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VfGH vom 01.03.2003, g174/01

VfGH vom 01.03.2003, g174/01

Sammlungsnummer

16816

Leitsatz

Präjudizialität von Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes über die Haftung für nicht in einem Luftfahrzeug beförderte Personen und Sachen; denkmögliche Annahme der Anwendung der angefochtenen Bestimmungen durch das antragstellende Gericht auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten; teilweise Zurückweisung des Antrags als überschießend; keine unsachliche Differenzierung zwischen der Haftung aus einem Beförderungsvertrag und allen sonstigen Haftungsfällen; sachliche Rechtfertigung der Beschränkung der Haftung aus einem Beförderungsvertrag für Fälle leichter Fahrlässigkeit durch Festlegung eines Höchstbetrages und den Ausschluss von Schmerzengeld

Spruch

1. Der Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "oder der Verletzung" in § 29c Abs 1 des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom , Deutsches Reichsgesetzblatt I Seite 653, der Gesetze vom , Deutsches Reichsgesetzblatt I Seite 1246, vom , Deutsches Reichsgesetzblatt I Seite 69, und der Bundesgesetze BGBl. Nr. 200/1963 und 236/1971, sowie des Wortteils "grob" des Wortes "grobfahrlässig" in § 29e Abs 1 leg.cit. wird abgewiesen.

2. Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem vorliegenden, auf Art 89 Abs 2 B-VG und Art 140 Abs 1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Oberlandesgericht Innsbruck,

"im Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom DRGBl I Seite 653, des Gesetzes vom , DRGBl I Seite 1246, des Gesetzes vom , DRGBl I Seite 69 sowie der Bundesgesetze BGBl Nr. 253/1957, 200/1963, 236/1971, 91/1976, 343/1989 unter Berücksichtigung der Übergangsbestimmungen der §§173 Abs 5, 174 Abs 2 Luftfahrtgesetz in BGBl I 102/1997 folgende Bestimmungen (Wortfolgen) als verfassungswidrig aufzuheben:

1. den Abs 1 in § 29c zur Gänze;

2. in § 29d die Wendung 'bis 22' und

3. in § 29e erster Absdie Wortfolge 'grob'."

2. Diesem Antrag liegt folgende beim Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht anhängige Rechtssache zugrunde:

Die Klägerin hatte am mit dem Beklagten in Tirol einen Beförderungsvertrag zur Durchführung eines Paragleiter-Tandemfluges geschlossen. Der Flug wurde am selben Tag von einem vom Beklagten beauftragten Tandempiloten durchgeführt. Im Zuge einer Notlandung auf einem Fußballplatz schlitterten die Klägerin und der Pilot gegen die Betonwand eines Tribünenaufbaus; die Klägerin verletzte sich beim Aufprall schwer. Aufgrund dieses Unfalls begehrte sie vom Beklagten die Bezahlung von 267.399,37 S samt Zinsen sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche künftige der Klägerin aus dem Unfall entstehenden Schäden. Das Landesgericht Innsbruck erkannte mit Urteil vom der Klägerin den Betrag von 250.676,27 S samt Zinsen zu und entschied ferner im Sinne des von ihr gestellten Feststellungsbegehrens. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Gegen den stattgebenden Teil des Urteils erhob die beklagte Partei Berufung. Das antragstellende Oberlandesgericht Innsbruck kommt zum Ergebnis, dass näher bezeichnete Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes heranzuziehen sind und zu prüfen ist, ob der Klägerin aufgrund dieser Bestimmungen der von ihr begehrte Schadenersatz zukommen kann oder nicht.

3. In seinem Antrag an den Verfassungsgerichtshof führt das Oberlandesgericht Innsbruck zur Frage der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen Folgendes aus (Seite 16 f.):

"[...] Ausgehend vom Unfallszeitpunkt am sind die Haftungsbestimmungen des X. eiles (§§146 ) des Luftfahrtgesetzes (LFG) BGBl 1957/253 idgF (noch) nicht anzuwenden. Denn nach der Übergangsbestimmung der §§173 Abs 5 bzw. 174 Abs 2 leg. cit. (Novelle zum LFG BGBl I Nr. 102/1997) hat für Schäden vor dem noch die frühere Rechtslage Geltung. Es galt daher die Bestimmung des § 151 LFG aF, nach der die bisherigen, die Haftpflicht und die Verpflichtung zum Abschluss von Haftpflicht- und Unfallversicherungen in der Luftfahrt regelnden gesetzlichen Bestimmungen unberührt bleiben und damit das LuftVG RGBl 1936 I Seite 653 samt den dazu ergangenen Novellierungen anwendbar ist (vgl. 2 Ob 344/99y).

[...] Seit dem 4. Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes RGBl. I 1943 Seite 69 wurden die Haftungsbestimmungen in zwei Abschnitte aufgeteilt, und zwar wird im ersten Unterabschnitt die Haftung für Personen und Sachen, die nicht im Luftfahrzeug befördert werden, und in einem zweiten Unterabschnitt die Haftung aus dem Beförderungsvertrag (§§29a f) geregelt, welch letztere Bestimmungen für den vorliegenden Fall ausschließlich relevant sind: Steht doch zwischen den Parteien sogar außer Streit, dass ein solcher Beförderungsvertrag (entgeltlich) abgeschlossen wurde. Es ist daher nicht offenkundig unrichtig oder denkunmöglich, dass das Berufungsgericht die dargestellten Bestimmungen des zweiten Unterabschnittes im vorliegenden Fall anzuwenden hat. Die dargestellten und vom Berufungsgericht angefochtenen Normen bilden also eine Voraussetzung der gerichtlichen Entscheidung im Anlassfall. Die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Präjudizialität (z.B. VfSlg 9811/1983; 10296/1984; 11565/1987; 12189/1989 u.a.) ist nach Meinung des Berufungsgerichtes gegeben."

4. Die im gegebenen Zusammenhang relevanten Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) sind in dessen zweitem Abschnitt ("Haftpflicht") enthalten (maßgebliche Änderungen wurden insbesondere durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom , Deutsches Reichsgesetzblatt I Seite 69, sowie durch die Bundesgesetze BGBl. 200/1963 und 236/1971 normiert; letztmalige Änderung des Luftverkehrsgesetzes durch das Bundesgesetz BGBl. 343/1989).

Die entsprechenden Normen lauten wie folgt (die vom Oberlandesgericht Innsbruck angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"1. U n t e r a b s c h n i t t

Haftung für Personen und Sachen, die nicht im Luftfahrzeug befördert

werden

§19

(1) Wird beim Betrieb eines Luftfahrzeuges durch Unfall jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter des Luftfahrzeuges verpflichtet, den Schaden zu ersetzen. Für die Haftung aus dem Beförderungsvertrag sowie für die Haftung der Luftwaffe und der Luftausbildungsunternehmen gelten die besonderen Vorschriften der §§29a bis 29m.

(2) [...]

§20

[...][Anm.: Regelt den Fall, dass bei Entstehung des Schadens "ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt" hat.]

§21

[...] [Anm.: Regelt den Schadenersatz bei Tötung.]

§22

Bei Verletzung des Körpers oder der Gesundheit umfasst der Schadenersatz die Heilungskosten sowie den Vermögensnachteil, den der Verletzte dadurch erleidet, daß infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder sein Fortkommen erschwert ist oder seine Bedürfnisse vermehrt sind.

§23

[...][Anm.: normiert Haftungshöchstbeträge]

§24

[...][Anm.: Regelt den Schadenersatz durch Leistung einer Geldrente.]

§25

[...][Anm.: Regelt die Verjährung der Schadenersatzansprüche nach den §§19 bis 24]

§26

[...][Anm.: Regelt die Pflicht des Ersatzberechtigten, den Unfall anzuzeigen.]

§27

[...]

