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VwGH vom 15.03.2006, 2003/18/0019

VwGH vom 15.03.2006, 2003/18/0019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des I, geboren 1970, vertreten durch Dr. Markus Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1046/02, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom , mit dem gegen ihn gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden war, gemäß § 63 Abs. 5 iVm § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Wien vom , das dem Beschwerdeführer an dessen Wohnanschrift in 1030 Wien zugestellt worden sei, sei dieser von der beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt worden. Dieses Schreiben sei von ihm am persönlich übernommen worden.

Mit Schreiben vom habe er zu den an ihn gerichteten Fragen Stellung genommen und Kopien und Beweismittel (an die Erstbehörde) übermittelt. Auch bei dieser Briefsendung habe er als Wohnanschrift die genannte Wohnung in 1030 Wien angeführt.

Der erstinstanzliche Bescheid vom sei nach zwei Zustellversuchen am und an der vom Beschwerdeführer angeführten Wohnadresse beim Postamt 1030 Wien hinterlegt worden, wo er ab zur Abholung bereit gelegen sei. Da dieser Bescheid als "nicht behoben" an die Erstbehörde retour gesendet worden sei, habe diese Erhebungen veranlasst, welche ergeben hätten, dass der Beschwerdeführer seit an einer Anschrift in 1210 Wien aufrecht gemeldet gewesen sei. An dieser Anschrift sei der erstinstanzliche Bescheid neuerlich zugestellt worden.

Nach Hinweis auf § 8 Abs. 1 und 2 Zustellgesetz führte die belangte Behörde weiter begründend aus, es stehe fest, dass der Beschwerdeführer während des anhängigen Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes seinen Wohnsitz bzw. seine Abgabestelle geändert habe, ohne der Behörde hievon Mitteilung zu erstatten. Für die Erstbehörde habe keine Veranlassung bestanden, vor der Zustellung an der genannten Wohnanschrift in 1030 Wien Erhebungen zu pflegen, ob diese vom Beschwerdeführer bislang geführte Wohnanschrift immer noch seine aktuelle Abgabestelle wäre. Wenn die Partei in einem Anbringen eine Abgabestelle genannt habe, so könne diese als ihre bisherige Abgabestelle angesehen werden. Die Unterlassung der Mitteilung der Aufgabe der Abgabestelle habe zur Folge, dass an dieser Abgabestelle zugestellt werden könne, gleichgültig wo sich die Partei befinde und welche Abgabestelle zum Zeitpunkt der Zustellung für sie in Betracht gekommen wäre. Es gehe zu Lasten der Partei, wenn sie die Abgabestelle während des Verfahrens ändere, die Änderung der Behörde nicht mitteile und diese die Änderung auch sonst nicht erkennen könne.

Daraus folge, dass der erstinstanzliche Bescheid bereits (auf Grund des ersten Zustellvorganges) mit dem ersten Tag der Hinterlegungsfrist zugestellt gewesen sei (§ 17 Abs. 3 Zustellgesetz).

Wenn der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom auf § 8 Abs. 2 leg. cit. hinweise, so sei dem entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung nur jene Fälle regle, in denen die Behörde bereits vor der zu veranlassenden Zustellung von der Änderung der Abgabestelle wisse, aber die neue Abgabestelle nicht kenne. Auch scheine der Beschwerdeführer zu verkennen, dass die erfolgte Zustellung durch Hinterlegung keine solche gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ohne Zustellversuch gewesen sei.

Ebenso sei es für den Lauf der Berufungsfrist völlig irrelevant, dass die Erstbehörde ihren Bescheid auch an der nunmehrigen Anschrift des Beschwerdeführers (neuerlich) zugestellt habe, weil im Fall der mehrmaligen Zustellung desselben Bescheides lediglich die erste Zustellung die maßgeblichen Rechtswirkungen auslöse (§ 6 Zustellgesetz).

Der erste Tag, an dem der beim Postamt 1030 Wien hinterlegte erstinstanzliche Bescheid zur Abholung bereit gelegen sei, sei der gewesen. Die zweiwöchige Berufungsfrist habe sohin am geendet. Die gegenständliche Berufung vom habe sich daher als verspätet erwiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die §§ 4, 8 und 17 Abs. 1 und 3 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, haben folgenden Wortlaut:

"§ 4. Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort."

"§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."

"§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(....(

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

(....("

§ 63 Abs. 5 AVG lautet:

"§ 63. (....(

(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten."

2. Die Beschwerde bringt vor, dass dem Beschwerdeführer erst am der erstinstanzliche Bescheid rechtswirksam an seiner Wohnanschrift in 1210 Wien zugestellt worden sei und daher seine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung rechtzeitig eingebracht worden sei. Die Erstbehörde habe auf Grund ihrer Zweifel an der Wirksamkeit der Hinterlegung der Postsendung nach den beiden Zustellversuchen am und an seiner (früheren) Wohnanschrift in 1030 Wien Erhebungen durchgeführt, die ergeben hätten, dass er bereits seit an der Wohnanschrift in 1210 Wien gemeldet gewesen sei. Zu Unrecht vertrete die belangte Behörde die Auffassung, dass auf Grund der Unterlassung einer Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle an der Anschrift in 1030 Wien - und zwar unabhängig davon, wo die Partei aufhältig gewesen und welche Abgabestelle für die Zustellungen überhaupt in Betracht gekommen sei - rechtswirksam habe zustellt werden können.

3. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

3.1. Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde wurde der erstinstanzliche Bescheid nach zwei Zustellversuchen am und an der Anschrift in 1030 Wien, an der im erstinstanzlichen Verfahren an den Beschwerdeführer zugestellt werden konnte und die er zuletzt noch in seiner Eingabe an die Erstbehörde vom als Wohnanschrift angeführt hatte, beim Postamt 1030 Wien hinterlegt und lag dieser Bescheid dort ab zur Abholung bereit. Der Beschwerdeführer hatte seinen Wohnsitz bzw. seine Abgabestelle (vgl. § 4 Zustellgesetz) geändert, ohne der Behörde hievon Mitteilung zu machen. Nachdem die behördliche Sendung (der erstinstanzliche Bescheid) mit dem Vermerk des Postzustellers "nicht behoben" an die Erstbehörde zurückgestellt worden war, führte diese Erhebungen durch, die ergaben, dass der Beschwerdeführer bereits seit an einer Anschrift in 1210 Wien polizeilich gemeldet war. An dieser neuen Anschrift wurde der erstinstanzliche Bescheid - nach Ausweis der Verwaltungsakten durch Hinterlegung (Beginn der Abholfrist am ) - zugestellt.

3.2. Die Beschwerde behauptet nicht, dass die Behörde auf Grund des Rückscheines über die beiden Zustellversuche am und und die sodann erfolgte Hinterlegung der Postsendung beim Zustellpostamt (1030 Wien) Veranlassung gehabt habe, an der Wirksamkeit der dadurch bewirkten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides zu zweifeln.

Dass die mittlerweile durch den Beschwerdeführer vorgenommene Änderung der Abgabestelle auf Grund des Rückscheines nicht erkennbar war, geht zu seinen Lasten. Mit der Unterlassung der ihm oblegenen Mitteilung der Änderung der Abgabestelle trug er die Gefahr, dass die Behörde diese Änderung nicht erkennen konnte und Zustellungen an der früheren Abgabestelle bewirkt werden konnten. Die Unterlassung der Mitteilung der Aufgabe der Abgabestelle in 1030 Wien hatte somit zur Folge, dass an dieser Abgabestelle zugestellt werden konnte, gleichgültig, wo sich der Beschwerdeführer aufhielt und welche Abgabestelle für ihn zu diesem Zeitpunkt sonst in Betracht gekommen wäre (vgl. aus der hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom , Zl. 96/02/0253, mwN).

3.3. Dass die Erstbehörde die neuerliche Zustellung ihres Bescheides an den Beschwerdeführer (im November 2002) veranlasst hat, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang, weil die Rechtzeitigkeit einer Berufung (und damit notwendigerweise die hiefür vorzunehmende Beurteilung der Gültigkeit eines Zustellvorganges) ausschließlich im Rahmen der nach § 66 Abs. 4 AVG von der Berufungsbehörde zu treffenden Entscheidung über die Berufung wahrzunehmen ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/09/0083, mwN). Im Übrigen ist auf § 6 Zustellgesetz hinzuweisen, wonach die neuerliche Zustellung des gleichen Dokumentes keine Rechtswirkungen auslöst.

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass eine Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nur dann vorgenommen werden darf, wenn eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann, und sie damit auf die Bestimmung des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz abzielt, verkennt sie, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall keine Anwendung findet und die belangte Behörde auch nicht nach dieser Bestimmung vorgegangen ist.

3.4. Mit dem in der Beschwerde erhobenen weiteren Vorwurf, dass die Verständigung des Beschwerdeführers vom Ergebnis der Beweisaufnahme durch die belangte Behörde am "fragmentarisch" und nicht ausreichend gewesen sei, womit er eine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör behauptet, zeigt er bereits deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil er nicht darlegt, welches Vorbringen er bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels erstattet hätte, das zu einem für ihn günstigen Ergebnis geführt hätte.

Ebenso ist der Beschwerdevorwurf, dass im vorliegend angefochtenen Bescheid die Geschäftszahl des - datumsmäßig richtig bezeichneten - Bescheides der Erstbehörde unrichtig angeführt ist (Zl. III-851.831-FrB/02 anstelle Zl. IV-851831/FrB/02), nicht zielführend, weil es sich bei dieser unrichtigen Zitierung der Bescheidzahl um eine klar erkennbare, offenbar auf einem Versehen der belangten Behörde beruhende Unrichtigkeit handelt, die die Feststellung des Bescheidinhaltes nicht hindert und deren Berichtigung jederzeit möglich ist (vgl. dazu etwa die in Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren6, zu § 62 Abs. 4 AVG E 3b, 3d, 3g, 3h zitierte hg. Judikatur).

4. Im Hinblick auf die auf Grund der Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am (vgl. § 17 Abs. 3 dritter Satz des Zustellgesetzes) wirksam erfolgte Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde, dass die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung vom verspätet, weil nicht innerhalb der Frist des § 63 Abs. 5 AVG eingebracht, erhoben worden sei, somit als zutreffend. (Vgl. zum Ganzen nochmals die vorzitierten Erkenntnisse, mwN.)

5. Demzufolge war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am