VfGH vom 26.02.2009, g158/08
Sammlungsnummer
18706
Leitsatz
Aufhebung des Regel-Ausnahmen-Systems des Gebührengesetzes 1957 betreffend die Gebührenpflicht bei Vorliegen mehrerer Urkunden; Besteuerung des Rechtsgeschäftes und nicht der darüber errichteten Urkunden vom Gesetzgeber intendiert; insoweit keine Geltung des Urkundenprinzips; Unsachlichkeit der Sanktion der Mehrfachvergebührung im Fall der Nichterfüllung der Ordnungsvorschrift der rechtzeitigen Vorlage beim Finanzamt unabhängig vom Verschulden und trotz Nachweises der (einmaligen) Entrichtung der Rechtsgeschäftsgebühr angesichts der Entwicklung des (internationalen) Wirtschaftsverkehrs
Spruch
§25 Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267 idF BGBl. I Nr. 84/2002, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1903/07 eine auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Die beschwerdeführende Gesellschaft schloss 2004 mit der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg einen Finanzierungsvertrag, über den drei Originalurkunden errichtet wurden, wobei zwei Originale in Luxemburg verblieben und ein Original nach Österreich gebracht wurde. Dieses Rechtsgeschäft wurde unter Vorlage der nach Österreich verbrachten Urkunde dem Finanzamt angezeigt und hiefür Rechtsgeschäftsgebühr nach § 33 TP19 Abs 1 Z 1 Gebührengesetz 1957 (in der Folge: GebG) in Höhe von € 520.000,-- entrichtet. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß § 25 Abs 1 GebG auch für die beiden in Luxemburg verbliebenen Urkunden Gebühr in Höhe von (ebenfalls) je € 520.000,-- vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet.
2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 25 GebG entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluss vom von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig sei und der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Wien, § 25 Abs 1 GebG anzuwenden gehabt habe, sodass auch der Verfassungsgerichtshof diese Gesetzesbestimmung bei der Behandlung der Beschwerde anzuwenden hätte. Nach (vorläufiger) Auffassung des Verfassungsgerichtshofes stehen alle übrigen Absätze des § 25 GebG mit dem von der belangten Behörde für die Festsetzung der Rechtsgebühr herangezogenen Abs 1 dieser Bestimmung in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang.
2.2. Folgende Bedenken haben den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst:
"Der III. Abschnitt des GebG regelt 'Gebühren für Rechtsgeschäfte' und sieht (in § 15 Abs 1) vor, dass Rechtsgeschäfte grundsätzlich nur dann gebührenpflichtig sind, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird. Der Verfassungsgerichtshof geht - in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgerichtshof - davon aus, dass Gegenstand der Gebühren iSd III. Abschnittes des GebG das Rechtsgeschäft selbst ist; seine Beurkundung ist lediglich Voraussetzung bzw. Bedingung der Gebührenpflicht (vgl. zB ; , 83/15/0040; , 88/15/0007; , 95/16/0332, 0333; , 2004/16/0029). Die Gebührenpflicht betrifft somit (beurkundete) Rechtsgeschäfte und nicht Urkunden. Andernfalls wäre es anscheinend auch nicht folgerichtig, (beurkundete) Rechtsgeschäfte nur deswegen von der Gebührenpflicht auszunehmen, weil sie unter ein anderes Steuergesetz fallen (§15 Abs 3 GebG).
Nun ordnet § 25 Abs 1 GebG aber gerade an, dass dann, wenn über ein Rechtsgeschäft mehrere Urkunden errichtet werden, jede dieser Urkunden den Hundertsatzgebühren unterliegt. Diese Vorschrift verkehrt somit das Prinzip, wonach nicht die Urkunde, sondern das Rechtsgeschäft der Gebühr unterliegt, in das genaue Gegenteil (Frotz/Hügel/Popp, Kommentar zum GebG, B1 zu § 25, 2/2): Es kommt zu einem mehrfachen Anfall einer Gebühr, obwohl nur ein Rechtsgeschäft vorliegt.
Die Abs 2 bis 6 des § 25 GebG enthalten Bestimmungen, bei deren Einhaltung die mehrfache Entrichtung der Rechtsgeschäftsgebühr im Fall des Vorliegens mehrerer Urkunden (Gleichschriften) vermieden werden kann. Das Gesetz stellt dabei insbesondere auf die (rechtzeitige) Vorlage der weiteren Urkunden (Gleichschriften) beim Finanzamt ab. Es wird somit das Grundprinzip des Abs 1, wonach jede Ausfertigung der Gebühr unterliegt, durchbrochen und erst dadurch 'die Erreichung des durch den Gesetzgeber gesteckten Ziels, nicht die Urkunde, sondern das Rechtsgeschäft der Gebühr zu unterwerfen', ermöglicht (Frotz/Hügel/Popp, aaO, 2/1). Kommen diese Ausnahmebestimmungen jedoch nicht zum Tragen, so ist aufgrund jeder weiteren Urkunde (Gleichschrift) die volle Rechtsgeschäftsgebühr zu entrichten. Das bedeutet anscheinend, dass in diesen Fällen die Zahl der Urkunden (Gleichschriften) die Höhe der Rechtsgeschäftsgebühr bestimmt, wobei sich der 'Grundbetrag', der vom Inhalt des Rechtsgeschäftes und insbesondere von der maßgeblichen Bemessungsgrundlage abhängt, nach Maßgabe dieser Urkundenzahl zwingend vervielfacht.
