VfGH vom 14.03.2012, V113/11

VfGH vom 14.03.2012, V113/11

(V113/11-14)

19633

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung; keine Vergleichbarkeit der von der Pauschalierung erfassten Betriebe; Typenvielfalt im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe; keine Rechtfertigung durch den Aspekt der Verwaltungsökonomie

Spruch

I. In der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufzeichnungspflicht bei Lieferungen von Lebensmitteln und Getränken sowie über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes und der Vorsteuerbeträge der nichtbuchführenden Inhaber von Betrieben des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes (Gaststättenpauschalierungs-Verordnung) werden als gesetzwidrig aufgehoben:

* die §§2 und 3 jeweils in der Stammfassung BGBl. II Nr. 227/1999 und in der Fassung BGBl. II Nr. 416/2001;

* die §§4 und 5 in der Stammfassung BGBl. II

Nr. 227/1999;

* § 6 in der Stammfassung BGBl. II Nr. 227/1999 sowie in der Fassung BGBl. II Nr. 416/2001 und in der Fassung BGBl. II Nr. 634/2003.

II. Die Aufhebung des § 3 in der Fassung BGBl. II

Nr. 416/2001 und des § 4 dieser Verordnung tritt mit Ablauf des in Kraft.

III. Die Bundesministerin für Finanzen ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu den Zahlen 1. 2007/15/0250, 2. 2008/15/0271, 3. 2008/15/0313 und

4. 2011/15/0092 Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des Unabhängigen Finanzsenates (UFS) betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1. 2002, 2. 2002 bis 2004,

3. 2005 und 4. 2003 bis 2006 anhängig, bei denen es um die Frage geht, ob die Betriebe der jeweiligen Beschwerdeführer unter die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufzeichnungspflicht bei Lieferungen von Lebensmitteln und Getränken sowie über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes und der Vorsteuerbeträge der nichtbuchführenden Inhaber von Betrieben des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes, BGBl. II 227/1999, (im Folgenden: Gaststättenpauschalierungs-VO) fallen.

2. Aus Anlass dieser Verfahren stellt der Verwaltungsgerichtshof einen auf Art 139 B-VG iVm Art 89 Abs 2 B-VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "die §§2 bis 6 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufzeichnungspflicht bei Lieferungen von Lebensmitteln und Getränken sowie über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes und der Vorsteuerbeträge der nichtbuchführenden Inhaber von Betrieben des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes, in der Fassung BGBl. II Nr. 227/1999, in der Fassung des BGBl. II Nr. 416/2001 und in der Fassung des BGBl. II Nr. 634/2003," als gesetzwidrig aufheben.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass die Gaststättenpauschalierungs-VO gegen § 17 Abs 4 EStG 1988 und § 14 Abs 1 Z 2 UStG 1994 verstoße, wonach die Durchschnittssätze auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Steuerpflichtigen festzusetzen seien und zu einer den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Gruppenmitglieder möglichst entsprechenden Besteuerung führen sollten. Im Kern bemesse die Gaststättenpauschalierungs-VO den (pauschalierten) Gewinn mit 5,5 % der Betriebseinnahmen. Aus den bei ihm anhängigen und im Antrag dargestellten Beschwerdefällen sei aber bereits abzuleiten, dass der nach der Verordnung ermittelte Gewinn "in einer großen Anzahl von Fällen erheblich vom tatsächlich realisierten abweicht." Die Ursache für diese Abweichungen sieht der Verwaltungsgerichtshof in den "allgemein gehaltenen Anwendungskriterien" der Verordnung. Wörtlich heißt es (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):

"Die Ursache für die Abweichungen liegt offenbar

darin, dass die Gaststättenpauschalierungs-Verordnung als Anwendungsvoraussetzung nur vorsieht, dass keine Buchführungspflicht besteht und Bücher auch nicht freiwillig geführt werden (§2 Abs 1 Z 1), die Umsätze des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 255.000 € betragen haben (§2 Abs 1 Z 2) und bei Betrieben des Gaststättengewerbes Speisen und Getränke in geschlossenen Räumen zur dortigen Konsumation angeboten werden (§2 Abs 2).

Die allgemein gehaltenen Anwendungskriterien haben - aufgrund der im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe bestehenden Typenvielfalt - zur Folge, dass Betriebe unter die Verordnung fallen, die nicht miteinander vergleichbar sind. Diesbezüglich sei etwa auf die in der Schriftenreihe der Fachverbände Gastronomie und Hotellerie veröffentlichte Studie von Karl Wöber, Betriebskennzahlen des österreichischen Gastgewerbes Bilanzjahr 1999, verwiesen. Dort werden die Betriebskennzahlen von Restaurants, Gast- und Kaffeehäusern der Kategorie 1 und 2, Espressi und Buffets, Jahreshotelbetrieben der 1, 2, 3, 4 und 5 Sterne Kategorie, Saisonhotelbetrieben (in Fremdenverkehrsorten) der 1, 2, 3, 4, und 5 Sterne Kategorie dargestellt, die sowohl in Bezug auf das steuerliche Ergebnis als auch in Bezug auf das Betriebsergebnis starken Schwankungen, auch innerhalb einzelner Betriebsgruppen, unterliegen (vgl. Kapitel 4 und Kapitel 5, S 262). Dem Verwaltungsgerichtshof liegen auch keine Informationen vor, aus welchen (anderen) Datenbeständen der Verordnungsgeber die Gewinn- und Vorsteuersätze abgeleitet hat."

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass eine Interpretation des § 2 der Verordnung, nach welcher deren Anwendungsbereich auf "Gaststättenbetriebe mit typischer Kostenstruktur" beschränkt wäre, an der außerordentlichen Vielfalt von Typen von gastronomischen Betrieben scheitere. Wörtlich fährt der Verwaltungsgerichtshof dann fort:

"Sollte also der Anwendungsbereich der Verordnung dahingehend zu verstehen sein, dass er (neben Hotels und Fremdenpensionen) nur 'Gaststättenbetriebe mit typischer Kostenstruktur' umfasst, erwiese sich die Verordnung wohl als nicht hinreichend bestimmt. In diesem Fall bestünden gegen die Verordnung Bedenken, weil sie nicht jenes Mindestmaß an Bestimmtheit und damit Verständlichkeit aufweisen würde, das jedes - im Lichte des Rechtsstaatsprinzips anzuwendende - Gesetz von einer Verordnung verlangt. [...] Kriterien dafür, im Wege der Rechtsprechung aus der breiten Palette von Typen von Gastronomiebetrieben Gruppen von Steuerpflichtigen mit gleichartigen wirtschaftlichen Verhältnissen zu entwickeln, sind allerdings nicht erkennbar.