§28

Unberührt bleiben die reichsgesetzlichen Vorschriften, wonach für den beim Betrieb eines Luftfahrzeugs entstehenden Schaden der Halter oder Benutzer (§19, Abs 2) im weiteren Umfang oder der Führer oder ein anderer haftet.

§29

[...]

2. U n t e r a b s c h n i t t

Haftung aus dem Beförderungsvertrag

§29a

(1) Wird ein Fluggast an Bord eines Luftfahrzeugs oder beim Ein- und Aussteigen getötet, körperlich verletzt oder sonst gesundheitlich geschädigt, so ist der Halter des Luftfahrzeugs verpflichtet, den Schaden zu ersetzen. Das gleiche gilt für den Schaden, der an Sachen entsteht, die der Fluggast an sich trägt oder mit sich führt.

(2) Der Halter des Luftfahrzeugs haftet ferner für den Schaden, der an Frachtgütern und aufgegebenem Reisegepäck während der Luftbeförderung entsteht. Die Luftbeförderung umfasst den Zeitraum, in dem sich die Güter oder das Reisegepäck auf einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrzeugs oder - bei Landung außerhalb eines Flughafens - sonst in der Obhut des Halters befinden.

§29b

Die Ersatzpflicht des Luftfahrzeughalters nach § 29a tritt nicht ein, wenn er beweist, daß er und seine Leute alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben oder daß sie diese Maßnahmen nicht treffen konnten.

§29c

(1) Im Falle der Tötung oder der Verletzung einer beförderten Person haftet der Luftfahrzeughalter für jede Person bis zu einem Betrag von 430.000 S. Dies gilt auch für den Kapitalwert einer als Entschädigung festgesetzten Rente.

(2) Im Falle des Verlustes oder der Beschädigung einer beförderten Sache haftet der Luftfahrzeughalter bis zu einem Betrag von 430 S für das Kilogramm. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn der Absender bei der Aufgabe des Stückes einen Lieferwert angegeben und den vereinbarten Zuschlag entrichtet hat. In diesem Falle hat der Luftfahrzeughalter bis zur Höhe des angegebenen Lieferwerts Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, daß der angegebene Lieferwert höher ist als der tatsächlich entstandene Schaden.

(3) Die Haftung des Luftfahrzeughalters für Gegenstände, die der Fluggast an sich trägt oder mit sich führt, ist auf einen Höchstbetrag von 8.600 S gegenüber jedem Fluggast beschränkt.

§29d

Auf die Haftung des Luftfahrzeughalters für Schäden an beförderten Personen oder Sachen finden im übrigen die §§20 bis 22, 24 bis 26 Anwendung.

§29e

(1) Der Anspruch auf Schadenersatz kann gegen den Luftfahrzeughalter nur aufgrund der Bestimmungen dieses Unterabschnitts geltend gemacht werden. Ist jedoch der Schaden von dem Luftfahrzeughalter oder einem seiner Leute in Ausführung ihrer Verrichtungen vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt worden, so bleibt die Haftung nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften unberührt; die Haftungsbeschränkungen dieses Gesetzes gelten in diesem Falle nicht.

(2) Unberührt bleiben ferner die gesetzlichen Vorschriften, wonach der Führer des Luftfahrzeugs oder andere Personen für den Schaden haften.

§29f

(1) Inhaber von Luftverkehrsunternehmen dürfen die Haftung auf Grund der §§29a bis 29e im voraus durch Vereinbarung weder ausschließen noch beschränken. Das gleiche gilt für sonstige Luftfahrzeughalter, die jemand gegen Entgelt oder im Zusammenhang mit ihrem Beruf oder Gewerbe im Luftfahrzeug befördern.

(2) Eine Vereinbarung, die der Vorschrift im Abs 1 zuwider abgeschlossen wird, ist nichtig; dies hat nicht die Nichtigkeit des sonstigen Vertragsinhalts zur Folge."

5. Die Bedenken des Oberlandesgerichtes Innsbruck gegen die angefochtenen Bestimmungen lauten wie folgt (Pkt. 4 des Antrages):

"4.1. Zur Bestimmung des § 22 LuftVG vertritt der Oberste Gerichtshof die Meinung, dass ein Ersatz von immateriellen Schäden (insbesondere Schmerzengeld) zufolge der enumerativen Aufzählung der Schäden nicht in Frage komme. Er hat sich mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung auseinandergesetzt, wobei sich dieses Problem dem Obersten Gerichtshof allerdings nicht im Zusammenhang mit einer Haftung aus dem Beförderungsvertrag gestellt hat, sondern mit einem Haftungsfall im Sinne des ersten Unterabschnittes des LuftVG. Seine Auffassung hat der Oberste Gerichtshof wie folgt begründet (vgl. SZ 64/152):

'§1306 ABGB geht davon aus, daß man in der Regel nicht schuldig ist, den Schaden, den jemand ohne Verschulden oder durch eine unwillkürliche Handlung verursacht hat, zu ersetzen. Dieser Grundsatz wurde in zahlreichen eine Gefährdungs- oder Erfolgshaftung anordnenden gesetzlichen Bestimmungen sowie durch die Rechtsprechung, die in vielen Fällen die Grundsätze der Gefährdungshaftung auf gefährliche Betriebe, Anlagen und Sachen analog ausdehnte, durchbrochen. Zur Frage des Ersatzes immaterieller Schäden läßt sich allerdings keine einheitliche Linie des Gesetzgebers erkennen. Die aus dem deutschen Rechtsbereich übernommenen noch in Österreich in Geltung stehenden Vorschriften des Luftverkehrs- und des Reichshaftpflichtgesetzes (§§21 ff LuftVG, § 3a RHPflG), kennen bei Haftung auf Grund von Gefährdung keine Ansprüche auf Ersatz immateriellen Schadens (Koziol aaO 422, 487 f; Giemulla-Schmid aaO Rz 1 zu § 36 dLFG; Filthaut, Haftpflichtgesetz2 Rz 1 zu § 6; Soergel-Zeuner11 Rz 7 zu § 847 BGB; Thomas in Palandt50 1010). In dieser Beschränkung wird ein Korrelat zur strengeren Haftung erblickt (Filthaut aaO). Der Ausschluß immateriellen Schadens nach § 3a RHPflG gilt auch gemäß § 29 Abs 2 StarkstromwegeG 1968 für Ersatzansprüche bei Körperschäden oder Tötung. Andererseits wird in neueren, die Gefährdungshaftungstatbestände regelnden Gesetzen nunmehr vielfach auch der Ersatz immateriellen Schadens angeordnet. In erster Linie sind hier die Bestimmungen der §§12 Abs 1 Z 4 und 13 Z 4 und 5 EKHG in der Fassung der Novelle 1968 BGBl Nr. 69 zu nennen. Die RV 620 BlgNR

11. GP 5 f begründet die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz damit, daß dies altösterreichischer Auffassung entspreche, die §§12 und 13 AtomHG ebenfalls den Ersatz von Schmerzengeld (allerdings nur bei längerem Siechtum) kennen und die Gerichte wegen des Fehlens von Vorschriften über Ersatz immaterieller Schäden geneigt seien, einem entfernten Verschulden nachzuspüren, das vielfach unerörtert geblieben wäre, wenn es einen Ersatz immaterieller Schäden gebe. Es sei für gerecht und billig zu halten, daß Menschen, die möglicherweise keinen wirtschaftlichen Schaden haben, aber monatelang mit heftigen Schmerzen im Krankenhaus sein müssen oder sogar ihr ganzes Leben zum Krüppel oder verunstaltet werden, von einer Entschädigung nicht ausgeschlossen bleiben sollen. Diese Regelung wurde in der Folge für eine Reihe anderer Gefährdungstatbestände beispielhaft (§186 BergG; § 10 Abs 2 RohrleitungsG). Andererseits sieht § 2 Abs 2 des Polizeibefugnis- und Entschädigungsgesetzes 1988, das sich an den Bestimmungen des Gesetzes über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen orientiert, einen Anspruch auf Schmerzengeld ausdrücklich nicht vor. Die RV 722 BlgNR 17. GP 8 begründet dies damit, daß es sich um keinen Schadenersatz im zivilrechtlichen Sinn handelt, sondern lediglich um die Überwälzung einer Belastung, die einen 'Unschuldigen' getroffen hat, auf die Allgemeinheit. Koziol aaO

II 487 hält die Differenzierung beim Ersatz immaterieller Schäden nach den Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes und des Luftverkehrsgesetzes in keiner Weise für sachlich gerechtfertigt.

