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OGH vom 12.04.2001, 8ObA98/00w

OGH vom 12.04.2001, 8ObA98/00w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Hans Lahner und Rudolf Grammer als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Ing. Wolf-Dieter J*****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, 2. Ing. Albert R*****, vertreten durch Moringer & Moser, Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Neudorfer, Griensteidl, Hahnkamper & Stapf, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen zuletzt insgesamt S 1,891.150 brutto sA (Erstkläger S 953.882 und Zweitkläger S 937.268), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 85/99z und 8 Ra 86/99x-99, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei und Kostenrekurses der zweitklagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 18 Cga 297/93i-89, in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom , ON 90, und vom , ON 93, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass die Entscheidung lautet:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig,

1. der erstklagenden Partei S 705.475,71 brutto samt jeweils 4 % Zinsen aus S 49.681,39 vom bis , aus S 188.789,27 vom bis , aus S 248.406,94 vom bis und aus S 953.882,65 seit binnen 14 Tagen, sowie

jeweils am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein S 9.936,28 brutto sowie weiters am 1. 7. und 1. 12. eines jeden Kalenderjahres einen zusätzlichen Betrag von S 9.936,28 brutto und

2. der zweitklagenden Partei S 937.268,-- brutto samt jeweils 4 % Zinsen aus S 566.577,-- vom bis , aus S 738.267,-- vom bis , aus S 927.126,-- vom bis und aus S 937.268,-- seit binnen 14 Tagen zu bezahlen,

wird abgewiesen.

Die erstklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 411.990,45 (darin S 65.945,37 USt und S 16.318,23 Barauslagen) und die zweitklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 413.697,62 (darin S 63.242,67 USt und S 34.241,43 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Jede der klagenden Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit je S 83.711,38 (darin S 5.077,67 USt und S 53.245,35 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und des Verfahrens beim Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Schon vor 1983 verfolgte die beklagte Partei (damals noch nicht als Konzern, sondern als Aktiengesellschaft) das Prinzip der Divisionalisierung, das auf einer möglichst weitgehenden unternehmerischen Verselbstständigung einzelner Geschäftsbereiche beruhte. 1983 wurde durch Aufspaltung aus der damaligen AG in rechtlich selbstständige Unternehmen ein Konzern geschaffen, der aus der beklagten Partei als Aktiengesellschaft Holding (Dachgesellschaft, Konzernmutter) und mehreren Töchtern, unter anderem der S*****gesellschaftmbH (in der Folge GmbH) mit dem Werk W*****, bestand. Die Konzernmutter bestimmte die Unternehmenspolitik des Konzerns und erbrachte verschiedene Dienstleistungen an die Konzerntöchter, die sie diesen verrechnete.

Die Umwandlung der beklagten Partei in einem Konzern gründete sich auf ein Gutachten eines Unternehmensberaters und erfolgte wegen anhaltender und zunehmend Verluste bewirkender wirtschaftlicher Erfolglosigkeit. Das operative negative Betriebsergebnis des Werkes W***** verdoppelte sich zwar bis zur Ausgliederung aus der AG in Form einer GmbH; unternehmensweit bestand aber das Hauptproblem für die Muttergesellschaft im Werk T*****, wo sich der Verlust fast verelffachte und die Gefahr der Insolvenz des Gesamtunternehmens herbeiführte.

Die Ausgliederung des Werkes W***** erfolgte unter Ausnützung der gesetzlichen Strukturverbesserungsmaßnahmen unter Anwendung damals üblicher betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte, zunächst durch Verkauf des Hauptverlustträgers Schaumstoffe an einen Mitbewerber, wodurch stille Reserven offengelegt wurden und eine Verbesserung des Bilanzerfolges eintrat. Die Sanierungsmaßnahmen für die GmbH bestanden nach dem Verkauf des Schaumstoffbereiches im Verkauf des Hartgummi-Akku-Bereiches, Umstellung der Akumulatorenerzeugung auf Kunststoffgehäuse sowie in der Ausweitung des schon seit 1975 im kleinen Umfang erfolgreich betriebenen Auskleidungsbereiches mit dem Produkt Sembonit auf Großanlagen, insbesondere Rauchgasentschwefelungsanlagen für mit schwefelhaltigen Materialien befeuerte kalorische Kraftwerke. Die GmbH wurde vorerst mit dem Mindestkapital gegründet. Dieses wurde im Mai 1983 auf S 40 Millionen erhöht. Die beklagte Partei übernahm als Alleingesellschafterin den Geschäftsanteil gegen Einbringung des Teilbetriebes "Schaumstoff und Kunststoff" (Werk W*****) gemäß Art 1 § 1 Abs 2 StruktVG. Der Gegenwert für diese Sacheinlage (S 39,5 Millionen) war angemessen, es lag keine Unterkapitalisierung vor, insbesondere weil auch umfangreiche stille Reserven (von S 136 Millionen) vorhanden waren (näheres siehe S 70 ff, 82 ff des Ersturteils).

