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VwGH vom 25.06.2008, 2004/03/0208

VwGH vom 25.06.2008, 2004/03/0208

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der Jagdgesellschaft P, vertreten durch den Jagdleiter DI S B, vertreten durch Mag. Dr. Rudolf Gürtler und Mag. Dr. Kathrin Gürtler, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Seilergasse 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl LF1-J-135/014-2004, betreffend Parteistellung iA Errichtung eines Rotwildwintergatters, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom , Zl 9-A/00, erteilte die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs dem Jagdübungsberechtigten des Eigenjagdgebiets Dr. H W und Miteigentümer die Bewilligung, auf einem näher bezeichneten Grundstück ein Rotwildwintergatter zu errichten.

Mit Schreiben vom beantragte die beschwerdeführende Partei, vertreten durch den Jagdleiter, als Jagdausübungsberechtigte eines daran angrenzenden Jagdgebiets die Zustellung dieses Bescheides.

Die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs wies den Antrag vom mit dem folgenden auszugsweise (und ohne Hervorhebungen im Original) wiedergegebenen Bescheid vom gestützt auf § 87 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes mangels Parteistellung zurück:

"Bezirkshauptmannschaft Scheibbs

.............

Herrn

Jagdleiter K H

z.H. Rae Gürtler, Gürtler, Reisner

.............

Betrifft:

Eigenjagd W, P - Rotwildgatter; Antrag auf Zustellung des Bescheides;

Abweisung

Bescheid

Die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs weist Ihren Antrag vom , eingelangt am um Zustellung des Bescheides vom , Zl. ... mangels Parteistellung zurück.

Rechtsgrundlage

§8 des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, (AVG 1991),

BGBl Nr. 51 in der derzeit geltenden Fassung

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom ... wurde dem Jagdausübungsberechtigten des Eigenjagdgebietes Dr. H W ... die Bewilligung erteilt, auf dem

Grundstück ... der KG und Gemeinde P, ein Rotwildgatter im Ausmaß

von 32,57 Hektar Größe zu errichten.

Mit Schreiben, eingelangt am , wurde durch den Jagdleiter der benachbarten Jagdgesellschaft P der Antrag um Zustellung dieses Bescheides gestellt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der benachbarte

Jagdausübungsberechtigte im Verfahren zur Bewilligung des

Rotwildgatters nicht beigezogen wurde, ihm aber seiner Ansicht

nach Parteistellung zukommt, da bei der Beurteilung immerhin zu

berücksichtigen ist, dass im Rotwildgatter ... frei lebendes

Rotwild auch aus dem Genossenschaftsjagdgebiet P angefüttert und

eingesperrt wird, welcher Umstand die Abschussmöglichkeiten im

Genossenschaftsjagdgebiet ... gravierend beeinträchtigt.

............."

Über die dagegen erhobene Berufung erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom , mit dem sie die Berufung abwies und den Erstbescheid unter Hinweis auf § 8 AVG bestätigte. Begründend wurde u a darauf hingewiesen, es sei aus der Begründung des Erstbescheides ersichtlich, dass über den Antrag der Jagdgesellschaft entschieden worden sei; so werde etwa im Sachverhalt darauf hingewiesen, dass der Antrag durch den Jagdleiter der benachbarten Jagdgesellschaft gestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der mit "Rotwildwintergatter" überschriebene § 87 b des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974, LGBl 6500-0, in der Fassung LGBl 6500-16 (im Folgenden JG), lautet:

"(1) Rotwildwintergatter sind Flächen, in denen das Rotwild während der Winternotzeit und des Vegetationsbeginns gehalten und gefüttert wird.

(2) Rotwildwintergatter dürfen nur mit Bewilligung der

Bezirksverwaltungsbehörde errichtet werden. Die

Bezirksverwaltungsbehörde muss die Bewilligung erteilen, wenn

o der Grundeigentümer einverstanden ist,

o das Rotwildwintergatter zum Schutz der umliegenden

Flächen notwendig ist,

o das Rotwildwintergatter artgerecht angelegt wird,

o das Auswechseln des Rotwildes wirksam verhindert wird,

o der Schutz der umliegenden Flächen vor Wildschäden

höher einzustufen ist als die Wildschäden im Rotwildwintergatter,

die Benützung von Wegen gemäß § 14 Abs. 1 NÖ Tourismusgesetz, LGBl. 7400, nicht behindert wird.

