VwGH vom 25.02.2004, 2003/13/0163
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde des Landes Tirol gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl. RV-076.95/1-T7/95, betreffend u.a. Umsatzsteuer 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Kostenbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Im Zuge einer beim beschwerdeführenden Land hinsichtlich des Zeitraumes 1988 bis 1991 durchgeführten Prüfung der Aufzeichnungen (§ 151 Abs. 1 BAO) in Bezug auf Betriebe gewerblicher Art des Landes vertraten die Prüfer in ihrem Bericht (Tz 12, zu h) die Ansicht, dass das Fremdenverkehrsamt (bzw. die Tiroler Verkehrswerbung) bis einschließlich 1988 die Aufgaben der Fremdenverkehrswerbung für das Land Tirol besorgt habe. Die finanziellen Mittel zur Besorgung dieser Aufgaben seien zum weitaus überwiegenden Teil vom Land Tirol zur Verfügung gestellt, in ganz geringem Ausmaß seien auch Umsätze mit Dritten (Hotels, Fremdenverkehrsverbände) aus dem Verkauf von Nebenprodukten (Werbematerial) und der Erbringung sonstiger Leistungen (Vermittlung von Messeständen) erzielt worden. Diesen Umsätzen stünden 1988 Vorsteuern aus der Tätigkeit des Fremdenverkehrsamtes in Höhe von rund 5,400.000 S gegenüber. Die Tätigkeit des Fremdenverkehrsamtes diene überwiegend der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Die Vertreter des Landes hätten zu diesem Punkt eingewendet, dass die Vorgangsweise hinsichtlich des Fremdenverkehrsamtes bei der Einführung der Mehrwertsteuer im Jahr 1972 bzw. 1973 mit der Finanzlandesdirektion abgesprochen worden sei, die seinerzeitige schriftliche Erledigung der Finanzlandesdirektion allerdings nicht mehr aufgefunden werde und dass diese Vorgangsweise von den Vorprüfern nie beanstandet worden sei. Da die Tätigkeit des Fremdenverkehrsamtes überwiegend der Erfüllung öffentlicher Aufgaben diene, gliederten die Prüfer die aus der Tätigkeit des Fremdenverkehrsamtes erklärten Umsätze aus der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer aus und erkannten die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Vorsteuern nicht an.
Das Finanzamt folgte insoweit den Prüferfeststellungen und setzte mit Bescheid vom nach Wiederaufnahme des Verfahrens die Umsatzsteuer 1988 fest. Zur Begründung verwies es auf den Prüfungsbericht.
U.a. dagegen berief das Land Tirol. In der Berufung und im weiteren Verwaltungsverfahren vertrat das Land Tirol dazu im Wesentlichen die Ansicht, die Vorgangsweise des Finanzamtes verstoße gegen Treu und Glauben.
In der vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung vom führte der Vertreter des beschwerdeführenden Landes aus, dass die Fremdenverkehrswerbung in eine eigene Abteilung, und zwar mit separatem Personal/Leitung und Buchungskreis ausgegliedert worden sei. Eine Fremdenverkehrsabteilung, die für den hoheitlichen Bereich zuständig sei, sei bestehen geblieben. Im Bereich des Fremdenverkehrsamtes seien "keine hoheitlichen Zwangsmaßnahmen möglich", es handle sich nicht um einen hoheitlichen Bereich. Im Übrigen sei dieser Bereich nach dem Streitjahr, nämlich 1989, in den Verein "Tirolwerbung" ausgegliedert worden. Bereits 1988 (im Streitjahr) seien Einnahmen im Ausmaß von rund 800.000 S und somit solche von wirtschaftlichem Gewicht erzielt worden. Auf den Vorhalt der belangten Behörde, dass die Einnahmen von rund 800.000 S nur einen Bruchteil der Tätigkeit der Fremdenverkehrswerbung ausmachten und diese Umsätze im Verhältnis zum Landeszuschuss betragsmäßig sehr niedrig seien, nach dem Überwiegensgrundsatz dieser Bereich daher der hoheitlichen Sphäre zuzuordnen wäre, entgegnete der Vertreter des beschwerdeführenden Landes, dass die der Umsatzsteuer unterworfenen Einnahmen nur einen Teil der gesamten Tätigkeit der Fremdenverkehrswerbung darstellten, das Land Zuschüsse von etwa 15 bis 20 Millionen S jährlich geleistet habe, die Fremdenverkehrswerbung allerdings keinerlei hoheitliche Tätigkeit ausgeübt und sich nur mit der unternehmerischen Werbung befasst habe. "Ein eigener Rechnungskreis - sogar eine eigene Buchhaltung - und auch eigenes Personal unter eigener Leitung" sei für die Fremdenverkehrswerbung eingerichtet worden. Die früher in einem Referat zusammengefassten Aufgabenstellungen im Bereich der Fremdenverkehrsagenden seien auf das Referat IIc, das für den hoheitlichen Bereich zuständig sei, und auf das Referat IId, das die Fremdenverkehrswerbung übernommen habe, aufgeteilt worden.