Die beklagte Partei hatte bei der Ausgliederung nicht die Absicht, das Werk W***** vollständig zu liquidieren, sondern nur verlustbringende Sparten zu verkaufen und Innovationen in neue Produkte vorzunehmen. Das Betriebsergebnis wurde auch bis zum Einstieg in die Rauchgasentschwefelungsanlagen deutlich verbessert. Weder der beklagten Partei noch den Klägern erschien die Gefahr eines Konkurses realistisch.

Die Ausgliederung der GmbH erfolgte auch seitens der beklagten Partei nicht mit der Absicht, sich finanzieller Altlasten, insbesondere der verfahrensgegenständlichen Vertragspensionsansprüche, unter missbräuchlicher Ausnützung der Haftungsbeschränkung einer GmbH, bzw in Schädigungsabsicht im Wege einer Insolvenz zu erledigen. Allerdings hat die GmbH keine Rückstellungen für die gegenständlichen Vertragspensionen, sondern nur eine nach steuerlichen Vorschriften gebildete Pensionsrückstellung vorgesehen und keine Maßnahmen gesetzt, eine konkursunabhängige Bezahlung der Betriebspensionen (etwa durch Versicherungen bei Dritten) sicherzustellen. Die Arbeitsvertragsübergangsvereinbarung der Kläger entsprach der der anderen Konzerntöchter.

Die Geschäftsführung der GmbH hatte keine "Strohmannfunktion" und war auch keine bloße pro-forma-Geschäftsführung oder gar willenloses Werkzeug, sondern stand unter dem beherrschenden Einfluss der beklagten Partei. Diese weitete ihre "einheitliche Leitung" der Konzernbetriebe in Form des Weisungsrechts so stark aus, dass sich - über laufende Berichterstattung und die Zustimmungsberechtigung des Aufsichtsrats hinaus - fallweise dessen Vorsitzender, der zugleich auch das für das Ressort "technische Produkte" zuständige Vorstandsmitglied der beklagten Partei war, direkt in Vertragsverhandlungen einschaltete. Die Geschäftsführung der GmbH setzte - vereinfacht formuliert - nur solche (wesentliche) Maßnahmen, die vom Aufsichtsrat der GmbH bzw dem Vorstand der beklagten Partei "nach Überzeugungsarbeit der Geschäftsführung der GmbH abgesegnet" worden waren (näheres siehe S 89 ff des Ersturteils).

Die Insolvenz der GmbH ist auf eine drastische Ergebnisreduktion des Geschäftsjahres 1987 und diese nicht ausschließlich auf die aufgetretenen Mängel im Bereich der Rauchgasentschwefelungsanlagen, sondern vorrangig auf eine den gesamten Unternehmensbereich umfassende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zurückzuführen. 1989 musste der operative Geschäftsbetrieb eingestellt werden; 1991 wurde schließlich der Konkurs eröffnet.

Der Erstkläger war seit 1963 bei der beklagten Partei als "Betriebsingenieur im Abteilungsleiterrang" tätig. Der Zweitkläger trat 1956 in die beklagte Partei ein und war seit 1974 als "Abteilungsleiter des technischen Büros und der mechanischen Werkstätte im Werk W*****" beschäftigt. Beiden sagte die beklagte Partei einen Pensionszuschuss für Führungskräfte zu. Dieser sollte bei Auflösung des Dienstverhältnisses nach Vollendung einer 10-jährigen effektiven Dienstzeit bei der beklagten Partei und Fehlen von Entlassungssachverhalten anfallen und zwar bei Berufsunfähigkeit oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres.

