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VwGH vom 28.05.2009, 2007/15/0285

VwGH vom 28.05.2009, 2007/15/0285

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des G B in H, D, vertreten durch tax & law Wirtschaftsprüfung GmbH, 8042 Graz, Petersbergenstraße 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0629- G/07, betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Facharzt mit Familienwohnsitz in Heidelberg, war in den Streitjahren 2001 bis 2004 auf Grund eines befristeten Dienstvertrages an einem österreichischen Krankenhaus beschäftigt. Während dieser Zeit blieb die Familie des Beschwerdeführers in Heidelberg wohnhaft, wo die Ehefrau eine eigene Arztpraxis betrieb.

In seinen Einkommensteuererklärungen der Streitjahre machte der Beschwerdeführer Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von S 60.890,53 (2001), EUR 8.165,01 (2002), EUR 8.745,59 (2003) und EUR 5.851,90 (2004) geltend. Den Erklärungen angeschlossen waren jeweils mit "Reisekostenaufstellung - Doppelte Haushaltsführung" übertitelte Beilagen, in denen die Familienbesuche und die darauf entfallenen Reisekosten im Einzelnen aufgeschlüsselt waren.

Die Einkommensteuerbescheide der genannten Jahre ergingen erklärungsgemäß. Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung nahm das Finanzamt die Einkommensteuerverfahren der Jahre 2002 bis 2004 wieder auf und erließ geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen die Familienheimfahrten gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 lediglich in Höhe des Pauschbetrages gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 in Höhe von EUR 2.100,-- berücksichtigt wurden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen die Wiederaufnahme der Verfahren mit der Begründung, dass sämtliche entscheidungsrelevanten Umstände in den Einkommensteuererklärungen offen gelegt waren und daher keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung statt und hob die Wiederaufnahmebescheide ersatzlos auf.

Mit Bescheiden vom erließ das Finanzamt gemäß § 293b BAO berichtigte Einkommensteuerbescheide 2001 bis 2004, in denen die Kosten für die Familienheimfahrten nur mehr in Höhe des Pauschbetrages gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 zum Abzug als Werbungskosten zugelassen wurden.

In seiner Berufung wies der Beschwerdeführer erneut darauf hin, dass das Finanzamt auf Grund seiner Einkommensteuererklärungen über die abgabenrechtlichen Belange "voll und ganz" informiert gewesen sei. Das Finanzamt habe seine Ermessensübung zu Gunsten der Bescheidberichtigung nicht begründet, sodass die Bescheide schon deshalb rechtswidrig seien. Zudem könnten offensichtliche Unrichtigkeiten im Sinne des § 293b BAO nicht wie im gegenständlichen Fall vier Jahre lang unbemerkt übernommen werden. Auch seien die Veranlagungen - wie vom Beschwerdeführer im Einzelnen aufgezeigt - ohnedies erst geraume Zeit nach Einreichung der Steuererklärungen erfolgt, sodass wohl keine "Soforteingabefälle" vorgelegen wären, auf deren Berichtigung die Bestimmung des § 293b BAO zugeschnitten sei. Das Finanzamt habe bei Erlassung der Einkommensteuerbescheide der Jahre 2001 bis 2004 offenbar die Rechtsansicht des Beschwerdeführers geteilt und keine Begrenzung der Absetzbarkeit der Reisekosten mit dem Pauschbetrag des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angenommen. Erst in der Folge habe der Prüfer eine andere Rechtsansicht vertreten. Die Nachlässigkeit, Sorglosigkeit oder das Fehlverhalten eines Behördenorgans stelle keinen Berichtigungsgrund im Sinne des § 293b BAO dar. Auch sei die Begrenzung der Absetzbarkeit der Kosten für Familienheimfahrten mit der Höhe des höchstens Pendlerpauschales mit den logischen Denkgesetzen nicht vereinbar, weil der Beschwerdeführer seinen Arbeitsort aus rein monetären Gründen von Heidelberg nach Österreich verlegt habe. Obwohl der Beschwerdeführer nur alle zwei Wochen zu seiner Familie gefahren sei, überschritten die angefallenen Kosten die Pauschbeträge bei weitem.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die belangte Behörde sah die Einwendungen des Beschwerdeführers als nicht berechtigt an und hielt zur Ermessensübung fest, dass im Beschwerdefall die Folgen der Unrichtigkeit nicht bloß geringfügig gewesen seien und daher dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen sei.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

§ 293b BAO setzt voraus, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, wobei diesem Inhalt eine offensichtliche Unrichtigkeit zu Grunde liegt. Dies wird dann zu bejahen sein, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0110).

