VwGH vom 19.02.1998, 97/16/0405
Beachte
Besprechung in:
SWI 1998/7, S 311 - 313;
Notariatszeitung 4/1999, S 100 - S 103;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der L-GmbH in W, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist und Dr. Peter Csoklich, Rechtsanwälte in Wien IX,
Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 9-488/96, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom zeigte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im folgenden kurz: Finanzamt) unter Anschluß eines Schreibens der Tengelmann Warenhandelsgesellschaft vom einen (ihrer Ansicht nach gemäß § 2 Z. 2 KVG) steuerpflichtigen Vorgang an.
Das besagte Schreiben der Tengelmann Warenhandelsgesellschaft hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"... hiermit erklären wir Ihnen, daß die Tengelmann
Warenhandelsgesellschaft als Gesellschafter der LÖWA Warenhandel Ges.m.b.H. zur Teildeckung des erwarteten Fehlbetrages im Geschäftsjahr 1994/1995 einen Zuschuß in Höhe von S 35 Mio. ÖS gewährt ..."
Das Finanzamt erließ daraufhin einen auf § 2 Z. 4 KVG gegründeten vorläufigen Gesellschaftsteuerbescheid und forderte ausgehend von der Bemessungsgrundlage von S 35 Mio. ein Prozent Gesellschaftsteuer an.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das in do. Rechtssache C-38/88, Waldrich Siegen Werkzeugmaschinen GmbH gegen Finanzamt Hagen Slg. 1990 I-1447.
Gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft zur Verlustabdeckung müsse schon zu Beginn des Wirtschaftsjahres abgeschlossen worden sein, um iS des zitierten EuGH-Urteiles eine Vorausverpflichtung zur Verlustübernahme darzustellen. Die auf § 2 Z. 2 KVG gegründeten Ausführungen der Berufungsentscheidung lassen erkennen, daß die belangte Behörde diesen Gesellschaftsteuertatbestand für verwirklicht erachtete.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Gesellschaftsteuer verletzt, wozu sie sich auf Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S 25,--) und insbesondere auf das oben zitierte Urteil des EuGH beruft.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, worin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) lautet:
"(2) Soweit sie am der Steuer zum Satz von 1 v.H. unterlagen, können die folgenden Vorgänge auch weiterhin der Gesellschaftsteuer unterworfen werden:
...
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b) | die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen; ..." |
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§ 2 KVG lautet auszugsweise: | ||||||||||
"Der Gesellschaftsteuer unterliegen: | ||||||||||
... | ||||||||||
2. | Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (Beispiele: weitere Einzahlungen, Nachschüsse). Der Leistung eines Gesellschafter steht es gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt; | |||||||||
... | ||||||||||
4. | Folgende freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen: | |||||||||
a) Zuschüsse, ..." |
Mit Urteil vom in der Rechtssache C-38/88, Waldrich Siegen Werkzeugmaschinen GmbH gegen Finanzamt Hagen Slg. 1990, I-1447, Rn 12, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) u.a. folgendes ausgesprochen:
"Das Gesellschaftsvermögen umfaßt alle Wirtschaftsgüter, die die Gesellschafter zu einem gemeinsamen Ganzen vereinigt haben, einschließlich ihres Zuwachses. Erzielt eine Gesellschaft Gewinne und stellt sie diese in ihre Rücklagen ein, so erhöht sie dadurch ihr Gesellschaftsvermögen. Dagegen vermindert sich das Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft, wenn sie mit Verlust abschließt.
Wenn also eine Gesellschaft mit Verlust abgeschlossen hat und einer ihrer Gesellschafter sich zur Übernahme dieses Verlustes bereiterklärt, so erbringt er dadurch eine Leistung, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird. Er bringt dieses nämlich wieder auf einen Stand, den es vor dem Eintritt des Verlustes erreicht hatte. Anders verhält es sich, wenn der Gesellschafter Verluste aufgrund einer Verpflichtung übernimmt, die er schon vor deren Eintritt eingegangen war. Eine solche Verpflichtung bedeutet, daß sich künftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Gesellschaftsvermögens auswirken werden."
