zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 29.06.1995, 93/15/0107

VwGH vom 29.06.1995, 93/15/0107

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des Dr. W in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B 123-3/92, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1988 und 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist die Frage strittig, ob ein vom Beschwerdeführer, einem Tierarzt, gemietetes (geleastes), auf einem von der G-GmbH erworbenen Grundstück errichtetes Ordinationsgebäude (Leasinggut) in den Streitjahren dem Beschwerdeführer oder der GmbH zuzurechnen ist; nur im zweiten Fall wäre die auf eine Mietvorauszahlung und die monatlichen Leasingraten des Beschwerdeführers entfallende Umsatzsteuer bei diesem als Vorsteuer abzugsfähig.

In dem am auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Leasingvertrag wurde nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde im wesentlichen folgendes vereinbart:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"1.
Der Mieter verzichtet für die Dauer der Grundmietzeit von 20 Jahren auf die Ausübung des Kündigungsrechtes. Der Vermieter ist, solange sich der Mieter vertragskonform verhält, an den Vertrag gebunden.
2.
Die Geldbereitstellungskosten und Zinsen für die Finanzierung der anfallenden Investitionskosten für die Zeit vom Vertragsabschluß bis zum Beginn der Mietzeit (Übergabe des Mietobjektes) sind vom Mieter in Form von Vormieten in Höhe von monatlich 0,58 % der angefallenen Investitionskosten zu bezahlen.
3.
Die Monatsmiete beträgt unter Zugrundelegung einer jährlichen Amortisationsquote von 2 % auf die abnutzbaren Teile des Mietobjektes 0,7654 % der vom Vermieter aufgewandten Gesamtinvestitionskosten (Mietbemessungsbasis).
4.
Nach Fertigstellung des Mietobjektes kann der Mieter vom Eigentümer die grundbücherliche Eintragung des Vorkaufsrechtes am Mietobjekt verlangen. Darüber hinaus erhält der Mieter nach ordnungsgemäßer Erfüllung des gegenständlichen Mietvertrages ein Optionsrecht, wonach er das Mietobjekt zum Zeitpunkt des Ablaufes des vorliegenden Vertrages erwerben kann. Der Kaufpreis entspricht dem kalkulatorischen Buchwert unter Zugrundelegung der angeführten AfA einschließlich allfälliger für die Erhaltung des Objektes getätigten Aufwendungen.
Bereits geleistete Kautionen werden auf den Kaufpreis angerechnet.
5.
Alle Zahlungen aus diesem Vertrag sind unbeschadet des Zustandes und der Funktionsfähigkeit des Mietobjektes zu leisten.
6.
Die ALAG haftet jedenfalls nicht für Schäden, die aus dem Gebrauch oder Nichtgebrauch des Mietgegenstandes entstehen.
7.
Der Mieter wird das Mietobjekt auf seine Kosten in einem jederzeit funktionsfähigen, zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand erhalten.
8.
Zur Sicherung der ordnungsgemäßen Instandhaltung des Mietobjektes sowie der Unterlassung wertmindernder baulicher Veränderung hat der Mieter bis zum Ablauf der Grundmietzeit insgesamt eine Kaution in der Höhe des kalkulatorischen Restbuchwertes zu leisten. Die Vertragsteile sind sich darüber einig, daß für die Kaution keine Zinsen berechnet werden.
Der sich auf Grund dieser Vereinbarung ergebende Kautionsbetrag wird anläßlich der Beendigung des Vertragsverhältnisses, außer bei vorzeitiger Auflösung, zurückgezahlt bzw. verrechnet."

Die belangte Behörde vertrat in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid die Rechtsansicht, das Leasinggut sei dem Beschwerdeführer zuzurechnen und damit umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung an ihn anzunehmen; der sich daraus ergebende Vorsteuerabzug gebühre dem Beschwerdeführer solange nicht, als die GmbH keine entsprechende Rechnung über die Lieferung des Leasinggutes ausgestellt habe. Die Zurechnung des Leasinggutes an den Beschwerdeführer in den Streitjahren begründete die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im wesentlichen wie folgt:

