VwGH vom 24.02.2004, 99/14/0247

VwGH vom 24.02.2004, 99/14/0247

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der H W in S, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. RV-042.94/1-7/1994, betreffend u.a. Umsatz- und Einkommensteuer 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Gastwirt Herbert Ka teilte im Jahr 1992 dem Finanzamt mit, dass seine Buchhaltung im Jahr 1989 vom Finanzbeamten W gegen ein monatliches Entgelt von S 1.500,-- erstellt worden sei. Herbert Ka teilte weiters mit, ihm seien zwei weitere Gastwirte bekannt, für welche der Finanzbeamte W ebenfalls Bücher geführt habe.

In der Folge erstattete der Vorstand des Finanzamtes Disziplinaranzeige gegen den Finanzbeamten W, weil der Verdacht eines pflichtwidrigen außerdienstlichen Verhaltens bestehe. Der verdächtigte Beamte bestritt die Vorwürfe.

Mit Beschluss vom sprach die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen aus, dass gegen den Finanzbeamten W kein Disziplinarverfahren durchzuführen sei. Es fehle an einem ausreichend begründeten Verdacht. Der Finanzbeamte habe sich damit verantwortet, dass "seine Lebensgefährtin" (die Beschwerdeführerin) die Buchhaltungsarbeiten durchgeführt habe. Es lägen nunmehr drei Zeugenaussagen vor, nach welchen die Buchhaltungsarbeiten nicht von diesem Finanzbeamten, sondern von der Beschwerdeführerin durchgeführt worden seien.

Im gegebenen Zusammenhang befragte das Finanzamt zahlreiche Gastwirte seines Zuständigkeitsbereiches, bei denen auf Grund einer stichprobenweisen Durchsicht der Veranlagungsakten die Möglichkeit bestanden hatte, dass entweder der Finanzbeamte W oder die Beschwerdeführerin für sie Buchhaltungsarbeiten durchgeführt haben.

Ca. 10 Unternehmer gaben dem Finanzamt an, dass die Beschwerdeführerin für sie Buchhaltungs- und Lohnverrechnungsarbeiten sowie Jahresabschlussarbeiten verrichtet habe oder zumindest bei solchen Arbeiten mitgewirkt habe. Ein großer Teil dieser Unternehmer gab an, für die laufende Buchhaltung ein monatliches Entgelt von lediglich S 200,-- und für den Jahresabschluss ein solches von lediglich S 500,-- bezahlt zu haben. Eine Reihe weiterer Unternehmer gab ebenfalls an, dass die Beschwerdeführerin bei der Erstellung der Buchhaltung mitgewirkt habe, führte jedoch aus, dass ihr "aus Freundschaft nichts bezahlt" worden sei.

Einer Aufforderung des Finanzamtes vom entsprechend hatte die Beschwerdeführerin am Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1987 bis 1999 vorgelegt; aus diesen ergaben sich jährliche Einnahmen zwischen S 8.960,-- und S 15.560,-- sowie jährliche Ausgaben (im Wesentlichen Kilometergelder) zwischen S 4.590,-- und S 7.136,--).

Am wurde die Beschwerdeführerin vom Finanzamt vernommen. Sie brachte dabei u.a. vor, sie wolle ihre "Klienten" dem Finanzamt nicht bekanntgeben, nehme aber an, dass diese dem Finanzamt bereits bekannt seien. Sie habe für laufende Buchhaltungsarbeiten monatlich S 200,-- und für Abschlussarbeiten S 500,-- erhalten, was einem Stundenlohn von S 100,-- entspreche. Der Gastwirt Herbert Ka habe nicht monatlich S 1.500,-- bezahlt, sie habe von ihm vielmehr lediglich dreimal S 500,-- erhalten.

