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VwGH vom 27.08.1991, 90/14/0237

VwGH vom 27.08.1991, 90/14/0237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Nöst, über die Beschwerde des Frieder N in B, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. P Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom , Zl. 92-GA3BK-DBa/88, betreffend Einkommensteuer 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Beschwerdeführer ist Geschäftsführer einer österreichischen GmbH. Bis war er an dieser Gesellschaft mit 25 Prozent beteiligt; mit diesem Tag erwarb er zusätzlich eine Beteiligung von 8,3 Prozent, sodaß er seitdem mit 33,3 Prozent an der Gesellschaft beteiligt ist.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurden infolge dieses Anteilserwerbes sämtliche Geschäftsführerbezüge des Beschwerdeführers im Jahr 1985 als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit qualifiziert.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen, den Prüfungsfeststellungen folgenden Bescheid des Finanzamtes erhobene Berufung des Beschwerdeführers ab. Die Beteiligung müsse nur in einem Zeitpunkt des Jahres mehr als 25 Prozent betragen, um für das gesamte Jahr Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit gemäß § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 anzunehmen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom , B 653/90, die Behandlung der Beschwerde unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zum Gleichheitssatz im allgemeinen sowie im besonderen zur Zulässigkeit typisierender bzw. leicht handhabbarer Regelungen ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Vor diesem erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, seine Bezüge als GmbH-Geschäftsführer im Jahr 1985 zumindest bis zum als Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit zu versteuern, verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Was die Auslegung des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1981, BGBl. Nr. 620, anlangt, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/14/0009, zu verweisen. In diesem hat der Verwaltungsgerichtshof mit näherer Begründung und unter Hinweis auf die herrschende Lehre dargelegt, daß eine Beteiligung von mehr als 25 Prozent nur in irgendeinem Zeitpunkt des Jahres vorliegen muß, um für das gesamte Jahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu begründen.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers, insbesondere auch seine gesetzessystematischen Argumente - er weist auf die im Beschwerdefall nicht anzuwendenden Bestimmungen des § 31 Abs. 1 EStG 1972 und des § 7 Z. 6 GewStG hin - geben keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nur am Rande sei bemerkt, daß einerseits § 31 Abs. 1 EStG 1972 schon vom Wortlaut her gegen die Überlegungen des Beschwerdeführers spricht (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch,

2. Auflage, § 31 Tz 11), während andererseits die vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit § 7 Z. 6 GewStG zitierten Gewerbesteuerrichtlinien 1976 keine für den Verwaltungsgerichtshof beachtliche Rechtsquelle darstellen.

