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OGH vom 24.07.2018, 9ObA8/18v

OGH vom 24.07.2018, 9ObA8/18v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Canan AytekinYildirim in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Sunder-Plaßmann Loibner Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Revisionsinteresse: 21.800 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 54/17k12, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 30 Cga 67/16s6, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte beschäftigt österreichweit unter anderem rund 190 im Außendienst tätige Kundendiensttechniker. Auf deren Arbeitsverhältnisse ist der Kollektivvertrag für Angestellte des Metallgewerbes anzuwenden.

Hauptaufgabengebiet der Kundendiensttechniker ist die Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur von Heizgeräten bei Kunden. Sie verrichten die ihnen übertragenen Aufgaben in den ihnen jeweils zugewiesenen Einsatzgebieten und fahren täglich von ihrem Wohnort aus mit einem von der Beklagten überlassenen Firmenfahrzeug, das die erforderlichen Arbeitsmaterialien und Werkzeuge enthält, zu den Kunden und vom letzten Kunden wieder zurück zu ihrem Wohnort. Die Bestückung der von den Kundendiensttechnikern verwendeten Firmenfahrzeuge mit Arbeitsmaterial und Ersatzteilen erfolgt jeweils in der Nacht durch Kooperationspartner der Beklagten, denen der Standort der Firmenfahrzeuge während der Nacht bekannt ist, die die regelmäßig im unmittelbaren Umfeld des Wohnortes der Kundendiensttechniker abgestellten Fahrzeuge mit einem Zweitschlüssel öffnen können und die erforderlichen Materialien und Ersatzteile einladen.

Den Kundendiensttechnikern werden die am jeweiligen Arbeitstag zu erledigenden Termine bei Kunden in der Früh vor Beginn des Arbeitseinsatzes von der Beklagten elektronisch bereitgestellt.

Die Zeit der Anfahrt der Kundendiensttechniker zum ersten Kunden sowie die Zeit der Rückfahrt vom letzten Kunden zum Wohnort des Kundendiensttechnikers werden miteinander verglichen, die jeweils längere (richtig: kürzere) Wegzeit wird zwar nicht als Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 AZG gewertet, dennoch aber als solche bis auf einen „Selbstbehalt“ von 30 Minuten vergütet.

Es werden Aufzeichnungen geführt, aus welchen auch Fahrtunterbrechungen erkennbar sind. Überprüfungen erfolgen nicht systematisch, sondern nur dann, wenn Kundenreklamationen wegen zu hoher Verrechnung von Fahrzeiten vorliegen.

Die Kundendiensttechniker haben den direkten Weg vom Wohnort zum Kunden und vom Kunden nach Hause zu wählen. Am Weg liegende private Tätigkeiten wie etwa das Bringen und Abholen von Kindern zu oder von Schule oder Kindergarten dürfen durchgeführt werden. Wenn dafür eine Fahrtunterbrechung von über 15 Minuten erfolgt, wird dies nicht bezahlt.

Der Kläger, Angestelltenbetriebsrat der Beklagten, begehrt iSd § 54 Abs 1 erster Satz ASGG die Feststellung, dass die Anfahrt der Kundendiensttechniker von der Wohnung zum ersten Kunden sowie die Rückfahrt vom letzten Kunden zur Wohnung Arbeitszeit gemäß AZG darstellten und als solche ungekürzt zu vergüten seien. Die Entfernung und die Fahrzeit zwischen Wohnung und Einsatzort beim Kunden könnten beträchtlich variieren. Die Kundentermine würden den Kundendiensttechnikern in der Früh vor Beginn des Arbeitseinsatzes von der Beklagten elektronisch übermittelt, nachdem ihre Firmenfahrzeuge in der Nacht durch externe Lieferanten mit Arbeitsmaterialien bestückt worden seien. Laut Arbeitsanweisung müsse als Fahrtstrecke zwischen zwei Fahrzielen immer der schnellste Weg gewählt werden, was auch für die Anfahrt vom Wohnort des Kundendiensttechnikers zum ersten Kunden des Arbeitstags gelte. Auch während der Fahrt von der Wohnung zum ersten Kunden sowie vom letzten Kunden retour müsse der Kundendiensttechniker für etwaige Anfragen bzw Änderungen erreichbar sein und habe sich in dieser Zeit dem Arbeitgeber zur Verfügung zu halten. Er habe in dieser Zeit nicht die Möglichkeit, frei über seine Zeit zu verfügen und eigenen Interessen nachzugehen. Die Kundendiensttechniker müssten die Zeit vom Verlassen der Wohnung bis zur Rückkehr dorthin täglich lückenlos elektronisch dokumentieren, auf welche Daten die Beklagte zu Abrechnungszwecken zugreife.