Im Juli 1993 wurde bei der Beschwerdeführerin eine Prüfung gemäß § 99 Finanzstrafgesetz durchgeführt. Diese betraf den Zeitraum 1986 bis 1992. In Tz 11 des Berichtes gemäß § 99 Abs. 2 Finanzstrafgesetz vom wird ausgeführt, es sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin zumindest seit dem Jahre 1986 Buchhaltungsarbeiten gegen Entgelt für zumindest 10 Betriebe (im Wesentlichen Gastgewerbebetriebe) durchgeführt habe. Aus den niederschriftlichen Aussagen bzw. Unterlagen ergäben sich Einnahmen zwischen S 5.800,-- (im Jahr 1996) und S 27.200,-- (im Jahr 1992). Da allerdings die in den Niederschriften angegebenen Beträge von monatlich S 200,-- für die laufende Buchhaltung sowie von S 500,-- für den Jahresabschluss nicht realistisch seien und sich als offensichtlich abgesprochen erwiesen, werde pauschal ein Betrag von S 5.000,-- je "Kunde" und Jahr geschätzt. Da die Beschwerdeführerin nicht gewillt sei, die Namen ihren Kunden bekanntzugeben, sei anzunehmen, dass sie noch für weitere, dem Finanzamt bisher nicht bekannte Personen Buchhaltungsarbeiten durchgeführt habe. Es erscheine daher ein Sicherheitszuschlag von 100 % als angemessen.

In der Berufung gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide, die das Finanzamt den Prüfungsfeststellungen entsprechend erlassen hatte, brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, der Prüfungsbericht enthalte keine Angaben über die Namen der amtlich bekannten "Kunden", welche der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zugrundegelegt worden seien. Eine bloße Angabe von Zahlen bzw. der Anzahl der Betriebe stelle keine ausreichende Offenlegung der Schätzungsgrundlagen dar. In den Einkommensteuererklärungen aller betroffenen Jahre sei der Alleinverdienerabsetzbetrag beantragt worden. In den Einkommensteuerbescheiden sei dieser ohne Angabe von Gründen nicht berücksichtigt worden, sodass auch der Kinderzuschlag für die beiden Kinder der Beschwerdeführerin unberücksichtigt geblieben sei. Es werde beantragt, der Einnahmenermittlung die tatsächlich vereinnahmten Beträge von monatlich S 200,-- pro "Kunde" sowie S 500,-- pro Jahresabschluss und "Kunde" zugrundezulegen, sowie von der Verhängung von Sicherheitszuschlägen abzusehen.

Das Finanzamt wies die Berufungen mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. Ihm sei bekannt geworden, dass die Beschwerdeführerin Buchhaltungsarbeiten für verschiedene Unternehmer gegen Entgelt durchführe. Sie habe die Namen ihrer "Kunden" nicht angegeben. Das Finanzamt habe Veranlagungsakten stichprobenweise durchgesehen und jene Abgabepflichtigen, bei denen eine Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu vermuten gewesen sei, einvernommen. Die Voraussetzungen einer Schätzung seien im gegenständlichen Fall gegeben. Die Beschwerdeführerin habe keine Aufzeichnungen vorgelegt und die Bekanntgabe ihrer "Kunden" sowie die Aufgliederung der von ihr erklärten Einnahmen verweigert. Es stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Beschwerdeführerin neben den vom Finanzamt bereits ermittelten "Kunden" noch eine Reihe anderer "Kunden" gehabt habe. Daher sei den nachgewiesenen Einnahmen ein Sicherheitszuschlag von 100 % zuzurechnen. Wegen der mangelnden Mitwirkung der Beschwerdeführerin und in Anbetracht der beschränkten Möglichkeiten des Finanzamtes sei eine auch nur annähernd vollständige Ermittlung der Einnahmen nicht möglich. Der beantragte Alleinerhalterabsetzbetrag könne nicht berücksichtigt werden, weil die Beschwerdeführerin mit dem Kindesvater im gemeinsamen Haushalt lebe und somit die gemäß § 33 Abs. 4 EStG maßgeblichen Einkunftsgrenzen überschritten seien. Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge. Der Alleinerhalterabsetzbetrag stehe nicht zu. Die Beschwerdeführerin habe in einer Vorhaltsbeantwortung vorgebracht, dass keine Lebensgemeinschaft mit dem Finanzbeamten W bestanden habe bzw. dieser nicht ihr Lebensgefährte gewesen sei. Der Finanzbeamte W habe Unterhalt für die gemeinsamen Kinder (Stefan, geboren 1981, Ewald, geboren 1982) monatlich in bar geleistet. Gerichtliche Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse existierten nicht. Nach den Feststellungen der belangten Behörde ergebe sich aus dem amtlichen Telefonbuch, dass im fraglichen Zeitraum der Finanzbeamte W an der Adresse der Beschwerdeführerin wohnhaft gewesen sei. Auch eine Anfrage bei der Meldebehörde habe ergeben, dass der Finanzbeamte W an derselben Adresse wohnhaft sei wie die Beschwerdeführerin. Diese Umstände seien lediglich Indizien, die für eine Lebensgemeinschaft sprächen. Ein weiteres Indiz bestehe darin, dass die Unterhaltszahlungen für die Kinder nicht unter Verwendung der bestehenden Bankkonten, sondern in bar geleistet worden seien. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin beantragt habe, die Ausführungen des Beschlusses der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom der Entscheidung der belangten Behörde zugrundezulegen, in diesem Beschluss aber davon die Rede sei, dass die Beschwerdeführerin die Lebensgefährtin des Finanzbeamten W sei. Die belangte Behörde gelange sohin zur Auffassung, dass zwischen der Beschwerdeführerin und dem Finanzbeamten W im Berufungszeitraum eine Lebensgemeinschaft (umfassende Wirtschafts-, Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft) bestanden habe. Da der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin die im § 33 Abs. 4 EStG festgelegte Einkommensgrenze überschritten habe, seien die Voraussetzungen für die Gewährung des Alleinerhalterabsetzbetrages nicht erfüllt.

