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VwGH vom 03.07.2003, 99/15/0104

VwGH vom 03.07.2003, 99/15/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Kaiserstraße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , Zl. RV 627/1-V6/98, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1994 und 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war von Jänner 1994 bis Oktober 1995 bei einem Unternehmen in Tanger, Marokko, beschäftigt. Für die Jahre 1994 und 1995 erklärte er als beschränkt Steuerpflichtiger ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der B GmbH & Co KG wurden Eigenbelege über Honorarzahlungen und Spesenersätze der B GmbH & Co KG an den Beschwerdeführer vorgefunden. Insgesamt handelte es sich dabei für das Jahr 1994 um Spesen in Höhe von rund S 200.000,-- und Honorarnoten in Höhe von S 340.000,--, für das Jahr 1995 um Spesen in Höhe von rund S 170.000,-- und um Honorarnoten in Höhe von rund S 560.000,--.

Seitens der B GmbH & Co KG wurde dem Finanzamt mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer ihr von Sommer 1994 bis Herbst 1995 bei der Suche nach geeigneten Konfektionsmöglichkeiten in Osteuropa behilflich gewesen sei. In der Folge seien auch tatsächlich Konfektionsaufträge in diese Länder vergeben worden. Der Beschwerdeführer habe die Zahlungen und Warenmuster in ihrem Betrieb entgegen genommen und sich dann wieder auf Reisen begeben. Die Barzahlungen seien stets an den Beschwerdeführer geleistet worden. Die Rechnungen mit den dazu gehörigen Beilagen sowie Zahlungs- und Überweisungsbelege wurden dem Finanzamt zur Verfügung gestellt.

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für die Jahre 1994 und 1995 bescheidmäßig fest und behandelte den Beschwerdeführer als unbeschränkt steuerpflichtig. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in den Jahren 1994 und 1995 eine inländische Wohnung in L innegehabt und diese auch benützt. Der Beschwerdeführer habe nicht nur über einen Wohnsitz, sondern offenbar auch über eine Betriebsstätte bzw ein Büro verfügt. Auf den Spesenabrechnungen des Beschwerdeführers werde nämlich ein Sekretariat in den Räumlichkeiten der B GmbH & Co KG angeführt. Für die Jahre 1994 und 1995 habe der Beschwerdeführer insgesamt etwa S 90.000,-- allein an Telefongebühren unter dem Titel "Telefonkosten Österreich" der B GmbH & Co KG in Rechnung gestellt. Laut einem Schreiben des Beschwerdeführers an die B GmbH & Co KG, datiert mit Oktober 1994, habe der Beschwerdeführer eine Vielzahl von Telefonaten von seinem Haus in Österreich aus zu bezahlen gehabt, sodass er einen Gebührenzähler habe montieren lassen. Auf Grund der Telefonaufzeichnungen des Beschwerdeführers bzw seiner diesbezüglichen Abrechnungen (Datum, Anruf bei ..., Gebühr S ...) habe sich die tatsächliche Anwesenheit in Österreich ermitteln lassen.

Auf Grund der unbeschränkten Steuerpflicht seien - mangels Bestehens eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Marokko - auch die nichtselbstständigen Einkünfte in Österreich der Besteuerung zu unterziehen gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und führte aus, er habe in den beiden Jahren zwar eine Wohnung in L gehabt. Wegen der darauf lastenden Schulden und der laufenden Belastungen für diese Liegenschaft habe er aber diese schon vor seiner Abreise in das Ausland weitgehend geräumt und deren Verkauf betrieben. Bereits im Jahr 1993 habe er deswegen diverse Institutionen kontaktiert bzw Inserate in Zeitungen aufgegeben. Auch ein Immobilienmakler sei mit dem Verkauf beauftragt worden. Obwohl sich einige Interessenten gemeldet hätten, habe der Verkauf erst im Jahr 1996 durchgeführt werden können. Dies könne das Realbüro H jederzeit bestätigen.