Die Materialien zu § 25 GebG (siehe oben) betonen einleitend das Prinzip, dass an sich das Rechtsgeschäft - und nicht die Urkunde darüber - gebührenauslösend ist, rechtfertigen die Regelung des § 25 Abs 1 leg.cit. aber mit der Überlegung, in der Praxis könne nicht darauf verzichtet werden, dass aus jeder Urkunde über ein Rechtsgeschäft ersichtlich sein muss, ob das Rechtsgeschäft ordnungsgemäß vergebührt worden ist: 'Wäre dies nicht der Fall, müsste die Behauptung der Partei, sie habe die Gebühr für das Rechtsgeschäft bereits entrichtet, vom Finanzamt widerlegt werden.' Folgt man den Materialien, so hat der Gesetzgeber somit am Prinzip der Maßgeblichkeit des Rechtsgeschäftes festhalten wollen und die Vorschrift des § 25 GebG lediglich zum Zweck geschaffen, einen Beweisnotstand der Behörde zu vermeiden.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 11.734/1988 gegen die Regelung des § 25 GebG 'im Hinblick auf die in den Materialien zum Ausdruck kommende Zielsetzung' (aaO, 633) keine Bedenken gehegt. Vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles hat der Gerichtshof jedoch Zweifel, ob er diese Beurteilung aufrecht erhalten kann:
Der in den Materialien dargelegte Gesetzeszweck (aus jeder Urkunde über ein Rechtsgeschäft müsse zur Vermeidung eines möglichen Beweisnotstandes der Behörde ersichtlich sein, ob dieses ordnungsgemäß vergebührt worden ist) scheint nämlich für Urkunden, die sich im Ausland befinden und dort verbleiben, von vornherein ohne Bedeutung zu sein. Der Gerichtshof kann jedenfalls vorderhand nicht erkennen, wie die Behörde im Zusammenhang mit solchen Urkunden in einen Beweisnotstand kommen könnte. Dies erscheint umso gewichtiger, als im Gefolge der Internationalisierung der Geschäftsbeziehungen Konstellationen wie die des Anlassfalles keine Ausnahme mehr darstellen dürften, sondern anscheinend als typisch angesehen werden können.
Dazu kommt, dass seit dem Jahr 2002 die Rechtsgeschäftsgebühren nicht mehr in Form von Stempelmarken entrichtet werden. Damit entfällt aber für potentielle Gebührenschuldner die Möglichkeit, bei Entdeckung einer ungestempelten Urkunde zu argumentieren, es handle sich um eine Gleichschrift, das gestempelte Original sei verloren gegangen. Die von den Materialien gesehene Problematik scheint somit nicht mehr oder zumindest nicht mehr in dieser Schärfe zu bestehen.
Nun eröffnen die Abs 2 bis 6 des § 25 GebG zwar die Möglichkeit, die mehrfache Gebührenpflicht unter bestimmten Voraussetzungen zu vermeiden. Vor dem Hintergrund der Anordnungen des § 25 GebG stellt sich die Rechtslage jedoch so dar, dass bei Existenz mehrerer Originalurkunden bzw. Gleichschriften die Versäumung der Vorlagefrist unabhängig vom Verschulden, somit auch bei Irrtum oder Unmöglichkeit der (rechtzeitigen) Vorlage, die Anforderung der mehrfachen Gebühr auslöst und daher zwingend (und unabhängig von der Höhe des Gebühren'grundbetrages') zu einer Gebührenerhöhung um ein Vielfaches dieses 'Grundbetrages' führt; dies auch dann, wenn (wie im Beschwerdefall) unstrittig ist oder dem Gebührenschuldner der Nachweis gelingt, dass die Gebühr für das Rechtsgeschäft bereits (einmal) entrichtet worden ist (vgl. dazu Frotz/Hügel/Popp, aaO, 2/1).
Für diesen mehrfachen Anfall der Rechtsgeschäftsgebühr kann der Verfassungsgerichtshof vorderhand keine sachliche Rechtfertigung finden. Die von den Materialien gesehene Notwendigkeit der in § 25 GebG enthaltenen Regelung zur Vermeidung eines Beweisnotstandes der Behörde scheint bei der gegenwärtigen Technik der Gebührenentrichtung nicht mehr und für nie ins Inland verbrachte Urkunden von vornherein nicht gegeben zu sein. Der Verfassungsgerichtshof kann es dabei dahingestellt sein lassen, ob die Materialien in diesem Zusammenhang von einer zutreffenden Sicht der 'Beweislastverteilung' im Gebührenrecht ausgehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre es - zur Vermeidung der vom Gesetzgeber gesehenen Probleme - anscheinend ausreichend, die 'Beweislast' für die ordnungsgemäße Vergebührung eines beurkundeten Rechtsgeschäfts dem Gebührenschuldner aufzuerlegen. Die Sanktion einer Vervielfachung der Gebühr dürfte im Hinblick darauf unverhältnismäßig sein."