Im Übrigen wäre ein Anwendungsbereich für 'Gaststättenbetriebe mit typischer Kostenstruktur' geradezu dazu angetan, laufend Rechtsstreitigkeiten darüber zu veranlassen, ob der Einzelfall von der Verordnung erfasst ist oder nicht (siehe hierzu insbesondere die Beschwerdefälle 2008/15/0271 und 2008/15/0313). Nun soll die durch eine steuerliche Pauschalierung vorgenommene Differenzierung ihre Rechtfertigung in der Vereinfachung der Vollziehung und der Verwaltungsökonomie finden; gerade dies wäre aber bei einer streitanfälligen Festlegung des Anwendungsbereiches 'Gaststättenbetriebe mit typischer Kostenstruktur' nicht gewährleistet. Es wäre Sache des Verordnungsgebers, eine klar nachvollziehbare Abgrenzung der von der Verordnung erfassten Gruppe(n) von Steuerpflichtigen, bei denen - Erfahrungswerten zufolge - vergleichbare wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen - vorzunehmen. Dass die Verordnung bei den Normunterworfenen zu keiner Vereinfachung führt, geht aus einer Mitteilung der Wirtschaftskammer Vorarlberg an ihre Mitglieder hervor, in der unter dem Titel 'Kritische Anmerkungen' und 'Zweckmäßigkeit der Gewinnpauschalierung' ausgeführt wird, dass aus der Einnahmen-/Ausgabenrechnung mit geringfügigen Zu- und Abrechnungen der tatsächliche Gewinn ermittelt werden kann und eine Pauschalierung nicht 'ohne genaue Vergleichsrechnung vorgenommen werden' soll

(vgl. http://www.wkv.at/sektionen/tf/Steuerpauschalierung.htm)

.

Zusammenfassend ist festzustellen: Orientiert sich der Anwendungsbereich der Verordnung an ihrem weiten Wortlaut, erweist sie sich als gesetzwidrig, weil die von der Verordnung vorgegebenen Beträge an Gewinn und Vorsteuern in einer großen Anzahl von Fällen nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechen und weil die Gewinn- und Vorsteuersätze vom Verordnungsgeber offensichtlich nicht auf der Grundlage von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei 'Gaststätten- und Beherbergungsbetrieben' festgeschrieben wurden. Insbesondere hat der Verordnungsgeber aus der breiten Vielfalt von gastronomischen Betriebstypen Steuerpflichtige mit jeweils unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen zu einer Gruppe zusammengefasst.

Eine - in der Literatur vertretene - einschränkende Interpretation der Verordnung, wonach diese nur 'Gaststättenbetriebe mit typischer Kostenstruktur' umfasse, scheint an der außerordentlichen Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Typen von Gastronomiebetrieben zu scheitern. Wäre - dieser Literaturmeinung entsprechend - § 2 der Verordnung auf 'Gaststättenbetriebe mit typischer Kostenstruktur' eingeschränkt zu verstehen, erwiese sich die Regelung als nicht hinreichend bestimmt; zudem würde sie im Hinblick auf die aus einer solchen Unbestimmtheit resultierenden signifikanten 'Streitanfälligkeit' auch nicht mehr dem Rechtfertigungsgrund der Vereinfachung Genüge tun."

Abschließend weist der Verwaltungsgerichtshof auf

einen inhaltlich untrennbaren Zusammenhang der §§2 bis 6 der Gaststättenpauschlierungs-VO hin, weshalb auch die Aufhebung dieser Bestimmungen beantragt werde.

4. Die Bundesministerin für Finanzen erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Antrags beantragt. Für den Fall einer Aufhebung stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge für das Außerkrafttreten eine Frist bis frühestens zum Ablauf des bestimmen.

Die Bundesministerin für Finanzen teilt nicht die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, es könne aus den dem Antrag zugrunde liegenden Anlassfällen abgeleitet werden, dass die Durchschnittssätze nicht auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Steuerpflichtigen festgesetzt wurden. Dass der Verordnungserlassung empirische Erhebungen zugrunde gelegt worden seien, zeige sich in der Entstehungsgeschichte der Verordnung, die auf die Verordnung Bezug habenden Akten könnten jedoch infolge Skartierung nicht vorgelegt werden. Zur Entstehungsgeschichte heißt es wörtlich (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen und Fußnoten):

"Der Festsetzung des Durchschnittssatzes durch den Verordnungsgeber lag eine Reihenuntersuchung der Österreichischen Gesellschaft für angewandte Fremdenverkehrswissenschaft (im Folgenden: ÖGAF) aus dem Jahre 1993 zu Grunde. Die Studie ergab den folgenden durchschnittlichen Gewinn (in Prozent der Betriebserlöse) für Betriebe mit Betriebserlösen unter 5 Mio. Schilling:

Steuerlicher Gewinn/Verlust

(in Prozent der Betriebserlöse)

Betriebsgruppe

Beherbergungsbetriebe -4,5%

Betriebsgruppe

Restaurants und Gasthäuser -0,8%

Betriebsgruppe

Buffets, Kaffeehäuser -2,3%

Von Seiten des Bundesministeriums für Finanzen

erfolgte eine Erhebung bei den Finanzämtern, um das Ergebnis der Studie auf Übereinstimmung mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen zu evaluieren. In der Folge wurde ein Satz von 30.000 Schilling (jetzt 2.180 Euro) zuzüglich 5,5% der Brutto-Betriebseinnahmen, mindestens jedoch 150.000 Schilling (jetzt 10.900 Euro) für die pauschalierte Gewinnermittlung als angemessen erachtet. Damit sollte einerseits sichergestellt werden, dass in typisierender Betrachtungsweise die betroffenen Betriebe in der Regel keine Steuerbegünstigung durch die Pauschalierung erfahren und ein im Einzelfall allenfalls auftretender Vorteil auf Grund seines geringen Ausmaßes nicht unangemessen ist. Andererseits sollte damit auch die wesentliche Zielsetzung einer Vereinfachung gewährleistet und verhindert werden, dass die Kostenersparnis für die Unternehmer als Konsequenz der Vereinfachung nicht durch eine weit über der tatsächlichen Gewinnbesteuerung liegenden pauschalierten Besteuerung frustriert wird.

Zudem beschränkt § 17 Abs 4 EStG 1988 die Anwendung

eines Durchschnittssatzes auf Fälle, in denen weder eine Buchführungspflicht besteht noch ordnungsmäßige Bücher geführt werden. Diesem Umstand wird durch § 2 Abs 1 Gaststättenpauschalierungs-VO Rechnung getragen.

Eine weitere Konkretisierung erhält die Verordnungsermächtigung durch § 17 Abs 5 EStG 1988. Nach dieser Regelung muss die Gruppe von Betrieben, für die Durchschnittssätze anzuwenden sind, bestimmt sein und zwar samt den für die Einstufung maßgeblichen Betriebsmerkmalen. § 2 Gaststättenpauschalierungs-VO bestimmt, dass die Verordnung nur auf Betriebe des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes anwendbar ist, wobei Betriebe des Gaststättengewerbes nur vorliegen, wenn in geschlossenen Räumlichkeiten Speisen und Getränke zur dortigen Konsumation angeboten werden und Umsätze überwiegend aus derartigen Konsumationen erzielt werden. Die Verordnung orientiert sich solcherart an einem aus der Verkehrsauffassung abgeleiteten Begriffsinhalt.

