VwGH vom 14.01.1991, 90/15/0125
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der N & Co GmbH gegen den Bescheid der Finanzlandesdirekton für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11-76/89, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin übernahm kaufweise von verschiedenen physischen Personen deren stille Beteiligungen an einer Gesellschaft m.b.H., wobei die entscheidungsrelevanten Vertragstexte auszugsweise lauteten:
"Der Anleger ist auf Grund des Gesellschaftsvertrages am Handelsgewerbe der Geschäftsherrn-GmbH als echter stiller Gesellschafter beteiligt.
Der Anleger verkauft und übergibt diese Beteiligung mit allen Rechten und Pflichten, wie sie sich aus dem erwähnten Gesellschaftsvertrag, der der Erwerber-GmbH (= die Beschwerdeführerin) bekannt ist, ergeben zum Kaufpreis von .... an die Erwerber-GmbH. Auf Grund dieser Vertragsübernahme tritt die Erwerber-GmbH an die Stelle des Anlegers und übernimmt sämtliche Rechte und Pflichten (insbesondere gesellschaftsrechtliche Treuepflichten) gegenüber der Geschäftsherrn-GmbH, wie sie bis dahin im Verhältnis zum Anleger bestanden haben.
Die Übertragung erfolgt mit Wirksamkeit zum . Ab diesem Zeitpunkt entstandene Gewinne stehen ausschließlich der Erwerber-GmbH zu, ab diesem Zeitpunkt entstandene Verluste sind ausschließlich von ihr zu tragen ...
Eine allfällige Rechtsgeschäftsgebühr trägt die Erwerber-GmbH."
Unterfertigt wurden diese Vereinbarungen einerseits vom Verkäufer, andererseits von der Beschwerdeführerin als Käuferin und schließlich von der "Geschäftsherrn-GmbH", das ist jene Gesellschaft mbH, an der die stille Beteiligung bestand und besteht.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien forderte hiefür ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 104,822.000,-- gemäß § 33 TP 21 GebG eine Gebühr in Höhe von S 838.576,-- an.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid (unter Berücksichtigung einer um S 600.000,-- niedrigeren Bemessungsgrundlage) dahin ab, daß gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG Rechtsgebühr im Ausmaß von 0,8 v.H. von S 104,222.000,-- mit S 833.776,-- festgesetzt wurde.
Rechtlich vertrat die belangte Behörde insbesondere unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 87/15/0145, AnwBl 1989, 210, die Auffassung, es liege im zu beurteilenden Fall eine sogenannte Vertragsübernahme vor, die, weil für die Übertragung der Beteiligung eines stillen Gesellschafters in der TP 16 der zitierten Gesetzesstelle ein Sondertatbestand fehle, den Tatbestand des § 33 TP 21 Abs. 1 GebG erfülle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung einer Gebühr mangels Verwirklichung eines gebührenrechtlichen Tatbestandes verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG unterliegen Zessionen oder Abtretungen überhaupt von Schuldforderungen oder anderen Rechten nach dem Werte des Entgelts im allgemeinen einer Gebühr von 0,8 v.H.
Gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c leg. cit. unterliegen Gesellschaftsverträge, ausgenommen solche über Kapitalgesellschaften im Sinne des Kapitalverkehrsteuergesetzes, wodurch sich zwei oder mehrere Personen zur Verfolgung eines Erwerbszweckes verbinden, bei Überlassung eines Geschäftsanteiles von einem Gesellschafer an einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten vom Entgelte, mindestens aber vom Werte des Geschäftsanteiles einer Gebühr von 2 v.H..
Gemäß Z. 2 der letztzitierten Gesetzesstelle unterliegt die Beteiligung mit einer Vermögenseinlage als stiller Gesellschafter einer Gebühr von 2 v.H. vom Werte der Vermögenseinlage oder ihrer Erhöhung.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist es unstrittig, daß im vorliegenden Fall die vorgenommene Übertragung der Position eines stillen Gesellschafters auf die Beschwerdeführerin einen Fall der sogenannten Vertragsübernahme darstellt. Dem ist beizupflichten, weil unter einer Vertragsübernahme ein rechtsgeschäftlicher Vorgang verstanden wird, im Zuge dessen unter Zustimmung aller Beteiligten eine gesamte Vertragsstellung mit allen Rechten und Pflichten von einem der Vertragspartner auf einen neuen Partner übertragen wird, mit welchem das Schuldverhältnis in seiner Gesamtheit fortgesetzt wird, ohne daß sich an der Identität des betreffenden Vertrages dabei etwas ändert (vgl. Koziol-Welser, Grundriß I8 288; Ertl in Rummel ABGB II1 Rz 2 zu § 1406 ABGB; Mader in Schwimann, ABGB-Praxiskommentar Rz 7 zu § 1405 f ABGB; OGH JBl 1982, 599 = HS 13272; HS 11116 ua zuletzt JBl 1990, 717).