3. Die Bundesregierung erstattete fristgerecht eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außer-Kraft-Setzen eine Frist von zwölf Monaten bestimmen, um "legistische Maßnahmen im Interesse einer für die Abgabenpflichtigen und die Abgabenbehörden einfachen und nachvollziehbaren Abgabenverwaltung in die Wege zu leiten".
Zur Begründung führt die Bundesregierung Folgendes aus:
"2.1. Urkundenprinzip; § 25 Abs 2 ff GebG als abgabenrechtliche Begünstigung:
Die im § 25 Abs 1 GebG enthaltene Anordnung der Gebührenpflicht für jede Urkunde über ein im § 33 GebG angeführtes Rechtsgeschäft ist ein Ausfluss des das Gebührengesetz beherrschenden Urkundenprinzips. Nach dem System des Gebührengesetzes wird nicht schon durch den bloßen Abschluss eines im § 33 GebG genannten Rechtsgeschäftes die Gebührenpflicht begründet, sondern erst dann wenn - und so oft wie - über dieses Rechtsgeschäft eine Urkunde errichtet wird.
Für die Gebührenpflicht müssen daher zwei
Voraussetzungen vorliegen, nämlich ein im § 33 GebG taxativ angeführtes Rechtsgeschäft und eine Urkunde über dieses Rechtsgeschäft. Die Errichtung einer Urkunde über ein solches Rechtsgeschäft ist somit ein dem Vorliegen eines derartigen Rechtsgeschäftes gleichrangiges Tatbestandsmerkmal. Es ist daher letztlich unerheblich, ob als Gegenstand der Gebühren im Sinne des III. Abschnitts des GebG das Rechtsgeschäft oder die Urkunde hierüber gesehen wird. Zur Bedeutung des § 15 Abs 3 GebG, der bestimmte beurkundete Rechtsgeschäfte von der Gebührenpflicht ausnimmt, wenn sie unter ein anderes Steuergesetz fallen, vertritt die Bundesregierung folgende Ansicht: In § 15 Abs 3 GebG wird nur deshalb auf 'Rechtsgeschäfte' und nicht auf 'Urkunden über Rechtsgeschäfte, [die unter ein anderes Steuergesetz fallen]', abgestellt, weil in den im § 15 Abs 3 GebG angeführten Abgabengesetzen die Steuerpflicht unabhängig davon eintritt, ob über diese Rechtsgeschäfte Urkunden errichtet werden oder nicht.
Der Gesetzgeber wollte somit die Schaffung von Beweisurkunden über Rechtsgeschäfte besteuern (Frotz/Hügel/Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, §§15 - 18, Seite 9). Aus diesem Grund löst die mehrmalige Verwirklichung des abgabenrechtlichen Tatbestandes jedes Mal die damit verbundenen abgabenrechtlichen Folgen aus. Die Gebührenpflicht für jede einzelne Gleichschrift infolge Tatbestandsverwirklichung ist dem Gebührengesetz somit systemimmanent und knüpft ausschließlich an die Erfüllung des abgabepflichtigen Tatbestandes und nicht an ein den Abgabenvorschriften zuwiderlaufendes Verhalten eines Abgabepflichtigen an. Wenn beide Tatbestandselemente (ein in § 33 GebG aufgezähltes Rechtsgeschäft und eine Urkunde hierüber) für die Gebührenpflicht gegeben sein müssen, liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Höhe der Gebühr von der Anzahl der errichteten Urkunden abhängig zu machen.
Die in den Abs 2 ff des § 25 GebG angeführten - unter bestimmten Voraussetzungen zustehenden - Ausnahmen von der Gebührenpflicht für jede einzelne Gleichschrift stellen abgabenrechtliche Begünstigungen dar. Werden die Voraussetzungen der Abs 2 ff nicht erfüllt, werden keine abgabenrechtlichen Vorschriften verletzt, sondern ist die Begünstigung mit der Folge verwirkt, dass dem Urkundenprinzip entsprechend jede einzelne Beweisurkunde gebührenpflichtig ist. Die Voraussetzungen sind im Gesetz objektiv normiert, subjektive (das heißt in der Person der Abgabepflichtigen gelegene) Umstände sind nicht zu berücksichtigen; auch aus diesem Grund stellt die mehrfache Gebührenpflicht keine Strafe dar.
Die in den Abs 2 ff des § 25 GebG vorgesehenen abgabenrechtlichen Begünstigungen sind mit zahlreichen anderen, in Abgabengesetzen enthaltenen, Begünstigungen vergleichbar, bei denen Ausnahmen von der Steuerpflicht an die Wahrnehmung einer Ausschlussfrist oder an die Einbringung eines Antrages gebunden sind. Auch derartige Regelungen können bei Unterlassung der Geltendmachung ohne weiteres mit sehr hohen Abgabenzahlungen verbunden sein. Die Folgen eines dem Antragsteller eingeräumten Antragsrechtes, von ihm jedoch unterlassenen Antrages, können nach Ansicht der Bundesregierung ebenso wie die nicht rechtzeitige Vorlage von Gleichschriften keinesfalls als Sanktion angesehen werden.