Diese Regelungstechnik erscheint im Licht der Vielfalt der Erscheinungsformen im Bereich des gegenständlichen Geschäftsfeldes zielführend. Sie bietet den Vorteil, kasuistische Abgrenzungsfragen zu vermeiden, was vor dem Hintergrund sich wandelnder Betriebsformen zweckmäßig erscheint und jedenfalls so lange keine verfassungsrechtlichen Bedenken hervorrufen kann, als die zulässigen Grenzen der jeder Pauschalierung innewohnenden Vereinfachung nicht überschritten werden. Darüber hinaus enthält die Verordnung Beispiele von Betriebsformen, auf die die Verordnung keinesfalls anzuwenden ist, wie Würstelstände, Maroni- und Kartoffelbratereien, Eisgeschäfte, Konditoreien, Fleischhauer, Bäcker, Milchgeschäfte und Molkereien, Spirituosenhandlungen und vergleichbare Betriebe. Dem weit gefassten Begriffsinhalt ist somit eine Negativabgrenzung zur Seite gestellt, aus der sich erkennen lässt, dass 'atypische Betriebsformen' grundsätzlich nicht erfasst sein sollen. Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Umsatzgrenze von

255.000 Euro. Damit werden Betriebe eliminiert, bei denen die vereinfachte Gewinnermittlung auf Grund ihrer Größe zu verzerrten Ergebnissen führen würde. Somit kann festgestellt werden, dass die Verordnung hinsichtlich der maßgeblichen Betriebsmerkmale auf die Betriebsart, die Ausstattung und die Umsatzstruktur abstellt. Damit ist den Voraussetzungen des § 17 Abs 5 EStG 1988 genüge getan. Schließlich erfüllt die Gaststättenpauschalierungs-VO auch die weiteren, in § 17 Abs 5 Z 3 bis 5 EStG 1988 näher konkretisierten, Voraussetzungen.

Es ist daher zusammenfassend festzuhalten, dass die Gaststättenpauschalierungs-VO nach Ansicht der Bundesministerin für Finanzen durch die gesetzliche Ermächtigung des § 17 Abs 4 und Abs 5 EStG 1988 gedeckt ist."

Zur Beschränkung des Anwendungsbereiches der Verordnung auf vergleichbare Betriebe sowie zur "Geeignetheit und Realitätsnähe des Durchschnittssatzes nach § 3 Gaststättenpauschalierungs-VO" führt die Bundesministerin für Finanzen wörtlich Folgendes aus (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen und Fußnoten):

"Um den gesetzlich geforderten Erfahrungen des

täglichen Lebens zu entsprechen, hat die Gaststättenpauschalierungs-VO nur einen sehr begrenzten Anwendungsbereich, der sich auf eine Gruppe von Steuerpflichtigen beschränkt, die - vor allem in Hinblick auf das Ausmaß der Besteuerung - in einer annähernd vergleichbaren Situation sind. Wie schon unter Pkt 2.1. erwähnt, schließt zum einen § 2 Abs 1 Z 1 Gaststättenpauschalierungs-VO Betriebe von ihrer Anwendung aus, die buchführungspflichtig sind oder freiwillig Bücher führen. Zum anderen kann die Pauschalierung nach § 2 Abs 1 Z 2 leg.cit. nur von Steuerpflichtigen angewendet werden, deren Umsätze des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 255.000 Euro betragen. Damit werden bestimmte Betriebstypen schon automatisch von der Pauschalierung ausgeschlossen. Schließlich beschränkt sich die Anwendbarkeit der Gaststättenpauschalierungs-VO auf Betriebe des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes, wobei der Begriff 'Betrieb des Gaststättengewerbes' durch § 2 Abs 2 leg.cit. näher bestimmt wird und eine weitere Eingrenzung erfährt. Die enge Eingrenzung des Anwendungsbereiches soll gewährleisten, dass nur solche Steuerpflichtige von der Vereinfachungsregel Gebrauch machen können, bei denen eine Pauschalierung zu einer der Lebenserfahrung entsprechenden Besteuerung führt.

Die Wirksamkeit der Abgrenzungskriterien kommt auch in den vom Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Anlassfällen gut zum Ausdruck. Hierbei handelte es sich um Fälle, bei denen eine Anwendung der Pauschalierung größtenteils zu keiner sachgerechten Besteuerung geführt hätte. In zwei Fällen aber, in denen der UFS prüfte, ob der jeweilige Sachverhalt in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt (Zlen. 2008/15/0271 und 2008/15/0313), verneinte er dies, jeweils basierend auf den in § 2 der Gaststättenpauschalierungs-VO aufgestellten Abgrenzungskriterien. Auch in einem dritten unter der ZI. 2011/15/0092 anhängigen Beschwerdefall hätte der UFS nach Ansicht der Bundesministerin für Finanzen die Anwendbarkeit der Gaststättenpauschalierungs-VO schon aufgrund des Umstandes ausschließen können, dass der zugrundeliegende Betrieb keinen Beherbergungsbetrieb im Sinne der Verordnung darstellte.

[...]

Dass die in der Gaststättenpauschalierungs-VO festgeschriebenen Vereinfachungsregeln damals [...] wie heute den Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei Gaststätten- und Beherbergungsbetrieben entsprechen, soll im Folgenden auch empirisch untermauert werden. Aus der auch vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Studie [Wöber, Betriebskennzahlen des österreichischen Gastgewerbes Bilanzjahr 1999, Schriftenreihe der Fachverbände Gastronomie und Hotellerie] können die steuerlichen Gewinne/Verluste (in Prozentwerten der Betriebserlöse) für einzelne Betriebsgruppen wie folgt entnommen werden:

Betriebsgruppe Steuerlicher Gewinn/Verlust [...]

Beste 25%

Restaurant Kat. 1 8%

Restaurant Kat. 2 5%

Gasthäuser Kat. 1 ( 10 MA) -3%

Gasthäuser Kat. 1 ( 10 MA) 8%

Gasthäuser Kat. 2 -1%

Kaffeehäuser Kat. 1 16%

Kaffeehäuser Kat. 2 -2%

Esspressi u. Buffets 9%

Hotelbetriebe 4/5* (Jahr) 7%

Hotelbetriebe 3* (Jahr) 6%

Hotelbetriebe 1/2* (Jahr) 5%

Hotelbetriebe 4/5* (Saison) 3%

Hotelbetriebe 3* (Saison) 10%

Hotelbetriebe 1/2* (Saison) 0%

Kurhotels -2%

Ø 4,6%

Aus den Werten dieser Tabelle kann ein durchschnittlicher Gewinnprozentsatz - in Form eines ungewichteten Mittelwertes - iHv 4,6% errechnet werden. Dieser Satz liegt somit deutlich unter dem in der Gaststättenpauschalierungs-VO mit 5,5% festgesetzten Gewinnprozentsatz.