Die Beklagte erfasse die Arbeitszeit der Kundendiensttechniker, indem die Anfahrtszeit zum ersten Kunden und die Rückfahrzeit vom letzten Kunden miteinander verglichen und die jeweils längere Zeit voll als Arbeitszeit gerechnet werde, für die kürzere Wegzeit werde nur die Differenz einer über 30 Minuten hinausgehenden Fahrzeit gutgeschrieben. Dadurch könne es vorkommen, dass in einer Arbeitswoche bis zu 2,5 Stunden nicht als Arbeitszeit berücksichtigt und bei der Abrechnung allfälliger Überstunden nicht ausbezahlt würden.

Insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-266/14Tyco“ müssten die gesamten An- und Rückfahrzeiten des Kundendiensttechnikers zum ersten bzw vom letzten Kunden des Tages als Arbeitszeit gewertet werden. Bei den Kundendiensttechnikern gehöre das Lenken eines Fahrzeugs zum wesentlichen Tätigkeitsbereich, das notwendigerweise auch die Anfahrt zum ersten Kunden sowie die Rückfahrt vom letzten Kunden zum Wohnort beinhalte, weil der Kundendiensttechniker ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort von dort aus seine Tätigkeit anzutreten habe.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, nach ständiger Rechtsprechung sei die Zeit, die der Dienstnehmer brauche, um den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzulegen, nicht als Arbeitszeit zu beurteilen. Sie bezahle die Wegzeit der Kundendiensttechniker vom Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück – bis auf einen „Selbstbehalt“ von 30 Minuten täglich – als freiwillige Leistung wie Arbeitszeit. Der „Selbstbehalt“ verhindere eine nicht gerechtfertigte Besserstellung der Kundendiensttechniker gegenüber jenen Mitarbeitern zB in Verkaufsstellen oder Büros der Beklagten, deren Wegzeit zur und von der Arbeitsstätte nicht vergütet werde. Ein Kundendiensttechniker stehe der Beklagten während der Wegzeiten vom Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück auch nicht uneingeschränkt, sondern nur genauso wenig zur Verfügung wie jeder andere Arbeitnehmer auch, der sich mit seinem Fahrzeug in der Früh vom Wohnort zur Arbeitsstätte und am Abend von dieser zurück zum Wohnort begebe. Die Verwendung der mit Arbeitsmaterial und Ersatzteilen beladenen Kundendienstfahrzeuge für diese Fahrten sei notwendig, weil diese Fahrzeuge für die Verrichtung der Arbeit der Kundendiensttechniker ausgestattet seien und die Kundendiensttechniker ihre Aufgaben ohne diese Fahrzeuge nicht verrichten könnten. Wie alle anderen Arbeitnehmer auch hätten die Kundendiensttechniker auf dem Weg zur und von der Arbeit die Möglichkeit, über die Zeit zu verfügen und eigenen Interessen nachzugehen. Sie könnten Musik hören, private Telefonate führen oder alles tun, was mit dem Lenken eines Kraftfahrzeugs vereinbar ist. Die Einschränkungen der Kundendiensttechniker auf dem Weg zur und von der Arbeit gingen nicht über die Einschränkungen jedes anderen Arbeitnehmers auf solchen Wegen hinaus.

Die Anweisung der Beklagten an die Kundendiensttechniker, den Weg vom Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück auf der kürzesten Strecke zurückzulegen und die Wegzeiten möglichst kurz zu halten, sei darin begründet, dass die Beklagte die Wegzeiten freiwillig vergüte und die Möglichkeit der Nutzung des Fahrzeugs für nicht beruflich veranlasste Fahrten einschließlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Sachbezug iSd § 4 Sachbezugswerteverordnung wäre. Verzichteten die Kundendiensttechniker auf die freiwillige Vergütung der Wegzeit und würden sie die steuerliche Belastung aus einem Sachbezug tragen, wäre es der Beklagten einerlei, ob sie auf direktem Weg zum ersten Kunden oder vom letzten Kunden zurück führen.

Auch das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-266/14 Tyco ändere nichts daran. Bei der Definition der Arbeitszeit dieser Richtlinie werde auf die „einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten“ verwiesen. Auch wenn der Begriff der Arbeitszeit unionsrechtlich autonom auszulegen sei, zähle zu den bei der Definition der Arbeitszeit zu berücksichtigenden österreichischen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten die seit 1971 unveränderte Rechtsprechung, wonach die Zeit, die der Dienstnehmer brauche, um den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzulegen, nicht als Arbeitszeit zu beurteilen sei.

