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VwGH vom 22.03.1994, 92/08/0150

VwGH vom 22.03.1994, 92/08/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der C-Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom , Zl. IVb-69-46/1991, betreffend Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen und Vorschreibung von Verzugszinsen (mitbeteiligte Partei: Vorarlberger Gebietskrankenkasse), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der Vorarlberger Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Partei vom wurden gemäß § 51 ASVG "für die in der Nachrechnung angeführten Dienstnehmer und Zeiträume die in der Nachrechnung angeführten allgemeinen Beiträge nachverrechnet" (I.) und "die zu entrichtenden Verzugszinsen bis einschließlich im in der Nachrechnung angeführten Betrag" zur Zahlung vorgeschrieben (II.). Nach der Bescheidbegründung sei die Lohnverrechnung der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin so aufgebaut gewesen, daß zu einem bestimmten Bruttobezug der vom Dienstnehmer konsumierte Sachbezug (Unterkunft und Verpflegung) als sogenannter Hinzurechnungsbetrag zum Bruttolohn dazugeschlagen worden sei und von diesem Endbetrag die Sozialversicherungsbeiträge errechnet worden seien. Aufgrund dieser Vorgangsweise sei ersichtlich, daß die Sachbezüge nicht freiwillig vom Dienstgeber seinen Dienstnehmern gewährt worden, sondern als Lohnbestandteil aufgrund des Dienstverhältnisses anzusehen seien. § 78 Abs. 1 GewO 1859 (gemäß § 376 Z. 47 GewO 1973 noch in Geltung stehende Vorschrift der Gewerbeordnung, RGBl. 1859/227) besage, daß der Dienstgeber verpflichtet sei, die Löhne seiner Dienstnehmer in barem Geld auszubezahlen. Bei der Errechnung des Mindestbezuges nach dem zuständigen Kollektivvertrag (in diesem Falle dem Kollektivvertrag für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe) könne der Wert der Sachbezüge, auf die die Dienstnehmer aufgrund ihres Dienstverhältnisses Anspruch haben, nicht berücksichtigt werden. Es sei deshalb der Mindestlohn nach dem Kollektivvertrag entsprechend der Tätigkeit der Dienstnehmer als Bruttolohn anzusetzen, der Wert der konsumierten Sachbezüge hinzuzurechnen und von diesem Betrag - der den Ansprüchen der Dienstnehmer aufgrund ihres Dienstverhältnisses entspreche - die Sozialversicherungsbeiträge zu errechnen.

In dem dagegen erhobenen Einspruch führte die Beschwerdeführerin aus, daß gemäß § 78 Abs. 3 GewO 1859 die Verabfolgung von Lebensmitteln oder der regelmäßigen Verköstigung auf Rechnung des Lohnes zwischen dem Gewerbeinhaber und dem Arbeiter vereinbart werden könne, sofern sie zu einem die Beschaffungskosten nicht übersteigenden Preis erfolge. Von einer Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettolohn sei nicht die Rede. Abgesehen davon sei die Auffassung der mitbeteiligten Partei auch völlig unlogisch, weil eine nur auf den Nettolohn bzw. Auszahlungsbetrag anrechenbare Sachleistung genausowenig auf den Bruttolohn hinzugeschlagen werden könne, wie der Wert eines anstelle Bargeldes übergebenen Schecks. Im übrigen würde eine solche Auslegung nur zu höheren Abgaben und damit zu einem verminderten Auszahlungsbetrag führen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge, bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid und sprach aus, daß die "Beitragsnachverrechnung aufgrund der Beitragsprüfung vom " der mitbeteiligten Partei einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilde. In der Bescheidbegründung werden nach zusammenfassender Darstellung des bisherigen Ganges des Verwaltungsverfahrens die Aussagen ehemaliger Beschäftigter der Beschwerdeführerin im ergänzenden Ermittlungsverfahren der Einspruchsbehörde wiedergegeben. Daraus ist - soweit wesentlich - hervorzuheben:

"Chen T:

Es ist richtig, daß ich vom bis bei

der C-Gesellschaft m.b.H. im China-Restaurant S in D

beschäftigt war. Während dieses Zeitraumes habe ich einen

Nettolohn von S 12.900,-- erhalten. Tatsächlich wurden mir

jedoch lediglich S 8.560,-- bar ausbezahlt. Der Differenzbetrag

von S 8.560,-- auf S 12.900,-- wurde für die Wohnung und

allfällige Betriebskosten verwendet, die der Dienstgeber mir

zur Verfügung gestellt hatte. ... Im China-Restaurant S in D

habe ich gekocht und auch dort die Mahlzeiten eingenommen.