Dabei ist ergänzend zu berücksichtigen, dass der Gewinnprozentsatz der Gaststättenpauschalierungs-VO auf Basis der Betriebseinnahmen einschließlich Umsatzsteuer ermittelt wird. Zudem sieht § 3 Abs 1 Gaststättenpauschalierungs-VO einen 'Sockelgewinn' von 2.180 Euro, der dem sich aus der Anwendung des Gewinnprozentsatzes ergebenden Gewinn hinzuzurechnen ist, sowie einen Mindestgewinn von 10.900 Euro vor. Somit liegt der aus der Anwendung der Verordnung resultierende Gewinn signifikant über 5,5% der Nettoerlöse (umsatzabhängig regelmäßig mehrere Prozentpunkte).

Die oben tabellarisch aufgelisteten Gewinne/Verluste beziehen sich auf die 'Besten 25%', d.h. also auf die Betriebe mit den besten Betriebsergebnissen innerhalb der jeweiligen Kategorie. Da bei dieser Betrachtung schlechter wirtschaftende, aber dennoch in den Anwendungsbereich der Verordnung fallende Betriebe nicht erfasst werden, wird der Gewinnprozentsatz tendenziell sogar noch unter dem errechneten Durchschnittswert von 4,6% liegen. In der Studie wurden zudem auch solche Betriebe berücksichtigt, deren Jahresumsätze 255.000 Euro übersteigen.

Daraus ist nach Ansicht der Bundesministerin für

Finanzen ersichtlich, dass die Gewinnpauschalierung nach der Gaststättenpauschalierungs-VO nur in äußerst seltenen Fällen zu einer Gewinnrealisierung führt, die den tatsächlichen Gewinn unterschreitet. Soweit dies in seltenen Einzelfällen doch passiert, ist dem vorgelegten Zahlenmaterial zu entnehmen, dass es sich nicht um erhebliche und damit weitgehend vertretbare Abweichungen handeln wird.

Unterlegt wird die Geeignetheit und Realitätsnähe des in der Verordnung gewählten Durchschnittssatzes zur Ermittlung des Gewinns durch die relativ geringe Anzahl von Unternehmern, die von der Pauschalierung Gebrauch machen. Interne Erhebungen des Bundesministeriums für Finanzen ergaben, dass im Veranlagungsjahr 2009 nur knapp über 6.200 Betriebe eine Gewinnpauschalierung nach der Gaststättenpauschalierungs-VO gewählt hatten. Dies erscheint bei einer Gesamtzahl von über

38.700 Hotel- und Gastronomiebetrieben in Österreich, wobei 86% der Hotelbetriebe und 95% der Gastronomiebetriebe insofern als Kleinbetriebe zu werten sind, als sie weniger als 10 Beschäftigte haben, eher gering; vor allem wenn man die mit der Anwendung der Pauschalierung zusammenhängenden administrativen Erleichterungen und damit verbundene Kostenersparnis bedenkt."

In weiterer Folge spricht sich die Bundesministerin für Finanzen für die Gesetzeskonformität der Vorsteuerpauschalierung aus.

Abschließend fasst die Bundesministerin für Finanzen ihre Ansicht zur Gesetzeskonformität der Gaststättenpauschalierungs-VO wie folgt zusammen (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):

"§§2 bis 6 Gaststättenpauschalierungs-VO sind aus der Sicht der Bundesministerin für Finanzen nicht gesetzwidrig, da die Bestimmungen weder gegen die in § 17 Abs 4 und 5 EStG 1988 noch gegen die in § 14 UStG 1994 enthaltenen Verordnungsermächtigungen verstoßen und auch keinen ungerechtfertigten Verstoß gegen den Gleichheitssatz darstellen.

Die in der Gaststättenpauschalierungs-VO

kodifizierten Pauschalierungsregelungen dienen dem Interesse der Verwaltungsökonomie sowie der Senkung des Verwaltungsaufwandes für Betriebe des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes mit relativ geringen Umsätzen. Nach Ansicht der Bundesministerin für Finanzen widersprechen die Pauschalierungsbestimmungen für die von der Verordnung umfassten Betriebstypen nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens. Die Pauschalierung ist so angelegt, dass sie in der Regel nicht zu einer Begünstigung führt. Drei der dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde liegenden Fälle sind gerade solche, die nach Ansicht der Bundesministerin für Finanzen nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasst sind; sie sind solcherart auch nicht geeignet, einen Begünstigungscharakter darzutun. Die Pauschalierung ist eine alternative Besteuerungsform im Interesse der Vereinfachung, sie ist daher nicht verpflichtend. Steuerpflichtige bei denen eine 'Übersteuerung' die Verwaltungsvereinfachung und Kostenvorteile frustrieren würde, können sich für die Regelbesteuerung entscheiden.

Die allenfalls in Kauf genommenen Differenzierungen sind nach Ansicht der Bundesministerin für Finanzen generell vernachlässigbar und stehen insgesamt in einem angemessenen Verhältnis zu den verwaltungsökonomischen Vorteilen. Letzteren ist eindeutig ein größeres Gewicht beizumessen. Dies gilt sowohl für die Gewinnpauschalierung, als auch für den Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen."

5. Die im Anlassverfahren Z 2011/15/0092 belangte

Behörde (UFS, Außenstelle Innsbruck) erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie den Argumenten der Bundesministerin für Finanzen entgegentritt.

II. Rechtslage

1. Die Stammfassung der Gaststättenpauschalierungs-VO, BGBl. II 227/1999, lautet:

"Zu § 128, § 131 Abs 1 Z 3 und § 163 der Bundesabgabenordnung sowie auf Grund des § 17 Abs 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 und des § 14 Abs 1 Z 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 wird verordnet:

§1. Für nach dem erfolgte Lieferungen von Lebensmitteln und Getränken, bei denen


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nach den äußeren Umständen (insbesondere Menge der gelieferten Gegenstände) anzunehmen ist, daß die gelieferten Gegenstände nicht im Rahmen der privaten Lebensführung verwendet werden, und


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Name und Anschrift des Empfängers der Lieferung
nicht festgehalten und aufgezeichnet werden

gilt die Vermutung der ordnungsmäßigen Führung von Büchern und Aufzeichnungen des liefernden Unternehmers als nicht gegeben.

§2. (1) Für die Ermittlung des Gewinnes und des Abzugs von Vorsteuern bei Betrieben des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes gelten die folgenden Bestimmungen. Voraussetzung ist, daß

1. keine Buchführungspflicht besteht und auch nicht freiwillig Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 ermöglichen, und

2. die Umsätze (§125 Abs 1 der Bundesabgabenordnung) des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 3,5 Millionen Schilling betragen.

(2) Betriebe des Gaststättengewerbes im Sinne der folgenden Bestimmungen liegen nur vor, wenn in geschlossenen Räumlichkeiten Speisen und Getränke zur dortigen Konsumation angeboten werden und Umsätze überwiegend aus derartigen Konsumationen erzielt werden. Zu den Betrieben des Gaststättengewerbes gehören keinesfalls Würstelstände, Maroni- und Kartoffelbratereien, Eisgeschäfte, Konditoreien, Fleischhauer, Bäcker, Milchgeschäfte und Molkereien, Spirituosenhandlungen und vergleichbare Betriebe.