Gemäß marokkanischem Gesellschaftsrecht müsse der Geschäftsführer einer Aktiengesellschaft seinen ordentlichen Wohnsitz in Marokko haben. Als alleiniger Geschäftsführer sei er dieser Verpflichtung nachgekommen. Durch die marokkanische Aufenthaltsbewilligung und den Sozialversicherungsausweis könne er klar belegen, dass er in Marokko gemeldet gewesen sei und seine Sozialversicherung und Lohnsteuer dort bezahlt habe.

Es sei nur natürlich gewesen, bei seinen gelegentlichen Aufenthalten in Österreich das Haus in L zu bewohnen. Die Erhaltung eines solchen Objektes in gutem Zustand sei vom Ausland her nicht leicht gewesen. Er habe in diesen Zeiten auch die leer stehenden Büros benutzt, um Kontakt zu seiner Arbeitgeberin in Marokko zu halten und habe viele Telefonate von dort aus geführt. Die Aufenthalte in L hätten zu seinen Dienstpflichten gehört und im Regelfall jeweils nur einige Tage gedauert. Die Kosten für die Telefongespräche seien so hoch gewesen, dass er diese keineswegs selbst hätte tragen können. Die Aufteilung der Kosten in Marokko zu Lasten der Arbeitgeberin und weltweit im Ausland zu Lasten der B GmbH & Co KG sei von letzterer angeordnet worden. Die Tätigkeit als Geschäftsführer der marokkanischen Arbeitgeberin habe auch zu Dienstreisen nach Indien, Pakistan, Belgien ua Länder geführt. Wenn er nicht in Marokko geweilt habe, sei daher nicht automatisch von einem Aufenthalt in Österreich auszugehen. Seine Reisedokumente könnten dies auch jederzeit lückenlos aufzeigen. Ende Oktober 1995 sei er dann endgültig nach Österreich zurückgekehrt.

In der Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, die Räumlichkeiten in L seien nicht so beschränkt gewesen, dass nur eine notdürftige Unterkunft möglich gewesen sei. Absichten hinsichtlich des Beibehaltens oder Benutzens seien ohne Bedeutung. Erst wenn die Wohnung aufgelöst werde oder Handlungen gesetzt werden, die ein Beibehalten oder Benutzen der Wohnung unmöglich machen würden (zB Vermietung), liege eine Aufgabe des Wohnsitzes vor.

In der Berufungsverhandlung legte der Vertreter des Beschwerdeführers Kopien des Reisepasses sowie diverse Aufzeichnungen des Beschwerdeführers vor, aus denen sich seine Aufenthalte in Österreich ergeben sollten. Dabei gab er an, der Beschwerdeführer habe sich an manchen Tagen im Monat im Inland aufgehalten und die Wohnung in L auch - beispielsweise für die Telefonate - benützt.

Im angefochtenen Bescheid wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Wohnung in L innegehabt, die er jederzeit habe benützen können und auch tatsächlich benützt habe. Dies ergebe sich aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers sowie aus einem Schreiben vom Oktober 1994 an die B GmbH & Co KG, worin er ausgeführt habe, seit Juni 1994 teils in Österreich (von Österreich aus) in diversen Angelegenheiten tätig gewesen zu sein. Seine Tätigkeit habe oft Telefonate ins Ausland erfordert, welche er aus Diskretionsgründen bzw wegen der Zeitverschiebung von seinem Haus in Österreich aus geführt habe. Er habe im Oktober 1994 einen Gebührenzähler montieren lassen, um die Gebühren für die geschäftlichen Telefonate genau in Rechnung stellen zu können. Für die Monate Oktober 1994 bis Oktober 1995 lägen solche Rechnungen für Telefonkosten "Österreich" laut Gebührenzähler vor. Auf Grund dieser Aussagen sowie der genannten Rechnungen könne eindeutig auf einen regelmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in seiner Wohnung geschlossen werden, zumal sich der regelmäßige Aufenthalt im Inland auch an Hand der vom Beschwerdeführer persönlich unterfertigten Barauszahlungsbelege der B GmbH & Co KG belegen lasse. Aus dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe schon ab dem Jahr 1993 versucht, seine Wohnung zu veräußern, lasse sich für den Beschwerdeführer nichts gewinnen. Maßgebend sei allein die tatsächliche Gestaltung der Dinge. Auf die subjektive Absicht und Einstellung komme es nicht an.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für die Beurteilung der Frage, ob eine natürliche Person gemäß § 1 Abs 2 EStG 1988 unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist, ist entscheidend, ob sie im Inland ua einen Wohnsitz hat.