Am schlossen die Kläger mit der beklagten Partei und der GmbH eine schriftliche "Vereinbarung über den Wechsel des Arbeitgebers bzw des Betriebsinhabers per " ab, nach der zwischen der beklagten Partei, der GmbH und den Arbeitnehmern vereinbart wurde, dass das Arbeitsverhältnis mit der beklagten Partei ab in ein Arbeitsverhältnis mit der GmbH übergehe. Es finde somit im bestehenden Arbeitsverhältnis ein Arbeitgeber(Betriebsinhaber)wechsel statt. Die GmbH verpflichte sich, alle bei der beklagten Partei zugebrachten Dienstzeiten und alle Rechte, die sich daraus ergeben, voll zu übernehmen. Es trete auch bei allen Einstufungen, bei den Löhnen und bei den Gehältern und bei den sonstigen Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber (Betriebsinhaber)wechsel keine Änderung ein. Allfällige Forderungen des Arbeitnehmers gegenüber der beklagten Partei oder dieser gegenüber dem Arbeitnehmer gingen ab auf die GmbH über. Ein Anspruch auf Abfertigung gegenüber der beklagten Partei aus Anlass des Arbeitgeber(Betriebsinhaber)wechsels bestehe nicht, weil die GmbH in das mit der beklagten Partei bestehende Arbeitsverhältnis eintrete und dieses ohne Unterbrechung fortsetze.

Für die Beschäftigten des Werkes W***** gab es nur die Alternative, von der beklagten Partei gekündigt zu werden, oder zur GmbH zu wechseln. Die Kläger entschlossen sich für den Wechsel; beiden war klar, dass die Firmenpension nun nicht mehr von der beklagten Partei, sondern von der GmbH zu zahlen sein werde.

In der Folge wurde das Dienstverhältnis zur GnbH beendet; der Erstkläger erhielt ab , der Zweitkläger ab Ende 1986 einen Pensionszuschuss von der GenbH, der jeweils bis April 1991 bezahlt wurde. Die beklagte Partei hatte dem Erstkläger nicht zugesagt, ihm direkt die Betriebspension zu bezahlen.

Mit den vorliegenden Klagen begehrten die Kläger von der beklagten Partei die Zahlung ihrer seit Konkurseröffnung über das Vermögen der GmbH offenen Betriebspensionsansprüche mit folgender Begründung:

Sie seien zunächst schon seit vielen Jahren bei der beklagten Partei im Werk W***** beschäftigt gewesen und es sei ihnen von dieser ein Pensionszuschuss zugesagt worden. Im Zuge einer Umstrukturierung der beklagten Partei sei die GmbH errichtet, deren Geschäftsanteile von der beklagten Partei übernommen und das Werk W***** in die GmbH als Sacheinlage eingebracht worden.

Sie seien vor die Wahl gestellt worden, entweder gekündigt zu werden oder von der GmbH mit gleichen Rechten und Pflichten übernommen zu werden. Sie hätten im Vertrauen auf die Finanzkraft der beklagten Partei einem Arbeitgeberwechsel mit zugestimmt. In der Folge sei das Dienstverhältnis der Kläger zur GmbH beendet worden und sie hätten von dieser eine Firmenpension erhalten. Am sei über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet worden und sie hätten seit damals ihre Betriebspension nicht mehr erhalten.

Die Kläger stützten ihr Betriebspensionsbegehren in rechtlicher Hinsicht zunächst auf den Rechtsgrund der Durchgriffshaftung. Die Ausgliederung der GmbH sei rechtsmissbräuchlich erfolgt, um in Form einer unterkapitalisierten Gesellschaft den Misserfolg eines wirtschaftlich nicht mehr stabilen Unternehmens abzuwälzen. Die beklagte Partei sei faktische Geschäftsführerin der GmbH gewesen, weil sie sämtliche wesentlichen Entscheidungen getroffen habe. Die Kläger seien von der beklagten Partei über die tatsächlichen Verhältnisse getäuscht worden und hätten daher einen Schadenersatzanspruch.