Einem in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Auszug aus dem Landesgesetzblatt Nr. 70/1983 ist zu entnehmen, dass die Abteilung IIc der Tiroler Landesregierung für die Angelegenheiten des Tiroler Fremdenverkehrsgesetzes mit Ausnahme der Verwaltung des Fremdenverkehrsförderungsfonds, für Rechtsangelegenheiten der Schischulen, der Hochgebirgsschulen, der Berg- und Schiführer, der Privatzimmervermietung, der Campingplätze und der Fremdenverkehrsstatistik sowie für die Aufenthaltsabgabe zuständig ist. Der Abteilung IId - Tiroler Fremdenverkehrswerbung - obliegen die fachlichen Angelegenheiten des Fremdenverkehrswesens, die Geschäftsstelle für die Verwaltung des Tiroler Fremdenverkehrsförderungsfonds, Geschäftsstelle des Landesfremdenverkehrsrates und des Vollzugsausschusses sowie die Führung der Tiroler Fremdenverkehrswerbung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge, versagte ihr jedoch hinsichtlich des Punktes "Fremdenverkehrsamt (1988)" den Erfolg. Betriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen, würden nach § 2 Abs. 4 KStG 1966 nicht zu den Betrieben gewerblicher Art gehören. Der Kompetenztatbestand "Fremdenverkehr" falle gemäß Art. 15 B-VG in die Zuständigkeit der Länder. Darunter würden u.a. Regelungen über Interessensbeiträge unter dem Titel der Fremdenverkehrsförderung oder die unter dem Titel der Fremdenverkehrsförderung erbrachte Werbung fallen. Die Tätigkeit des Landesfremdenverkehrsamtes hinsichtlich der Fremdenverkehrsförderung sei demnach grundsätzlich eine hoheitliche. Dem widerspreche auch nicht die Ansicht des beschwerdeführenden Landes, wonach keine hoheitlichen Zwangsmaßnahmen möglich seien, der nach der Ausgliederung des Bereiches im Jahr 1989 tätige Verein eine unternehmerische Tätigkeit ausübe und 800.000 S an privatwirtschaftlichen Einnahmen ein wirtschaftliches Gewicht darstellten. Der Grundsatz von Treu und Glauben hindere nach näher ausgeführter Ansicht der belangten Behörde nicht, das Fremdenverkehrsamt nicht als Betrieb gewerblicher Art anzusehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 des für das Streitjahr noch anzuwendenden UStG 1972 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nach § 2 Abs. 3 UStG 1972 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung vor der Änderung durch das BG BGBl. Nr. 410/1988 nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1966) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.
§ 2 Abs. 1 und 4 des Körperschaftsteuergesetzes 1966 lauteten:
"(1) Zu den Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören alle Einrichtungen dieser Körperschaften, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen dienen. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Die Einrichtung ist als Betrieb gewerblicher Art nur dann steuerpflichtig, wenn sie sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft wirtschaftlich heraushebt. Diese wirtschaftliche Selbständigkeit kann in einer besonderen Leitung, in einem geschlossenen Geschäftskreis, in der Buchführung oder in einem ähnlichen auf eine Einheit hindeutenden Merkmal bestehen. Die Führung der Bücher bei einer anderen Verwaltung ist unerheblich. Die Verpachtung eines Betriebes, der steuerpflichtig wäre, wenn er vom Verpächter unmittelbar betrieben würde, steht einem Betrieb gewerblicher Art gleich. Das gleiche gilt für jede andere entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten zu Betriebszwecken dieser Art. ...