Der erkennende Senat hat erwogen: Eine Pflicht des Obersten Gerichtshofes zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof setzt relevante Gründe voraus, die für eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen gesetzlichen Bestimmung sprechen (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6 Rz 1111). Solche Gründe liegen nicht schon dann vor, wenn eine Partei Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit äußert, der Oberste Gerichtshof hat vielmehr aus eigenem die einschlägigen verfassungsrechtlichen Fragen zu prüfen (WBl 1990, 24) und diese somit als Vorfrage zu beantworten (Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3 339). Der Sache nach wirft die Klägerin dem einfachen Gesetzgeber vor, daß er nach der Novelle zum Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz im Jahre 1968 und den in späteren Jahren erfolgten Verweisungen anderer Gefährdungstatbestände auf diese Bestimmung in der Frage des Umfanges der Haftung des Halters des Luftfahrzeuges untätig blieb und eine entsprechende Änderung des Gesetzes unterließ. Nun müssen zwar Gesetze nicht nur zum Zeitpunkt der Erlassung, sondern zu jedem Zeitpunkt ihrer Anwendung sachgerecht sein. Eine zum Zeitpunkt ihrer Erlassung sachgerechte Norm kann durch Änderung der Umstände gleichheitswidrig werden (VfSlg 11.048/1986 mwN; Walter-Mayer aaO Rz 1353; Adamovich-Funk aaO 381 f; Mayer in ÖJZ 1980, 343 mwN in FN 91). Das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot verpflichtet aber den einfachen Gesetzgeber nur dann zu einem positiven Tun, wenn sonst Willkür vorläge (VfSlg 5169/1965), d.h. wenn bei völlig gleichem Tatbestand eine Differenzierung nach unsachlichen Unterscheidungsmerkmalen herbeigeführt würde. Ein völlig gleicher Sachverhalt liegt aber bei den Haftungsbestimmungen des Luftverkehrsgesetzes zu denen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes schon deshalb nicht vor, weil der Halter eines Luftfahrzeuges selbst im Fall höherer Gewalt Personen gegenüber, die nicht im Luftfahrzeug befördert wurden, haftet, der Betriebsunternehmer der Eisenbahn oder der Halter eines Kraftfahrzeuges aber nicht, wenn er nachweisen kann, daß der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde (§9 EKHG). Diese Differenzierung der Haftungsgrundlage läßt aber dann den Unterschied im Haftungsumfang nicht willkürlich erscheinen, so daß zu einer Antragstellung nach Art 140 B-VG kein Anlaß besteht.'

4.2. Während bezogen auf den ersten Unterabschnitt der Oberste Gerichtshof die Meinung vertritt, dass mangels einer Sonderregelung im LuftVG für die Haftung des Halters des Luftfahrzeuges gegenüber einem Flugzeuginsassen, mit dem dieser Halter keinen Beförderungsvertrag abgeschlossen hat, im Haftungsfall aus einem solchen Beförderungsverhältnis die allgemeinen Schadenersatzbestimmungen des Bürgerlichen Rechtes zur Anwendung gelangen (vgl. zuletzt etwa SZ 68/222 mwN), kommt nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 29e LuftVG ein Rekurs auf andere, im Wesentlichen zivilrechtliche Regelungen des ABGB gegenüber dem Halter nur ausnahmsweise in Betracht: nämlich für den Fall der groben Fahrlässigkeit bzw. des Vorsatzes des Halters oder seiner Leute. Diese Haftungseinschränkung erscheint dem Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes ebenso verfassungsrechtlich bedenklich wie auch der Ausschluss des immateriellen Schadens (Schmerzengeld) bei nur leichter Fahrlässigkeit und auch die betragliche Haftungsbeschränkung des § 29c Abs 1, soweit ein entgeltlicher Beförderungsvertrag zwischen Fluggast und Halter abgeschlossen wurde. Im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut, der hier jedem anderen Verständnis im Wege steht (vgl. Bydlinski in Rummel, Kommentar zum ABGB 2. Auflage Rz 25 Punkt c zu § 6 ABGB), vertritt das Berufungsgericht die Meinung, dass eine verfassungskonforme Auslegung (vgl. Bydlinski aaO, Rz 21 zu § 6 ABGB), die die aufgezeigten, verfassungsrechtlich bedenklichen Punkte entschärfen könnte, nicht möglich ist.

Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber und legt ihm die Verpflichtung auf, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen. Unterschiedliche Regelungen, die nicht in entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ihre Grundlage haben, sind gleichheitswidrig, weil sachlich nicht gerechtfertigt. Die Sachlichkeit einer Norm im Sinne einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung hängt von ihrem objektiven Gehalt ab (vgl. Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht 9. Auflage Rz 1347 mwN).

Dieser sachlichen Rechtfertigung entbehren die vom Berufungsgericht angefochtenen Bestimmungen des LuftVG aufgrund der nachfolgenden Überlegungen:

4.3.1. Das System des österreichischen Schadenersatzrechtes baut zum einen auf der Haftung wegen Verschuldens auf und stellt den wesentlichen und auch anerkannten Kern des Haftpflichtrechtes dar; diese Haftung wird in den §§1292 f ABGB geregelt. Dazu kommt als zweite bedeutsame Gruppe von Haftungstatbeständen die auf dem Gedanken der Inanspruchnahme fremden Rechtsgutes aufbauende Gefährdungshaftung, die bis heute nicht generell, sondern nur sehr kasuistisch geregelt ist. Dies bringt es mit sich, dass nicht alle gefährlichen Sachen umfasst sind, eine einheitliche Grundlinie für die Haftung nicht erkennbar ist und auch in den Sondergesetzen die Rechtsfolgen ohne ersichtlichen Grund voneinander abweichen (Koziol, Haftpflichtrecht 3. Auflage Band 1 Seite 3 mwN und Beispielen). Bezogen auf den Bereich der Verschuldenshaftung ist - sicher mit nuancierten Übergängen (vgl. Koziol aaO, 157/158) - zwischen der Haftung ex delictu und ex contractu zu unterscheiden; vorliegendenfalls stellen die Bestimmungen des zweiten Unterabschnittes des LuftVG wohl eindeutig auf einen Vertrag (nämlich Beförderungsvertrag) ab und weisen damit - vor allem auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 29b, die dem Freibeweis des § 1298 ABGB entspricht, die Schadenersatzansprüche also in den Bereich der Haftung aus Vertragsverletzung. Die Haftung aus dem Beförderungsvertrag ist demgemäß eine Verschuldenshaftung (Koziol, Haftpflichtrecht 2. Auflage Band II 496). Unmittelbarer Zweck des Beförderungsvertrages als Werkvertrag ist es ganz allgemein, den Transport einer Person oder Ware von einem Ort zu einem anderen zu bewerkstelligen; nichts desto weniger enthält als vertragliche Nebenpflicht der Beförderungsvertrag auch die Pflicht, das körperliche Wohl des Beförderten nicht zu verletzen und dafür Sorge zu tragen, dass sich die Beförderungsanlage in einem für die Beförderung sicheren und gefahrlosen Zustand befindet. Die Unterlassung einer Körperverletzung ist Vertragsinhalt des Beförderungsvertrages (Belegstellen Anm. E 6 und 7 zu § 1165 ABGB in MGA 35. Auflage zum ABGB). Dieser Gesichtspunkt der Wahrung der körperlichen Integrität kommt im Übrigen ausdrücklich in der Bestimmung des § 29a LuftVG zum Ausdruck.