Ob eine offensichtliche Unrichtigkeit im Hinblick auf die übernommene Rechtsauffassung vorliegt, ist anhand des Gesetzes und der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen. Bestünde behördlicherseits bei entsprechender Prüfung von vornherein die Gewissheit, dass die in der Abgabenerklärung vertretene Rechtsansicht unrichtig ist, so liegt aus der Sicht der Abgabenbehörde eine offensichtliche Unrichtigkeit vor (vgl. nochmals das oben angeführte hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0110).

Bei den einzelnen Einkünften dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 in der Fassung des StruktAnpG 1996, BGBl. Nr. 201/1996, nicht abgezogen werden:

"Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen."

Das Gesetz eröffnet somit ab der Veranlagung für das Jahr 1996 keine Möglichkeit, Werbungskosten für Familienheimfahrten über den Betrag des höchsten Pendlerpauschales hinaus geltend zu machen. Der angefochtene Bescheid führt daher zu Recht aus, dass eine Berechtigung zur Geltendmachung höherer Fahrtkosten nach der klaren Gesetzeslage nicht bestanden hat und die Abgabenerklärungen insoweit unrichtig waren. Die belangte Behörde durfte auch davon ausgehen, dass das Finanzamt bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärungen die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, waren den Steuererklärungen aller Streitjahre doch entsprechende Beilagen, die höhere Fahrtkosten auswiesen, angeschlossen.

Die Bestimmung des § 293b BAO stellt - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht darauf ab, ob die unterlaufene Unrichtigkeit auf das Vorliegen eines so genannten "Soforteingabefalles" zurückzuführen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/13/0065). Das zu diesem Punkt erstattete Beschwerdevorbringen geht daher von vornherein ins Leere.

Es trifft zu, dass das Finanzamt im gegenständlichen Fall eine abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt und die Jahre 2002 bis 2004 zunächst unter Hinweis auf die Prüfungsfeststellungen zu den Kosten für Familienheimfahrten wiederaufgenommen hat. Nicht nachvollziehbar ist hingegen das daran anknüpfende Beschwerdevorbringen, die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide im Berufungswege lasse erkennen, dass der Abgabenbehörde bei Bescheiderlassung sämtliche Umstände bekannt waren, welche für die Abgabenerhebung erforderlich waren. Der Umstand der Offenlegung stand zwar einer Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO entgegen, nicht aber den streitgegenständlichen Bescheidberichtigungen, ist das Vorliegen eines offen gelegten Sachverhaltes doch geradezu Tatbestandsmerkmal des hier in Rede stehenden Verfahrenstitels. Dass die im Zuge der Betriebsprüfung durchgeführten, vom Beschwerdeführer als "massiv und umfangreich" eingestuften Erhebungen notwendig waren, um die Unrichtigkeit der Einkommensteuerbescheide erkennen zu können, macht die Beschwerde nicht einsichtig.

§ 293b BAO ist auch dann anwendbar, wenn die offensichtliche Unrichtigkeit - wie im Beschwerdefall - mehrfach übersehen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/13/0277).

Die Vornahme der Berichtigung liegt, worauf in der Beschwerde zutreffend hingewiesen wird, im Ermessen. Die Zweckmäßigkeit der erfolgten Berichtigung ergibt sich bereits aus dem Ziel der gesetzlichen Norm des § 293b BAO, welches die Herbeiführung eines der Gleichmäßigkeit der Besteuerung entsprechenden Ergebnisses ist, wobei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit der Vorrang einzuräumen ist (vgl. mit weiteren Nachweisen das hg. Erkenntnis vom , 95/13/0124).

Billigkeitsgründe, die der Berichtigung im Beschwerdefall entgegengestanden wären, wurden weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung als ausreichend begründet und frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am