VwGH vom 28.04.1994, 93/16/0190
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der A in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 11-55/2/93, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist in erster Linie die Frage strittig, ob für den Adoptionsvertrag vom , mit dem die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte die minderjährige E an Kindes Statt angenommen haben, die Gebühr gemäß § 7 GebG nur im einfachen Betrag zu entrichten ist (was die Beschwerdeführerin unter Hinweis darauf, ihr Ehegatte habe diese Gebühr bereits entrichtet, anstrebt) oder ob (was die Auffassung der belangten Behörde darstellt) zwei gebührenpflichtige Rechtsgeschäfte abgeschlossen wurden; daneben geht der Rechtsstreit um das Problem der Vergebührung von vier vorgelegten Gleichschriften des Adoptionsvertrages und in diesem Zusammenhang um die Frage der Anwendung der Begünstigungsvorschrift des § 25 Abs. 2 GebG.
Die belangte Behörde wies die gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (womit auch von der Beschwerdeführerin Gebühr gemäß § 33 TP 1 Abs. 1 Z. 1 GebG angefordert worden war) mit der Maßgabe ab, daß sie ihren Bescheid auf § 33 TP 1 Abs. 2 leg. cit. stützte.
Zum Kernproblem des Falles vertrat die belangte Behörde die Auffassung, § 7 GebG sei schon deshalb bei personenrechtlichen Rechtsgeschäften nicht anzuwenden, weil zur Auslegung der Begriffe "Rechtsgemeinschaft" bzw. "gemeinschaftlicher Rechtsgrund" die Bestimmungen aus dem sachenrechtlichen Teil des ABGB (§ 316 bzw. §§ 825 ff) heranzuziehen seien. Die Begünstigungsbestimmung des § 25 Abs. 2 GebG wiederum komme nur bei Hundertsatzgebühren und daher nicht bei der festen Gebühr gemäß § 33 TP 1 Abs. 2 leg. cit. zum Tragen, weshalb gemäß § 25 Abs. 1 leg. cit. jede der vorgelegten Ausfertigungen der Gebühr unterläge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich aus dem Beschwerdeinhalt in ihrem Recht darauf verletzt, daß die Gebühr für den Adoptionsvertrag "nur im einfachen Betrag" zu entrichten ist.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 33 TP 1 Abs. 2 GebG unterliegen Annahmeverträge über die Annahme von Minderjährigen, von Stiefkindern und von eigenen unehelichen Kindern an Kindes Statt ohne Rücksicht auf die Höhe des Wertes des Vermögens einer festen Gebühr von S 400,--.
§ 7 leg. cit. lautet:
"Besteht zwischen zwei oder mehreren Personen eine solche Rechtsgemeinschaft, daß sie in bezug auf den Gegenstand der Gebühr als eine Person anzusehen sind oder leiten sie ihren Anspruch oder ihre Verpflichtung aus einem gemeinschaftlichen Rechtsgrund ab, so ist die Gebühr nur im einfachen Betrag zu entrichten."
§ 25 leg. cit. lautet auszugsweise:
"(1) Werden über ein Rechtsgeschäft mehrere Urkunden errichtet, so unterliegt jede dieser Urkunden den festen und den Hundertsatzgebühren.
(2) Werden von einer Urkunde Gleichschriften (Duplikat, Triplikate usw.) ausgefertigt, so ist die Hundertsatzgebühr auf Grund jener Gleichschriften nur einmal zu entrichten, die dem Finanzamt innerhalb eines Monats nach dem Entstehen der Gebührenschuld vorgelegt werden ..."
§ 179 Abs. 2 ABGB lautet:
"(2) Die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person, sei es gleichzeitig, sei es, solange die Wahlkindschaft besteht, nacheinander, ist nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. Ehegatten dürfen in der Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Eigenberechtigung oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen der Ehegatten rechtfertigen."