4.3.2. Nach den wertungsmäßig jedenfalls gleichzustellenden Bestimmungen des EKHG, das allerdings vom Gefahrenpotential her wohl ein weit niederer anzusetzendes Risiko abdeckt wie das LuftVG, ist festzuhalten, dass im EKHG weder eine (betraglich) vergleichbare Haftungseinschränkung ersichtlich ist noch ein teilweiser Entfall des Schmerzengeldes; letzteres ist aufgrund der deliktischen wie auch vertraglichen Haftungsgrundlage im Sinne des § 1325 ABGB vorgesehen (vgl. Reischauer in Rummel aaO, Rz 9 zu § 1325 ABGB mwN). Durch das Aufrechterhalten des restriktiven Haftungsregimes des LuftVG ungeachtet vor allem der Bestimmungen des EKHG hat nach Ansicht des Berufungsgerichtes der Gesetzgeber in unsachlicher Weise seinen Ermessensspielraum verlassen und eine gleichheitswidrige Regelung aufrecht erhalten. Eine Beförderung mit einem Kraftfahrzeug (oder einer sonstigen Anlage im Sinne des EKHG) weist wohl augenscheinlich ein weit geringeres Gefahrenpotential auf als eine Beförderung mit einem Luftfahrzeug ganz generell, werden doch im Regelfall mit einem Flugzeug mehr Personen befördert als in einem Kraftfahrzeug wie auch die Gefahrenlage im Hinblick auf die Verwendung technischer Einrichtungen zwischen EKHG und LuftVG mindestens vergleichbar ist, wenn nicht sogar eine Beförderung mit Luftfahrzeugen als technisch gefährlicher einzustufen ist. Für den Bereich des Beförderungsvertrages ist für das Berufungsgericht überhaupt kein Grund ersichtlich, warum diesbezüglich unterschiedliche Haftungsbestimmungen zwischen EKHG und LuftVG gerechtfertigt sein sollten, weil sowohl von der rechtlichen als auch tatsächlichen Lage kein relevanter Unterschied zu erkennen ist.

Es ist aber auch auf einen weiteren Systembruch zu verweisen, den bereits Koziol (aaO 2. Band 497) zutreffend hervorgehoben hat:

'... das Eigenartige an dieser Regelung (= § 29c LuftVG) liegt darin, dass trotz der besonderen Gefährlichkeit des Luftfahrzeuges die Haftung des Luftfrachtführers bei leichter Fahrlässigkeit gegenüber der allgemeinen vertraglichen Haftung eingeschränkt ist. Dies führt auch zu den oben erwähnten Schwierigkeiten, dass manchmal jene Geschädigten besser gestellt wären, mit denen kein Beförderungsvertrag abgeschlossen wurde. Eine Rechtfertigung für die Haftungseinschränkung ist wohl kaum zu finden ...'

Dieses Argument ist noch dahingehend zu vertiefen, dass derjenige, der einen entgeltlichen Beförderungsvertrag abgeschlossen hat - was nach der Lebenserfahrung wohl weit häufiger der Fall sein wird als die gegenteilige Konstellation (unentgeltlicher Beförderungsvertrag, für den dieselben Haftungsbeschränkungen gelten - vgl. Koziol aaO Band II 494; ZVR 1983/35) ungeachtet eines Leistungsaustausches schlechter gestellt wird als jener Geschädigte, der ohne vertragliche Beziehung (also deliktisch oder aus der reinen Gefährdungs-/Erfolgshaftung des LuftVG) einen Personenschaden erleidet. Den Gesichtspunkt des Leistungsaustausches hat der Verfassungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom (VfSlg 14801) auch als wesentlich für den Fall einer (unzulässigen) Haftungseinschränkung im § 15 Bundesstraßengesetz als tragend erachtet und hiezu insbesondere ausgeführt, dass von allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechtes abweichende Beschränkungen der Haftung des Wegehalters wegen des Vorliegens einer besonderen Interessenlage in Bezug auf in Gemeingebrauch stehende Wege als verfassungskonform anzusehen sei; dies habe aber mangels einer vergleichbaren Interessenslage im Falle einer vertraglichen Beziehung und Entgeltlichkeit der Verkehrseröffnung nicht zu gelten ... 'Die Entgeltlichkeit der Benützung stellt ein haftungsrelevantes Element dar, das die Subsumierung unter das allgemeine Haftungsregime des ABGB - Haftung bei leicht fahrlässigem Verschulden - geboten erscheinen lässt ...' Eine Interessenlage, wie sie etwa im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 1319a ABGB besteht, ist jedoch nach Ansicht des Berufungsgerichtes für den Halter eines Luftfahrzeuges im Zusammenhang mit einem Beförderungsvertrag nicht zu erkennen; vielmehr sprechen die seinerzeit vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Überlegungen und Argumente gerade im Gegenteil gegen eine Haftungseinschränkung, insoweit ein Leistungsaustausch gemäß einer vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien bedungen ist.

Darüber hinaus ist für den Bereich der deliktischen oder auch Gefährdungshaftung festzuhalten, dass im Wege der Verweisungsbestimmung des § 28 LuftVG normiert ist, dass die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen wird, vielmehr durch diese Bestimmung ganz allgemein alle anderen Haftungsbestimmungen unberührt gelassen werden und daher beim Vorliegen eines Verschuldens eines Flugzeugführers (Piloten) auch ein Schmerzengeldanspruch und eine betragliche Beschränkung rechtens ist (vgl. EvBl 1994/91 mwN). Damit liegt aber eine weitere Ungleichbehandlung von deliktischer und vertraglicher Haftung bezogen auf den Umfang des Schadenersatzes (= Schmerzengeld) vor, für den das Berufungsgericht eine sachliche Rechtfertigung gleichfalls nicht erkennen kann. Koziol (aaO 2. Band Seite 487) führt hiezu weiter ins Treffen, dass die Bestimmung des § 21 LuftVG jener des § 12 EKHG ähnlich sei, jedoch entgegen der seinerzeit novellierten Bestimmung des § 12 EKHG keinen Anspruch auf Schmerzengeld gewähre. Da Luftfahrzeuge zumindestens den gleichen Grad der Gefährlichkeit wie KFZ aufwiesen, sei diese Differenzierung in keiner Weise sachlich gerechtfertigt.

Das bereits angesprochene System des Schadenersatzes sieht in der vergleichbaren Rechtsvorschrift des EKHG eine (betragliche) Haftungsbeschränkung zudem nur im Bereich der Gefährdungshaftung vor, nicht jedoch im Bereich der Verschuldenshaftung, wo den schuldhaft haftenden Schädiger eine betraglich unbeschränkte Schadenersatzpflicht trifft. Wie bereits ausgeführt, ist der Rechtsgrund für eine Schadenersatzleistung im Wesentlichen in einem Vertrag oder einem Delikt gelegen; jedenfalls für eine Haftungsbeschränkung nach Höchstbeträgen kann aus dieser unterschiedlichen rechtlichen Qualifikation eine Rechtfertigung nicht abgeleitet werden. Im Gegenteil ist wiederum auf den typischerweise entgeltlich abgeschlossenen Beförderungsvertrag abzustellen, der Leistung und Gegenleistung voraussetzt und für den eine Haftungsbeschränkung nach Beträgen als systemwidrig erachtet werden muss. Aus diesem Aspekt, aber auch aus dem Umstand, dass für das Berufungsgericht kein Rechtsbereich ersichtlich ist, wo im Falle eines Verschuldens im Zuge einer Vertragsverletzung zur Abgeltung von Schäden an der körperlichen Integrität eine betragliche Haftungsbeschränkung normiert wäre, bedürfte die hier vorliegende Beschränkung einer auf Vertrag beruhenden Schadenersatzhaftung einer gewichtigen Rechtfertigung, und zwar sowohl was die Einführung als auch die Aufrechterhaltung anlangt. Eine solche Rechtfertigung ist nirgends ersichtlich, sodass zufolge eines nicht gerechtfertigten und als verfassungswidrig zu erachtenden Bruches im Schadenersatzsystem dem Gesetzgeber die Aufrechterhaltung eines gleichheitswidrigen Zustandes im Rahmen des LuftVG zu unterstellen ist.