Aus dem Grundsatz der Vergebührung von jeder über ein Rechtsgeschäft errichteten Beweisurkunde ergibt sich für die Bundesregierung auch, dass die mehrfache Gebührenpflicht keine überschießende (exzessive) Reaktion des Gesetzgebers auf eine Unterlassung des Abgabepflichtigen ist. Daher wird dadurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum nicht verletzt und verstößt die Regelung auch nicht gegen das dem Gleichheitssatz innewohnende Gebot der Sachlichkeit.
Dazu kommt noch, dass die bei den Rechtsgeschäftsgebühren anzuwendenden Gebührensätze 0,8 % (wie im vorliegenden Fall) bis maximal 2 % der jeweiligen Bemessungsgrundlage betragen. Derart niedrige Abgabensätze vermögen nach Ansicht der Bundesregierung keine exzessive Besteuerung zu begründen.
2.2. Zu Auslandssachverhalten;
Verwaltungsvereinfachung und Rechtssicherheit:
§16 GebG sowie § 33 Tarifpost 8 Abs 3a (letzterer für Darlehens- und Kreditverträge) regeln, unter welchen Voraussetzungen bzw. in welchem Zeitpunkt die Gebührenschuld entsteht. Danach kann eine Gebührenschuld unter bestimmten Voraussetzungen auch entstehen, wenn ein Vertragsteil Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Ausland hat und eine Urkunde im Ausland errichtet wird. Im § 31 Abs 2 GebG wird normiert, dass bei Entstehen der Gebührenschuld die am Rechtsgeschäft beteiligten Personen - das sind die Vertragsteile - zur Gebührenanzeige verpflichtet sind. Dabei wird nicht zwischen inländischen und ausländischen Vertragsparteien unterschieden. Auch Vertragsteile, die Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Ausland haben, sind somit Normunterworfene mit den gleichen Rechten und Pflichten wie Vertragsteile mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz im Inland. Sie sind einerseits zur Gebührenanzeige verpflichtet und andererseits berechtigt, die gebührenrechtlichen Begünstigungen des § 25 Abs 2 ff GebG in Anspruch zu nehmen. Dies gilt - mangels anderslautender gesetzlicher Bestimmung - auch für den Fall, dass der ausländische Vertragsteil persönlich von der Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren befreit sein sollte. Es steht also auch ausländischen Vertragsparteien, die persönlich gebührenbefreit sind, frei, die Begünstigungen des § 25 Abs 2 ff GebG in Anspruch zu nehmen.
Das Gebührengesetz knüpft das Entstehen der Gebührenschuld - wie bereits oben näher ausgeführt - an bestimmte objektiv feststellbare Kriterien, die sich alle aus der jeweiligen Urkunde ergeben; dies entspricht dem Urkundenprinzip, wonach für die Vergebührung ausschließlich der Urkundeninhalt maßgeblich ist. Dieses System ist in der Handhabung sowohl für die Abgabenbehörde als auch für den Abgabenschuldner einfach und nachvollziehbar. Die Höhe der Gebühr (in ihrer Gesamtheit) ergibt sich aus dem Urkundeninhalt und - wenn eine rechtzeitige Gebührenanzeige samt Vorlage aller Gleichschriften erfolgt - aus dem Verhalten der zur Anzeige verpflichteten Personen. Kriterien, wie etwa ob und wie viele Urkunden in das Inland verbracht werden, können im Hinblick auf die große Anzahl der abgeschlossenen und beurkundeten Rechtsgeschäfte und dem damit verbundenen enormen Verwaltungsaufwand nicht berücksichtigt werden.
Aber auch für die Gebührenschuldner wäre die Berücksichtigung subjektiver Kriterien mit finanzieller Unsicherheit verbunden. Bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften sind beide Vertragsteile Gebührenschuldner. Wenn nun zunächst einer der Vertragsteile eine Urkunde ins Inland verbrächte und diese anzeigte, zwei Gleichschriften beim anderen Vertragsteil im Ausland verblieben, dieser sie später ins Inland brächte, wäre fraglich, wie der Ausländer die Gebührenentrichtung im Inland durch den Vertragspartner nachweisen sollte. Das Finanzamt müsste in diesen Fällen ein unter Umständen sehr aufwändiges Ermittlungsverfahren durchführen. Dazu kommt noch, dass der inländische Vertragsteil weiterhin Gebührenschuldner ist, obwohl er von der Verbringung der Urkunde ins Inland und damit dem Entstehen einer neuerlichen Gebührenschuld für die nunmehr sich im Inland befindliche weitere Urkunde möglicherweise gar keine Ahnung hat.
2.3. Zur Entrichtung der Gebühr mittels
Stempelmarken:
Der Verfassungsgerichtshof führt auf Seite 8 des Prüfungsbeschlusses aus, dass seit dem Jahr 2002 die Rechtsgeschäftsgebühren nicht mehr in Form von Stempelmarken entrichtet werden, weshalb die von den Materialien zum GebG gesehene Problematik nicht mehr oder zumindest nicht mehr in der Schärfe zu bestehen scheine.