Sun X:

Vom bis war ich bei der

C-Gesellschaft m.b.H., China-Restaurant S in D, beschäftigt.

... Ich verdiente damals ca. S 6.600,-- netto. Es ist auch

manchmal vorgekommen, daß ich bis zu S 7.000,-- netto monatlich verdient habe. Daneben habe ich auch noch von der C-Gesellschaft m.b.H. die Mahlzeiten bekommen. Darüber hinaus erhielt ich auch von dieser Gesellschaft eine Wohnung für mich und meine Familie. Es war jedoch so, daß ich für die mir zur Verfügung gestellte Wohnung S 800,-- bezahlen mußte. ... Diesen Betrag von jeweils S 800,-- habe ich an die C-Gesellschaft m.b.H. bezahlt. Während des festgestellten Beschäftigungszeitraumes war ich ständig in der Küche als Gehilfe beschäftigt. Man kann sagen, daß ich dort als sogenannter Hilfskoch beschäftigt war. ..."

Die belangte Behörde führte weiters aus, daß der Lohn der in der Beitragsnachprüfung angeführten Personen aus Geld- und Sachbezügen bestanden habe. Die Geldbezüge seien niedriger als der diesen Beschäftigten zustehende Kollektivlohn für Dienstnehmer, die in Fremdenverkehrsbetrieben beschäftigt seien, gewesen. Der zwischen dem Geldbezug und dem zustehenden Kollektivlohn fehlende Differenzbetrag sei von der Beschwerdeführerin als Sachbezug bewertet worden. Die in der Beitragsnachverrechnung angeführten Dienstnehmer seien als Hilfsarbeiter im Sinne des § 73 GewO 1859 anzusehen. Folglich hätten sie einen Anspruch darauf, daß ihnen zumindest der kollektivvertraglich zustehende Lohn in barem Geld ausbezahlt werde. Der Kollektivlohn könne daher weder vertraglich noch durch sonstige nicht in Geld bestehende Gegenleistungen verkürzt werden. Die erhaltenen Sachleistungen - Mahlzeiten, Überlassung einer Wohnung etc. - unterlägen ebenfalls der Beitragspflicht, da es sich dabei um Sachbezüge handle, die die Dienstnehmer von der Arbeitgeberin erhalten hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf richtige Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge gemäß den §§ 44, 49, 51 und 59 ASVG und insbesondere auf richtige Anwendung des § 78 GewO verletzt. Sie führt hiezu aus, daß das sogenannte "Truckverbot" sich nicht als ein Verbot der Vereinbarung von Naturalentgelt verstehe, sondern lediglich als Verbot, anstelle des vereinbarten Geldlohnes Naturalien zu leisten. Eine derartige Vereinbarung von Naturalentgelt sei zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Dienstnehmern getroffen worden. Es sei zwar richtig, daß ein Barzahlungsgebot anzunehmen sei, wenn das Entgelt kollektivvertraglich in Geld festgelegt sei, jedoch komme der Ersatz durch Naturalien dann in Betracht, wenn dies für den Arbeitnehmer günstiger sei und der Arbeitgeber daraus keinen Gewinn ziehe. Das Entgelt ihrer Dienstnehmer habe sich aus einem Geld- und Sachbezug zusammengesetzt, welche in Summe den kollektivvertraglichen Mindestlohn ergeben hätten. Die vereinbarte Gewährung von Wohnung und Verpflegung durch die Beschwerdeführerin sei unter Berücksichtigung der für die Dienstnehmer ansonsten anfallenden Wohnungs- und Verpflegungskosten für die Dienstnehmer unzweifelhaft günstiger als der Bezug von Geldlohn gewesen. Da die Beschwerdeführerin aus dieser Vereinbarung auch keinen Gewinn gezogen habe, sei die Vereinbarung von Naturalentgelt zulässig gewesen. Auch wenn man die Auffassung teile, daß sie keine Sachbezüge, sondern Sachleistungen erbracht habe, sei der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Unstrittig habe sie den Wert der erbrachten Sachleistungen, nämlich der "freien Station" (Wohnung und Verpflegung beim Dienstgeber), auf den kollektivvertraglich gebührenden Barlohn angerechnet. Die Vereinbarung der Anrechnung der Sachleistungen auf den kollektivvertraglich gebührenden Barlohn mißachte das kollektivvertragliche Barzahlungsgebot, sodaß diese Vereinbarung nichtig sei. Aus dieser Nichtigkeit folge, daß die Sachleistungen nicht Bestandteil des kollektivvertraglich gebührenden Barlohnes geworden seien. Die Nachverrechnung könne sich daher nur auf den Differenzbetrag vom tatsächlich bezahlten Barlohn zum kollektivvertraglichen "Anspruchslohn" beziehen. Des weiteren stehe fest, daß die freie Station keineswegs unentgeltlich gewährt werden sollte. Sie könne deswegen auch nicht als "Sachbezug" in die Beitragsgrundlage einbezogen werden.

Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 leg. cit. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt nach § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 leg. cit. Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüberhinaus aufgrund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Demnach ist für die Bemessung der allgemeinen Beiträge nicht lediglich das im Beitragszeitraum an den pflichtversicherten Dienstnehmer (Lehrling) tatsächlich gezahlte Entgelt (die Geld- und Sachbezüge) maßgebend, sondern, wenn es das tatsächlich gezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch des pflichtversicherten Dienstnehmers (Lehrling) bestand. Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen. Danach bleibt aber die Regelung dieser Frage, sofern nicht eine gesetzliche Grundlage besteht, einer Vereinbarung (Einzel- oder Kollektivvertrag), mangels einer solchen dem Ortsgebrauch überlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0112, mit weiteren Hinweisen).

In denjenigen Fällen, in denen kollektivvertragliche Vereinbarungen in Betracht kommen, hat (zumindest) das nach diesen Vereinbarungen dem Dienstnehmer zustehende Entgelt die Beitragsgrundlage für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge zu bilden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0282).

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stimmen darüber überein, daß die Summe des Geldbezuges und des Wertes des Sachbezuges dem kollektivvertraglichen Bruttolohn entspricht.

Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Auffassung, daß die teilweise Leistung dieses Entgelts in Naturalien dann dem Barzahlungsgebot des § 73 GewO nicht entgegenstehe, wenn sie auf einer vorangegangenen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruhe, die im Beschwerdefall getroffen worden sei. Im Verhältnis zum kollektivvertraglich festgelegten Mindestlohn sei diese Vereinbarung (nämlich die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung durch den Dienstgeber) für den Dienstnehmer (gemeint offenbar: wegen der sonst anfallenden höheren Aufwendungen zur anderweitigen Deckung dieser Bedürfnisse) günstiger.

Soweit sich die Auffassung der Beschwerdeführerin auf § 78 Abs. 2 GewO stützt, übersieht sie, daß die Anwendung dieser Bestimmung die Zulässigkeit vertraglicher Disposition zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraussetzt. Diese ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Geltungsbereich eines Kollektivvertrages in Ansehung der dort geregelten Mindestentgelte jedoch nicht gegeben: diese sind in der Regel in Geldbeträgen festgelegt und insoweit daher auch zwingend in Geld zu entrichten. Das insoweit im Bereich kollektivvertraglicher Mindestentgelte geltende Geldzahlungsgebot schließt - ungeachtet aller Günstigkeitsüberlegungen - in diesem Bereich abweichende Sondervereinbarungen aus (§ 3 Abs. 1 zweiter Satz, erster Fall ArbVG). Ob der Marktwert der vom Arbeitgeber tatsächlich gewährten Naturalbezüge im Ergebnis höher ist als der "vereinbarte Wert", d.h. höher als jener Teil des Barentgelts, an dessen Stelle die Sachbezüge geleistet werden sollten - wie das in diesem Punkt eher unklare Beschwerdevorbringen möglicherweise zum Ausdruck bringen will - (eine Fragestellung, deren Beantwortung im übrigen noch keinen Schluß darauf zuließe, ob die Vereinbarung von Naturalentlohnung anstelle von Geldleistungen überhaupt an sich objektiv günstiger für den Arbeitnehmer sein kann) ist daher unentscheidend. Davon zu unterscheiden wäre eine - hier nicht vorliegende und in der Beschwerde auch nicht behauptete - Vereinbarung, z.B. die Miete für eine vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Wohnung im Abzugswege vom Barentgelt einzubehalten.

Letztlich kann auch die Frage einer allfälligen Anfechtung und Rückabwicklung der getroffenen Naturallohnvereinbarung auf sich beruhen, weil sowohl der Barlohn, auf den der Dienstnehmer Anspruch hatte, als auch der Naturallohn, der dem Dienstnehmer tatsächlich gewährt wurde, gemäß § 49 Abs. 1 ASVG zum sozialversicherungsrechtlichen Entgelt zählen und daher der Beitragspflicht unterliegen.

Da die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.