Eines näheren Eingehens auf die im Vergleich zum EKHG jedenfalls anachronistisch niederen Höchstbeträge (vgl. hiezu Stefula, Schadenersatz für Passagiere im Luftfahrtgesetz, 39, insbesondere Fußnote 125) bedurfte es nicht. Vielmehr erachtete das Berufungsgericht die gesamte diesbezügliche Bestimmung des LuftVG als verfassungswidrig.

Abschließend ist darauf zu verweisen, dass die hier aufgezeigten Umstände auch dem Novellengesetzgeber (BGBl I Nr. 102/1997) nicht verborgen geblieben sind. Einleitend wird nämlich in den Gesetzesmaterialien (vgl. RV 758 Blg XX.GP 16 ff) festgehalten, dass die Sonderregeln (vor allem des Haftungsregimes) trotz mehrfacher Adaptierung nicht mehr modernen rechts- und verkehrspolitischen Anforderungen entsprechen ...; zugleich solle der Rechtsbereich möglichst an die allgemeinen schadenersatz- und versicherungsrechtlichen Grundsätze angepasst werden ...; es ginge beim zweiten Abschnitt (= Haftpflicht des Luftbeförderers für Fluggäste, Reisegepäck und Luftfracht) vor allem um die Beseitigung von sachlich nicht mehr vertretbaren Haftungsbegrenzungen. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die vom Berufungsgericht anzuwendenden, als verfassungsrechtlich bedenklich einzustufenden Regelungen des zweiten Unterabschnittes des LuftVG einerseits dem ersten Unterabschnitt dieses Gesetzes widersprechen und eine unterschiedliche, nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung festzustellen ist; zum anderen entfernen sich die Regeln dieses zweiten Unterabschnittes im relevanten Bereich derart vom System des österreichischen Schadenersatzrechtes, dass sie allein deswegen als bedenklich in Blickrichtung des vom Gesetzgeber einzuhaltenden Gleichheitsgrundsatzes einzustufen sind.

4.4. Aufgrund dieser Umstände sieht sich demnach das Berufungsgericht verpflichtet, den aus dem Spruch ersichtlichen Aufhebungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, weil die hiefür notwendigen objektiven Bedenken aufgetreten sind. Der Umfang des Antrages orientierte sich an der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach der Umfang der zu prüfenden und im Fall der Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmung derart abzugrenzen ist, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als Voraussetzung für den Anlassfall ist, andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung in seiner Bedeutung erfahren soll (VfSlg 5155/1977). Dem verbleibenden Gesetzesteil soll kein völlig veränderter Inhalt zukommen, es sollen aber auch die mit der aufzuhebenden Gesetzesbestimmung in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen erfasst werden (VfSlg 5155/1977 und 13701/1994).

Dieser Rahmen scheint insoweit gehalten zu sein, als im Falle der tatsächlichen Aufhebung des § 29c Abs 1 LuftVG die Haftungsbeschränkung beseitigt würde, wie im Übrigen durch Aufhebung der Verweisung in § 29d LuftVG für den Bereich des Beförderungsvertrages der Ausschluss des Schmerzengeldes nicht mehr gegeben wäre; letztlich wird durch die allfällige Aufhebung der Wortfolge 'grob' in § 29e leg. cit. die Haftung (auch) für leichte Fahrlässigkeit begründet.

..."

6. Die vom Verfassungsgerichtshof zur Erstattung einer Äußerung aufgeforderte Bundesregierung teilte mit, dass sie beschlossen habe, von der Abgabe einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:

A) Zur Zulässigkeit:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art 140 B-VG bzw. des Art 139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10.296/1984, 11.565/1987, 12.189/1989).

2.a) Dass vom antragstellenden Gericht in der bei ihm anhängigen Rechtssache Haftungsregelungen des Luftverkehrsgesetzes - und nicht etwa solche des Luftfahrtgesetzes - anzuwenden sind, ist aus folgenden Gründen zu bejahen:

Das Luftverkehrsgesetz war zwar mit dem Inkrafttreten des Luftfahrtgesetzes (LFG), BGBl. 253/1957, grundsätzlich außer Kraft getreten; davon ausgenommen waren jedoch der erste, zweite, dritte und fünfte Unterabschnitt des zweiten Abschnittes (s. § 152 Abs 1 lita).

Durch die Luftfahrtgesetz-Novelle BGBl. I 102/1997 wurde unter anderem das Haftungsrecht neu geregelt, und zwar im X. Teil des Luftfahrtgesetzes (§§146 bis 168). Diese Bestimmungen traten mit in Kraft und sind auf Schäden, die vor dem eingetreten sind, nicht anzuwenden (§173 Abs 5 LFG idF der eben erwähnten Novelle).

In § 174 Abs 1 leg.cit. wird normiert:

"Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes treten alle bisherigen, den Gegenstand dieses Bundesgesetzes regelnden gesetzlichen Vorschriften, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird, außer Kraft, und zwar:

a) das Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom , Deutsches RGBl. I S 653, und der Gesetze vom , Deutsches RGBl. I S 1246, und vom , Deutsches RGBl. I S 69, mit Ausnahme des ersten, zweiten, dritten und fünften Unterabschnittes des zweiten Abschnittes,

b) ..."

(S. auch schon die oben erwähnte, gleichlautende Regelung in § 152 Abs 2 lita der Stammfassung des LFG.)

In § 174 Abs 2 wird entsprechend festgelegt, dass

"(d)er erste, zweite, dritte und fünfte Unterabschnitt des zweiten Abschnittes des Luftverkehrsgesetzes [...] auf Schäden, die nach dem Ablauf des eingetreten sind, nicht mehr anzuwenden" sind.

Da sich der den Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Innsbruck bildende Unfall am ereignete (und ein Fall der Haftung aus dem Beförderungsvertrag vorliegt), ist dem antragstellenden Gericht nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass die Anwendbarkeit von einschlägigen Haftungsregelungen des Luftverkehrsgesetzes (zweiter Unterabschnitt des zweiten Abschnitts) zu bejahen ist (Geltungsgrund für diese Anwendbarkeit sind die §§173 Abs 5 und 174 Abs 2 LFG idF BGBl. 102/1997).

Ebensowenig ist die (implizite) Annahme des antragstellenden Gerichtes zu beanstanden, dass in Zusammenhang mit seinen Bedenken gegen Haftungsbeschränkungen des Luftverkehrsgesetzes nicht etwa das Wort "zweiten" (Unterabschnitts des zweiten Abschnitts) in § 174 Abs 1 lita LFG (allenfalls in Verbindung mit dem Wort "zweite" [Unterabschnitt] in § 174 Abs 2 leg.cit.) anzufechten war. Die allfällige Aufhebung dieses Wortes würde nämlich einen größeren Eingriff in den Rechtsbestand darstellen, als zur Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage erforderlich wäre: Der gesamte zweite Unterabschnitt des zweiten Abschnitts (also sämtliche Regelungen über die Haftung aus dem Beförderungsvertrag [§§29a bis 29i]) wäre damit nicht mehr vom Außerkrafttreten des Luftverkehrsgesetzes ausgenommen, würde somit als Folge einer Aufhebung des Wortes "zweiten" in § 174 Abs 1 lita LFG außer Kraft gesetzt (bzw. für vor Ablauf des eingetretene Schäden unanwendbar) werden.