In der letzten mündlichen Streitverhandlung (ON 87) stützten die Kläger ihre Klagebegehren zusätzlich auf Vertragshaftung aus dem Dienstvertrag. Eine solche Haftung ergebe sich aus der zwischen den Klägern und der GmbH geschlossenen Übernahmevereinbarung "mit vollen Rechten und Pflichten". Diese Vereinbarung sehe keine Regelung für eine Umstandsänderung in der Zukunft vor, insbesondere für den Fall der Insolvenz der GmbH. Es liege eine planwidrige Lücke vor, welche die angestrebte Austauschgerechtigkeit massiv störe. Die Kläger seien jahrzehntelang bei der beklagten Partei tätig gewesen; die vertraglich zugesicherte Betriebspension sei als Entgelt für im aufrechten Dienstverhältnis bereits erbrachte Leistungen zu betrachten. Der Wegfall der Betriebspension sei eine Äquivalenzstörung, die nach Treu und Glauben zu beseitigen sei. Es sei zu prüfen, welche Anpassungs- bzw Aufhebungsmechanismen redliche und vernünftige Parteien vorgesehen hätten. Bei langandauernden Rentenverpflichtungen müsse im Arbeitsrecht ein Kreditierungsrisiko der Kläger als Vorleistende einkalkuliert werden. Unter Bedachtnahme auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bestehe die Schließung der Lücke bei redlicher und vernünftiger ergänzender Vertragsauslegung darin, eine Garantiezusage der beklagten Partei für den Fall der Insolvenz der GmbH festzulegen. Da das Arbeitsverhältnis "ohne Unterbrechung fortgesetzt werde", sei § 6 AVRAG analog anzuwenden, weil die beklagte Partei zumindest für diejenigen Betriebspensionsansprüche hafte, die den im Zeitpunkt des Betriebsüberganges angereiften Pensionsanwartschaften entsprächen, weil die Kläger den Pensionsanspruch bereits vor diesem Zeitpunkt erworben hätten.

Gleichzeitig schränkten die Kläger ihr Klagebegehren um die im Konkurs der GmbH erhaltene Quote von 41,23 % ein, wobei sie allerdings verschiedene Berechnungsarten zugrunde legten (näheres siehe Ersturteil S 10).

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren in allen Punkten und wandte überdies Verjährung ein.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, dem Erstkläger S 705.475,71 brutto sA und jeweils am Ersten eines jeden Monats im vornhinein S 9.936,28 brutto als 58,77 % der vereinbarten Betriebspension sowie eine dreizehnte und vierzehnte monatliche Betriebspension zu bezahlen; dem Zweitkläger habe sie S 937.268 brutto sA (Berichtigungsbeschluss ON 90) zu bezahlen.

Es verneinte die Haftung der beklagten Partei für die Betriebspensionen aus dem vorerst geltend gemachten Rechtsgrund der Durchgriffshaftung wegen qualifizierter Unterkapitalisierung und faktischer Geschäftsführung durch die beklagte Partei sowie wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten, hielt aber das Klagebegehren aber aus den in der letzten mündlichen Streitverhandlung zusätzlich erhobenen Rechtsgrund der "Vertragshaftung aus dem Dienstvertrag" für berechtigt.