(4) Betriebe von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen, gehören nicht zu den Betrieben gewerblicher Art. Eine Ausübung der öffentlichen Gewalt ist insbesondere anzunehmen, wenn es sich um Leistungen handelt, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist. Solchen Betriebe sind insbesondere ..."
Unter der Tätigkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient, ist die Erfüllung von Aufgaben durch diese Körperschaft zu verstehen, die ihr in ihrer Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten sind, sei es, dass sie ihr ausdrücklich durch die Rechtsordnung zugewiesen sind oder dass sie sich aus ihrem allgemeinen Aufgabenkreis ergeben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 99/13/0002).
Die belangte Behörde stützt sich unter Zitierung von drei Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes darauf, dass der Kompetenztatbestand "Fremdenverkehr" gemäß Art. 15 B-VG in die Zuständigkeit der Länder falle.
Das beschwerdeführende Land vertritt die Ansicht, die Tätigkeit des Fremdenverkehrsamtes sei keine Aufgabe des Landes, welche ihre Grundlage im öffentlichen Recht habe, und der Verweis im angefochtenen Bescheid auf die Kompetenzartikel des B-VG (insbesondere Art. 15) sei unzutreffend.
Der Umstand, dass Tätigkeiten in den Bereich von Angelegenheiten fallen, in denen nach der Bundesverfassung (Art. 15 B-VG) die Gesetzgebung und Vollziehung Landessache ist, berechtigt die belangte Behörde nicht, allein deswegen in diesen Tätigkeiten die überwiegende Ausübung der öffentlichen Gewalt zu sehen. Die verfassungsrechtliche Zuständigkeit des Landes in Gesetzgebung und Vollziehung bestimmter Angelegenheiten bedeutet für sich allein noch nicht, dass jegliche im Zusammenhang mit diesen Angelegenheiten durchgeführte Tätigkeit des Landes eine Aufgabenerfüllung darstellt, die ihr als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist. Zutreffend weist das beschwerdeführende Land auf Art. 17 B-VG hin, wonach durch die Bestimmungen der Art. 10 bis 15 über die Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung die Stellung des Bundes und der Länder als Träger von Privatrechten in keiner Weise berührt wird.
Da die belangte Behörde dies verkannte, hat sie keinerlei Feststellungen getroffen, worin die Tätigkeit des vom beschwerdeführenden Land als Betrieb gewerblicher Art gesehenen "Fremdenverkehrsamtes" im Streitjahr bestanden hat. Daher ist dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung nicht möglich, ob diese Tätigkeit den im § 2 Abs. 1 und 4 Körperschaftsteuergesetz 1966 gestellten Anforderungen entspricht.
Die belangte Behörde führt in der Gegenschrift ins Treffen, nach der Bewirtschaftungsart, welche zur Deckung des jährlichen Finanzbedarfs neben Einkünften von rund 900.000 S Zuwendungen von 15 bis 20 Millionen S erfordere, sei eine objektive Gewinnerzielungsmöglichkeit von vornherein ausgeschlossen, weshalb die Tätigkeit des Landesfremdenverkehrsamtes auch als Liebhaberei im Sinne des § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1972 anzusehen sei. Dazu genügt der Hinweis, dass eine im angefochtenen Bescheid fehlende Begründung in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 97/13/0123), weshalb es sich erübrigt, darauf näher einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Zu dem vom beschwerdeführenden Land beantragten Kostenzuspruch "im gesetzlichen Ausmaß" ist zu bemerken, dass Kosten für Schriftsatzaufwand (§ 48
Abs. 1 Z 2 VwGG) dem Beschwerdeführer nur dann gebühren, wenn er tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG).
Wien, am