b) Auch europarechtliche Vorschriften stehen der Annahme des antragstellenden Gerichtes, es habe in der zu entscheidenden Rechtssache Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes anzuwenden, nicht entgegen:

aa) Im Erkenntnis VfSlg. 15.215/1998 hat der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts folgende Aussagen getroffen (S 834 f.):

"Zweck des vom EuGH entwickelten Prinzips des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechtes ist es, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten zu sichern. Jedes innerstaatliche Organ, das über eine Rechtssache abzusprechen oder die Rechtmäßigkeit des behördlichen Vorgehens zu beurteilen hat, muß diesen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts im Rahmen seiner Zuständigkeit beachten und gegebenenfalls die Anwendung der innerstaatlichen Norm unterlassen (, Simmenthal II, Slg. 1978, 629 ff., 644, Rn 21). Dabei darf ein Gericht iS des Art 177 Abs 3 EGV die Vereinbarkeit der innerstaatlichen Norm mit dem Gemeinschaftsrecht nur dann selbst beurteilen, wenn die dabei zu klärende Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts 'derart offenkundig ist, daß keinerlei Raum für vernünftige Zweifel bleibt' (, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 ff., 3429, Rn 16); andernfalls wäre vor der Entscheidung durch das nationale Gericht die Auslegungsfrage nach der genannten Vertragsbestimmung dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

Auch der Verfassungsgerichtshof hat den Anwendungsvorrang des EG-Rechts zu beachten (vgl. etwa ...), freilich nur im Rahmen der von ihm zu besorgenden Aufgaben. Er hat daher über die Frage, ob eine österreichische Rechtsvorschrift infolge des Anwendungsvorranges unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts unangewendet zu bleiben hat, nur dann selbst zu entscheiden, wenn die Frage für seine Entscheidung relevant ist, was für sich nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist (vgl. ...)."

bb) Im vorliegenden Fall ist ein etwaiger Anwendungsvorrang von Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen zu untersuchen:

Die Verordnung wurde (erst) im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom kundgemacht. Das antragstellende Gericht vertritt dazu folgende Auffassung:

"[...] Im Zusammenhang mit der Bestimmung des Art 254 EGV (Ex-Art 191) treten (unter anderem) Verordnungen zu dem durch sie festgelegten Zeitpunkt oder andernfalls am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. [...] Ausgehend davon, dass aus der zitierten Verordnung eine Rückwirkung nicht angeordnet ist und die Verordnung selbst vom datiert (also erst nach dem streitgegenständlichen Unfall erlassen wurde), meint das Berufungsgericht, dass mangels Gültigkeit der Verordnung (Anwendbarkeit auf den vorliegenden Sachverhalt) auf diese Verordnung nicht Rücksicht zu nehmen wäre."

Der Verfassungsgerichtshof hat seine Aufgabe zur Normenkontrolle auch dann wahrzunehmen, wenn eine Behörde oder ein Gericht das verfassungsrechtlich bedenkliche Gesetz zumindest denkmöglich angewendet hat bzw. - wie hier das antragstellende Gericht - anzuwenden haben könnte. Nur ein solches weites Präjudizialitätsverständnis entspricht der Funktion verfassungsgerichtlicher Normenkontrolle (vgl. dazu VfSlg. 15.215/1998, S 835; s. auch schon oben, Pkt. 1).

Entsprechend der zuvor zitierten Auffassung des antragstellenden Gerichts ist dessen Annahme nicht denkunmöglich, dass es die angefochtenen Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden habe (vgl. etwa das , De Haan Beheer BV, Slg. 1999, I-5029 ff., Rn. 13, wonach "materiell-rechtliche Vorschriften gewöhnlich so ausgelegt werden, daß sie nicht für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten").

c) Somit bleibt bleibt im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu untersuchen, ob auch sonst die konkreten Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes, die vom antragstellenden Gericht bekämpft werden, denkmöglich eine Voraussetzung für seine Entscheidung im Anlassfall bilden.

aa) Im Rahmen der Haftung aus dem Beförderungsvertrag (ein solcher liegt zwischen Klägerin und Beklagtem unbestritten vor) beschränkt der angefochtene § 29c Abs 1 LuftVG die Haftung des Luftfahrzeughalters im Falle der Tötung oder der Verletzung einer beförderten Person - sofern bloß leichte Fahrlässigkeit vorliegt (Umkehrschluss aus § 29e Abs 1 LuftVG) - auf 430.000 Schilling. (Angemerkt sei, dass die mit erfolgte Euro-Umstellung für die Beurteilung der im vorliegenden Fall zu entscheidenden Rechtsfragen keine Rolle spielt.)

Das Oberlandesgericht Innsbruck weist in seinem Antrag an den Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass aufgrund des in Rede stehenden Unfalls die Klägerin vom Beklagten nach Klagsausdehnung


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-
"die Bezahlung eines Betrages von S 267.399,37 samt 4% Zinsen aus S 241.789,17 seit und 4% Zinsen aus S 267.399,37 seit "


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sowie


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-
"die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche künftige aus dem Tandemparagleitunfall vom der Klägerin entstandenen Schäden"

begehrt hatte.

Zwar könnte in Anbetracht der Höhe des begehrten Betrages, der unter der Haftungshöchstgrenze von 430.000 Schilling liegt, fraglich sein, ob die Anwendung des § 29c Abs 1 LuftVG denkmöglich eine Voraussetzung für die Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall darstellt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das antragstellende Gericht auch über das Begehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei "für sämtliche künftige ...[aus dem Unfall resultierende] Schäden" zu entscheiden hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das antragstellende Gericht dabei auch die Haftungsbegrenzung nach § 29c Abs 1 LuftVG zu berücksichtigen hätte; denn es ist jedenfalls denkbar, dass in Zusammenhang mit einem allfälligen künftigen, in Form von Spätfolgen aus dem Unfall resultierenden Schaden der Gesamtbetrag des Schadens die Haftungshöchstgrenze erreichen bzw. überschreiten könnte und daher das antragstellende Gericht diese Höchstgrenze berücksichtigen muss.

Da es jedoch - unter Bedachtnahme auf den Sachverhalt des Anlassfalles - ausreichen würde, im Fall einer konstatierten Verfassungswidrigkeit in § 29c Abs 1 LuftVG die Wortfolge "oder der Verletzung" aus dem Rechtsbestand auszuscheiden, ist der Antrag auf Aufhebung des § 29c Abs 1 LuftVG hinsichtlich der Wortfolge "oder der Verletzung" zulässig, im übrigen jedoch als überschießend zurückzuweisen.

bb) § 29d LuftVG bewirkt durch die Verweisung u.a. auf § 22 LuftVG, dass der Schadenersatz gemäß Luftverkehrsgesetz im Falle der Haftung aus einem Beförderungsvertrag immaterielle Schäden nicht umfasst. (§22 regelt den Umfang des Schadenersatzes im Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit; ausgeschlossen ist demnach offenkundig der Ersatz immateriellen Schadens, insbesondere der Zuspruch von Schmerzengeld.)

Auch diese Einschränkung greift allerdings nur dann, wenn bloß leichte Fahrlässigkeit vorliegt, weil § 29e Abs 1 LuftVG normiert, dass bei Herbeiführung des Schadens durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln die Haftung "nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften unberührt" bleibt und "die Haftungsbeschränkungen dieses Gesetzes ... in diesem Falle nicht (gelten)".