Es sei von einer Unternehmensaufspaltung in Form eines Unterordnungskonzerns in der Form auszugehen, dass Produktionsbereiche der AG in die rechtliche Form von Gesellschaften mbH abgespalten worden seien, wobei es zu Arbeitsvertragsübernahmen durch den neuen Dienstgeber zu gleichen Bedingungen gekommen sei. Eine Regelung für den Fall der Insolvenz sei nicht getroffen worden. Diese Vertragslücke sei von beiden Arbeitgebern und den jeweiligen Arbeitnehmern nicht beabsichtigt gewesen und sei daher im Wege redlicher Vertragsauslegung unter besonderer Berücksichtigung des Arbeitsrechts vom Gericht zu schließen. Dauerschuldverhältnissen wohne im Allgemeinen ein Vertrauensverhältnis inne und bei Arbeitsverhältnissen im Besonderen bestünden Treue- und Fürsorgepflichten. Da es hier zu einer entscheidenden Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des alten Arbeitgebers durch die Aufspaltung in einen Konzern und die in diesem Zusammenhang erhaltenen staatlichen Förderungen gekommen sei, sei aus arbeitsrechtlicher Sicht das kaufmännische Risiko unzulässig auf die bereits langjährig für den früheren Arbeitgeber tätigen Arbeitnehmer überwälzt worden. Die Kläger seien daher durch ergänzende Vertragsauslegung nach dem Redlichkeitsgrundsatz betreffend ihre Vertragspensionsansprüche so zu stellen, als ob sie weiterhin bei der beklagten Partei beschäftigt wären. Ihre Ansprüche seien nicht verjährt, weil die Klagen innerhalb der dreijährigen Verjährungszeit, gerechnet von der Konkurseröffnung, eingebracht worden seien. Es liege eine Fernwirkung des Arbeitsverhältnisses aus der culpa in contrahendo-Haftung der beklagten Partei vor. Dem früheren Arbeitgeber sei die Bezahlung der strittigen Vertragspensionsansprüche wirtschaftlich zumutbar. Die Kläger hätten daher Anspruch auf ihren Insolvenzausfall als Spätwirkung ihres Arbeitsverhältnisses zum früheren Arbeitgeber.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei im Sinn ihres hilfsweise gestellten Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrages statt. Die Berufungswerberin mache zu Recht geltend, dass ua Feststellungen über die Höhe der zustehenden Vertragspensionen ohne Abzug, den Abzug durch Teilerfüllung infolge Quotenerhaltes und den Zeitpunkt der Fälligkeit der Beträge fehlten. Auch eine Außerstreitstellung über die Höhe des Pensionszuschusses sei nur hinsichtlich des Zweitklägers abgegeben worden. Weiters fehlten Feststellungen über den Zeitpunkt der Konkurseröffnung, die Konkursquote sowie die Höhe der Forderungen. Der Zuspruch sei daher rechnerisch nicht nachvollziehbar. Unter diesen Umständen sei auf die Beweisrüge nicht einzugehen. In rechtlicher Hinsicht teilte es die Ansicht des Erstgerichts über die Haftung der beklagten Partei aufgrund der gebotenen Lückenfüllung bezüglich des Übertrittsvertrages. Redliche Vertragsparteien hätten vorgesehen, dass die beklagte Partei im Falle der Insolvenz der GmbH die Haftung für die Betriebspensionen übernommen hätte. Die Kläger seien daher hinsichtlich ihrer Vertragspensionsansprüche so zu stellen, als ob sie weiterhin bei der Beklagten beschäftigt wären. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht- lediglich mit dem Hinweis auf die §§ 45 und 46 ASGG - zu.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens infolge Nichterledigung der Beweis- und Feststellungsrüge; weiters bekämpft sie mit ihrer Rechtsrüge die rechtlichen Ausführungen in der Begründung des Aufhebungsbeschlusses und beantragt, die Entscheidung im Sinn der Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.

Die Kläger beantragen den Rekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls gemäß § 46 Abs 3 Z 3 zweiter Fall ASGG zulässig, weil es sich um ein Verfahren über vertragliche Ruhegenüsse handelt. Er ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass das Vorgehen des Berufungsgerichts, auf die umfangreiche Beweisrüge der beklagten Partei zum Anspruchsgrund (zumindest vorerst) nicht einzugehen, sondern wegen eher geringfügiger Feststellungsmängel zur Höhe des Anspruchs die Entscheidung des Erstgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuweisen, nicht zu billigen ist. Gleiches gilt auch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung; das Berufungsgericht übernimmt die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, ohne sich mit den rechtlichen Argumenten der beklagten Partei gegen die erstgerichtliche Entscheidung auseinanderzusetzen.