§3. (1) Der Gewinn aus einem Betrieb des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes kann wie folgt ermittelt werden: Der Gewinn ist im Rahmen einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung mit einem Durchschnittssatz von 30 000 S zuzüglich 5,5% der Betriebseinnahmen (einschließlich Umsatzsteuer), mindestens jedoch mit einem Betrag von 150 000 S anzusetzen. Von dem sich danach ergebenden Gewinn dürfen keine Betriebsausgaben abgezogen werden.

(2) Das Wareneingangsbuch (§127 der Bundesabgabenordnung) kann in der Weise vereinfacht geführt werden, daß


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die Belege sämtlicher Wareneingänge jeweils
getrennt nach ihrer Bezeichnung (branchenüblichen Sammelbezeichnung) in richtiger zeitlicher Reihenfolge mit einer fortlaufenden Nummer versehen werden,


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die Beträge jährlich für das abgelaufene Wirtschaftsjahr jeweils getrennt nach der Bezeichnung (branchenüblichen Sammelbezeichnung) des Wareneingangs zusammengerechnet werden, und die zusammengerechneten Beträge in das Wareneingangsbuch eingetragen werden,


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-
die Berechnungsunterlagen zu den Summenbildungen (Rechenstreifen) aufbewahrt werden.

§4. (1) Die unter § 2 angeführten Unternehmer können die nach § 12 und Art 12 des Umsatzsteuergesetzes 1994 abziehbaren Vorsteuerbeträge nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen nach Durchschnittssätzen ermitteln:

1. Die Vorsteuer beträgt 5,5% jener Betriebseinnahmen (einschließlich Umsatzsteuer), die nicht auf Umsätze mit Getränken entfallen.

2. Neben dem nach Z 1 berechneten Vorsteuerbetrag

können bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 des Umsatzsteuergesetzes 1994 abgezogen werden:

a) Vorsteuerbeträge im Sinne des § 14 Abs 1 Z 1 lita und b des Umsatzsteuergesetzes 1994.

b) Vorsteuerbeträge für die Lieferung von Getränken einschließlich Rohstoffen und Halberzeugnissen hiefür.

(2) Soweit die abziehbare Vorsteuer nach einem Durchschnittssatz berechnet wird, ist der Unternehmer von der Aufzeichnungspflicht gemäß § 18 Abs 2 Z 5 und 6 des Umsatzsteuergesetzes 1994 befreit.

§5. Die Anwendung der Pauschalierung ist nur

zulässig, wenn aus einer der Abgabenbehörde vorgelegten Beilage hervorgeht, daß der Steuerpflichtige von dieser Pauschalierung Gebrauch macht. Der Steuerpflichtige hat in der Beilage die Berechnungsgrundlagen darzustellen.

§6. Die §§2 bis 5 der Verordnung sind erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2000 anzuwenden."

2. Mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom , BGBl. II 416/2001, wurde die Stammfassung der Gaststättenpauschalierungs-VO, BGBl. II 227/1999, wie folgt geändert:

"1. In § 2 Abs 1 Z 2 tritt an die Stelle des Wertes

'3,5 Millionen Schilling' der Wert '255 000 Euro'.

2. In § 3 Abs 1 tritt an die Stelle des Wertes

'30 000 S' der Wert '2 180 Euro' und an die Stelle des Wertes '150 000 S' der Wert '10 900 Euro'.

3. Der bisherige Text des § 6 erhält die Bezeichnung '(1)'; als Absatz 2 wird angefügt:

'(2) § 2 Abs 1 Z 2 und § 3 Abs 1, jeweils in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 416/2001, sind erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2002 anzuwenden.'"

3. Mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom , BGBl. II 634/2003, wurde die Gaststättenpauschalierungs-VO, BGBl. II 227/1999, in der Fassung BGBl. II 416/2001, ein weiteres Mal wie folgt geändert:

"1. § 5 entfällt.

2. In § 6 wird folgender Absatz 3 angefügt:

'(3) § 5 in der Fassung vor BGBl. II Nr. 634/2003 ist letztmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2002 anzuwenden.'"

4. Mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom , BGBl. II 149/2007, wurde der Titel der Verordnung um die Kurzbezeichnung "(Gaststättenpauschalierungs-Verordnung)" erweitert und die Gaststättenpauschalierungs-VO, BGBl. II 227/1999, ein weiteres Mal wie folgt geändert:

"2. In § 2 Abs 1 werden die folgenden Sätze angefügt:

'Durch die Verordnung werden nur die regelmäßig in den Betrieben anfallenden Rechtsgeschäfte und Vorgänge pauschal berücksichtigt. Provisionen und provisionsähnliche Betriebseinnahmen sind in voller Höhe gesondert anzusetzen.'

3. In § 2 Abs 2 treten an die Stelle des ersten Satzes folgende Sätze:

'Betriebe des Gaststättengewerbes im Sinne der

folgenden Bestimmungen liegen nur vor, wenn in geschlossenen Räumlichkeiten Speisen und Getränke zur dortigen Konsumation angeboten werden und die Anzahl der Sitzplätze in geschlossenen Räumen die Anzahl der Sitzplätze im Freien überwiegt. Bei Gaststätten, die ganzjährig innerhalb geschlossener Räume betrieben werden, unterbleibt diese Überwiegensprüfung.'

4. In § 6 wird folgender Abs 4 angefügt:

'(4) § 2 in der Fassung der Verordnung BGBl. II

Nr. 149/2007 ist erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2008 anzuwenden.'"

5. Die Verordnungsermächtigung zur Erlassung der Gaststättenpauschalierungs-VO findet sich seit BGBl. 818/1993 in § 17 Abs 4 und 5 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. 400, und in § 14 Abs 1 Z 2 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG 1994), BGBl. 663, idgF BGBl. I 134/2003.

§17 Abs 4 und 5 EStG 1988 lautet idgF:

"(4) Für die Ermittlung des Gewinnes können weiters mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen Durchschnittssätze für Gruppen von Steuerpflichtigen aufgestellt werden. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Steuerpflichtigen festzusetzen. Solche Durchschnittssätze sind nur für Fälle aufzustellen, in denen weder eine Buchführungspflicht besteht noch ordnungsmäßige Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ermöglichen.

(5) In der Verordnung werden bestimmt:

1. Die Gruppen von Betrieben, für die Durchschnittssätze anzuwenden sind.

2. Die für die Einstufung jeweils maßgeblichen Betriebsmerkmale. Als solche kommen insbesondere in Betracht:

a) Bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben die Betriebsart und der Einheitswert.

b) Bei anderen Betrieben die örtliche Lage, die Ausstattung, der Wareneingang oder Wareneinsatz, die Zahl der Arbeitskräfte und die Stabilität der Erträge und Aufwendungen.

3. Die Art der Gewinnermittlung für die einzelnen

Gruppen von Betrieben durch Aufstellung von Reingewinnsätzen und Reingewinnprozentsätzen vom Einheitswert oder vom Umsatz oder von anderen, für einen Rückschluß auf den Umsatz und Gewinn geeigneten äußeren Betriebsmerkmalen. In der Verordnung kann bestimmt werden, daß für die Gewinnermittlung nur die Betriebsausgaben oder Betriebsausgabenteile nach Durchschnittssätzen ermittelt werden.