Durch die im Antrag begehrte Aufhebung des Wortteils "grob" im Wort "grobfahrlässig" in § 29e Abs 1 LuftVG würde hinsichtlich der Haftung aus dem Beförderungsvertrag bei sämtlichen Schuldformen (Vorsatz, grobe und leichte Fahrlässigkeit) die Haftung nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften unberührt bleiben; somit verbliebe für die Haftungsbeschränkungen des Luftverkehrsgesetzes (auch) hinsichtlich leichter Fahrlässigkeit ohnehin kein Anwendungsbereich (arg.: "Ist jedoch ..." in § 29e Abs 1 LuftVG). Einer Aufhebung (auch) des Verweises "bis 22" in § 29d LuftVG bedürfte es daher nicht; zumindest in Anbetracht des Umstandes, dass aufgrund der Formulierung dieses Verweises (arg.: "bis 22") auch die Bezugnahme auf eine Norm beseitigt würde, deren Präjudizialität im Anlassfall keinesfalls gegeben ist (nämlich des den Schadenersatz bei Tötung regelnden § 21 LuftVG), erweist sich der Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "bis 22" in § 29d LuftVG als überschießend. Er ist daher gleichfalls zurückzuweisen.

cc) Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Luftverkehrsgesetz im Rahmen der Haftung des Luftfahrzeughalters aus dem Beförderungsvertrag den Schadenersatz für die Tötung oder Verletzung eines Fluggastes sowohl der Höhe als auch dem Umfang nach dann beschränkt, wenn bloß leichte Fahrlässigkeit vorliegt (Haftungshöchstbetrag von 430.000 S; Ausschluss des Ersatzes immaterieller Schäden). Aufgrund der rechtstechnischen Ausgestaltung der Regelungen über die Haftung aus dem Beförderungsvertrag wäre diese Beschränkung - sollte sie sich als verfassungswidrig erweisen - nach dem oben Gesagten dadurch zu beseitigen, dass die Wortfolge "oder der Verletzung" in § 29c Abs 1 LuftVG sowie der Wortteil "grob" des Wortes "grobfahrlässig" in § 29e Abs 1 LuftVG aufgehoben werden.

dd) Über Anfrage des Verfassungsgerichtshofes teilte das Oberlandesgericht Innsbruck mit, dass dessen Annahmen über die Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesstellen "sachverhaltsmäßig auf dem Umstand (beruhen), dass im zugrundeliegenden Rechtsstreit der beklagten Partei unter Umständen leichte Fahrlässigkeit anzulasten ist".

Der vom Oberlandesgericht Innsbruck gestellte Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "oder der Verletzung" in § 29c Abs 1 LuftVG sowie des Wortteils "grob" des Wortes "grobfahrlässig" in § 29e Abs 1 LuftVG beruht somit auch in dieser Hinsicht nicht auf einer denkunmöglichen Annahme über deren Anwendung im gerichtlichen Verfahren. Der die Aufhebung dieser Wortfolge bzw. dieses Wortteils betreffende Antrag ist daher - da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen - zulässig.

B) In der Sache:

1.a) Festzuhalten ist zunächst, dass sich der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken hat (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 12.947/1991, 13.471/1993). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtenen Bestimmungen aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Gründen verfassungswidrig sind.

b) Das antragstellende Gericht weist darauf hin, dass "(n)ach den wertungsmäßig jedenfalls gleichzustellenden Bestimmungen des EKHG [= Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz] ... weder eine (betraglich) vergleichbare Haftungseinschränkung ersichtlich ist noch ein teilweiser Entfall des Schmerzengeldes ...". Es hegt zusammengefasst das Bedenken, dass die bei der Haftung aus dem Beförderungsvertrag im Falle leichter Fahrlässigkeit Platz greifenden Beschränkungen des Luftverkehrsgesetzes deshalb verfassungswidrig seien, weil "(d)urch das Aufrechterhalten des restriktiven Haftungsregimes des LuftVG ungeachtet vor allem der Bestimmungen des EKHG ... der Gesetzgeber in unsachlicher Weise seinen Ermessensspielraum verlassen und eine gleichheitswidrige Regelung aufrecht erhalten" habe. Eine Beförderung mit einem Kraftfahrzeug (oder einer sonstigen Anlage im Sinne des EKHG) weise "wohl augenscheinlich ein weit geringeres Gefahrenpotential auf als eine Beförderung mit einem Luftfahrzeug ganz generell, ... wie auch die Gefahrenlage im Hinblick auf die Verwendung technischer Einrichtungen zwischen EKHG und LuftVG mindestens vergleichbar ist, wenn nicht sogar eine Beförderung mit Luftfahrzeugen als technisch gefährlicher einzustufen ist." Es sei nach Auffassung des antragstellenden Gerichts "überhaupt kein Grund ersichtlich, warum ...[für den Bereich des Beförderungsvertrages] unterschiedliche Haftungsbestimmungen zwischen EKHG und LuftVG gerechtfertigt sein sollten, weil sowohl von der rechtlichen als auch tatsächlichen Lage kein relevanter Unterschied zu erkennen ist."

Das Argument der Unsachlichkeit der haftungsrechtlichen Regelung wird vom antragstellenden Gericht noch mit dem Bedenken vertieft, "dass derjenige, der einen entgeltlichen Beförderungsvertrag abgeschlossen hat ... ungeachtet eines Leistungsaustausches schlechter gestellt wird als jener Geschädigte, der ohne vertragliche Beziehung (also deliktisch oder aus der reinen Gefährdungs-/Erfolgshaftung des LuftVG) einen Personenschaden erleidet".

Weiters bedürfe die vorliegende Beschränkung einer auf Vertrag beruhenden Schadenersatzhaftung auch deshalb einer "gewichtigen Rechtfertigung", weil für das antragstellende Gericht "kein Rechtsbereich ersichtlich ist, wo im Falle eines Verschuldens im Zuge einer Vertragsverletzung zur Abgeltung von Schäden an der körperlichen Integrität eine betragliche Haftungsbeschränkung normiert wäre". Eine solche Rechtfertigung sei nicht erkennbar, "sodass zufolge eines nicht gerechtfertigten und als verfassungswidrig zu erachtenden Bruches im Schadenersatzsystem dem Gesetzgeber die Aufrechterhaltung eines gleichheitswidrigen Zustandes im Rahmen des LuftVG zu unterstellen ist."

In Zusammenhang mit der unterschiedlichen Ausgestaltung der Haftungsregelungen im 1. und im 2. Unterabschnitt des zweiten Abschnitts des Luftverkehrsgesetzes beruft sich das antragstellende Gericht auch auf die einschlägige Literatur, in der gleichfalls kritisch auf die in Rede stehende Differenzierung hingewiesen wird:

Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht, Bd. II², Wien 1984, S 486, merkt an, dass "(d)ie Haftung des Halters aus einem Beförderungsvertrag [...] viel milder gestaltet (ist) als jene nach den §§19 bis 29 LuftVG." Er führt weiters aus (aaO, S 496 f.):

"Wie sich aus § 29b [LuftVG] ergibt, haftet der Halter nicht, wenn weder ihn noch seine Gehilfen ein Verschulden trifft. Die Haftung aus dem Beförderungsvertrag ist demnach eine reine Verschuldenshaftung. Daß die Beweislast dem Halter auferlegt ist, entspricht der allgemeinen Regelung, da bei der Verletzung vertraglicher Pflichten nach § 1298 ABGB der Schuldner seine Schuldlosigkeit zu beweisen hat.

Die Haftung aus dem Beförderungsvertrag weist aber insofern eine Besonderheit auf, als sie dann, wenn bloß leichte Fahrlässigkeit vorliegt, der Höhe nach beschränkt ist (§29c LuftVG). Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz gilt hingegen nach § 29e LuftVG keine summenmäßige Beschränkung. Die Beweislast bezüglich des Verschuldensgrades obliegt ebenfalls dem Ersatzpflichtigen.

Das Eigenartige an dieser Regelung liegt darin, daß trotz der besonderen Gefährlichkeit eines Luftfahrzeuges die Haftung des Luftfrachtführers bei leichter Fahrlässigkeit gegenüber der allgemeinen vertraglichen Haftung eingeschränkt ist. Dies führt auch zu den oben erwähnten Schwierigkeiten, daß manchmal jene Geschädigten besser gestellt wären, mit denen kein Beförderungsvertrag abgeschlossen wurde. Eine Rechtfertigung für die Haftungseinschränkung ist wohl kaum zu finden."