Ausgehend von den im Leasingvertrag ausgewiesenen Gesamtinvestitionskosten in Höhe von S 3,773.204,-- betrage die Monatsmiete S 28.880,--; daraus errechne sich für die gesamte Grundmietzeit ein Betrag von S 6,931.200,--. Im Hinblick darauf, daß die GmbH innerhalb der Grundmietzeit ihre Investitionskosten für das Leasinggut "voll amortisiere", sei von einem VOLLamortisationsvertrag auszugehen. Diesfalls sei der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer dann zuzurechnen, wenn der Leasingnehmer bei einer Grundmietzeit von mindestens 40 v.H. und höchstens 90 v.H. der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer nach Ablauf der Grundmietzeit das Optionsrecht habe, den Gegenstand gegen Leistung eines wirtschaftlich nicht ausschlaggebenden Betrages (weniger als die Hälfte des "linearen Buchwertes") zu erwerben oder den Leasingvertrag zu verlängern. Im vorliegenden Fall sei für Zwecke der Mietenberechnung eine jährliche Amortisationsquote von 2 % (= 50-jährige Nutzungsdauer) unterstellt worden. Die vereinbarte Grundmietzeit von 20 Jahren betrage somit 40 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Überdies habe der Mieter nach Ablauf der Grundmietzeit ein Optionsrecht, wobei der Kaufpreis dem kalkulatorischen Buchwert unter Zugrundelegung einer AfA von 2 % einschließlich allfälliger für die Erhaltung des Objektes getätigter Aufwendungen entspreche und geleistete Kautionen anzurechnen seien. Da die neben den laufenden Leasingraten zu zahlenden Kautionen am Ende der Grundmietzeit ebenfalls den kalkulatorischen Restbuchwert erreicht hätten und auf den Kaufpreis anzurechnen seien, habe der Beschwerdeführer in Ausübung des Optionsrechtes keine weitere Leistung zu erbringen. Damit stehe aber fest, daß der Beschwerdeführer, der das Gebäude für die weitere Betriebsausübung unbedingt benötige, von der Option jedenfalls Gebrauch machen werde. Für diese Beurteilung sprächen weiters das dem Beschwerdeführer eingeräumte Vorkaufsrecht und die ihm auferlegte Verpflichtung, das Mietobjekt auf seine Kosten in einem jederzeit funktionsfähigen Zustand zu erhalten. Schließlich habe er die Zahlungen aus dem Leasingvertrag unbeschadet des Zustandes und der Funktionsfähigkeit des Mietobjektes zu leisten. Im übrigen betrage die Summe aus "Vorleistung und Kaution" 75,83 % und also mehr als 50 % der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Leasinggutes, was nach dem Gesamtbild der Verhältnisse für einen Kauf mit Anzahlung durch den Beschwerdeführer spreche.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bringt vor, der vorliegende Leasingvertrag stelle ein sogenanntes Kautionsmodell dar, welches zur Gruppe der TEILamortisations- bzw. Restwertverträge zähle. Bei den in Österreich durchaus üblichen und allgemein anerkannten Kautionsmodellen entrichte der Leasingnehmer während der Grundmietzeit neben den eigentlichen Leasingentgelten zusätzlich noch weitere Leistungen, sogenannte Kautionen, die in Summe die Höhe des kalkulierten Restwertes erreichen könnten. Die Kautionen seien nicht Entgeltbestandteile für die Nutzungsüberlassung, sondern würden zur Sicherung der ordnungsgemäßen Instandhaltung des Mietobjektes sowie zur Unterlassung wertmindernder baulicher Veränderungen dem Mieter vorgeschrieben. Auch wenn, wie im vorliegenden Fall, die vom Leasingnehmer zu leistenden Zahlungen insgesamt gleich hoch seien wie die Leasingraten bei einem Vollamortisationsvertrag, seien dennoch die Kautionsbeträge anders zu finanzieren und steuerlich anders zu beurteilen als die Leasingentgelte. Sie hätten den Charakter eines Mieterdarlehens, seien daher beim Leasinggeber unter den Verbindlichkeiten und beim Leasingnehmer unter den Forderungen auszuweisen. Erst am Ende der Vertragslaufzeit könne der Leasingnehmer über die geleistete Kaution eine rechtliche und wirtschaftliche Verfügung treffen. Er könne die Kaution vom Leasinggeber zurückverlangen oder für den Kauf des Leasingobjektes verwenden. Hinsichtlich der steuerrechtlichen Beurteilung sei gemäß Abschnitt 4 Abs. 4 der EStR 1984 davon auszugehen, daß das Kautionsleasing als eine Form des Restwertleasings grundsätzlich den allgemeinen Zurechnungsregeln unterliege, wobei dies sowohl für laufend geleistete Kautionszahlungen als auch für eine Einmalkaution am Beginn des Leasingvertrages gelte. Bei Teilamortisationsverträgen (Restwertleasing) sei das Leasinggut nur dann dem Leasingnehmer von Anfang an zuzurechnen, wenn

a) die Grundmietzeit und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer annähernd übereinstimmten, d.h. wenn die Grundmietzeit mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer betrage,

b) der Leasingnehmer sowohl das Risiko der Wertminderung als auch die Chance der Wertsteigerung habe, oder

c) Spezialleasing vorliege.