Auch die Übertragung von Gesellschafterpositionen im Zuge eines vertraglich vorgenommenen Gesellschafterwechsels kann in diesem Sinn durchaus als Fall einer Vertragsübernahme angesehen werden (vgl. z.B. Heinrichs in Palandt BGB48 Anm. 10 zu § 398 BGB sowie Möschl im Münchener Kommentar zum BGB Rz 9 vor § 414 BGB, beide unter Berufung auf BGH 44, 229 und 231 = NJW 1966, 499; ähnlich auch Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz § 21 B III 1 c).
Der Beschwerdeführerin ist in diesem Zusammenhang durchaus zuzugeben, daß hinsichtlich der von § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. a bis c GebG angesprochenen Vorgänge der Fall der lit. c eine Vertragsübernahme darstellt, wohingegen der von der zitierten Gesetzesstelle in ihrer Z. 2 geregelte Tatbestand nicht die Übertragung einer stillen Beteiligung im Wege einer Vertragsübernahme betrifft, sondern die Neugründung einer stillen Gesellschaft und die vertragliche Erhöhung der Vermögenseinlage des Stillen (vgl. Frotz-Hügel-Popp, aaO, § 33 TP 16 B I 2 e aa Seite 26).
Wegen der Besonderheit der stillen Beteiligung im Streitfall (sie besteht an einer GesellschaftmbH) sei darauf hingewiesen, daß die Neugründung einer stillen Gesellschaft in der Variante, daß sich ein stiller Gesellschafter an einer GesellschaftmbH beteiligt, nach der hg. Judikatur gemäß § 15 Abs. 3 GebG nicht gebührenpflichtig ist, weil darin ein Fall der Begründung einer Forderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 KVG zu erblicken ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/15/0089 Slg. NF 5914/F). Die Abtretung einer stillen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft vom bisherigen stillen Gesellschafter an einen Dritten im allseitigen Einverständnis löst hingegen keine Gesellschaftsteuerpflicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2039/71, unter Berufung auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 980/71 und vom , Zl. 1739/67 Slg. NF 3831/F).
Richtig ist es auch, wenn die Beschwerdeführerin ausführt, § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 und 2 GebG enthielten für die stille Gesellschaft keinen "Übertragungstatbestand".
Daraus folgt aber - anders als es die Beschwerdeführerin sehen will - keineswegs die Unanwendbarkeit des Gebührentatbestandes nach § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG. Nach der ständigen hg. Judikatur stehen die Normen der TP 16 und der TP 21 des § 33 GebG zueinander im Verhältnis der lex specialis zur lex generalis (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/15/0145, AnwBl 1989, 210, unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1945/48 Slg. NF 214/F). Daraus folgt, daß zwar dort, wo die TP 16 der zitierten Gesetzesstelle einen Fall besonders regelt, eine Vergebührung nach TP 21 nicht in Frage kommt, daß hingegen dort, wo sich hinsichtlich eines gesellschaftsvertraglichen Vorganges in der TP 16 kein Sondertatbestand findet, sehr wohl eine Anwendung der lex generalis der TP 21 Platz zu greifen hat. Dieser Betrachtung steht auch das das Gebührenrecht beherrschende Enumerationsprinzip nicht entgegen, weil § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 2 GebG nicht von Vorbringen über stille Gesellschaften schlechthin, sondern nur von der Beteiligung mit einer Vermögenseinlage oder ihrer Erhöhung spricht.
An diesem Ergebnis vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den durch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 81/15/0071, ÖStZB 1983, 83, entschiedenen Fall nichts zu ändern, weil diesem Erkenntnis nur zu entnehmen ist, daß die dort zur Entscheidung stehende Übertragung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der Bestimmung des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG zu subsumieren war, weil es sich bei der damals in Rede stehenden Gesellschaft nicht um eine stille, sondern um eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht handelte. Keinesfalls ergibt sich daraus aber, daß der Vorgang eines Gesellschafterwechsels bei einer stillen Gesellschaft gebührenfrei wäre. Ähnliches gilt für das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 53/71 ÖStZB 1972, 284, worauf sich die Beschwerdeführerin ebenfalls stützt: Die vom Verfassungsgerichtshof dort ausgesprochene Verneinung der Anwendung der Gebührentatbestände des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b und der Z. 2 auf das Versprechen der Erbringung einer Dienstleistung durch einen stillen Gesellschafter (weil einerseits eben eine stille Gesellschaft und nicht wie von der damals belangten Behörde angenommen eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht vorlag und weil andererseits die Z. 2 leg. cit. nur Vermögenseinlagen erfaßt, nicht aber bewertbare Arbeitsleistungen) besagt nichts darüber, ob eine im Wege einer Vertragsübernahme bewirkte Übertragung der Gesellschafterposition eines stillen Gesellschafters unter § 33 TP 21 GebG fällt oder nicht.