Gemäß § 26 Abs 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er diese Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Der Beschwerdeführer hat unstrittig bis Dezember 1993 seinen Wohnsitz in L gehabt. Strittig ist ausschließlich, ob dieser Wohnsitz auch in den Streitjahren bestand.

Unter dem "Innehaben" einer Wohnung ist die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, über diese Wohnung zu verfügen, insbesondere sie für den Wohnbedarf jederzeit benützen zu können, zu verstehen. Dabei fordert der für die Anwendung der Abgabenvorschriften maßgebliche Wohnsitzbegriff nicht die ununterbrochene tatsächliche Benützung der Wohnung (vgl beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/13/0299).

Die belangte Behörde stützt ihre Beurteilung, dass der Beschwerdeführer den Wohnsitz in L nicht aufgegeben hat, auf die unbestrittene Tatsache, dass die gegenständliche Wohnung nicht vermietet gewesen und daher jederzeit dem Beschwerdeführer zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses zur Verfügung gestanden sei. Der Beschwerdeführer habe selbst im Berufungsverfahren angegeben, sie bei seinen gelegentlichen Aufenthalten im Inland "natürlich" benutzt zu haben. Eine solche Nutzung ergebe sich auch aus einem Schreiben des Beschwerdeführers an die B GmbH & Co KG über die in der inländischen Wohnung geführten Auslandstelefonate, aus den der B GmbH & Co KG tatsächlich in Rechnung gestellten Auslandstelefonaten sowie an Hand der vom Beschwerdeführer persönlich unterfertigten Barauszahlungsbelege.

Wenn die belangte Behörde auf Grund dessen davon ausgegangen ist, der Beschwerdeführer habe seinen Wohnsitz im Inland nicht aufgegeben, kann ihr nicht entgegen getreten werden. Wie im angefochtenen Bescheid überdies zutreffend ausgeführt wurde, steht der Annahme eines inländischen Wohnsitzes weder entgegen, dass der Beschwerdeführer sich in L polizeilich abgemeldet hatte, noch, dass er in Marokko als Geschäftsführer eines marokkanischen Unternehmens tätig und dort polizeilich gemeldet gewesen ist. Eine polizeiliche Meldung oder das Unterlassen derselben ist für die Frage des Wohnsitzes nicht entscheidend (vgl die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/14/0041, und vom , 89/15/0115). Da ein Mensch mehrere Wohnungen innehaben kann, sind gleichzeitig auch mehrere Wohnsitze möglich (vgl das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ). Auch eine berufliche Tätigkeit im Ausland und häufige Auslandsreisen schließen einen Wohnsitz im Inland nicht aus (vgl das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/14/0183). Aus dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe einem Realitätenbüro den Auftrag zur Veräußerung der gegenständlichen Liegenschaft erteilt, lässt sich für die Beschwerde ebenfalls nichts gewinnen, weil auch eine derartige Auftragserteilung einer jederzeitigen Nutzung der Wohnung nicht entgegen stand.

Mit der Rüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, Anzahl und Dauer seiner Aufenthalte im Inland im Streitzeitraum genau anzuführen, zeigt der Beschwerdeführer keine Unschlüssigkeit der abgabenbehördlichen Beweiswürdigung auf. Die belangte Behörde konnte auch ohne eine genaue Angabe betreffend Anzahl und Dauer der Aufenthalte in der Wohnung in L zu erstellen unbedenklich den Schluss ziehen, dass der Beschwerdeführer seinen inländischen Wohnsitz nicht aufgegeben hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am