Gemäß § 184 BAO habe die Abgabenbehörde zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermöge oder weitere Auskünfte verweigere. Zu schätzen sei auch, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen habe, nicht vorlege. Die Beschwerdeführerin habe in der niederschriftlichen Einvernahme vom - ebenso wie der Finanzbeamte W - angegeben, dass sie Buchhaltungsarbeiten durchgeführt habe. Unbestritten sei weiters, dass sie diese Tätigkeit dem Finanzamt nicht gemeldet und zunächst auch keine Abgabenerklärungen eingereicht habe. Erst auf entsprechende Aufforderungen des Finanzamtes seien Abgabenerklärungen eingereicht worden. Nach Ansicht der belangten Behörde bestünden Zweifel über die Richtigkeit der Abgabenerklärungen. Da keine Aufzeichnungen der Einnahmen bzw. Betriebsausgaben vorgelegt worden seien, sei ungeklärt geblieben, wie sich diese zusammensetzten bzw. gliederten. Unschlüssig erscheine etwa, wie man, wenn dem Berufungsbegehren entsprechend von S 2.900,-- pro "Kunde" ausgegangen werde, zu Summen gelangen könne, die mit Beträgen von S 60,-- endeten; in den Beilagen zu den eingereichten Einkommensteuererklärungen gebe die Beschwerdeführerin die Einnahmen aber jeweils mit einem auf den Betrag von S 60,-- endenden Wert an. Das Finanzamt habe die Einnahmen von Amts wegen in Form von stichprobenweisen Erhebungen ermittelt, wobei die Beschwerdeführerin an der Wahrheitsfindung nicht mitgewirkt habe. Dabei hätte sie, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung des § 119 BAO, eine Mitwirkungspflicht getroffen. Sie habe es mit ihr namentlich bekannten "Kunden" zu tun; es könne ihr zugemutet werden, diese Namen der Abgabenbehörde bekanntzugeben. Nur ordnungsgemäß geführte Bücher und Aufzeichnungen könnten von vorneherein Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben. Eine Schätzung sei gerechtfertigt, wenn Buchführungsmängel so schwerwiegend seien, dass sie berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Aufzeichnungen begründeten. Von schwerwiegenden Buchführungsmängel könne jedenfalls dann gesprochen werden, wenn überhaupt keine Bücher geführt worden seien bzw. diese fehlten. Es wäre der Beschwerdeführerin frei gestanden, durch Vorlage von Aufzeichnungen und Büchern bzw. durch schlüssige Berechnungen die Schätzung abzuwenden.