2. Der Beschwerdeführer beruft sich aber auch auf das mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen (BGBl. Nr. 221/1955). In dessen Art. 8, der die Besteuerung von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit dem Tätigkeitsstaat zuweise, fehle ein entsprechender Spezialtatbestand, was auf Grund der historischen Entwicklung nicht weiter überrasche. Denn diese Regelung gehe auf das Jahr 1955 zurück, während das Einkommenssteuergesetz in dem hier maßgeblichen Tatbestand erst 1980 novelliert worden sei. Wie aus Art. 8 Abs. 4 DBA-BRD hervorgehe, sei eine Geschäftsführungstätigkeit gerade nicht unter Art. 8 zu subsumieren, denn dort würden explizit nur Einkünfte aus einer nicht geschäftsführenden Organmitgliedschaft den Einkünften aus Art. 8 zugeordnet; im Schlußprotokoll werde für geschäftsführende Tätigkeiten ausdrücklich auf Art. 9 und Art. 10 verwiesen. Es sei daher unzulässig und rechtsirrig, Art. 8 dynamisch zu interpretieren, nämlich in dem Sinn, daß jede Änderung des Einkommensteuergesetzes auch ohne ausdrückliche Regelung in der Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens Niederschlag finde. Daß dem nicht so sein könne, ergebe sich bereits aus dem Charakter des Doppelbesteuerungsabkommens als völkerrechtlichem Vertrag, der nicht durch gesetzgeberische Maßnahmen eines Vertragspartners einseitig abänderbar sei. Die im Erlaß des Bundesministers für Finanzen AÖF 1987/32 vertretene Rechtsansicht könne jedenfalls auf vor dem dortigen Verständigungsverfahren verwirklichte Sachverhalte nicht angewendet werden. Art. 8 DBA-BRD müsse demnach so interpretiert werden, wie sich die Rechtslage bei Abschluß des Abkommens im Hinblick auf die Abgrenzung selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit dargestellt habe. Richtigerweise hätte die belangte Behörde auf den vorliegenden Fall Art. 9 DBA-BRD zur Anwendung bringen müssen. Demnach seien gemäß Art. 15 des Abkommens die Bezüge als Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit der österreichischen Besteuerung unterworfen. Die Behörde gehe nun offenbar davon aus, daß bei Besteuerung im Inland die Inländerqualifikation bei Zuordnung zur maßgeblichen Einkunftsart ausschließlich vom inländischen Steuerrecht geprägt werde. Gegen eine derartige Qualifikation bestünden bereits deshalb erhebliche Bedenken, weil damit Unterscheidungen des Doppelbesteuerungsabkommens, etwa hier die Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit, unterlaufen werden könnten. Es sei demnach bereits durch Art. 9 DBA-BRD eine Umqualifikation als selbständiges Einkommen ausgeschlossen. Die Bezüge seien infolge dessen gemäß § 70 EStG 1972 zu besteuern.

Was zunächst den vom Beschwerdeführer zitierten Erlaß des Bundesministers für Finanzen betrifft, dessen Anwendung die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in ihrer Gegenschrift entgegenhält, so ist dieser für den Verwaltungsgerichtshof ebensowenig bindend wie das dem Erlaß zugrundeliegende Ergebnis eines von den beteiligten Finanzverwaltungen durchgeführten Verständigungsverfahrens gemäß Art. 21 DBA-BRD (vgl. Philipp-Loukota-Pollak, Internationales Steuerrecht I/1, Z 25-39).

Richtig ist, daß Geschäftsführerbezüge in Art. 8 DBA-BRD, der die Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit dem Staat zuweist, in dem die Arbeit ausgeübt wird, nicht genannt werden (vgl. hiezu auch Z. 21 des Schlußprotokolls). Mit seinem Hinweis auf Art. 9, wonach die Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wiederum im Staat der Ausübung zu erfolgen hat, ist für den Beschwerdeführer aber nichts gewonnen: Das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes gemäß Abs. 2 oder 3 behauptet er nicht; vielmehr erkennt er selbst, daß seine Bezüge auch dann der österreichischen Besteuerung unterworfen wären. Er ist somit nicht in der Lage, einen echten Qualifikationskonflikt aufzuzeigen (vgl. Philipp-Loukota-Pollak, a.a.O., Z 25-7 ff). In welcher Weise ein Staat, dem eine Steuerquelle durch ein Doppelbesteuerungsabkommen zugeteilt wird, diese ausschöpfen kann, richtet sich aber ausschließlich nach seinem innerstaatlichen Recht (vgl. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts II, 2. Auflage, Seite 242 f).

Doppelbesteuerungsabkommen enthalten nur Kollisionsnormen; bei der Auslegung einer Vertragsnorm ist immer zu untersuchen, auf welche innerstaatliche Besteuerungsnorm sie abzielt und in welcher Weise sie diese innerstaatliche Norm beeinflußt (vgl. Philipp-Loukota-Pollak, a.a.O., Z 0-32 f). Dem DBA-BRD kann nun nicht entnommen werden, daß es bezweckte, einem in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Gesellschafter-Geschäftsführer einer österreichischen GmbH die Besteuerung gemäß § 70 EStG 1972 zu sichern, wenn über die Zuteilung der Besteuerungsrechte an Österreich Einigkeit besteht. Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die vom Beschwerdeführer geltend gemachten vertragsrechtlichen Bedenken im Ergebnis nicht.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.