Auch ohne Berücksichtigung dieser Gepflogenheiten sei keine andere rechtliche Beurteilung geboten. Der Zweck der Richtlinie, Mindestvorschriften zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer aufzustellen, habe es auf Grundlage der besonderen Umstände des in der Rechtssache Tyco zu beurteilenden Sachverhalts geboten, die Wegzeiten der Außendienstmitarbeiter der Verfahrenspartei Tyco als Arbeitszeiten zu werten. In jenem Sachverhalt habe die Arbeitgeberin ihre Regionalbüros geschlossen, sodass die Außendienstmitarbeiter, die bis dahin die Fahrzeuge, mit denen sie zu den Kunden gefahren seien, täglich am Standort dieser Regionalbüros abgeholt hätten – wobei die Wegzeit vom Wohnort zum Regionalbüro nicht, die Wegzeit vom Regionalbüro zum ersten Kunden hingegen schon als Arbeitszeit gewertet worden seien –, nunmehr direkt von ihrem Wohnort aus zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zu ihrem Wohnort zurückfahren hätten müssen. Nach der Schließung der Regionalbüros hätte die Wegzeit vom Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück zur Gänze als nicht zu vergütende Wegzeit gewertet werden sollen, wodurch es zu einer Verschlechterung der Situation der Außendienstmitarbeiter gekommen sei. Die Beklagte habe aber nie den Regionalbüros vergleichbare Standorte unterhalten, zu denen sich die Kundendiensttechniker – mit ihren eigenen Kraftfahrzeugen – hätten begeben müssen. Eine die Interessen der Arbeitnehmer beeinträchtigende Entscheidung des Arbeitgebers wie jene, die Regionalbüros zu schließen, liege hier nicht vor. Die Kundendiensttechniker der Beklagten wohnten in der Regel in oder nahe jenem arbeitsvertraglich festgelegten Gebiet, in dem sie ihre Arbeiten verrichteten. Für Kundendiensttechniker, die in den Ballungszentren wohnten und dort auch ihr Einsatzgebiet hätten, sei die Wegzeit vom Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück in der Regel um nichts länger oder kürzer als die Wegzeit vom Wohnort zu einer von der Beklagten in einem Ballungszentrum unterhaltenen Betriebsstätte. Außerhalb der Ballungszentren unterschieden sich die Wegzeiten der Kundendiensttechniker von ihrem Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück in der Regel auch nicht von jenen Wegzeiten, die außerhalb der Ballungszentren wohnhafte Tagespendler zwischen ihrem Wohnort und der Arbeitsstätte zurückzulegen hätten.

Sollte die Wegzeit von dem vom Arbeitgeber nicht zu beeinflussenden Wohnort des Arbeitnehmers zum ersten Kunden in die Arbeitszeit fallen, hinge das Ausmaß der täglichen Normalarbeitszeit von acht Stunden, die dem Arbeitnehmer für die Kundenbetreuung zur Verfügung stünde, davon ab, wo der Arbeitnehmer seinen Wohnort habe. Für die Beklagte und alle Unternehmen, die Außendienstmitarbeiter beschäftigten, hätte dies zur Folge, sich von Arbeitnehmern trennen zu müssen, die aufgrund der Wahl ihres Wohnorts einen nicht vertretbar hohen Anteil der täglich zur Verfügung stehenden Arbeitszeit bereits für die Anfahrt vom Wohnort zum ersten Einsatzort bzw zurück vom letzten Einsatzort zum Wohnort verbrauchen würden. Da der Arbeitgeber keinen Einfluss auf die Wahl des Wohnorts des Arbeitnehmers habe, sei eine Erstreckung der Arbeitszeit auf die Wegzeit sachlich nicht gerechtfertigt.

Sollte die Wegzeit von der Wohnung des Kundendiensttechnikers zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück als Arbeitszeit zu werten sein, wäre sie Reisezeit iSd § 20b AZG, weil die Kundendiensttechniker während dieser Wegzeit keine in der Inbetriebnahme, Reparatur oder Wartung von Heizgeräten bestehende Arbeitsleistungen erbrächten.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte rechtlich aus, die hier in Rede stehenden Kundendiensttechniker führten Dienstreisen nach § 20b Abs 6 AZG, nicht aber iSd Abs 1 leg cit durch, weil sie nicht nur vorübergehend, sondern permanent ihre Arbeitsorte verließen. Der vorliegende Sachverhalt sei jenem des Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache EuGH C-266/14, Tyco, vergleichbar, in der die Wege vom Wohnort jener Techniker zum ersten Kunden sowie vom letzten Kunden zum Wohnort nicht als dem Arbeitnehmer zuzurechnende Weg-, sondern als Arbeitszeiten beurteilt worden seien.

Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Beklagten unter ausführlicher Analyse der Entscheidung des EuGH Tyco keine Folge. Ausschlaggebend seien erkennbar der Charakter der Fahrten der Techniker von Tyco in ihrem Gesamtbezug zu deren Tätigkeitsbereich und die Bedingungen, unter denen sie erbracht worden seien, gewesen. Die Situation der Kundendiensttechniker der Beklagten und jener von Tyco zeige keinen Unterschied in den Sachverhalten, der eine Abweichung in der Beurteilung der Fahrzeiten als „Arbeitszeit“ rechtfertige. In beiden Fällen hätten Arbeitnehmer keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort und gäben die Arbeitgeber die konkreten Einsatzorte vor. Die Länge der Strecke und/oder die Dauer der Fahrten zwischen Wohnort und Kunden seien keine maßgeblichen Kriterien gewesen. Die Fahrten seien auch im vorliegenden Fall notwendiges Mittel zur Erbringung der technischen Leistungen bei den Kunden. Die Freiheit der Kundendiensttechniker der Beklagten während der strittigen Fahrten sei weitergehend eingeschränkt als jene bei Tyco. Selbst bei Mitarbeitern, für die eine Verrichtung privater Angelegenheiten am direkten Weg zu Kunden grundsätzlich in Betracht käme, stelle sich die Frage, ob sie das bei sich regelmäßig änderndem Weg auch an allen Tagen tun könnten. Da die Beklagte ihren Kunden die Fahrzeiten der Techniker gesondert in Rechnung stelle und es gelegentlich zu Reklamationen komme, liege auch der Grund, die Fahrzeiten so kurz wie möglich zu halten, allein in ihrer Sphäre. Bezüglich der Bedeutung der Schließung der Regionalbüros stelle der EuGH auf das Wesen der Fahrten ab, die an ihn herangetragene Frage habe sich auch nicht auf einen unionsrechtskonformen Umgang mit einer nach nationalem Rechtsverständnis „verschlechternden Versetzung“ bezogen. Für das Schutzziel der Richtlinie mache es auch keinen Unterschied, ob einem Arbeitnehmer die Möglichkeit, die Entfernung zu seinem Arbeitsort durch entsprechende Wohnsitznahme zu bestimmen, genommen werde oder er sie nie gehabt habe. Dass die Beklagte keine Einfluss auf die Wohnorte ihrer Kundendiensttechniker und deren Fahrzeit habe, sei die Kehrseite ihrer Entscheidung, keine regionalen Standorte zu betreiben, womit sie die Möglichkeit der Arbeitnehmer, ihre Wegzeiten durch Wahl des Wohnorts zu optimieren, ihrer Ersparnis für den Aufwand regionaler Stützpunkte opfere.

Im Hinblick auf die Frage der Entlohnung der Fahrzeiten prüfte das Berufungsgericht, ob diese Zeiten aus nationaler Sicht näher, etwa als Reisezeit iSd § 20b AZG, kategorisiert werden müssten. Es lehnte eine Einordnung als aktive Reisezeit aber ab, weil dafür nach der Rechtsprechung das Lenken des Fahrzeugs eine viel geringerwertige Tätigkeit als die eigentliche Haupttätigkeit des Arbeitnehmers sein müsse; das sei nicht der Fall. Dem trage auch der Kollektivvertrag Rechnung, indem er Angestellte mit ständiger Reisetätigkeit aus dem Geltungsbereich seines § 10 Abs 6 über die Entlohnung von Dienstreisestunden außerhalb der normalen Arbeitszeit ausnehme. Die strittigen Fahrzeiten seien daher nicht anders zu behandeln als die unstrittig zur Arbeitszeit ieS zählenden Fahrzeiten von Kundentermin zu Kundentermin. Die Revision wurde für zulässig erklärt.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung, in eventu die Abänderung dahin, dass die Anfahrt der Kundendiensttechniker von deren Wohnung zum ersten Kunden und/oder die Rückfahrt vom letzten Kunden zum Wohnort als Reisezeit iSd § 20b Abs 6 AZG festgestellt werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Darüber hinaus regt die Beklagte die Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH an.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Fahrzeiten zwischen Wohnort und erstem/letztem Kunden als Arbeitszeit iSd AZG

1.1. Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 AZG ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.

Es entspricht Lehre und Rechtsprechung, dass die Arbeitszeit beginnt, sobald der Arbeitnehmer in Entsprechung der arbeitsvertraglichen Verpflichtung seine Arbeit aufnimmt oder dem Arbeitgeber zur Aufnahme der Arbeit zur Verfügung steht (zB 8 ObA 61/13y; 9 ObA 29/18g; vgl auch RISJustiz RS0051370; Pfeil in ZellKomm3 § 2 AZG Rz 2; Grillberger in Grillberger, AZG3 § 2 Rz 3; Schrank, Arbeitszeit4 § 2 Rz 6; Klein in Heilegger/Klein, AZG4 § 2 Rz 1). Die Verfügbarkeit des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers innerhalb eines bestimmten Zeitraums unabhängig von einem bestimmten Arbeitserfolg ist dem Arbeitsvertrag auch wesensimmanent (vgl RISJustiz RS0021494; RS0021284; 9 ObA 29/18g).