Die Bundesregierung möchte dazu bemerken, dass diese Formulierung den Eindruck erweckt, dass die Rechtsgeschäftsgebühren vor dem Jahr 2002 jedenfalls in Form von Stempelmarken zu entrichten waren. Dies wäre jedoch nicht zutreffend: Die Entrichtung der Rechtsgeschäftsgebühren vor der GebG-Novelle BGBl. I Nr. 144/2001 waren gemäß § 3 GebG prinzipiell auf Grund einer Gebührenanzeige gemäß § 31 GebG von der Abgabenbehörde mit Bescheid festzusetzen oder auf Grund einer Bewilligung gemäß § 3 Abs 4 GebG von einem Gebührenschuldner oder gemäß § 3 Abs 4a GebG von einem befugten Parteienvertreter selbst zu berechnen. Vor dem bestand lediglich die Möglichkeit nach Wahl der Gebührenschuldner Rechtsgeschäftsgebühren bis zum Betrag von 2 000 Schilling in Form von Stempelmarken zu entrichten. Nur dann, wenn beim Abschluss und der Errichtung der Urkunde eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person mitgewirkt hatte und die Rechtsgeschäftsgebühr 2 000 Schilling nicht überschritten hatte, bestand die Verpflichtung, die Gebühr in Form von Stempelmarken zu entrichten. Diese Entrichtungsform war sohin die Ausnahme und nicht die Regel. Insofern hat sich die Rechtslage gegenüber den Entrichtungsformen nach dem Jahr 2002 nur in einigen wenigen Ausnahmefällen geändert.
Weiters vermag die Bundesregierung nicht zu erkennen, worin der grundsätzliche Unterschied liegen soll, ob die Entrichtung der Gebühr durch Anbringen von Stempelmarken auf der Urkunde oder durch den Anzeigevermerk der Abgabenbehörde oder - im Fall der Selbstberechnung der Gebühr durch einen Gebührenschuldner oder einen hiezu befugten Parteienvertreter - durch den Vermerk der Selbstberechnung nachgewiesen wird. Sowohl der Anzeigevermerk der Abgabenbehörde als auch der jeweilige Selbstberechnungsvermerk mit den entsprechenden Angaben zum Zweck der Nachvollziehbarkeit der Gebührenentrichtung verfolgen denselben Zweck wie die Anbringung von Stempelmarken auf der Urkunde, nämlich den Nachweis der Gebührenentrichtung zu erbringen.
2.4. Erkenntnis VfSlg. 11.734/1988 weiterhin
überzeugend:
Nach Ansicht der Bundesregierung hat sich die Rechtslage im Gebührengesetz 1957 nach dem im Verhältnis zur Rechtslage vor dem nicht in einer für die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 25 GebG relevanten Weise derart geändert, dass die Beurteilung der in Prüfung gezogenen Bestimmung im Erkenntnis VfSlg. 11.734/1988 nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.
Der Verfassungsgerichtshof hegte in diesem Erkenntnis - bei für die gegenständliche Beurteilung im Wesentlichen gleicher Rechtslage - keine Bedenken gegen die Sachlichkeit der Rechtsvorschrift des § 25 GebG und erblickte auch keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums wegen überschießender Rechtsfolgen, weshalb er sich damals nicht veranlasst sah, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 25 GebG einzuleiten.
Nach Ansicht der Bundesregierung besteht kein Anlass, von der Rechtsprechung in diesem Erkenntnis abzugehen. § 25 GebG verstößt aus den angeführten Gründen weder gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht noch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums."
4. Die beschwerdeführende Partei des Anlassverfahrens erstattete dazu eine Äußerung, in der sie der Auffassung der Bundesregierung entgegentritt.
5. Maßgebliche Rechtslage:
5.1. Gemäß § 15 Abs 1 GebG, BGBl. 267/1957, sind Rechtsgeschäfte grundsätzlich nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird.
5.2. Für den Fall mehrerer Urkunden ordnet § 25
leg.cit. idF BGBl. I 84/2002 Folgendes an:
"(1) Werden über ein Rechtsgeschäft mehrere Urkunden errichtet, so unterliegt jede dieser Urkunden den Hundertsatzgebühren.
(2) Werden von einer Urkunde Gleichschriften
(Duplikat, Triplikate usw.) ausgefertigt, so ist die Hundertsatzgebühr auf Grund jener Gleichschriften nur einmal zu entrichten, die dem Finanzamt bis zum 15. Tag des auf den Kalendermonat, in dem die Gebührenschuld entstanden ist, zweitfolgenden Monats vorgelegt werden. Das Finanzamt hat auf allen Gleichschriften zu bestätigen, dass die betreffende Schrift eine Gleichschrift ist und die Gebührenanzeige erstattet wurde.