Davon ausgehend beantwortete der EuGH die an ihn gerichtete Frage dahin, daß die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrages, der vor Feststellung dieser Verluste geschlossen worden ist, das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft nicht im Sinne von Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 69/335/EWG betreffen die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital erhöht.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Beschwerdefall folgendes:
Wie die Beschwerdeführerin selbst zutreffend ausführt, sind für die Anwendung der Grundsätze des zitierten Urteiles des EuGH zwei Kriterien maßgebend: Es muß eine Verpflichtung (z.B. aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrages) des Gesellschafters vorliegen, die Verluste der Gesellschaft zu übernehmen und diese Verpflichtung muß vor Eintritt der Verluste eingegangen worden sein.
Hinsichtlich der geforderten Verpflichtung (wie sie auch Tatbestandsmerkmal des § 2 Z. 2 KVG ist) vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß es sich um eine Pflichtleistung handeln muß, die aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt wird, daß also die Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf die Leistung haben muß und daß das Gesellschaftsverhältnis für die Rechtspflicht zur Leistung des Gesellschafters kausal sein muß (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0186, mwN).
Eine solche, schon vor der Feststellung des Verlustes der Gesellschaft begründete Verpflichtung des Gesellschafters verhindert - wie das zitierte Urteil des EuGH klargestellt hat - von vornherein, daß künftige Verluste das Gesellschaftsvermögen schmälern, weil ja in Höhe der künftigen Verluste der Gesellschaft jeweils ein Aktivum in Gestalt der aus der zuvor begründeten Verpflichtung des Gesellschafters resultierenden Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter auf Verlustabdeckung zusteht.
Anders als es die beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bislang gesehen haben, fehlt es im vorliegenden Fall aber bereits an einer entsprechenden Verpflichtung des Gesellschafters. Das maßgebliche Schreiben des Gesellschafters vom bezieht sich nämlich keinesfalls auf eine schon zuvor (z.B. in einem Ergebnisabführungsvertrag oder sonst im Gesellschaftsverhältnis) begründete Leistungspflicht und stellt sich von seinem Inhalt her nicht als Ankündigung einer Pflichterfüllung sondern vor dem Hintergrund der Tatsache, daß das GmbH-Recht eine gesetzliche Nachschußpflicht nicht kennt (vgl. z.B. Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5 431), vielmehr als freiwillige Leistung eines Zuschusses dar, worauf § 2 Z. 4 lit. a KVG anzuwenden ist.
Da nach der hg. Judikatur insbesondere betreffend Leistungen, die ein Gesellschafter zur Abdeckung von Verlusten erbringt, die objektive Eignung des Wertes, die Gesellschaftsrechte zu erhöhen, zu bejahen ist (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0049, 0050 mwN) und weil auch der EuGH die Bereitschaft eines Gesellschafters, einen Verlust zu übernehmen, als Leistung ansieht, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird, erweist sich der hier zu beurteilende Vorgang als Erfüllung des Tatbestandes nach § 2 Z. 4 lit. a KVG.
Der Umstand, daß die belangte Behörde ihren Bescheid auf § 2 Z. 2 KVG gegründet hat, vermag ihn nicht mit Rechtswidrigkeit zu belasten, weil es sich bei den einzelnen Fällen des § 2 KVG um einen einheitlichen Steuertatbestand handelt (vgl. z.B. Takacs, Kapitalverkehrsteuer, § 2/4, 1. Ergänzung) und die richtige Subsumierung im vorliegenden Fall zu keiner betragsmäßigen Änderung führt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 87/15/0006).
Mit Rücksicht darauf, daß betreffend freiwillige Leistungen eines Gesellschafters, die das Gesellschaftsvermögen erhöhen und die geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen, keinerlei Konflikt mit Art. 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 69/335/EWG (und der Judikatur des EuGH) besteht, weil diese Bestimmung mit § 2 Z. 4 lit. a KVG insoweit deckungsgleich ist, ist der von der Beschwerde behauptete Konflikt des angefochtenen Bescheides mit dem Gemeinschaftsrecht zu verneinen.
Aus diesem Grund konnte wegen des offenkundigen Fehlens eines Konfliktes zum Gemeinschaftsrecht im vorliegenden Fall auch eine Antragstellung an den EuGH zum Zwecke einer Vorabentscheidung unterbleiben (vgl. dazu K.D. Borchardt in Lenz, EG-Vertrag, Kommentar Rz 30 zu Art. 177 EGV unter Berufung auf das 283/81 in der Rechtsache C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415/3429).
Da es wegen des Fehlens einer Verpflichtung auf die Frage, wann sie begründet wurde, nicht weiter ankommt, haften dem angefochtenen Bescheid auch die behaupteten Verfahrensmängel nicht an.
Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin im Ergebnis als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.