zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 29.09.1993, 89/13/0159

VwGH vom 29.09.1993, 89/13/0159

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 10-202/1/89, betreffend Einleitung des Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer wurde am im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als selbständiger Cafetier ein Finanzstrafverfahren eingeleitet. Es bestehe der Verdacht, daß er vorsätzlich

1. unter Verletzung abgabenrechtlicher Offenlegungs- und Wahrheitspflichten, nämlich durch Einbringung unrichtig erstellter Umsatz-, Gewerbe-, Einkommensteuer-, sowie Alkoholabgabeerklärungen in den Jahren 1981 bis 1985, eine Verkürzung an Umsatz-, Gewerbe-, Einkommensteuer und Alkoholabgabe, sowie

2. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen an Umsatzsteuervorauszahlungen für den Zeitraum Jänner bis Oktober 1986

in noch zu bestimmender Höhe bewirkt und dadurch die Finanzvergehen (zu Punkt 1.) nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 lit. a und § 41 Abs. 1 Finanzstrafgesetz und (zu Punkt 2.) nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. b und § 41 Abs. 1 Finanzstrafgesetz, begangen habe.

Die dagegen erhobene Administrativbeschwerde wies die belangte Behörde ab, änderte den Spruch aber insoweit, als sie die in Betracht kommende Strafbestimmung wegen Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlungen (Punkt 2. des angefochtenen Bescheides) auf § 33 Abs. 2 lit. a Finanzstrafgesetz berichtigte. Dem Einwand, das Finanzstrafverfahren sei vorschnell eingeleitet worden, komme keine Berechtigung zu. Der Verdacht auf umfangreiche Schwarzgeschäfte stütze sich auf Aussagen, wonach der Beschwerdeführer Dienstnehmer mit geringeren als den tatsächlich bezahlten Gehältern bei der Krankenkasse gemeldet und nur von den verminderten Beträgen Lohnsteuer abgeführt habe. Auch könne in der Vorsprache des Beschwerdeführers beim Finanzamt am keineswegs eine strafbefreiende Selbstanzeige im Sinne des § 29 Finanzstrafgesetz erblickt werden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bemängelt zunächst, der angefochtene Bescheid erschöpfe sich im wesentlichen in der Zitierung von Gesetzesstellen, ohne einen konkreten Grund für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens anzugeben. Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Die belangte Behörde hat in ihren Entscheidungsgründen ausgeführt, der Verdacht gegen den Beschwerdeführer beruhe auf Aussagen, wonach er die bezahlten Arbeitslöhne nur unvollständig in seinem Rechenwerk erfaßt und "umfangreiche Schwarzgeschäfte" getätigt habe. Dieser Beschuldigung tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, daß dem Beschwerdeführer weder die Namen der ihn belastenden Personen, noch deren vollständige Aussagen mitgeteilt wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , 90/16/0210) ist es mit einem rechtsstaatlichen Verfahren GRUNDSÄTZLICH nicht vereinbar, einen Bescheid auf Beweismittel zu gründen, die dem Beschuldigten nicht zugänglich sind; vielmehr ist eine solche Vorgangsweise durch die §§ 114 Abs. 3 und 115 Finanzstrafgesetz untersagt. Für die EINLEITUNG des Finanzstrafverfahrens genügt es jedoch, daß ausreichende VERDACHTSgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß der Verdächtige als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Einen derartigen Verdacht vermögen auch die Aussagen geheimgehaltener Personen zu begründen.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß die Vornahme von Befragungen anstelle von Einvernahmen gegen Verfahrensvorschriften verstoße und demnach rechtswidrig sei. Auch diese Rüge ist unberechtigt. Ob die Aussagen durch "Befragung" oder durch "Einvernahme" gewonnen wurden, ändert nichts an ihrer Eignung, den Beschwerdeführer eines Finanzvergehens verdächtig erscheinen zu lassen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß in den Gesetzesmaterialien zur Finanzstrafgesetz-Novelle 1985 (668 Blg NR 16. GP) ausdrücklich die "Befragung" von Auskunftspersonen als geeignetes Mittel zur Prüfung auftauchender Verdachtsmomente angeführt wird. In welcher Eigenschaft die Personen befragt wurden, insbesondere ob sie der Wahrheitspflicht unterlagen oder nicht, wäre erst im Zuge einer abschließenden Beweisführung bedeutsam. Beweise endgültig zu würdigen, ist aber nicht Aufgabe des Einleitungsbescheides, sondern dem Straferkenntnis vorbehalten.