(3) Wurde über ein Rechtsgeschäft eine die Gebührenpflicht begründende Urkunde errichtet, so ist die Hundertsatzgebühr für dieses Rechtsgeschäft auf Grund jeder weiteren Urkunde nur dann nicht neuerlich zu entrichten, wenn diese Urkunde bis zum 15. Tag des zweitfolgenden Kalendermonats nach dem für sie maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld einem für die Erhebung der Gebühren zuständigen Finanzamt mit dem Nachweis vorgelegt wird, dass auf Grund der ersten gebührenpflichtigen Beurkundung bei diesem Finanzamt die Hundertsatzgebühr zu erheben war oder an dieses Finanzamt die Hundertsatzgebühr auf Grund einer Selbstberechnung entrichtet wurde. In den Fällen einer Selbstberechnung der Gebühr gemäß § 3 Abs 4 oder § 33 Tarifpost 5 Abs 5 Z 5 ist die Hundertsatzgebühr auf Grund jeder weiteren Urkunde nur dann nicht neuerlich zu entrichten, wenn auf dieser von dem zur Selbstberechnung Befugten oder Verpflichteten ein Vermerk angebracht wird, der die fortlaufende Nummer der Aufschreibungen unter der die Hundertsatzgebühr für das Rechtsgeschäft selbst berechnet wurde und bei Bewilligung zur Selbstberechnung auch die Bezeichnung des Bewilligungsbescheides enthält.
(4) Bei Notariatsakten ist die Hundertsatzgebühr nur von der Urschrift zu entrichten. Der Notar hat auf allen Ausfertigungen einen Vermerk darüber anzubringen, dass die Anzeige zur Gebührenbemessung erstattet wurde oder die Gebühr an das Finanzamt auf Grund einer Selbstberechnung entrichtet wird oder wurde.
(5) In den Fällen einer Gebührenentrichtung gemäß § 3 Abs 4 ist bei Errichtung mehrerer Gleichschriften die Hundertsatzgebühr für das Rechtsgeschäft nur einmal zu entrichten, wenn auf allen Gleichschriften der in der genannten Bestimmung vorgesehene Vermerk angebracht wird.
(6) In den Fällen einer Gebührenentrichtung gemäß § 3 Abs 4a und § 33 Tarifpost 5 Abs 5 ist bei Errichtung mehrerer Gleichschriften die Hundertsatzgebühr für das Rechtsgeschäft nur einmal zu entrichten, wenn auf allen Gleichschriften von dem zur Selbstberechnung Verpflichteten oder Befugten der Vermerk angebracht wird, dass die Hundertsatzgebühr für das Rechtsgeschäft selbst berechnet wurde und an das Finanzamt entrichtet wird. Im Falle der Selbstberechnung und Entrichtung an das Finanzamt ist der im § 3 Abs 4a oder im § 33 Tarifpost 5 Abs 5 Z 3 oder 5 vorgesehene Vermerk anzubringen."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Bundesregierung bestreitet die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Norm nicht. Auch sonst ist im Verfahren kein Prozesshindernis hervorgekommen. Das Prüfungsverfahren ist daher zulässig.
2. Die Äußerung der Bundesregierung ist nicht
geeignet, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes in der Sache zu zerstreuen.
Die Bundesregierung betrachtet § 25 Abs 1 GebG als
Ausfluss des das GebG beherrschenden Urkundenprinzips. Dieses besage nicht nur, dass die Gebührenpflicht von Rechtsgeschäften eine Urkunde voraussetze (und vom Inhalt der Urkunde bestimmt werde), sondern auch, dass ein Rechtsgeschäft so oft der Gebührenpflicht unterliege, wie Urkunden errichtet werden.
Der Verfassungsgerichtshof hält dem entgegen, dass nach § 1 GebG den Gebühren im Sinne des GebG neben Schriften und Amtshandlungen "Rechtsgeschäfte" (und nicht Urkunden) unterliegen. Das Vorliegen einer Urkunde ist allerdings - soweit das Gesetz nichts Abweichendes bestimmt - zusätzliche Bedingung der Gebührenpflicht eines Rechtsgeschäftes (§15 Abs 1 GebG). Das entspricht auch - wie schon im Prüfungsbeschluss dargetan - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Gegenstand der Gebühr (nur) das Rechtsgeschäft ist, während die Urkundenerrichtung lediglich die Voraussetzung bzw. Bedingung ist, bei deren Vorliegen das Rechtsgeschäft gebührenpflichtig wird (vgl. zB ; , 93/16/0014; , 95/16/0332, 0333; , 2004/16/0029). Nur in diesem Verständnis kann daher der Bundesregierung gefolgt werden, wenn sie das Vorliegen eines Rechtsgeschäftes und die Errichtung einer Urkunde als "gleichrangige Tatbestandselemente" bezeichnet. Auf der anderen Seite sind Rechtsgeschäfte, die unter spezielle Verkehrsteuergesetze fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen (§15 Abs 3 GebG). Diese Befreiung wäre schwer zu begründen, wenn der Gesetzgeber die Errichtung von Urkunden nicht bloß als Bedingung, sondern als Gegenstand der Gebührenpflicht angesehen hätte. Dann wäre es nämlich inkonsequent, Urkunden über Rechtsgeschäfte nur deswegen nicht zu besteuern, weil die beurkundeten Rechtsgeschäfte (nicht etwa die darüber errichteten Urkunden) einer anderen Verkehrsteuer unterliegen. Der Verfassungsgerichtshof bleibt daher dabei, dass auch diese Norm indiziert, dass der Gesetzgeber nicht Urkunden, sondern Rechtsgeschäfte besteuern will, und geht somit davon aus, dass sich aus den allgemeinen Vorschriften des GebG - sieht man von § 25 leg.cit. ab - keine Hinweise für ein Urkundenprinzip im Verständnis der Bundesregierung ableiten lassen.