Die belangte Behörde nehme im Rahmen ihrer Schätzung die Beträge als gegeben an, welche die als Zeugen vernommenen Unternehmer als Zahlungen angegeben hätten. Diese Beträge stimmten im Wesentlichen mit den Angaben der Beschwerdeführerin überein. Die belangte Behörde gehe also "von den behaupteten jährlichen Beträgen in Höhe von S 2.900,-- aus, zumal diese im Wesentlichen von den Zeugen bestätigt wurden". Die auf diese Weise errechneten Einnahmen erhöhe sie um einen Sicherheitszuschlag von 90 %. Die belangte Behörde gelange damit zu einer teilweisen Stattgabe der Berufung, zumal das Finanzamt von S 5.000,-- pro "Klient" ausgegangen sei und einen Sicherheitszuschlag von 100 % berücksichtigt habe.

Das Wesen des Sicherheitszuschlages liege darin, dem Umstand gerecht zu werden, dass bei mangelhaften Aufzeichnungen üblicherweise nicht nur die nachgewiesenermaßen nicht verbuchten Vorgänge, sondern auch noch weitere Vorgänge keinen Eingang in das Rechnungswerk gefunden haben. Das Finanzamt habe die Anzahl der "Kunden" der Beschwerdeführerin dadurch ermittelt, dass es Veranlagungsakten stichprobenweise kontrolliert und jene Unternehmer, bei denen eine Tätigkeit der Beschwerdeführerin habe vermutet werden können, einvernommen habe. Durch eine solche Vorgangsweise habe nur eine "lückenhafte Anzahl der Kunden" ermittelt werden können. Dazu komme, dass einige der einvernommenen Unternehmer angegeben hätten, die Beschwerdeführerin habe zwar Buchhaltungsarbeiten erledigt, dies sei jedoch unentgeltlich und aus Freundschaft erfolgt. Nach Ansicht der belangten Behörde sei ein solches Vorgehen im allgemeinen Geschäftsleben nicht üblich. Andere Unternehmer hätten sich im Rahmen ihrer Zeugenaussage geweigert, jene Personen zu benennen, die für sie Buchhaltungsaufgaben erfüllten. Die belangte Behörde weise auch auf den Umstand hin, dass das Finanzamt ausschließlich Unternehmer einvernommen habe, die im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes ansässig seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass die ermittelten "Klienten" der Beschwerdeführerin ausschließlich Gastwirte gewesen seien, im Hinblick auf die kaufmännische Ausbildung der Beschwerdeführerin und den Umstand, dass ihr die Mitarbeiterin einer Steuerberatungskanzlei bei den Buchhaltungsarbeiten behilflich gewesen sei, aber davon auszugehen sei, dass sie ihre Leistungen auch Unternehmern anderer Branchen gegenüber erbracht habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass in den Gaststätten Mundpropaganda für sie betrieben worden sei. Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages erscheine der belangten Behörde auch deshalb als gerechtfertigt, weil sich die Beschwerdeführerin beharrlich weigere, ihre "Kunden" bekanntzugeben. Zu berücksichtigen sei weiters, dass die Beschwerdeführerin in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom angegeben habe, für einige Personen auch Schreibarbeiten erbracht zu haben, auch wenn sie dies in ihrem Schreiben vom wieder in Abrede gestellt habe. Allen diesen Umständen entsprechend solle mit Hilfe des Sicherheitszuschlages von 90 % ein Ergebnis erreicht werden, welches der wahrscheinlichsten Bemessungsgrundlage möglichst nahe komme. Die Beschwerdeführerin habe im Berufungsverfahren drei weitere Namen von "Kunden" bekanntgegeben; durch die Herabsetzung des Sicherheitszuschlages auf 90 % werde auch diesem Umstand Rechnung getragen.

Die Bemessungsgrundlagen errechneten sich somit wie folgt, wobei der Zeugenaussage des Gastwirten Gr entsprechend bei ihm von durchschnittlichen Zahlungen in Höhe von S 3.500,-- ausgegangen worden sei und beim Gastwirt Ho weil er ab Oktober 1992 ein zweites Lokal betrieben habe, S 4.000,-- in Ansatz gebracht würden: