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VwGH vom 22.06.2001, 2000/13/0037

VwGH vom 22.06.2001, 2000/13/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Dr. H in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , RV/12- 15/05/2000, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit einer Akteneinsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Mit Eingabe vom richtete er ein Schreiben folgenden Inhaltes an das Finanzamt:

"Hiemit ersuche ich, mir uneingeschränkte Akteneinsicht zu gewähren, d.h. dass sämtliche Aktenteile meines Steueraktes zur Verfügung gestellt werden.

Nach meinem Wissenstand befindet sich der Akt derzeit bei der Großbetriebsprüfung Wien und wäre ich auch einverstanden, bei dieser Behörde die Akteneinsicht vorzunehmen.

Sollte nur eine beschränkte Akteneinsicht gewährt werden, ersuche ich um Ausfertigung eines entsprechenden Bescheides, in welchem angeführt werden möge, welche Aktenteile bzw. Aktenseiten nicht zur Verfügung gestellt werden."

Über Vorhalt des Finanzamtes vom begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag mit der Notwendigkeit, seine abgabenrechtlichen Interessen zu verteidigen, weil sich nach seinem Informationsstand im Steuerakt eine anonyme Anzeige verleumderischen Inhaltes befinde.

Mit Bescheid vom sprach das Finanzamt aus, dass dem Antrag auf Akteneinsicht gemäß § 90 BAO nicht entsprochen werde. Das Recht auf Akteneinsicht bestehe für die Partei nur dann, wenn die Kenntnis der Akten (teile) zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich sei. Wolle die Partei hingegen lediglich den Namen z.B. jener Person erfahren, die sie wegen steuerlicher Vergehen angezeigt habe, um gegen diese Person in der Folge gerichtlich vorgehen zu können, so sei die Akteneinsicht mangels abgabenrechtlicher Interessen zu versagen. Der Beschwerdeführer habe sein "abgabenrechtliches Interesse" an einer Akteneinsicht ausschließlich damit begründet, sich durch die Einsichtnahme Kenntnis von der anonymen Anzeige zu verschaffen. Mit diesem Vorbringen werde tatsächlich kein abgabenrechtliches Interesse im Sinne des § 90 BAO aufgezeigt. In der Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass gegen diese Verfügung ein abgesondertes Rechtsmittel gemäß § 244 BAO nicht zulässig sei und eine Anfechtung erst in der Berufung gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid erfolgen könne.

Mit Berufung vom wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme des Finanzamtes, er wolle mit der begehrten Akteneinsicht keine abgabenrechtlichen Interessen verfolgen. Der Hinweis des Finanzamtes auf die strafrechtliche Verfolgung des Anzeigers sei völlig verfehlt. Dass ein "anonymer Anzeiger" nicht verfolgbar sei, liege schon in der Natur der Sache. Da dem Beschwerdeführer der Wortlaut der anonymen Anzeige bisher nur bruchstückhaft bekannt gegeben worden sei, benötige er deren gesamten Inhalt, um seine abgabenrechtlichen Interessen zu wahren. Unrichtig sei auch die ihm erteilte Rechtsmittelbelehrung, weil ein Verfahren im Sinne des § 90 BAO derzeit nicht anhängig sei.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Bescheid vom gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO mit der Begründung als unzulässig zurück, dass zur Zeit ein Betriebsprüfungsverfahren anhängig sei, welches ein offenes Verfahren im Sinne der BAO darstelle.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Zurückweisungsbescheid Berufung. Begründend führte er im Wesentlichen aus, seinen Eingaben betreffend Akteneinsicht könne nicht entnommen werden, dass sein Antrag auf Akteneinsicht in Zusammenhang mit dem anhängigen Prüfungsverfahren stehe. Im Übrigen schließe ein Betriebsprüfungsverfahren nicht mit Bescheid ab. Der Betriebsprüfungsbericht habe keinen Bescheidcharakter, weshalb ihm durch die Vorgangsweise des Finanzamtes der notwendige verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich garantierte Rechtsschutz verweigert werde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, beim Beschwerdeführer sei unstrittig ein Betriebsprüfungsverfahren anhängig. Bei einem Betriebsprüfungsverfahren handle es sich um ein Abgabenverfahren, das mit Bescheid abgeschlossen werde. Der Betriebsprüfungsbericht stelle die Begründung des im wieder aufgenommenen Verfahren zu erlassenden Sachbescheides dar. Sollte das Betriebsprüfungsverfahren nicht mit Bescheid abgeschlossen werden, stehe es dem Beschwerdeführer frei, einen neuerlichen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 90 BAO ist den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich ist. Abs. 3 leg.cit. bestimmt, dass gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist.

Dies gilt jedoch dann nicht, wenn nach Lage des Verfahrens eine abschließende Sachentscheidung nicht zu erwarten ist, wie bei der Verweigerung der Akteneinsicht wegen fehlender Parteistellung des Antragstellers oder zwar der Partei gegenüber, aber außerhalb eines Verfahrens. In diesem Fall liegt ein selbständiger verfahrensrechtlicher Bescheid vor, der gesondert mit Berufung und daher auch mit Beschwerde anfechtbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 86/16/0102).

Der Beschwerdeführer bringt vor, ein Betriebsprüfungsverfahren werde mit einem schriftlichen Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung (§ 150 BAO) abgeschlossen. Dabei handle es sich um keinen Bescheid, sondern lediglich um eine besondere Form eines Aktenvermerkes.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus folgenden Gründen nicht auf:

Das Recht auf Akteneinsicht stellt keinen Selbstzweck dar, sondern gibt dem Abgabepflichtigen ein Hilfsmittel zur Hand, seine abgabenrechtlichen Interessen zu verfolgen. Während eines laufenden Verfahrens wird es dem Abgabepflichtigen durch die Akteneinsicht ermöglicht - worauf der Beschwerdeführer mit seinem Zitat einer Kommentarstelle (Stoll, Bundesabgabenordnung, S. 889) zutreffend hinweist -, kontrollierend und vorbeugend Fehlannahmen und unzutreffenden Vermutungen der Behörden entgegenzutreten. Eine abgabenbehördliche Prüfung ist Teil eines solchen Verfahrens, bei dem die bei Stoll angeführten Überlegungen im besonderen Maße zutreffen. Wird dem Abgabepflichtigen im Verlaufe einer Betriebsprüfung die Akteneinsicht verweigert, kann dies die im Gefolge der Prüfung ergehenden und auf das Prüfungsgeschehen Bezug nehmenden Abgabenbescheide mit einem Verfahrensmangel belasten. Eine derartige Rechtswidrigkeit kann mit Berufung gegen die auf den Prüfungsergebnissen aufbauenden Abgabenbescheide bekämpft werden.

Es trifft zu, dass ein abgabenbehördliches Prüfungsverfahren nicht zur Erlassung geänderter Abgabenbescheide führen muss; im Beschwerdefall etwa, wenn sich die streitgegenständliche Anzeige nach den behördlichen Ermittlungen als unzutreffend oder zu unbestimmt erweist und die abgabenbehördliche Prüfung auch sonst nicht zu Beanstandungen der vom Beschwerdeführer erklärten Steuerbemessungsgrundlagen Anlass gibt. Dass dem Beschwerdeführer wegen der Möglichkeit einer derartigen Fallkonstellation aber gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ein gesondertes Rechtsmittel hätte eingeräumt werden müssen, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. Der Beschwerdeführer hat über Anfrage des Finanzamtes, welchen abgabenrechtlichen Interessen die beantragte Einsicht diene, sinngemäß ausgeführt, er wolle dem verleumderischen Inhalt einer anonymen Anzeige, die ihm vom Prüfer nur in Auszügen zur Kenntnis gebracht worden sei, entgegentreten. In verständiger Würdigung dieses Vorbringens durfte die belangte Behörde davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer nicht deshalb eine Akteneinsicht beantragt hat, um bereits abgeschlossene Steuerverfahren weiter zu betreiben, sondern um eine amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren gerade zu verhindern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Verweigerung der Akteneinsicht als eine das Betriebsprüfungsverfahren betreffende, nicht gesondert anfechtbare Verfügung dar. Die Zurückweisung der Berufung gegen eine solche das Verfahren betreffende Verfügung erweist sich daher im Ergebnis als zu Recht erfolgt.

Ob die Abgabenbehörde dem Beschwerdeführer auch die Akteneinsicht zu Recht verweigert hat, ist im gegenständlichen Verfahren im Hinblick auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides (der ausschließlich die selbständige Anfechtbarkeit des die Akteneinsicht verweigernden Verwaltungsaktes zum Gegenstand hat) nicht zu prüfen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am