VwGH vom 30.03.2000, 99/16/0100
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
99/16/0101 E
Besprechung in:
ÖStZ 2001, S 621-622;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der P in W, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in Wien I, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. E 14/4-IV/4/99, betreffend Doppelbesteuerung nach § 48 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine in Österreich errichtete Privatstiftung, beantragte mit der Eingabe vom , eine in diese eingebrachte nicht näher bezifferte Barzuwendung der in der Schweiz ansässigen Stifterin zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Schenkungssteuer zu befreien. Die Vermögenszuwendung löse in der Schweiz bei der Stifterin Schenkungssteuerpflicht mit einem Steuersatz von 3,5 % aus. Derselbe Vorgang unterliege auch in Österreich bei der Stiftung einer 2,5 %igen Schenkungssteuer. Zur Ermessensfrage brachte die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vor, auf bilateraler Ebene würden durch Doppelanknüpfung entstehende wirtschaftliche Doppelbesteuerungsfälle regelmäßig dadurch beseitigt, dass das Besteuerungsrecht grundsätzlich jenem Staat zugestanden werde, in dem der Geschenkgeber ansässig sei. In Bezug auf Barzuwendungen sei regelmäßig ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Geschenkgebers vereinbart. Dies entspreche der Rechtslage bei Bestand eines OECD-konformen Doppelbesteuerungsabkommens (vgl. Art. 7 des OECD-Musterabkommens). Diese internationalen Steuervertragsgrundsätze seien auch bei der Ermessensübung im Rahmen des § 48 BAO zu berücksichtigen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag keine Folge. Dies mit der Begründung, der Bundesminister für Finanzen gehe insgesamt vom Vorliegen der Rechtsvoraussetzungen der Anwendung des § 48 BAO aus. In der Begründung der Ermessensentscheidung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe keine Billigkeitsgründe geltend gemacht. Sie stütze ihren Antrag einzig und allein auf die Tatsache einer doppelten Besteuerung (was keine spezielle Unbilligkeit im Sinne des § 20 BAO, sondern beim Tatbestand Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung Anwendungsvoraussetzung des § 48 BAO sei) und auf die in einem derartigen Fall üblichen Steuervertragsgrundsätze wie z.B. Art. 7 des OECD-Musterabkommens 1977 (womit ebenfalls keine Billigkeitsgründe angesprochen würden). Im Antrag werde das von der beantragten Entlastungsmaßnahme betroffene Vermögen nicht dargestellt. Weiters würden weder Umstände angeführt, die auf eine Unbilligkeit der Besteuerung in Österreich schließen ließen, noch würden Angaben zu einer Zweckmäßigkeit des einseitigen Steuerverzichts durch Österreich gemacht. Nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen wäre ein einseitiger Steuerverzicht Österreichs im Sinne des § 20 BAO sogar unzweckmäßig. Die Beschwerdeführerin sei der ihr obliegenden Behauptungslast nicht nachgekommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Beseitigung der Doppelbesteuerung gemäß § 48 BAO verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Bundesministerium für Finanzen kann bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, gemäß § 48 BAO anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend vom Vorliegen der Rechtsvoraussetzungen für die Anwendung des § 48 BAO aus (vgl. zur unechten (wirtschaftlichen) internationalen Doppelbesteuerung, Loukota, Vermeidung internationaler Doppelbesteuerungen gemäß § 48 BAO in FS Stoll, 411). Gründe für eine insofern gegebene Rechtswidrigkeit sind aus dem Inhalt der vorgelegten Akten nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin bekämpft jedoch die Ermessensentscheidung der belangten Behörde.
Im Antrag brachte die Beschwerdeführerin vor, es seien die internationalen Steuervertragsgrundsätze bei der Ermessensübung im Rahmen des § 48 BAO zu berücksichtigen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnisse vom , Zl. 90/13/0007 und vom , Zl. 95/15/0043) erscheint es sachgerecht, bei der Vornahme einer unilateralen Entlastungsmaßnahme, wie sie insbesondere auf der Grundlage des § 48 BAO vorzunehmen ist, die Ermessensübung an der üblichen Staatenpraxis beim Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen - wie dies insbesondere im OECD-Musterabkommen zum Ausdruck kommt - zu orientieren.
Die belangte Behörde verkannte, dass die Berücksichtigung der internationalen Steuervertragsgrundsätze bei der Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin zulässige und berücksichtigungswürdige Ermessensgründe im Rahmen des § 48 BAO sind. In der Folge unterließ sie daher bei der Ermessensabwägung ein Eingehen auf dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin und begründete nicht weiter, welche Bedeutung den internationalen Steuergrundsätzen im Beschwerdefall unter Beachtung der übrigen Umstände des Steuerfalles zukommen konnte. Da sie somit bei der Ermessensentscheidung heranzuziehende Gründe als Vorbringen in der Rechtsfrage wertete und deshalb die erforderliche Ermessensabwägung unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Bei Begünstigungstatbeständen - dazu zählt auch § 48 BAO - tritt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0069) die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.
Die Beschwerdeführerin vertrat im Antrag die Ansicht, dass bei der Ermessensübung die internationalen Steuervertragsgrundsätze (insbesondere das OECD-Musterabkommen) anzuwenden wären und deshalb die Befreiung von der Schenkungssteuer zu gewähren wäre. Damit hat sie klar und eindeutig die Umstände dargelegt, auf die ihrer Auffassung nach die Abgabenbegünstigung gestützt werden könnte. Es kann daher keine Rede davon sein, dass sie der ihr obliegenden "Behauptungslast" nicht in ausreichendem Maß nachgekommen ist. Ob die Beschwerdeführerin allerdings einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände im Antrag dargelegt hat und ob die geltend gemachten Gründe allein für die Zuerkennung der Begünstigung ausreichten, wäre im Rahmen der Ermessensentscheidung schlüssig zu begründen gewesen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am