Werden über ein Rechtsgeschäft mehrere Urkunden
errichtet, dann ordnet § 25 Abs 1 GebG zwar zunächst an, dass jede dieser Urkunden den Hundertsatzgebühren unterliegt. Im Zusammenhalt mit den Abs 2 ff. dieser Bestimmung ergibt sich jedoch, dass es bei Einhaltung gewisser Ordnungsvorschriften - vor allem der Vorlage der Urkunden beim zuständigen Finanzamt innerhalb bestimmter Fristen - möglich ist, den mehrfachen Gebührenanfall zu vermeiden. Dem § 25 GebG liegt somit in seiner Gesamtheit nicht das Prinzip zugrunde, dass die Gebührenpflicht sich nach der Zahl der Urkunden richtet, sondern dass bei Vorliegen mehrerer Urkunden bestimmte Ordnungsvorschriften einzuhalten sind, die es dem Finanzamt erleichtern, die Einhaltung der gebührenrechtlichen Vorschriften zu kontrollieren, und dass die Nichterfüllung dieser Ordnungsvorschriften die Sanktion der Doppel- oder Mehrfachentrichtung der Gebühr auslöst.
Diese Deutung wird unmissverständlich durch die Materialien zur GebG-Novelle 1976 (RV 388 BlgNR 14. GP) gestützt. Dort heißt es einleitend:
"Bestimmend für die Neuregelungen des § 25 ist, daß an sich zwar das Rechtsgeschäft und nicht die darüber errichtete Urkunde den Gegenstand der Gebühr bildet, sodaß die Gebühr ohne Rücksicht auf die Anzahl der errichteten Urkunden nur einmal zu erheben wäre."
Es wird dem Urkundenprinzip im Verständnis der Bundesregierung somit eine klare Absage erteilt. Die (dem entgegenstehende) Bestimmung des § 25 Abs 1 GebG wird dann mit Überlegungen gerechtfertigt, die sich lediglich mit der Nachweisproblematik auseinandersetzen:
"In der Praxis kann aber andererseits nicht darauf verzichtet werden, daß aus jeder Urkunde über ein Rechtsgeschäft ersichtlich sein muß, ob das Rechtsgeschäft ordnungsgemäß vergebührt wurde. Wäre dies nicht der Fall, müßte die Behauptung der Partei, sie habe die Gebühr für das Rechtsgeschäft bereits entrichtet, vom Finanzamt widerlegt werden. Es ist daher vorgesehen, daß bei Errichtung mehrerer Urkunden über dasselbe Rechtsgeschäft die Gebühr an sich nur auf Grund einer Urkunde zu entrichten ist und alle übrigen Urkunden keine Gebührenpflicht begründen, sofern sie innerhalb eines Monats nach dem jeweils für sie maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld dem Finanzamt mit dem Nachweis vorgelegt werden, daß bereits auf Grund einer anderen Urkunde die Gebühr in Stempelmarken entrichtet oder die Gebührenanzeige erstattet wurde."
Aus den Materialien ergibt sich somit, dass die Vorschrift des § 25 GebG lediglich den Zweck verfolgt, einen Beweisnotstand der Behörde zu vermeiden.
Dass dem Urkundenprinzip nicht der von der Bundesregierung angenommene Inhalt zukommt und § 25 GebG demnach keine Begünstigungsnorm darstellt, sondern lediglich Beweisprobleme regelt, wird auch durch die Abs 4 bis 6 dieser Bestimmung bestätigt: Bei Notariatsakten bleibt es bei der Einmalentrichtung der Gebühr auch dann, wenn der Notar selbst auf allen Ausfertigungen einen Vermerk darüber anbringt, dass die Anzeige zur Gebührenbemessung erstattet wurde oder die Gebühr auf Grund einer Selbstberechnung entrichtet wird oder wurde. Eine gleichartige Ausnahme gilt nach § 25 Abs 5 GebG für Gebührenschuldner nach § 3 Abs 4 leg.cit., somit solche, in deren Betrieb laufend eine Vielzahl gleichartiger Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden und die die Gewähr für die ordnungsgemäße Einhaltung der Gebührenvorschriften bieten. Die Materialien (RV 388 BlgNR 14. GP) enthalten dazu folgenden Hinweis:
"Bei Notariatsurkunden und bei Urkunden, die von den im § 3 Abs 4 bezeichneten Personen ausgestellt werden, kann die Anbringung des Vermerkes über die erfolgte Gebührenanzeige bzw. Gebührenentrichtung auf den Urkunden, die keine weitere Gebührenpflicht begründen, den Urkundenverfassern überlassen bleiben."
Gleiches gilt nunmehr nach § 25 Abs 6 GebG für die nach § 3 Abs 4a leg.cit. zur Selbstberechnung befugten Parteienvertreter. Alle diese Regeln wären unverständlich bzw. unsachlich, läge dem GebG tatsächlich das Prinzip zugrunde, dass ein Rechtsgeschäft so oft zu vergebühren ist, wie Urkunden errichtet bzw. vorhanden sind. Ihre Rechtfertigung finden diese zuletzt genannten Vorschriften nur in dem Umstand, dass im Fall der dort genannten Gebührenschuldner bzw. Parteienvertreter Gewähr für die ordnungsgemäße (einmalige) Entrichtung der Gebühr gegeben ist bzw. diese relativ leicht kontrolliert werden kann, so dass auf die Vorlage beim Finanzamt verzichtet werden kann.