4. Der Veranlagungszeitraum, für den die Durchschnittssätze anzuwenden sind.

5. Der Umfang, in dem jenen Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach Durchschnittssätzen ermitteln, Erleichterungen in der Führung von Aufzeichnungen gewährt werden."

§14 Abs 1 bis Abs 3 UStG 1994 lautet idgF:

"§14. (1) Unternehmer können die abziehbaren Vorsteuerbeträge wahlweise nach folgenden Durchschnittssätzen ermitteln:

1. [...]

2. Der Bundesminister für Finanzen kann weiters mit Verordnung für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge Durchschnittssätze für Gruppen von Unternehmern aufstellen. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Unternehmern festzusetzen.

(2) In der Verordnung gemäß Abs 1 Z 2 werden bestimmt:

1. Die Gruppe von Betrieben, für welche Durchschnittssätze anwendbar sind;

2. die für die Ermittlung der Durchschnittssätze

jeweils maßgebenden Merkmale. Als solche kommen insbesondere Art und Höhe der an den Betrieb ausgeführten Umsätze in Betracht;

3. der Umfang, in dem Unternehmern, deren Vorsteuer nach diesen Durchschnittssätzen zu ermitteln ist, Erleichterungen in der Führung von Aufzeichnungen gewährt werden.

(3) Die Durchschnittssätze gemäß Abs 1 Z 2 müssen zu einer Vorsteuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich ohne Anwendung der Durchschnittssätze ergeben würde."

III. Erwägungen

1. Prozessvoraussetzungen

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Die dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofs

zugrunde liegenden Beschwerden betreffen Verfahren, in denen es einerseits darum geht, ob in diesen Fällen die Gaststättenpauschalierungs-VO anwendbar ist, andererseits die Frage aufgeworfen wird, ob diese Verordnung im Hinblick auf die durch sie vermittelten gravierenden Steuervorteile gegen Unionsrecht, konkret gegen das nunmehr in Art 107 AEUV normierte Beihilfenverbot verstoße. Dem Verwaltungsgerichtshof ist zuzustimmen, dass er bei der Erledigung dieser Beschwerden die Gaststättenpauschalierungs-VO, BGBl. II 227/1999, und zwar zum Teil in der Fassung BGBl. II 416/2001, zum Teil in der Fassung BGBl. II 634/2003 anzuwenden hat. Dem Verwaltungsgerichtshof ist auch hinsichtlich des Anfechtungsumfanges zuzustimmen: Anzuwenden sind von ihm jedenfalls die §§2 bis 4, mit denen § 5 (vor dessen Aufhebung durch BGBl. II 634/2003) und § 6 eine untrennbare Einheit bilden.

1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verfahren zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf

Antrag eingeleiteten Verfahren auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg. 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist

(VfSlg. 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gehen einerseits in die Richtung, dass die in der Verordnung festgelegten Pauschalsätze für Gewinn und Vorsteuern in einer großen Zahl von Fällen nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechen, andererseits wird vorgebracht, dass die vom Verordnungsgeber vorgesehenen Gewinn- und Vorsteuersätze offenbar nicht auf Grundlage von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei Gaststätten- und Beherbergungsbetrieben bestimmt wurden. Insbesondere habe der Verordnungsgeber mit der von ihm gewählten Technik aus der breiten Vielfalt von gastronomischen Betrieben Steuerpflichtige mit jeweils unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen zu einer Gruppe zusammengefasst.

Die ertragsteuerlichen Regelungen der angefochtenen Verordnung beruhen auf § 17 Abs 4 und 5 EStG 1988. Nach Abs 4 leg.cit. können mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen für die Ermittlung des Gewinnes Durchschnittssätze für Gruppen von Steuerpflichtigen aufgestellt werden. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Steuerpflichtigen festzusetzen.

Nach § 14 Abs 1 Z 2 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge Durchschnittssätze für Gruppen von Unternehmern aufstellen. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Unternehmern festzusetzen. Nach Abs 3 leg.cit. müssen die Durchschnittssätze zu einer Vorsteuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich ohne Anwendung der Durchschnittssätze ergeben würde.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass es das Gleichheitsprinzip dem Gesetzgeber jedenfalls dann nicht verbietet, pauschalierende Regelungen zu treffen, wenn sie den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen und im Interesse der Verwaltungsökonomie liegen, also sachlich begründet sind (VfSlg. 4930/1965 KFZ-Pauschale, 5022/1965, 7136/1973, 7286/1974, 9624/1983, 13.726/1994). Konkret zu der § 17 Abs 4 EStG 1988 entsprechenden Vorschrift des § 29 EStG 1953, die ebenfalls die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Gruppen von Steuerpflichtigen vorsah, hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 5160/1965 festgehalten, dass die Auswahl dieser Gruppen dem Verordnungsgeber überlassen ist:

"Die Gruppe wird wohl nach der Art des Gewerbebetriebes, aber auch nach dem Umfang des Betriebes abzugrenzen sein, weil nur in diesem Fall überhaupt nach den Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse für die jeweilige Gruppe Durchschnittssätze festgelegt werden können. [...] Liegen aber die Verhältnisse in einem Betrieb so, daß sie den Erfahrungssätzen widersprechen, etwa wenn der Umsatz den Durchschnitt so erheblich unter- oder überschreitet, daß sie außerhalb des Rahmens einer Pauschalierungsmöglichkeit fallen, so können Durchschnittssätze für solche Gewerbebetriebe nicht aufgestellt werden."

Die angefochtene Verordnung betrifft Betriebe des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes, die keiner Buchführungspflicht unterliegen, Bücher auch nicht freiwillig führen und deren Vorjahresumsätze nicht mehr als € 255.000,-

betragen haben. Betriebe des Gaststättengewerbes liegen nach § 2 Abs 2 leg.cit. (in den angefochtenen Fassungen) nur vor, wenn in geschlossenen Räumlichkeiten Speisen und Getränke zur dortigen Konsumation angeboten werden und Umsätze überwiegend aus derartigen Konsumationen erzielt werden. Nicht als Betriebe des Gaststättengewerbes sind nach dieser Vorschrift anzusehen: Würstelstände, Maroni- und Kartoffelbratereien, Eisgeschäfte, Konditoreien, Fleischhauer, Bäcker, Milchgeschäfte und Molkereien, Spirituosenhandlungen und vergleichbare Betriebe. Für Betriebe des Beherbergungsgewerbes enthält die Verordnung keine genauere Begriffsbestimmung. Ebenso fehlt es an einer weiteren Differenzierung im Hinblick auf die Gewinnermittlung. Der Gewinn aus einem Betrieb des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes, der in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, ist nämlich, wenn von der Pauschalierung Gebrauch gemacht wird, stets mit einem Durchschnittssatz (Sockelbetrag) von € 2.180,- zuzüglich 5,5 % der Betriebseinnahmen (inkl. Umsatzsteuer), mindestens jedoch mit einem Betrag von € 10.900,- anzusetzen. Betriebsausgaben dürfen davon nicht abgezogen werden.

