VwGH vom 25.11.1992, 91/13/0144
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des H in I, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom , Zl 6/3-3618/86-02, betreffend Einkommensteuer 1983, Einkommensteuer 1984 und Einkommensteuervorauszahlungen 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat seinen ständigen Wohnsitz in Spanien und ist (mit 95 Prozent) wesentlich beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer einer österreichischen GmbH. Für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bezog der Beschwerdeführer in den beschwerdegegenständlichen Jahren 1983 und 1984 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von S 90.000,-- (1983) bzw S 250.000,-- (1984). Unbestritten ist auch, daß sich der Beschwerdeführer durchschnittlich alle sechs Wochen ein bis vier Tage in Österreich aufhält, wobei er diese Zeit teilweise in den Räumlichkeiten der Gesellschaft, deren Geschäftsführer er ist, verbringt. Diese Räumlichkeiten seien jedoch so beengt, daß er während seiner Anwesenheit den Schreibtisch mit einem Prokuristen dieser GmbH teilen müsse.
Ausschließlich strittig ist, ob der Beschwerdeführer mit seinen aus der Geschäftsführertätigkeit resultierenden Einkünften aus selbständiger Arbeit in Österreich (beschränkt) steuerpflichtig ist. Dies wäre nach Art 14 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Spanien, BGBl Nr 395/1967, dann der Fall, wenn er in Österreich regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt. Die belangte Behörde bejahte diese Frage in ihrer im Instanzenzug ergangenen Berufungsentscheidung im wesentlichen mit der Begründung, daß dem Beschwerdeführer während seiner Aufenthalte in Österreich in den Räumlichkeiten der Gesellschaft für die Ausübung seiner Tätigkeit ein Schreibtisch zur Verfügung stehe.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht verletzt, daß (betreffend 1983 und 1984) seine Einkünfte aus selbständiger "Tätigkeit" (als Geschäftsführer) in Österreich von der "Besteuerung nach EStG" ausgenommen bleiben und daß es für "1987 (ff) demzufolge auch zu keinen Einkommensteuervorauszahlungen zu kommen hat", und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Der Beschwerdeführer brachte zur Gegenschrift eine Replik ein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, daß der Begriff "feste Einrichtung" auch im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens mit Spanien im selben Sinn auszulegen ist, in welchem im (innerstaatlichen) gewerblichen Bereich der Begriff "Betriebsstätte" auszulegen ist (vgl Philipp-Loukota-Pollak, Internationales Steuerrecht, I/1, Z 14, Rz 11, S 150, und die darin zitierte Rechtsprechung). Nun vermeint der Beschwerdeführer in der Beschwerde, bei Anlegung dieses Maßstabes könne es keinem wie immer gearteten Zweifel unterliegen, daß der beschränkte Arbeitsplatz in einem einer GmbH gehörigen Büro, den der Beschwerdeführer fallweise benütze und mit dem Prokuristen teilen müsse, nicht den Begriff der Betriebsstätte und damit nicht den Begriff der "festen Einrichtung" erfülle. Schon das erste der drei von Philipp-Loukota-Pollak, aaO, S 151, angeführten Tatbestandsmerkmale, das statische "Moment", sei unter keinen Umständen gegeben, weil der Beschwerdeführer an dem der GmbH gehörigen Schreibtisch in der von der GmbH gemieteten Räumlichkeit keinerlei Verfügungsmacht habe. Auch das dritte (zeitliche) Tatbestandsmerkmal sei nicht erfüllt, weil der Beschwerdeführer seine Tätigkeit nur vorübergehend ausüben könne.
Mit der nicht näher begründeten Beschwerdebehauptung, er hätte "an dem der GmbH gehörigen Schreibtisch in den von der GmbH gemieteten Räumlichkeiten keinerlei Verfügungsmacht", scheint sich der Beschwerdeführer, wie er dies in der Berufung getan hat bzw in der Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde ausführt, darauf zu stützen, daß er nicht Eigentümer oder Mieter einer festen Einrichtung wäre, von welcher aus er seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen könne.
Nun ist jedoch zur Annahme einer Verfügungsmacht nicht erforderlich, daß die Anlagen, Einrichtungen usw im Eigentum des Unternehmers stehen oder von diesem gemietet wurden. Es genügt, daß sie ihm für die Zwecke (seines) Unternehmens, dh gegenständlich für Zwecke der Geschäftsführung der GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer er ist, zur Verfügung stehen. Die Verfügungsmacht kann auch auf unentgeltlicher Überlassung beruhen (vgl Stoll, BAO, Handbuch, S 83, und Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Tz 1 - 290, und die dort zitierte Rechtsprechung).
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer die Zeiten seiner Anwesenheit im Inland teilweise in den Räumlichkeiten der GmbH, zu deren Geschäftsführer er bestellt ist, verbringt. Nach den Feststellungen der belangten Behörde steht dem Beschwerdeführer für die Ausübung seiner Geschäftsführungstätigkeit ein Schreibtisch zur Verfügung, welcher die übrige Zeit von einem Prokuristen der Gesellschaft benützt wird. Nun vermag der Gerichtshof jedoch die Ansicht der belangten Behörde nicht zu teilen, daß der teilweise Aufenthalt in den Räumlichkeiten der GmbH und ein zur Verfügung stehender Schreibtisch allein ausreicht, um die Erfüllung der im Art 14 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Spanien normierten Voraussetzung einer für die Ausübung der Tätigkeit zur Verfügung stehenden festen Einrichtung annehmen zu können. Eine feste Einrichtung wäre erst gegeben, wenn dem Geschäftsführer bei Bedarf nicht nur ein Schreibtisch, sondern auch der Raum, in welchem dieser Schreibtisch steht, und darin weitere Einrichtungsgegenstände (wie etwa zur Aufbewahrung der benötigten Geschäftsführungsunterlagen) und weitere Hilfsmittel zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit (wie etwa ein Telefon, ein Telefaxgerät, Material zur Verfassung eventueller Korrespondenz etc), zur Verfügung stehen. Der Verwaltungsgerichtshof weist der Vollständigkeit halber auch darauf hin, daß der Begriff der "festen Einrichtung" berufsbezogen zu sehen ist und in anderen Fällen auch weitere (andere) Voraussetzungen erforderlich sein können, damit eine "feste Einrichtung" angenommen werden kann. Wenngleich die Ansicht des Beschwerdeführers nicht geteilt werden kann, für die Annahme einer festen Einrichtung müsse ein "Chefzimmer" oder ein Raum, an dessen Eingangstüre das Namensschild des Geschäftsführers angebracht ist, zur Verfügung stehen, hat die belangte Behörde jedenfalls keine Feststellungen bezüglich der vom Verwaltungsgerichtshof für erforderlich erachteten Voraussetzungen einer festen Einrichtung getroffen.
Da sich die diesbezügliche Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes aber aus der unrichtigen Rechtsauffassung der belangten Behörde ergibt, ein Schreibtisch allein bilde eine feste Einrichtung zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 595, vorletzter Absatz).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.