Der Beschwerdeführer meint weiters, die belangte Behörde habe zu Unrecht das Rechtsinstitut des § 170 Finanzstrafgesetz angewendet, um die von der Finanzstrafbehörde erster Instanz herangezogene Strafbestimmung zu berichtigen. Dieser Vorwurf trifft schon deshalb nicht zu, da die Einleitungsverfügung nicht auf Grundlage der angeführten Bestimmung berichtigt wurde. Die Rechtsmittelbehörde ist vielmehr gemäß § 161 Abs. 1 Finanzstrafgesetz berechtigt, ihre Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde erster Instanz zu setzen und den angefochtenen Bescheid sowohl im Spruch als auch in der Begründung abzuändern. Unbestritten kann die dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorgeworfene Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen nur unter den Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a Finanzstrafgesetz subsumiert werden, sodaß die belangte Behörde in Ansehung des § 161 Abs. 1 leg. cit. sogar zur Änderung des Spruches verpflichtet war. Eine unzulässige Auswechslung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat ist hiedurch nicht eingetreten.

Soweit sich die Beschwerde gegen die im Zuge des Untersuchungsverfahrens abgeführte Hausdurchsuchung und die dabei ausgesprochenen Beschlagnahmen wendet, geht sie am Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorbei. Die belangte Behörde hatte im Rahmen des angefochtenen Bescheides lediglich zu prüfen, ob genügende Verdachtsmomente für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens vorlagen und von der Einleitung auch nicht aus den Gründen des § 82 Abs. 3 lit. a bis d Finanzstrafgesetz abzusehen war. In gleicher Weise ist die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes beschränkt.

Primär unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer schließlich geltend, daß die belangte Behörde seine Vorsprache beim Betriebsfinanzamt am nicht als Selbstanzeige im Sinne des § 29 Finanzstrafgesetz gewertet habe. Das strittige - vom Beschwerdeführer in Anwesenheit einer Beamtin handgeschriebene - Vorbringen lautet:

"Möchte hiemit mitteilen, daß ich seit Tagen Drohanrufe erhalte. Wenn ich nicht jedem S 100.000,-- gäbe, gingen sie zum Finanzamt und werden mich hineinlegen und werden mich soweit bringen, daß ich mich aufhängen werde.

Ich möchte dazu sagen, daß ich weiß, daß es zwei ehemalige Angestellte von mir waren, da sie auch in Lokalen Leuten erzählen, er wird zahlen oder wir machen ihn fertig."

Daß dieses Schreiben formell eine Selbstanzeige darstellt, behauptet auch der Beschwerdeführer nicht. Doch vertritt er die Auffassung, seiner Vorsprache sei erkennbar eine derartige Absicht zugrundegelegen. Die Beamtin wäre daher verpflichtet gewesen, eine seinem Willen gemäße Niederschrift zu verfassen. Welche Protokollierung aber dem mündlichen Vorbringen oder auch nur seinem "erkennbaren Willen" entsprochen hätte, kann der Beschwerde nicht entnommen werden. Es ist dem Gerichtshof daher verwehrt, sich anhand der Kriterien des § 29 Finanzstrafgesetz mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine Aufforderung, eine Betriebsprüfung durchzuführen, läßt jedenfalls nicht einmal auf den Willen zur Selbstanzeige schließen. Könnte ein derartiges Ansinnen im gegebenen Zusammenhang doch ebenso gut bedeuten, das Finanzamt möge sich davon überzeugen, daß er nichts zu verbergen habe. Zudem genügt es für die Rechtswohltat des § 29 Finanzstrafgesetz keineswegs, der Abgabenbehörde bloß die Möglichkeit zu verschaffen, daß sie durch eigene Erhebungen den Sachverhalt ermittelt. Die Offenlegung muß vielmehr in einer Weise geschehen, daß die Vorschreibung der Abgaben ohne langwierige Nachforschungen erfolgen kann. Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer in der Folge selbst deutlich gemacht, keine Selbstanzeige beabsichtigt zu haben. In seinem Antrag auf Akteneinsicht vom hat er Bezug auf seine Mitteilung vom genommen und wörtlich ausgeführt: "Da ich mir keines finanzstrafrechtlichen Vergehens bewußt bin, habe ich um Klärung durch die Finanzverwaltung ersucht, indem ich eine abgabenbehördliche Prüfung gegen mich initiiert habe." Eine derartige Formulierung läßt nicht auf die Absicht schließen, eine Selbstanzeige zu erstatten.

Schließlich verkennt die Beschwerde, daß auch eine Selbstanzeige der Einleitung des Finanzstrafverfahrens nicht entgegenstünde, wenn ihre strafbefreiende Wirkung nicht zweifelsfrei feststeht (vgl. Fellner, Finanzstrafgesetz, §§ 80 bis 84, Anmerkung 3).

Bei dieser Sach- und Rechtslage schien es dem Gerichtshof entbehrlich zu prüfen, ob einem Erfolg der Beschwerde nicht zudem schon der Umstand entgegenstehen mußte, daß die dem Beschwerdeführer vor dem Inkrafttreten der KWG-Novelle 1986, BGBl. Nr. 325, zugestellte Einleitungsverfügung zufolge der damals maßgeblichen Rechtslage einer Anfechtung entzogen war.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.