Die gewählte Rechtstechnik bedeutet, dass die Gewinnpauschalierung für sämtliche von der Verordnung erfassten Betriebe des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes nach einem einheitlichen Berechnungsschema erfolgt, das im Wesentlichen - sieht man vom Sockelbetrag und vom Mindestbetrag ab - auf einen einheitlichen Prozentsatz der Betriebseinnahmen abstellt. Die abziehbaren Vorsteuerbeträge sind für diese Betriebe mit einem Durchschnittssatz von 5,5 % der Betriebseinnahmen (inkl. Umsatzsteuer) anzusetzen, ausgenommen jene, die auf Umsätze mit Getränken entfallen. Die Vorsteuerbeträge für die Lieferung von Getränken sind in der exakten Höhe abzugsfähig. Gleiches gilt für Vorsteuerbeträge im Sinn des § 14 Abs 1 Z 1 lita und b UStG 1994, das sind Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Anschaffung von bzw. Dienstleistungen an beweglichem Anlagevermögen.

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof leitet bereits aus den bei ihm anhängigen Beschwerdefällen, die Anlass zu seinem Antrag gegeben haben, ab, dass die Abweichung des nach dieser Formel ermittelten Gewinnes vom tatsächlichen Gewinn in vielen Fällen ein solches Ausmaß erreicht, dass die Verordnung gegen § 17 Abs 4 EStG 1988 verstößt, wonach die Durchschnittssätze auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Steuerpflichtigen festzusetzen sind und zu einer den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Gruppenmitglieder möglichst entsprechenden Besteuerung führen sollen. Die Ursache dafür sieht er darin, dass die allgemein gehaltenen Anwendungskriterien der Verordnung angesichts der im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe bestehenden Typenvielfalt dazu führt, dass Betriebe unter die Verordnung fallen, die nicht miteinander vergleichbar sind.

Mit diesem Vorbringen ist der antragstellende

Gerichtshof im Recht. Die Bundesministerin für Finanzen bezieht sich in ihrer Äußerung auf die auch vom Verwaltungsgerichtshof zitierte Studie von Wöber, Betriebskennzahlen des österreichischen Gastgewerbes Bilanzjahr 1999, aus der sie ableitet, dass die Regeln der Verordnung den Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei Gaststätten- und Beherbergungsbetrieben entsprechen. Aus dieser Studie ergebe sich ein durchschnittlicher Gewinnprozentsatz von 4,6 %, der somit deutlich unter dem von der Verordnung festgesetzten Gewinnprozentsatz liege. Dabei wird jedoch übergangen, dass es sich bei diesem Prozentsatz um einen (ungewichteten) Mittelwert handelt. Die von der Bundesministerin aus dieser Studie entnommene Tabelle (siehe oben) unterscheidet 15 Kategorien von Gaststätten- und Beherbergungsbetrieben (Restaurants, Gasthäuser, Kaffeehäuser, Espressi und Buffets, Hotelbetriebe - überwiegend mit Untergliederungen nach Kategorien), wobei die durchschnittlichen "Gewinnprozentsätze" bei diesen Kategorien zwischen + 16 % (Kaffeehäuser Kategorie 1) und - 3 % (Gasthäuser Kategorie 1 mit mehr als 10 Mitarbeitern) liegen. Selbst wenn man unterstellt, dass Betriebsgruppen, die durchschnittlich Verluste machen, von der Pauschalierung nicht betroffen sind, weil die ihr zugehörenden Betriebe in der Regel eine exakte Erfolgsermittlung vornehmen werden, bleiben noch markante Unterschiede in den empirisch ermittelten Gewinnprozentsätzen. Die in der Äußerung vorgelegte Tabelle spricht somit gerade nicht für die Angemessenheit des (einheitlichen) Satzes von 5,5 %, sondern bestätigt vielmehr die vom antragstellenden Gerichtshof vorgebrachten Bedenken, dass ein einheitlicher Gewinndurchschnittssatz nicht geeignet ist, den offenbar gegebenen - erheblichen - Unterschieden zwischen den verschiedenen Gruppen von Betrieben Rechnung zu tragen. Gleiches ergibt sich im Übrigen aus dem den Anfechtungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs kommentierenden Artikel von Pircher (SWK 2011, S 1042), der die Vielfalt der Betriebstypen im Bereich des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes darlegt, jene Faktoren herausarbeitet, die bei diesen Typen jeweils die Kosten- und Gewinnsituation beeinflussen, und zum Ergebnis kommt, dass es problematisch wäre, die Gewinnermittlung ausschließlich an einem einheitlichen Prozentsatz des Umsatzes zu orientieren.

Das erste Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs, die Verordnung sei gesetzwidrig, weil der auf ihrer Grundlage ermittelte Gewinnbetrag in einer großen Anzahl von Fällen nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht, trifft somit zu. Die von der Pauschalierung erfasste Gruppe ist offenbar so abgegrenzt, dass sie Betriebe mit ganz unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Parametern, vor allem mit ganz unterschiedlichen Aufwandsstrukturen, umfasst, womit sich aber eine den wirtschaftlichen Verhältnissen gerecht werdende Pauschalierung von vornherein verbietet bzw. nur mit erheblichen Korrekturen verwirklicht werden kann. Der Verordnungsgeber hat somit der an sich verfassungsrechtlich zulässigen Pauschalierung einen gesetzwidrigen Anwendungsbereich gegeben, indem er praktisch sämtliche, eine bestimmte (Umsatz)Größe nicht überschreitende Gaststätten- und Beherbergungsbetriebe ungeachtet der unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer Gruppe zusammengefasst und für diese einen einheitlichen Gewinnprozentsatz festgelegt hat. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Verordnung den sachlichen Anwendungsbereich durch verschiedene Vorbehalte auf kleinere Betriebe beschränkt. Auch in diesem Anwendungsbereich ist von einer Homogenität der erfassten Betriebe nicht auszugehen.

Im Hinblick auf die Vorsteuerpauschalierung ist die Rechtslage insofern differenzierter, als die Vorsteuern im Zusammenhang mit Getränken und im Zusammenhang mit bestimmten Aufwendungen für das Anlagevermögen von der Pauschalierung nicht erfasst sind und die besonders stark variierende Aufwandskategorie Personalaufwand ohnehin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass die Vorsteuerpauschalierung sich - entgegen § 14 Abs 2 Z 1 UStG 1994 - nicht nach Art und Höhe der an den Betrieb ausgeführten Umsätze richtet, sondern schematisch in einem Prozentsatz der Betriebseinnahmen festgesetzt ist. Damit hängt der Betrag der abziehbaren Vorsteuern von der Höhe der Betriebseinnahmen ab und vernachlässigt die unterschiedliche Aufwandsstruktur bei den erfassten Betrieben. Auch insoweit trifft es also zu, dass der Verordnungsgeber in gesetzwidriger Weise Betriebe zu einer Gruppe zusammengefasst hat, die sich hinsichtlich der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse nicht in der gleichen wirtschaftlichen Situation befinden.