2. Die Bedenken des antragstellenden Gerichtes treffen nicht zu:

a) Vorauszuschicken ist, dass das Luftverkehrsgesetz die Haftung für Personen und Sachen, die nicht im Luftfahrzeug befördert werden (1. Unterabschnitt des zweiten Abschnitts), und die Haftung aus dem Beförderungsvertrag (2. Unterabschnitt des zweiten Abschnitts) grundsätzlich voneinander trennt. Bei Eintritt eines Unfalles mit schuldhafter Herbeiführung eines Schadens - auch aufgrund leichter Fahrlässigkeit - kann es also zwei Gruppen von Geschädigten geben: einerseits solche, die einen Beförderungsvertrag (sei es entgeltlich oder unentgeltlich) abgeschlossen haben, und andererseits alle übrigen Geschädigten.

Das antragstellende Gericht meint, dass die durch die Regelungen des Luftverkehrsgesetzes vorgenommene haftungsrechtliche Differenzierung zwischen dem 1. und dem 2. Unterabschnitt eine Verfassungswidrigkeit der Regelungen des 2. Unterabschnitts impliziere.

Diesem Bedenken ist entgegenzuhalten, dass die beiden durch diese Unterabschnitte erfassten Personengruppen nicht vergleichbar sind: Während der erste Unterabschnitt die Haftung gegenüber Personen regelt, die gleichsam als "unbeteiligte Dritte" - etwa durch zu Boden fallende Flugzeugteile - Schaden erleiden, betrifft der zweite Unterabschnitt Personen, die einen Beförderungsvertrag abgeschlossen haben, die sich also auf die Benützung eines Luftfahrzeuges freiwillig eingelassen haben und sich der damit verbundenen Gefahren bewusst waren bzw. bewusst sein hätten können. Es ist daher grundsätzlich zulässig, für diesen Personenkreis die Haftungsregelungen anders - auch weniger günstig - zu gestalten als für die erstgenannte Gruppe von Geschädigten. Eine konkrete Gegenüberstellung der einschlägigen Bestimmungen im Licht des Gleichheitsgrundsatzes geht daher schon mangels Vergleichbarkeit der diese Personengruppen betreffenden Sachverhalte ins Leere.

b) Was nun den Vergleich der angefochtenen Regelungen des 2. Unterabschnitts des zweiten Abschnitts des Luftverkehrsgesetzes mit Regelungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes (EKHG) betrifft, sind dem antragstellenden Gericht folgende Erwägungen entgegenzuhalten:

Neben den allgemeinen Schadenersatznormen des ABGB (§§1293 ff.) existieren nicht nur die im Luftverkehrsgesetz und im EKHG enthaltenen, materienspezifischen Sondervorschriften. Vielmehr normieren auch das ABGB selbst (für bestimmte Tatbestände) sowie zahlreiche weitere Gesetze Regelungen über Schadenersatz bzw. Haftung, die im Sinne einer Gesamtschau für einen Vergleich mit den einschlägigen Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes allenfalls heranzuziehen sein könnten.

Diese Regelungen bewirken teils Einschränkungen und teils Erweiterungen der Haftung in Vergleich mit den allgemeinen Vorschriften nach den §§1293 ff. ABGB. Als Beispiel für die erste Fallgruppe sei auf die Einschränkung der Haftung des Dienstnehmers bei Schädigung des Dienstgebers (Dienstnehmerhaftpflichtgesetz), jene der Haftung des Dienstgebers gegenüber dem Dienstnehmer bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten (§333 ASVG), weiters auf die Haftungsbeschränkungen des Wegehalters (§1319a ABGB) oder des Waldeigentümers bei Schäden in Zusammenhang mit Arbeiten im Zuge der Waldbewirtschaftung (§176 Abs 3 Forstgesetz) verwiesen. Zutreffend ist freilich auch, dass in zahlreichen Materiengesetzen, teilweise sehr kasuistisch und detailreich, eine über die allgemeinen Schadenersatznormen des ABGB hinausgehende Haftung - typischerweise in Form der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung - normiert wurde (vgl. etwa das Reichshaftpflichtgesetz in Zusammenhang mit Elektrizitäts- und Gasanlagen, das Rohrleitungsgesetz, das Mineralrohstoffgesetz betreffend Bergschäden, das Atomhaftungsgesetz 1999 hinsichtlich Schäden durch Kernanlagen, Kernmaterialien und Radionuklide usw.). Auch § 1 EKHG normiert in diesem Sinne grundsätzlich eine Gefährdungshaftung für Unfälle beim Betrieb einer Eisenbahn oder eines Kraftfahrzeuges.

Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass - anders als vom antragstellenden Gericht angenommen - die Beurteilung der Sachlichkeit von Haftungsregelungen vorrangig im Lichte der konkreten Materie vorzunehmen ist, für die sie erlassen wurden. Einem Vergleich der haftungsrechtlichen Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes und des EKHG kommt daher - entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichtes - für sich allein keine tragende Bedeutung zu.

c)aa) Ausgehend von diesen Überlegungen, hält es der Verfassungsgerichtshof nicht für unsachlich, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Luftverkehrsgesetzes die Haftung aus einem Beförderungsvertrag für Fälle leichter Fahrlässigkeit einerseits durch Festlegung eines Höchstbetrages und andererseits durch (impliziten) Ausschluss der Zuerkennung von Schmerzengeld beschränkt:

In diesem Zusammenhang ist nämlich auf den bereits oben (Pkt. 2.a) erörterten Umstand zu verweisen, dass dem Benützer des Luftfahrzeuges unterstellt werden kann, bei Abschluss des Beförderungsvertrages alle mit der Verwendung dieses Transportmittels verbundenen Nutzen (Vorteile) und Risken abgewogen zu haben.

In Anbetracht dessen kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, dass der Gesetzgeber mit den in Rede stehenden Haftungsbeschränkungen die ihm vom Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes gesetzten Schranken überschritten hätte.

bb) Mit diesen Überlegungen wird allerdings nicht zum Ausdruck gebracht, dass nicht auch eine andere als die im vorliegenden Fall zu beurteilende (die Haftung im Falle leichter Fahrlässigkeit in der beschriebenen Weise beschränkende) Regelung verfassungskonform sein könnte. Es obliegt dem einfachen Gesetzgeber, im Rahmen des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums zu entscheiden, welche Regelung er bevorzugt (so schon VfSlg. 12.998/1992, S 140, betreffend eine Radfahrer grundsätzlich von der Benützung von Forststraßen ausschließende Regelung).

Tatsächlich ist es in der Zwischenzeit zu einer Neugestaltung der einschlägigen Haftungsbestimmungen gekommen; und zwar einerseits durch die Vorschriften der Luftfahrtgesetznovelle BGBl. I 102/1997 und andererseits durch die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen (s. auch schon oben, Pkt. II.A.2.a und b; zur historischen Entwicklung s. Stefula, Schadenersatz für Passagiere im Luftfahrtgesetz, Wien, 2001, S 37 ff.; zum Verhältnis der §§154 ff. LFG zur erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Verordnung s. Stefula, aaO, S 185 ff.; vgl. auch Stefula, Haftung für Personenschäden von Fluggästen, ecolex 2000, S 569 ff.). Dies spricht jedoch nach dem eben Gesagten - entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichts - nicht für die Unsachlichkeit der von ihm angefochtenen, im konkreten Verfahren (noch) anzuwendenden Regelungen.

3. Der Verfassungsgerichtshof ist somit zusammengefasst der Meinung, dass die in Rede stehenden Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen nicht überschreiten.

Die Anträge auf Aufhebung der Wortfolge "oder der Verletzung" in § 29c Abs 1 LuftVG sowie des Wortteils "grob" des Wortes "grobfahrlässig" in § 29e Abs 1 LuftVG waren daher abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.