Damit reduziert sich der Inhalt des § 25 Abs 1 GebG auf eine Sanktion gegenüber Gebührenschuldnern, die - aus welchem Grund immer - die Ordnungsvorschrift der rechtzeitigen Vorlage nicht einhalten (können) und auch nicht von den Ausnahmen der Abs 4 bis 6 erfasst werden.
Ist § 25 GebG somit als Norm zu verstehen, die es der Behörde (bloß) ermöglichen soll, die ordnungsgemäße (einmalige) Entrichtung der Rechtsgeschäftsgebühren auch bei Vorliegen mehrerer Urkunden überprüfen zu können, dann stellt sich die Frage nach der Sachlichkeit (Verhältnismäßigkeit) der Sanktion der Mehrfachvergebührung. Der Verfassungsgerichtshof hat schon im Prüfungsbeschluss darauf hingewiesen, dass nach § 25 GebG bei Errichtung mehrerer Urkunden (wenn nicht die Ausnahmen nach den Abs 4 bis 6 eingreifen) die Versäumung der Vorlagefrist unabhängig vom Verschulden, somit auch bei Irrtum oder Unmöglichkeit der rechtzeitigen Vorlage, die mehrfache Gebühr auslöst, und zwar selbst dann, wenn unstrittig ist oder nachgewiesen wird, dass die Gebühr für das Rechtsgeschäft bereits (einmal) entrichtet wurde. Für diese Rechtsfolge konnte der Gerichtshof vor allem vor dem Hintergrund der rechtlichen und tatsächlichen Entwicklung des (internationalen) Wirtschaftsverkehrs in den letzten Jahrzehnten keine sachliche Rechtfertigung (mehr) erkennen. Die Bundesregierung, die von einem - wie gezeigt - mit der Gesetzeslage und den Materialien nicht vereinbaren Verständnis des Inhaltes des § 25 GebG ausgeht, hat lediglich geltend gemacht, dass es bei späterer Vorlage von Urkunden zu Beweisschwierigkeiten über die Entrichtung der Gebühr kommen könne. Der Gerichtshof hat es schon im Prüfungsbeschluss für fraglich erachtet, ob dieses, bereits von den Materialien angesprochene Problem im Hinblick auf die allgemeinen Regeln über die Behauptungs- und Beweislast im Abgabenverfahren tatsächlich die angenommene Relevanz hat, und im Übrigen darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nicht gehindert wäre, im Gebührenrecht (sachgerechte) Regelungen über die erforderlichen Nachweise der Gebührenentrichtung zu treffen. Es ist jedenfalls nicht plausibel, warum im Bereich der speziellen Verkehrsteuern, bei denen ebenfalls oft mehrere Personen als Gesamtschuldner in Betracht kommen, gleichartige Nachweisprobleme nicht bestehen oder jedenfalls gelöst werden (können), ohne dass es besonderer Beweisregeln bedarf und ohne dass es zu einer Vervielfachung der Abgabenschuld kommt.
Wenn die Bundesregierung, auf ein Argument des Prüfungsbeschlusses eingehend, die Auffassung vertritt, dass Rechtsgeschäftsgebühren bereits vor der Reform des Jahres 2002 häufig nicht in Stempelmarken entrichtet wurden, dann mag dies zutreffen (der Verfassungsgerichtshof hat keinesfalls die Auffassung vertreten, Rechtsgeschäftsgebühren seien vor diesem Datum jedenfalls in Stempelmarken entrichtet worden), würde aber nur zeigen, dass auch schon vor dieser Reform die von den Materialien zu § 25 GebG angenommenen Beweisschwierigkeiten (die bei der anonymen Entrichtung in Stempelmarken noch am ehesten anzunehmen sind) gar nicht in diesem Maße vorhanden waren.
Die Rechtsfolge einer Vervielfachung der Gebühr bei Vorliegen mehrerer Urkunden (die, wie der Anlassfall dieses Verfahrens zeigt, auch in absoluten Beträgen eine gewichtige Belastung bewirken kann) ist vor diesem Hintergrund eine unverhältnismäßige und daher eine gleichheitswidrige Maßnahme. Die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11.734/1988 vertretene gegenteilige Auffassung wird nicht mehr aufrecht gehalten.
Da § 25 GebG mit seinem System von "Regel" (Abs1) und "Ausnahmen" (Abs2 bis 6) eine Einheit bildet, erfasst die Aufhebung die ganze Norm.
3. Der Verfassungsgerichtshof sieht keine
Veranlassung, der Anregung der Bundesregierung, für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von zwölf Monaten zu bestimmen, zu folgen: Er geht davon aus, dass die Aufhebung des § 25 GebG nicht zu einem als unsachlich zu beurteilenden Ergebnis führt und dass die allgemeinen verfahrensrechtlichen Regelungen ausreichen, um die Ordnungsmäßigkeit der Gebührenentrichtung mit vertretbarem Aufwand kontrollieren zu können.
III. 1. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.