997, BGBl. I 1998/9, lautet:
"Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
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- | ... |
- | ... |
- | Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen. |
- | Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5). |
- | Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen. |
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind." | |
"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
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- | durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, |
- | bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988) oder |
- | bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, |
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. |
(2) ...
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
...
§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.
(2) Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.
(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."
§ 4 der VO lautete in der Stammfassung:
"Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."
1. Schulgeld:
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2009/15/0026, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu Recht erkannt, dass "Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule" iSd § 5 Abs. 3 der VO, also für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird, ohne Gegenverrechnung mit pflegebedingten Geldleistungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist.
Es ist sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde das Schulgeld, welches für den Sonderschulbesuch der Tochter des Mitbeteiligten angefallen ist, ohne Abzug von Pflegegeld als außergewöhnliche Belastung anerkannt hat.
2. Schulfahrten:
Zu § 4 der VO hat der Verfassungsgerichtshof in seinem - die Kosten für die behindertengerechte Einrichtung eines Badezimmers betreffenden - Erkenntnis vom , B 785/02, ausgeführt:
"§ 34 Abs. 6 EStG 1988 sieht vor, dass (alle) Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung (u.a. für Kinder, für die - wie im vorliegenden Fall - erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird) ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes - aber unter Anrechnung der pflegebedingten Geldleistungen - als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Überdies wird der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, mit Verordnung festzulegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung (u.a.) auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind. Wenn der Verordnungsgeber in Ausübung dieser Ermächtigung (in § 4) '(n)icht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel' nennt, so kann das nur in einem weiten Sinn so interpretiert werden, dass darunter auch etwa behinderungsbedingte Ein- und Umbauten in Gebäuden verstanden werden, würden doch andernfalls aus dem Geltungsbereich der Verordnung gerade jene Aufwendungen herausfallen, bei denen in Hinblick auf die Unregelmäßigkeit des Anfalles die Anrechnung von Pflegegeld besonders widersinnig und daher unsachlich wäre. Eine gesetzeskonforme Interpretation des § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996, idF BGBl. II 91/1998, führt daher zu dem Ergebnis, dass unter den dort verwendeten Begriff 'Hilfsmittel' (der durch den Klammerausdruck nur beispielhaft erläutert wird) auch sanitäre Einrichtungsgegenstände fallen, die auch oder ausschließlich für Behinderte konzipiert und bestimmt sind, unabhängig davon, ob sie mit dem Gebäude fest verbunden werden oder nicht (im Ergebnis gleicher Ansicht E. Müller, Freibeträge für behinderte Kinder, SWK 1998, 239 ff., 247)."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Folge in seinem Erkenntnis vom , 99/13/0169, zum Ausdruck "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel)" nach § 4 der Stammfassung der VO zu Recht erkannt, dass der Begriff der Hilfsmittel im gegebenen Zusammenhang auch Heilbehandlungskosten in Form von Aufwendungen für Medikamente, ärztliche Behandlungen und Therapien umfasst. Auch diese Aufwendungen fielen nicht regelmäßig an und auch deren Herausfallen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ließe vor dem Hintergrund des gesetzlich formulierten Zweckes des Bundespflegegeldgesetzes (pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen) Zweifel an der Sachlichkeit der verordneten Regelung aufkommen. Eine dem Sachlichkeitsgebot verpflichtete Auslegung der Vorschrift des § 4 der VO in ihrer Stammfassung gebiete es, auch Heilbehandlungskosten (Medikamente, ärztliche Behandlungen und Therapien ) als vom Tatbestandsmerkmal der "nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel" erfasst anzusehen.
Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben sohin bei Interpretation von Regelungen der VO, die eine steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen ohne Gegenverrechnung mit pflegebedingten Geldbezügen ermöglichen, Tatbestandsmerkmalen über deren Begriffskern hinaus einen weiten Inhalt beigemessen, wenn Aufwendungen betroffen waren, bei denen es nicht offenkundig auf der Hand liegt, dass sie durch die bezogenen pflegebedingten Geldleistungen abgegolten werden sollen.
Im gegenständlichen Fall hat der Mitbeteiligte für seine behinderte Tochter Schulgeld für eine Sonderschule entrichtet, welches - wie unter 1. ausgeführt - als "Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule" durch § 5 Abs. 3 der VO erfasst ist.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bestehen keine Zweifel, dass "Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule" in § 5 Abs. 3 der VO das Verständnis beizulegen ist, dass auch (wegen der Behinderung des Kindes zwangsläufig angefallene) Mehraufwendungen für den Transport zwischen der Wohnung des Kindes und der Sonder- oder Pflegeschule erfasst sind, treffen sie doch den Unterhaltspflichtigen in gleicher Weise wie das Schulgeld als solches und liegt es ebenfalls nicht auf der Hand, dass sie vom gesetzlich formulierten Zweck des Pflegegeldes erfasst sind.
In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid weitere Fahrtaufwendungen berücksichtigt hat, nämlich die Aufwendungen für den Transport der Tochter des Mitbeteiligten von ihrem Wohnort zu einer medizinischen Kontrolluntersuchung im Ort I und zurück. Diese Fahrtkosten hat die belangte Behörde als "Kosten der Heilbehandlung" iSd § 4 der VO beurteilt und aus diesem Grund (ebenfalls) ohne Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld zum Abzug zugelassen. Gegen diese Beurteilung wendet sich das beschwerdeführende Finanzamt - in Übereinstimmung mit Rz 851 der LStR (demnach erfasse die "Heilbehandlung" eben auch die damit zusammenhängenden Fahrtkosten) - nicht.
Im Ergebnis ist es solcherart nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde auch die im Hinblick auf die Behinderung des Kindes zwangsläufig angefallenen Mehraufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Sonderschule ohne Gegenverrechnung mit dem bezogenen Pflegegeld als außergewöhnliche Belastung anerkannt hat. Der Verwaltungsgerichtshof teilt allerdings nicht die Ansicht der belangten Behörde, dass bereits eine verfassungskonforme Interpretation des § 34 Abs. 6 Teilstrich 3 EStG solches gebietet. Es ist nicht zu erkennen, dass es dem einfachen Gesetzgeber für die - an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpfende - Einkommensbesteuerung bereits von Verfassungs wegen untersagt wäre, beim Abzug behinderungsbedingter zwangsläufiger Mehraufwendungen eine Gegenverrechnung mit dem bezogenen Pflegegeld auch insoweit vorzunehmen, als Mehraufwendungen nicht unmittelbar mit der Pflege in Zusammenhang stehen und somit nicht solche sind, auf welche der ebenfalls vom einfachen Gesetzgeber für das bezogene Pflegegeld vorgesehene Zweck ausdrücklich abstellt. Solcherart liegen die Voraussetzungen für die von der belangten Behörde angestellte "verfassungskonforme Interpretation" nicht vor, die im Übrigen zu einem weitgehend unbestimmten Inhalt der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung führte. Eine derartige Interpretation liegt auch dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 785/02, nicht zu Grunde, geht doch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis davon aus, dass auch Aufwendungen, bei denen "die Anrechnung von Pflegegeld besonders widersinnig und daher unsachlich wäre" erst durch die Anwendung der VO von der Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld ausgenommen werden.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am