1.2. Arbeits- bzw Dienstwege und Dienstreisezeiten sind als über Auftrag und im Interesse des Arbeitgebers erfolgende Erfüllung der Arbeitspflicht danach grundsätzlich Arbeit und damit Arbeitszeit (Schrank, Arbeitszeit4 § 2 Rz 7), weil die Selbstbestimmungs-möglichkeit des Arbeitnehmers über die Verwendung dieser Zeiten ausgeschlossen ist (Klein in Heilegger/Klein, AZG4 § 2 Rz 4; s auch VwGH 90/19/0293, 91/19/0329). Soweit die Reisetätigkeit zum ständigen Aufgabenkreis eines Arbeitnehmers gehört, wie etwa bei einem Monteur, der zur Durchführung von Servicearbeiten von Kundschaft zu Kundschaft fährt, ist die Reisezeit daher auch stets „Arbeitszeit im engeren Sinn“ (RISJustiz RS0051347; RS0029300; 9 ObA 47/11v [Fahrt einer Raumpflegerin zwischen zwei Objekten]).

1.3. Dagegen ist die Zeit, die der Dienstnehmer braucht, um den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzulegen, grundsätzlich nicht als Arbeitszeit zu beurteilen, weil sie vor Dienstbeginn oder nach Dienstende liegt (RISJustiz RS0051331). Maßgeblich ist, dass der Arbeitnehmer über die Verwendung seiner Zeit noch bzw wieder selbst entscheiden kann (zB Pfeil in ZellKomm3 § 2 Rz 4; Grillberger in Grillberger, AZG3 § 2 Rz 4). In diesem Sinn ging die Rechtsprechung auch bei Arbeitnehmern, die keinen ständigen (festen) Arbeitsplatz haben und deren Arbeitsort oft wechselt (zB Baubranche, Außendienstmitarbeiter), davon aus, dass die wechselnden Hin- und Rückwege noch der privaten Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen sind (9 ObA 148/11x: wechselnde Arbeitsorte eines Monteurs ohne festen Betriebsarbeitsplatz). Nur wenn der örtliche Bereich so groß ist, dass der Arbeitnehmer nicht täglich an seinen Wohnort zurückkehren kann, wurde eine Dienstreise bejaht (9 Ob 102/93; Klein in Heilegger/Klein, AZG4 § 2 Rz 6; s aber auch 9 ObA 109/03z [Wochenpendeln von und zur Baustelle mit örtlicher Wohngelegenheit als Wegzeit]).

1.4. Diese Beurteilung ist letztlich auf die Erwägung zurückzuführen, dass Wegzeiten vom und zum Wohnort vor dem Beginn bzw nach dem Ende der Arbeit liegen, wenn und weil ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber dann nicht mehr vereinbarungsgemäß zur Arbeitsleistung zur Verfügung steht, sondern über die Verwendung seiner Zeit, wie dargelegt, wieder autonom verfügungsbefugt ist. Das trifft hier aber nicht zu:

Im vorliegenden Fall gehört es zu den Dienstpflichten der Kundendiensttechniker, dass sie den Weg von ihrem Wohnort zum Arbeitseinsatz beim ersten Kunden und den Weg zum Wohnort zurück nicht mit einem beliebig wählbaren Verkehrsmittel, sondern mit dem Firmenfahrzeug zurückzulegen haben. Dies steht im Zusammenhang mit der Betriebsorganisation der Beklagten, die erforderlichen Arbeitsmaterialien und Werkzeuge nicht an einem fixen Standort, sondern in der Nacht an den jeweiligen Standorten der Fahrzeuge mobil von Kooperationspartnern bestücken zu lassen. Ein Kundendiensttechniker hat danach bereits ab seinem Wohnort für die konkreten Kundeneinsätze hergerichtete Betriebsmittel des Arbeitgebers zu verwenden. Weiter ist ihm vorgegeben, dass er den kürzesten Weg zum Kunden bzw zum Wohnort zu wählen hat und nur am Weg liegende außerberufliche Tätigkeiten durchgeführt werden dürfen (was bei einer Unterbrechung von mehr als 15 Minuten zum Entfall des Entgelts führt). Dagegen ist es ihm verwehrt, vor oder nach der Arbeit einer nicht auf dem kürzesten Weg liegenden privaten (Freizeit-)Tätigkeit nachzugehen, wie dies jedem anderen Arbeitnehmer mit fixem Arbeitsplatz möglich wäre. Über die Fahrten werden auch Aufzeichnungen geführt, aus denen Unterbrechungen erkennbar sind und die auch punktuell der Kontrolle unterliegen. Da einem Kundendiensttechniker erst in der Früh elektronisch bekannt gegeben wird, wo der erste Kunde ist, ist er unter Umständen auch in der Möglichkeit der Wahl eines anderen Nächtigungsorts (zB Wochenendhaus) eingeschränkt. Eine solche Anordnung impliziert damit, dass die Vertragsparteien diese Zeit des Arbeitnehmers grundsätzlich der räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit durch den Arbeitgeber unterstellt haben. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem der Entscheidung 9 ObA 148/11x zugrundeliegenden Sachverhalt, weil jenem Kläger, wenngleich er ebenso ein Firmenfahrzeug benützte, für die Hin- und Rückwege keine zeitlichen und örtlichen Vorgaben gemacht wurden. Das Argument der Beklagten, dass der Kundendiensttechniker durch die Wahl des Wohnorts eine Verlängerung der Arbeitszeit bewirken könne, überzeugt insofern nicht, als sich die Fahrzeit nach dem Standort des jeweils ersten und letzten Kunden richtet, der sich dem Einfluss des Arbeitnehmers entzieht und ständig wechselt. Zudem wäre der Kundendiensttechniker selbst dann in der Wahl des Verkehrsmittels und der Wegstrecke nicht frei.