Da der vorliegende Leasingvertrag keine der genannten Voraussetzungen erfülle, erscheine eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung des Mietobjektes nicht gerechtfertigt. Auch eine die Zurechnung des Leasingobjektes an den Leasingnehmer rechtfertigende extreme Gestaltung des Kautionsleasing liege gegenständlich nicht vor. Eine im Jahr 1988 geleistete Mietvorauszahlung in Höhe von S 500.000,-- dürfe im Hinblick auf deren Rückzahlung im Jahr 1990 nicht zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt werden. Auch sei die Möglichkeit des Eigentumserwerbes nach Ablauf des Leasingvertrages kein maßgebliches Entscheidungskriterium, weil dem Leasinggedanken die Tatsache inhärent sei, daß in späterer Folge die Möglichkeit bestehen solle, Eigentum am Leasingobjekt zu erwerben, sowie, daß Leasing auch eine Finanzierungsfunktion habe. Dies gelte selbst dann, wenn die Wahrscheinlichkeit des späteren Eigentumserwerbes augenscheinlich hoch sei. Eine vollständige Ausfinanzierung sei gegenständlich deshalb nicht gegeben, weil bei Nichtausübung der Option ein Rückforderungsanspruch auf die bezahlte Kaution bestehe. Aus diesem Grund liege gegenständlich kein Vollamortisationsvertrag, sondern ein Restwertvertrag vor.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Lösung der Frage, ob die Leasinggüter dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zuzurechnen sind, maßgeblich darauf an, ob die entgeltliche Überlassung des Leasinggutes an den Leasingnehmer gleich einer "echten" Vermietung als bloße Nutzungsüberlassung zu sehen ist oder ob sich die Überlassung wirtschaftlich bereits als Kauf (Ratenkauf) darstellt. Es geht letztlich darum, ob der Leasingnehmer mit der Überlassung des Leasinggutes bereits dessen wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO wird (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/15/0083, und die dort zitierten Vorentscheidungen).

Mietkaufverträge enthalten Elemente eines Kauf- und eines Bestandvertrages. Das Rechtsgeschäft bedarf steuerrechtlich einer eindeutigen Zuordnung unter den Anschaffungstatbestand oder unter den Gebrauchstatbestand und damit einer Zuordnung des Vertragsgegenstandes zum einen oder anderen Vertragsteil von Anfang an. Es kann davon ausgegangen werden, daß dann eine Anschaffung durch den "Mieter" vorliegt, wenn die Mietzahlungen bei Ausnützung der eingeräumten Option auf den von vornherein fest vereinbarten Kaufpreis angerechnet werden, ohne daß für die vorangehende Nutzung eine besondere Entschädigung gezahlt werden müßte; ferner, wenn die Nichtausnützung der eingeräumten Kaufoption gemessen an der Vertragslage geradezu gegen jede Vernunft wäre, insbesondere dann, wenn eine Mindestmietdauer vereinbart ist, nach deren Ablauf der Gegenstand noch einen Nutzen verspricht, und die Restzahlungen (der Restkaufpreis) aus dieser Sicht als überaus günstig (weil gering) erscheinen. Gestaltungen dieser Art sprechen deutlich für einen "Erwerb" durch den "Mieter" von vornherein. Dasselbe gilt auch dann, wenn die Mietraten in ihrer Summe dem üblichen Kaufpreis des Gegenstandes entsprechen und die "Miet-" Dauer mindestens der Nutzungsdauer des Gegenstandes entspricht. Von einer Anschaffung ist also dann zu sprechen, wenn die Vertragsgestaltung darauf hindeutet, daß deren Ziel letztlich die Verschaffung der Verfügungsmacht über den Gegenstand unter Zufristung eines kaufpreisähnlichen Entgeltes bzw. Gewährung von Kaufpreisraten und deren Sicherung durch Vorbehalt des zivilrechtlichen Eigentums ist (siehe Stoll, BAO-Kommentar, § 24, 294).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unwidersprochen festgestellt, daß der Beschwerdeführer bei Ausübung seines Optionsrechtes keine weitere Leistung zu erbringen hätte und daß er das Gebäude für die weitere Betriebsausübung unbedingt benötigt. Unter diesen Umständen wäre aber die Nichtausnützung der eingeräumten Kaufoption im Sinne der obigen Ausführungen "gegen jede Vernunft". Ist aber die Ausübung der Kaufoption durch den Beschwerdeführer zu erwarten, so kann bei der Prüfung des Charakters des Leasingvertrages als Teil- oder Vollamortisationsvertrag der nur für den gegenteiligen Fall bestehende Rückforderungsanspruch des Beschwerdeführers auf die von ihm geleistete Kaution nicht berücksichtigt werden. Da die Beschwerde nur dieses Rückforderungsanspruches wegen die volle Amortisation der Investitionskosten beim Leasinggeber bestreitet, dieses Argument aber nach dem eben Gesagten nicht stichhältig ist, ist allen auf der Annahme eines bloßen Teilamortisationsvertrages beruhenden Beschwerdeargumenten damit der Boden entzogen.

Im Hinblick darauf, daß im Beschwerdefall die oben angeführten Kriterien für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums des Beschwerdeführers am Leasinggut in den Streitjahren erfüllt sind, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Da auch kein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.