Was nun die Frage der gebührenrechtlichen Einordnung der Vertragsübernahme anlangt, ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, daß abgesehen von den in § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c (Gesellschafterwechsel bei der Personengesellschaft) und in § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 2 (Gesellschafterwechsel bei der Gesellschaft mbH) speziell geregelten Fällen derartige Vorgänge nach der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/15/0145, AnwBl 1989, 210), der ständigen Judikatur zur Übertragung komplexer Rechtsbeziehungen insbesondere am Beispiel der Übertragung eines Geschäftsanteiles an einer GesellschaftmbH vor der Gebührengesetznovelle 1976 folgend (nämlich z.B. den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 1044/57, Slg. NF 1776/F und vom , Zl. 1818/52, Slg. NF 1068/F), als Fälle des Gebührentatbestandes gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG behandelt werden. Da sich das gerade zitierte hg. Erkenntnis vom ohnehin mit der auch jetzt von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Judikatur (nämlich mit den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 81/15/0120, ÖStZB 1983, 371 = Slg. NF 5751/F und vom , Zl. 82/15/0075 AnwBl 1983, 476 = ÖStZB 1984, 233) ebenso befaßt wie mit den Argumenten von Frotz-Hügel-Popp (Kommentar zum Gebührengesetz aaO) zur sogenannten Neubegründungstheorie (die Hügel zuletzt wieder in öRdW 1989, 77 vertreten hat), genügt es, auf das zitierte Erkenntnis gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen. Die Beschwerdeausführungen bieten keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen, zumal auch das Argument, welches die Beschwerde in Anlehnung an Hügel (öRdW 1989, 79; ähnlich auch Arnold in seiner Entscheidungsglosse in AnwBl 1989, 212) aus § 13 Abs. 5 StruktVG zu gewinnen sucht, versagen muß.
Die letztzitierte Bestimmung lautet:
"Wird anläßlich eines Vorganges nach Art. I bis IV in einem Schuldverhältnis durch Vertragsübernahme ein Gläubiger- oder Schuldnerwechsel vereinbart, so ist das mit der Vertragsübernahme nun zwischen den neuen Parteien abgeschlossene Rechtsgeschäft mit der Einschränkung von den Stempel- und Rechtsgebühren befreit, daß der für eine Prolongation des übernommenen Rechtsgeschäftes gebührenrechtlich maßgebliche Zeitpunkt auch für Prolongationen des neuen Rechtsgeschäftes maßgeblich bleibt."
Diese Norm selbst bietet in ihrem Text kein anderes Bild einer Vertragsübernahme als es die oben wiedergegebene herrschende Lehre und Judikatur tun. Im Wege einer Vertragsübernahme treten nämlich immer neue Partner zueinander in eine Beziehung. § 13 Abs. 5 StruktVG ist daher betreffend den Terminus Vertragsübernahme, dem Prinzip der Einheit der Rechtssprache folgend (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 307/63, vom , Zl. 83/04/0192, 0193 und vom , Zl. 84/09/0029), so auszulegen, daß unter Vertragsübernahme das verstanden wird, was in der österreichischen Rechtssprache allgemein darunter zu verstehen ist.
Die Materialien zu dieser Gesetzesstelle hingegen, die in grober Abweichung von der herrschenden zivilrechtlichen Sicht in einer Vertragsübernahme die Auflösung des alten und die Neubegründung eines inhaltsgleichen Schuldverhältnisses erblicken (siehe z.B. bei Arnold, Rechtsgebühren2 343), finden im Gesetzestext, der für sich allein gesehen keinen Anlaß zu zweifeln gibt, insoweit keinerlei Ausdruck und sind daher unmaßgeblich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2564/50 Slg. NF 426/F; vom , Zl. 2006/74 Slg. NF 4829/F, vom , Zl. 1857/74 Slg. NF 4896/F und vom , Zl. 88/15/0066).
Aus allen diesen Gründen hat die belangte Behörde den angefochtenen Berufungsbescheid nicht mit der von der Beschwerdeführerin behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Da die Beschwerde selbst die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit keinem Wort näher ausführt und sich eine solche Rechtsverletzung auch den vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnehmen läßt, war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.