Die Zeit, die der Kundendiensttechniker vom Wohnort zum ersten Kunden bzw vom letzten Kunden zum Wohnort fährt, ist daher nach Lage des Falls schon nach nationalem Recht als Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 Z 1 AZG anzusehen.

2. Diese Beurteilung steht auch im Einklang mit der Definition der Arbeitszeit nach Art 2 Z 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (idF: RL 2003/88/EG) und ihrer Auslegung durch den EuGH.

2.1. Nach dieser Bestimmung ist „Arbeitszeit“ jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder seine Aufgaben wahrnimmt. Dieser Begriff ist im Gegensatz zur Ruhezeit zu sehen, da beide Begriffe einander ausschließen (Urteile EuGH C-151/02 Jaeger, Rn 48; C-14/04 Dellas ua, Rn 42; C-266/14 Tyco, Rn 25 ua). „Ruhezeit“ ist nach Art 2 Z 2 RL 2003/88/EG jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. Die Richtlinie sieht auch keine Zwischenkategorie zwischen den Arbeitszeiten und den Ruhezeiten vor (EuGH C-266/14 Tyco, Rn 26).

2.2. Die Beklagte bringt dagegen zunächst vor, dass der Begriff der Arbeitszeit iSd Art 2 RL nur die von der Richtlinie erfassten Aspekte betreffen könne, nicht aber die weit darüber hinausgehenden Aspekte des AZG. Es sei methodisch unzulässig, den Arbeitszeitbegriff der Richtlinie auf das gesamte AZG zu übertragen.

Der nationale Gesetzgeber hat allerdings darauf verzichtet, in § 2 AZG einen „gespaltenen“ Begriff der Arbeitszeit – nämlich einen europäischen und einen nationalen Arbeitszeitbegriff je nachdem, ob eine Norm eine Richtlinienumsetzung betrifft oder nicht – einzuführen
(s Klein in Heilegger/Klein AZG4 § 2 Rz 3). Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang angesprochenen Detailaspekte des AZG (Abgrenzung von Normalarbeitszeit zu Mehr- und Überstundenarbeit, tägliche Arbeitszeit, zulässiges Volumen der Normalarbeitszeit oder der Mehr- und Überstunden, Lage der Arbeitszeit uä) sind auch nicht weiter verfahrensgegenständlich, geht es dem Kläger doch nur darum, die Fahrzeiten vom und zum Wohnort als „Arbeitszeit gemäß AZG“ festgestellt zu wissen. Entgeltrechtliche Konsequenzen wurden bereits vom Berufungsgericht lediglich auf der Grundlage des nationalen Rechts geprüft (s dazu auch unter Punkt 4.).

2.3. Inhaltlich war in der Rs C266/14 Tyco zu beurteilen, ob Fahrzeiten von Arbeitnehmern ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort, die – dort nach Schließung eines Regionalbüros – für die täglichen Fahrten zwischen Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten vom Arbeitgeber bestimmten Kunden aufzuwenden waren, als „Arbeitszeit“ im Sinne des Art 2 Z 1 RL zu qualifizieren waren. Dies wurde vom EuGH bejaht:

Das Erfordernis, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit auszuüben oder seine Aufgaben wahrzunehmen hat (erster Bestandteil des Begriffs „Arbeitszeit“), wurde darin verwirklicht gesehen, dass die Fahrten von Arbeitnehmern zu den Kunden das notwendige Mittel zur Erbringung der technischen Leistungen bei den Kunden waren und Tyco die Fahrzeit zwischen den Regionalbüros und dem ersten bzw letzten Kunden schon vor deren Schließung als Arbeitszeit betrachtet hatte. Nach Schließung der Regionalbüros hatte sich nur der Ausgangspunkt der Fahrten geändert (Rn 32 f). Für das Erfordernis, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss (zweiter Bestandteil), ist der Umstand entscheidend, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich zu dessen Verfügung zu halten, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können (Rn 35 f), während es dafür spricht, dass der betrachtete Zeitraum keine Arbeitszeit im Sinne der RL ist, wenn die Arbeitnehmer ohne größere Zwänge über ihre Zeit verfügen und ihren eigenen Interessen nachgehen können (Rn 37). Ersteres wurde vom EuGH bejaht, weil Tyco die Liste und Reihenfolge der Kunden sowie die Uhrzeit der Kundentermine festlegte. Zwar verfügten die Arbeitnehmer über eine gewisse Freiheit, weil sie während der Fahrzeit nicht verpflichtet waren, das Telefon angeschaltet zu lassen. Auch stand ihnen die Festlegung der von ihnen gewünschten Route frei, sodass sie ihre Fahrzeit so organisieren konnten, wie sie wollten. Der EuGH ging aber davon aus, dass die Arbeitnehmer während der Fahrzeiten den Anweisungen von Tyco unterlagen und nicht die Möglichkeit hatten, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihren eigenen Interessen nachzugehen. Zum dritten Bestandteil des Begriffs „Arbeitszeit“, wonach der Arbeitnehmer während der betrachteten Zeitspanne „arbeiten“ muss, wurde festgestellt, dass bei einem Arbeitnehmer, der keinen festen Arbeitsort mehr hat und der seine Aufgaben während der Fahrt zu oder von einem Kunden wahrnimmt, auch davon auszugehen ist, dass er während der Fahrt arbeitet. Die Fahrten gehören untrennbar zum Wesen eines Arbeitnehmers, der keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort hat, sodass der Arbeitsort solcher Arbeitnehmer nicht auf die Orte beschränkt werden kann, an denen sie bei den Kunden ihres Arbeitgebers physisch tätig werden (Rn 43). Da jenen Arbeitnehmern die Möglichkeit genommen worden war, die Entfernung zwischen ihrem Wohnort und dem gewöhnlichen Ort des Beginns und des Endes ihrer Arbeit frei zu bestimmen, konnte ihnen nicht auferlegt werden, die Folgen der Entscheidung ihres Arbeitgebers, diese Büros zu schließen, zu tragen (Rn 44).

2.4. Die Vorinstanzen haben den vorliegenden Sachverhalt dem der Entscheidung Tyco zugrundeliegenden Sachverhalt als hinreichend vergleichbar angesehen. Ergänzend zu ihren Erwägungen ist hervorzuheben, dass die Arbeitnehmer im vorliegenden Fall nicht nur die Firmenfahrzeuge zu verwenden, sondern auch die kürzeste Strecke zu fahren hatten. Die ihnen eingeräumte Möglichkeit, die Fahrten von und zum Wohnort zu privaten Zwecken in nicht vorgegebenem Ausmaß zu unterbrechen, ändert nichts daran, dass sie – insofern enger als im Fall der Rechtssache Tyco – auf den Fahrten nicht frei über die Route bestimmen durften und damit auch nicht ihren eigenen Interessen, wie zB einer nicht auf dem Heimweg liegenden Freizeitaktivität, nachgehen konnten. Dass die Arbeitnehmer in der Rs Tyco auf den Fahrten telefonisch nicht erreichbar sein mussten, beeinträchtigte die Beurteilung ihrer Fahrzeiten als Arbeitszeit nicht. Insofern kann es aber auch im vorliegenden Fall nicht darauf ankommen, ob die Arbeitnehmer während der Fahrzeiten – was nicht feststeht – für die Beklagte durchgehend erreichbar sein mussten und Anweisungen entgegen zu nehmen hatten oder nicht. Die Lage und die Dauer der Fahrten als solche waren in der Rs Tyco kein ausschlaggebendes Kriterium, sie können es daher auch hier nicht sein. Soweit einem von der Schließung der Regionalbüros betroffenen Arbeitnehmer dadurch die Möglichkeit genommen wurde, seine Wohnsitznahme am Arbeitsort auszurichten, unterscheidet ihn dies nicht von einem Außendienstmitarbeiter, der von vornherein keinen festen Arbeitsort hat.

2.5. Die auch in der Literatur (Klein in Heilegger/Klein, AZG4 § 2 Rz 8, S 173, s auch Korenjak, Rechtsprobleme bei Dienstreise und Versetzung, ZAS 2017 [Sonderheft 2a] 108, 111) angesprochene Frage der Beurteilung von Wegzeiten, die sich klar aus privaten Dispositionen des Arbeitnehmers zu einem geografisch definierten Gebiet als Dienstort („flächiger Arbeitsort“) ergeben, stellt sich hier nicht, weil Derartiges nicht feststeht. Zum Erfordernis, dass der Arbeitnehmer während der betrachteten Zeitspanne „arbeiten“ muss, ist schließlich auf Rn 43 der Entscheidung Tyco zu verweisen.