Dem tragenden Begründungselement des angefochtenen Bescheides, § 7 GebG komme im Beschwerdefall nicht zur Anwendung, weil die dort verwendeten Begriffe dem Sachenrecht des ABGB entstammten, ist vorweg wie folgt zu begegnen: Es gibt zum einen über die Gemeinschaft an dinglichen Rechten gemäß §§ 825 ff ABGB hinaus auch rein obligatorische Rechtsgemeinschaften, sogenannte Schuld- und Forderungsgemeinschaften (vgl. z.B. Schmidt, Rechtsgemeinschaften im Gebührenrecht, FJ 1976/4, 13), so z.B. die Gemeinschaft mehrerer Gesamtbevollmächtigter (vgl. dazu die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, 2. Teil, Stempel- und Rechtsgebühren, Ergänzung R 7R lit. b Abs. 2 zu § 7 GebG referierte hg. Judikatur) oder eine Kreditgemeinschaft mehrerer solidarisch haftender Kreditschuldner (Fellner aaO. 10 R lit. d). Zum anderen ist auch der Begriff Rechtsgrund (Titel, Causa) ebenfalls nicht auf das Sachenrecht beschränkt, wo er zwar betreffend die Voraussetzung zum Erwerb des rechtmäßigen Besitzes bzw. dinglicher Rechte eine wesentliche Rolle spielt (vgl. die §§ 316 ff bzw. 380 und 424 ABGB). Unter einem Rechtgrund (Titel, Causa) versteht man vielmehr ganz allgemein das einen Rechtserwerb rechtfertigende Rechtsverhältnis (vgl. Spielbüchler in Rummel, ABGB I2 Rz 2 zu § 424 ABGB; Schey - Klang in Klang, Kommentar zum ABGB 2II 85). Ein solches kann auch im Bereich obligatorischer Geschäfte durchaus erforderlich sein, so z.B. als Voraussetzung einer gültigen rechtsgeschäftlichen Forderungsabtretung (vgl. Koziol-Welser, Grundriß I9 292). Daneben spielt die Frage des Fehlens oder Erlöschens des Rechtsgrundes im Zusammenhang mit den Tatbeständen bestimmter Leistungskondiktionen (condictio causa finita, § 1435 ABGB; condictio causa data causa non secuta, § 1435 ABGB analog; codictio sina causa, § 877 ABGB; vgl. dazu insgesamt Koziol-Welser aaO. 427 bis 429) eine tragende Rolle und ist die Änderung des Rechtsgrundes eine der alternativen Varianten einer Novation gemäß § 1376 ABGB (vgl. Koziol-Welser, aaO. 285). In letzterem Zusammenhang versteht man unter Änderung des Rechtsgrundes die Änderung des Entstehungsgrundes des Anspruchs (Ertl in Rummel, ABGB II2 Rz 1 zu § 1376 ABGB unter Berufung auf OGH SZ 44/179). Schließlich spricht man auch hinsichtlich des Erbrechtes vom Titel (als Berufungsgrund; Koziol-Welser, Grundriß II9 292, 391; Weiß in Klang, Kommentar zum ABGB2 III 59 u.a.). Von einer nur auf sachenrechtliche Gemeinschaften oder Titel beschränkten Anwendbarkeit der Begriffe des § 7 GebG kann daher keine Rede sein.
Geht man vielmehr davon aus, daß unter einem Rechtsgrund ganz allgemein der Entstehungsgrund eines bestimmten Anspruches (oder eines ganzen Schuldverhältnisses) zu verstehen ist, so ist betreffend den hier in Rede stehenden Fall eines Adoptionsvertrages dieser Vertrag jener Rechtgrund (Entstehungsgrund), der gemäß § 179a Abs. 1 ABGB im Zusammenwirken mit der erforderlichen gerichtlichen Bewilligung zwischen den vertragschließenden Parteien die Entstehung eines künstlich der ehelichen Geburt nachgebildeten Eltern-Kinder-Verhältnisses bewirkt (vgl. Koziol-Welser aaO II9, 266, 269). Schließen nun Ehegatten als Annehmende einen Adoptionsvertrag gemeinsam (was gemäß § 179 Abs. 2 Satz 2 ABGB im Regelfall gesetzlich geboten ist; vgl. dazu auch Pichler in Rummel ABGB I2 Rz 5 zu § 179 ABGB), so ist von einem gemeinschaftlichen Rechtsgrund für die dadurch bewirkte Adoption zu sprechen; es liegt in einem solchen Fall ein für alle Mitbeteiligten einheitlicher rechtserzeugender Sachverhalt (vgl. dazu Schmidt, Der gemeinschaftliche Rechtsgrund im Gebührenrecht, FJ 1976/4, 17) in Gestalt gemeinsamen Vertragsabschlusses vor und ist in solchen Fällen daher auch gebührenrechtlich der Abschluß zweier Adoptionsverträge (durch je einen der annehmenden Elternteile mit dem angenommenen Kind) zu verneinen. Der Fall ist diesbezüglich nicht anders zu behandeln als der Zusammenschluß dreier Personen zu einer Gesellschaft. Auch in einem solchen Fall liegen (abgesehen vom Sonderproblem der stillen Gesellschaft, die immer nur aus zwei Gesellschaftern bestehen kann; vgl. Straube in Straube, Kommentar zum HGB I Rz 10 zu § 335 Art. 7 Nr. 22 EVHGB) nicht drei Gesellschaftsverträge vor sondern nur einer. Auch der diesbezüglich von Frotz-Hügel-Popp (Komm. z. GebG B III zu § 33 TP 1) im Zusammenhang mit Überlegungen zur Frage, wer Gebührenschuldner gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 GebG ist, angedeuteten (und nicht näher begründeten) Meinung, es lägen mehrere Annahmeverträge vor, ist daher ebensowenig beizutreten, wie der auf einen Erlaß des BM f. Finanzen gestützten, gleichlautenden Behauptung Gaiers (Komm. z. GebG2 Rz 4 zu § 33 TP 1 GebG).
Da somit im vorliegenden Fall mit Rücksicht auf den gemeinschaftlichen Adoptionsvertrag von einem gemeinschaftlichen Rechtsgrund iS des § 7 GebG auszugehen ist, ist der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und braucht daher die Frage, ob die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte als Wahleltern (denen elterliche Rechte und Pflichten wie ehelichen Eltern zukommen; Koziol-Welser aaO. II9 269; §§ 137 ff ABGB) in einer familienrechtlichen Rechtsgemeinschaft stehen, gar nicht weiter untersucht zu werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß ein Eingehen auf die übrigen Beschwerdeargumente notwendig war. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, daß die vorgelegten weiteren Ausfertigungen (Gleichschriften) des Adoptionsvertrages von der belangten Behörde zu Recht nicht der Ausnahmenorm des § 25 Abs. 2 GebG unterstellt wurden, weil diese Bestimmung nur für Fälle von Hundertsatzgebühren anzuwenden ist, nicht aber auf Fälle wie den vorliegenden, die einer festen Gebühr unterliegen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 104/1991.