Der Verfassungsgerichtshof stimmt dem Verwaltungsgerichtshof darin zu, dass eine einschränkende Interpretation der Verordnung in dem Sinn, dass nur Betriebe mit einer "typischen Kostenstruktur" in ihren Anwendungsbereich fallen, nicht in Betracht kommt. Eine solche Einschränkung hätte zur Folge, dass die Verordnung einen ganz unbestimmten Anwendungsbereich erhielte, weil normative Vorgaben für die Ermittlung dieser Kostenstruktur notwendigerweise fehlen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof äußert überdies das Bedenken, dass die Gewinn- und Vorsteuersätze nicht auf der Grundlage von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei Gaststätten- und Beherbergungsbetrieben festgesetzt wurden. Die Bundesministerin für Finanzen teilt mit, dass die auf die Verordnung Bezug habenden Akten infolge Skartierung nicht vorgelegt werden können, ohne freilich zu erklären, warum bei einer Verordnung aus dem Jahr 1999, die nach wie vor in Geltung steht, eine Skartierung der Verordnungsakten vorgenommen wurde. Die von ihr angeführte Studie der Österreichischen Gesellschaft für angewandte Fremdenverkehrswissenschaft (ÖGAF), die nach ihren Angaben der Festsetzung des Durchschnittssatzes zugrunde lag, wurde nicht vorgelegt. In der Äußerung der Bundesministerin für Finanzen wird das wesentliche Ergebnis dieser Studie wie folgt wiedergegeben:

Durchschnittlicher "[s]teuerlicher Gewinn/Verlust

(in Prozent der Betriebserlöse):

Beherbergungsbetriebe -4,5 %

Restaurants und Gasthäuser -0,8 %

Buffets, Kaffeehäuser 2,3 %".

Eine Begründung für den letztlich in der Verordnung festgelegten, für Gaststätten- und Beherbergungsbetriebe einheitlichen Gewinnprozentsatz in Höhe von 5,5 % vermag diese Erhebung offensichtlich nicht zu liefern. Wenn die Bundesministerin ergänzt, dass diese Studie an Hand einer Erhebung bei den Finanzämtern evaluiert worden sei und in der Folge die bis heute gültigen Werte festgesetzt worden seien, dann belegt sie damit nicht, dass den vom Verordnungsgeber gewählten Prozentsätzen Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei den erfassten Betrieben zugrunde lagen.

Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, dass es im Wesen einer Pauschalierung liegt, zum Zwecke der Vereinfachung der Steuererhebung von den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles abzusehen und Durchschnittswerte zugrunde zu legen. Nicht jede Abweichung vom tatsächlichen Ergebnis erfordert daher ein Abgehen von der Pauschalierung. Andernfalls wäre die von einer Pauschalierung erwartete Vereinfachung sowohl auf Seiten des Steuerpflichtigen als auch auf Seiten der Verwaltung von vornherein nicht erreichbar. Den Vorgaben des Verfassungsrechts und auch des § 17 Abs 4 EStG 1988 bzw. des § 14 UStG 1994 entspricht eine Pauschalierung aber nur dann, wenn sie sich auf eine unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einigermaßen homogene Gruppe von Betrieben bezieht und die Pauschalierung für die Mehrzahl der Fälle ein Resultat erbringt, das den tatsächlichen Ergebnissen zumindest im mehrjährigen Durchschnitt entspricht.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass die Pauschalierung nach der angefochtenen Verordnung stets nur begünstigenden Charakter hat, weil der Steuerpflichtige offenbar in jedem Jahr die für ihn günstigere Gewinnermittlungsvariante wählen kann und insbesondere nicht gehindert ist, nach Übergang zu einer exakten Gewinnermittlung im Folgejahr wieder zur Pauschalierung zu wechseln, so dass die Unschärfe im Prozentsatz auch nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass er jedenfalls für einen längeren Zeitraum zur Anwendung kommt. An diesem Resultat ändert auch der Umstand nichts, dass die Pauschalierung - wie die Bundesministerin für Finanzen in ihrer Äußerung vorbringt - von einer vergleichsweise geringen Zahl von Betrieben in Anspruch genommen wird.

Was hingegen den von der Bundesministerin für

Finanzen besonders betonten Aspekt der (Verwaltungs)Vereinfachung betrifft, so kann der Verfassungsgerichtshof ihm im vorliegenden Fall nur eine eingeschränkte Bedeutung beimessen. Angesichts der von der Verordnung gewählten Rechtstechnik ist vom rational denkenden Steuerpflichtigen bzw. von seinem Berater in jedem Jahr die Entscheidung zu treffen, ob von der Pauschalierung Gebrauch gemacht wird oder ob die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung oder gar Buchführung zum günstigeren Ergebnis führt. Die Anwendung der Pauschalierungsverordnung erfordert daher jeweils, um den Vergleich vornehmen zu können, eine Kontrollrechnung. Dem Verfassungsgerichtshof scheint es bemerkenswert, dass in allen zugrunde liegenden Anlassfällen in den Verwaltungsakten Unterlagen über den jeweils tatsächlich erzielten Gewinn zu finden sind. Angesichts dessen beschränkt sich der Vereinfachungseffekt offenbar auf Erleichterungen im Beweisbereich.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die angefochtenen Bestimmungen sind daher als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die angefochtenen Bestimmungen gehören zum Teil weiterhin in der Stammfassung dem Rechtsbestand an, zum Teil stehen sie mit einem in der Vergangenheit liegenden Anwendungsbereich weiterhin in Geltung. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 8709/1979, 12.930/1991, 13.881/1994, 16.115/2001, 17.551/2005, 19.184/2010) ist daher mit einer Aufhebung nach Abs 3 des Art 139 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs 4 der eben genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmungen gründet sich auf Art 139 Abs 5 letzter Satz B-VG.

4. Die Bundesministerin für Finanzen hat beantragt, für das Außerkrafttreten eine Frist bis frühestens zum Ablauf des zu bestimmen, um einerseits ein unterjähriges Außerkrafttreten zu vermeiden und andererseits eine genaue Prüfung und allfällige legislative Neuregelung im Lichte des Erkenntnisses zu ermöglichen. Der Verfassungsgerichtshof hält diese Fristsetzung aus den genannten Gründen für gerechtfertigt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die §§2 und 6 der Verordnung durch BGBl. II 149/2007 eine neue Fassung erhalten haben, somit in den aufgehobenen Fassungen nicht mehr in Geltung stehen, und dass § 5 gemäß BGBl. II 634/2003 letztmalig bei der Veranlagung 2002 anzuwenden war. Eine Fristsetzung war daher nur für die anderen aufgehobenen Bestimmungen auszusprechen.

5. Die Verpflichtung der Bundesministerin für

Finanzen zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 60 Abs 2 VfGG iVm § 4 Abs 1 Z 4 BGBlG.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.