2.6. Entgegen der Ansicht der Beklagten haftet der Beurteilung auch keine Gleichheitswidrigkeit im Verhältnis zu Arbeitnehmern mit festem Arbeitsort an, weil letzteren vom Arbeitgeber in der Regel keine Vorgaben gemacht werden, wann, wie und auf welchem Weg oder Umweg sie sich dorthin zu begeben haben und darüber auch keine Aufzeichnungen zu Kontrollzwecken geführt werden. Der Arbeitsweg unterliegt idR vielmehr der Eigenbestimmung eines Arbeitnehmers (s 9 ObA 47/11v).

2.7. Schließlich bietet die Rezeption der Entscheidung Tyco in der Literatur (Klein in Heilegger/Klein AZG4 § 2 Rz 8; Pfeil in ZellKomm3 § 2 AZG Rz 5; Korenjak, ZAS 2017 [Sonderheft 2a], 108; Heilegger, Qualifikation der Fahrzeit Wohnort – Kunde als Arbeitszeit, DRdA 2016, 322; Balla, Fahrzeit von Außendienstmitarbeitern zwischen Wohnort und erstem/letztem Kunden ist Arbeitszeit, DRdA-infas, 2015, 312; bei arbeitgeberseitiger Inanspruchnahme ebenso Schrank, Arbeitszeit4 § 2 Rz 12) keinen Grund für ein abweichendes Ergebnis.

2.8. Zusammenfassend liegen keine ausreichend markanten Unterschiede zwischen dem Sachverhalt in der
Rs Tyco und dem des vorliegenden Falls vor, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, der von der Beklagten angeregten Einholung einer weiteren Vorabentscheidung durch den EuGH nachzukommen.

Die fraglichen Fahrzeiten sind danach als Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 AZG anzusehen.

3. Reisezeiten

Die Beklagte möchte für diesen Fall die Fahrzeiten als Reisezeiten iSd § 20b AZG beurteilt wissen.

3.1. Dass hier keine Reisezeit iSd § 20b Abs 1 AZG vorliegt, wird auch von der Beklagten nicht bezweifelt, liegt doch kein Fall eines „vorübergehenden Verlassens“ des Dienstorts (der Arbeitsstätte) vor.

3.2. Für eine Anwendbarkeit des § 20b Abs 6 AZG idF BGBl I 2015/152 bringt die Beklagte zwar mit beachtlichen Argumenten vor, dass die Fahrzeiten ihrer Kundendiensttechniker nicht deren Haupttätigkeit darstellen (zur Haupttätigkeit als jene, die dem Arbeitsverhältnis die inhaltliche Prägung gibt vgl Schrank, Arbeitszeit: Angeordnetes Lenken bei Dienstreisen? RdW 2017, 628; zur Reisebewegung von Außendienstmitarbeitern als bloße Hilfsfunktion ebenso Gleißner, Aktuelle Änderungen im Arbeitszeitrecht mit Schwerpunkt auf Reisezeiten, ZAS 2016, 52, 54 mwN; s auch die ErlBem RV 903 BlgNR XXV. GP, S 6 f, die beispielhaft die regelmäßige Tätigkeit von Außendienstmitarbeitern erwähnen). Da das Interesse des Klägers aber nur darauf gerichtet ist, die Fahrzeiten als „Arbeitszeit gemäß AZG“ qualifiziert zu wissen (zum Entgeltanspruch s Pkt 4.) und diese nicht näher differenzierende Qualifikation unabhängig davon zu bejahen ist, ob die Fahrzeiten Reisezeiten iSd § 20b AZG, im Sinne einer kollektivvertraglichen Bestimmung oa sind oder nicht, bedarf die von der Beklagten begehrte Konkretisierung der Fahrzeiten als Reisezeiten keiner näheren Erwägungen.

4. Entlohnung dieser Zeiten

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die strittigen An- und Rückfahrten „Arbeitszeit gemäß AZG“ darstellen und als solche ungekürzt zu vergüten sind. Nach dem gesamten Klagsvorbringen geht es ihm dabei darum, dass die Beklagte von der jeweils kürzeren Wegzeit nicht 30 Minuten abzieht, sondern auch diese 30 Minuten als Arbeitszeit ansieht. Die begehrte Feststellung einer Pflicht der Beklagten zur „ungekürzten“ Vergütung der Zeiten ist daher nur in ihrer zeitlichen Dimension (dh keine Einschränkung um 30 Minuten) zu sehen.

Anderes geht aber aus den Urteilssprüchen der Vorinstanzen gar nicht hervor, sodass auf die Revisionsausführungen, weder aus dem AZG noch aus der RL ergebe sich eine bestimmte Vergütung der Fahrzeiten, nicht näher einzugehen ist.

5. Zusammenfassend ist der Revision der Beklagten daher nicht Folge zu geben.

Kosten für die Revisionsbeantwortung wurden nicht verzeichnet.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00008.18V.0724.000

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