(3) Im Bewilligungsbescheid ist auch festzulegen, zu welchem Termin das Rotwildgatter spätestens wieder zu öffnen ist."

Unbeschadet des Grundsatzes, dass Gesellschaften bürgerlichen Rechts - um eine solche handelt es sich bei den "Jagdgesellschaften" - grundsätzlich keine Rechtspersönlichkeit zukommt, ist hier zu beachten, dass der Landesgesetzgeber der Jagdgesellschaft gewisse Rechte und Pflichten zugewiesen (vgl §§ 26, 27 JG, vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2001/03/0074, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichthofs vom , VfSlg 13.818, beide mwH); damit wurde von ihm ein eigenständiges Rechtssubjekt in einem kleinen Bereich der Rechtsordnung geschaffen.

Der Einwand, der Erstbescheid vom sei nicht gegenüber der beschwerdeführenden Jagdgesellschaft, sondern lediglich gegenüber dem (damaligen) Jagdleiter erlassen worden, führt die Beschwerde zum Erfolg. An wen ein Bescheid gerichtet ist, ergibt sich nach der hg Rechtsprechung aus dessen Formulierung, nämlich der Adressierung, dem Spruch und der Zustellverfügung (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2003/03/0214, mwH). Der (oben auszugsweise wiedergegebene) Erstbescheid war weder nach seiner Adressierung noch nach seinem Spruch an die beschwerdeführende Partei gerichtet. Vielmehr

indiziert die Wortfolge im Spruch "weist Ihren Antrag ... zurück"

angesichts der Großschreibung des Pronomens, dass sich der Bescheid an den in der Adressierung genannten Jagdleiter richtet. Da im Erstbescheid nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten eine Zustellverfügung fehlte, konnte auch derart keine Festlegung erfolgen, dass der bekämpfte Bescheid an die beschwerdeführende Partei gerichtet ist. Die bloße Nennung der beschwerdeführenden Partei in der Begründung des Erstbescheides vermag deren mangelnde Nennung in der Adressierung, im Spruch bzw in der Zustellverfügung des Erstbescheids nicht zu ersetzen.

Wenn die belangte Behörde im Berufungsverfahren den Erstbescheid gegenüber der beschwerdeführenden Partei als erlassen ansah und diesen gegenüber der beschwerdeführenden Partei bestätigte, hat sie damit die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

Ungeachtet dessen ist lediglich der Vollständigkeit halber Folgendes anzumerken: § 87 b JG verpflichtet die Behörde (zusammengefasst), mit Zustimmung des Grundeigentümers bei der Genehmigung eines Rotwildwintergatters zu gewährleisten, dass insgesamt nach Vornahme einer Interessenabwägung der Schutz land- und forstwirtschaftlicher Flächen vor Wildschäden sowie eine artgerechte Anlage des Rotwildwintergatters sichergestellt werden und - ohne die Benützung von näher bestimmten Wegen zu behindern - das Auswechseln des Rotwildes wirksam verhindert wird. Dabei handelt es sich um von der Behörde wahrzunehmende öffentliche Interessen. Subjektiv öffentliche Rechte Dritter, wie etwa Jagdausübungsberechtigter in angrenzenden Jagdgebieten, sind § 87 b JG dagegen nicht zu entnehmen. Allfällige Interessen der beschwerdeführenden Partei als Jagdausübungsberechtigte in angrenzenden Jagdgebieten an der Nichterteilung der Genehmigung zur Errichtung des Rotwildwintergatters sind vielmehr als bloß tatsächliche Interessen anzusehen, welche ihre Parteistellung in diesem Verfahren nicht begründen können (vgl etwa das zur insoweit grundsätzlich vergleichbaren Rechtslage nach dem Steiermärkischen Jagdgesetz ergangene hg Erkenntnis vom , Zl 2000/03/0283). Da angesichts der schon festgehaltenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides der Frage seiner Vereinbarkeit mit § 87 b JG nicht weiter nachgegangen werden muss, ist auch eine Auseinandersetzung mit den von der beschwerdeführenden Partei relevierten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmung entbehrlich.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am