Hätte dies das Berufungsgericht getan, hätte es erkennen können, dass die Sache auch bezüglich des Rechtsgrundes "Vertragshaftung aus dem Dienstvertrag" im Sinne der Klagsabweisung auch unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen des Erstgerichts spruchreif gewesen wäre, sodass es weder ergänzender Feststellungen noch der Erledigung der Beweisrüge der beklagten Partei bedurft hätte.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 9 ObA 183/87

(WBl 1988, 162 = GesRZ 1988, 108 = DRdA 1990/32 [E. Bydlinski], vgl 9

ObA 130/87 = ZAS 1989/1 [Rummel] = DRdA 1990/13 [E. Bydlinski])

ausgesprochen, dass dann, wenn es zu einer Arbeitsvertragsübernahme - ohne Vorbehalte - gekommen ist, der Altarbeitgeber gemäß § 1405 ABGB endgültig aus dem bisherigen Vertragsverhältnis ausscheidet und daher weder für die nach Geschäftsübernahme fällig gewordenen Entgelte, noch für die für die Gesamtdienstzeit gebührende Abfertigung haftet. Lege man den Inhalt der Übertrittsvereinbarung zugrunde, wonach sämtliche arbeitsrechtliche Verträge mit allen Rechten und Pflichten übernommen worden seien, dann seien von der Schuldübernahme auch die Anwartschaften aus dem Pensionsvertrag erfasst. Dieser Ansicht folgte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 9 ObA 13/88 (SZ 61/118 = ZAS 1989/18, 133 [Binder]), in der er die Vertragspensionsansprüche des dortigen Klägers gegen den Altdienstgeber wegen Nichtbegleichung durch den Neudienstgeber infolge dessen Insolvenz verneinte. Der Arbeitgeber sei grundsätzlich der Inhaber des Unternehmens, mit dem der Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag verbunden sei. Wechsle der Inhaber, bedürfe es zum Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber des Betriebes einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer, bisherigem Arbeitgeber und neuem Inhaber des Unternehmens. Werde eine Vereinbarung dahin getroffen, dass alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag unverändert auf den neuen Arbeitgeber übergingen, und stimme der Arbeitnehmer der Übernahme des Dienst- und Pensionsvertrages zu, sei damit der Altarbeitgeber gemäß § 1405 ABGB endgültig aus den bisherigen Vertragsverhältnis ausgeschieden; es liege eine privative Schuldübernahme durch den Neuarbeitgeber vor. Der bisherige Arbeitgeber hafte für die nach Betriebsübernahme fällig gewordenen Entgelte nicht mehr. Die Schuldübernahme umfasse im Hinblick auf ihre allgemeine Formulierung auch die Anwartschaften aus dem Pensionsvertrag. Bei Zustimmung zur Vertragsübernahme durch den Neuarbeitgeber (und den Arbeitnehmer) bedürfe es keiner darüber hinausgehenden ausdrücklichen Entlassung des Altarbeitgebers aus der Haftung. Die Entscheidung ließ sogar genügen, dass der Arbeitnehmer der Übernahme des Dienst- und Pensionsvertrages nur konkludent zustimmte; auch in diesem Fall sei der Altarbeitgeber endgültig aus dem bisherigen Vertragsverhältnis ausgeschieden.

Nur bei Vereinbarung der Weiterhaftung des alten Dienstgebers für bereits bestehende Ansprüche oder Anwartschaften oder Vereinbarung eines Haftungsbeitritts für zukünftige Forderungen gegenüber dem neuen Dienstgeber könnte eine Haftung des alten Dienstgebers bestehen bleiben oder neu entstehen. Eine solche Vereinbarung wurde vorliegendenfalls nicht getroffen; eine solche kann auch nicht durch ergänzende Vertragsauslegung hineininterpretiert werden, weil keine "Regelungslücke" vorliegt. Auch unter dem Gesichtpunkt allfälliger späterer Insolvenz besteht nämlich keine gesetzliche Verpflichtung des Altdienstgebers, die Ausfallshaftung für Ansprüche des Dienstnehmers gegen den neuen Dienstgeber zu übernehmen. Es lag nach der hier anzuwendenden Rechtslage vor Inkrafttreten des AVRAG in der freien Entscheidung des Dienstnehmers, den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Dienstnehmer abzulehnen und sich seine Ansprüche gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber zu wahren, freilich mit dem Risiko, dass er infolge mangelnden Bedarfes von diesem möglicherweise gekündigt würde. Auch in den zitierten Vorentscheidung 9 ObA 13/88 (SZ 61/118 = ZAS 1989/18, 133 [Binder]) ging der Oberste Gerichtshof bei einer allgemeinen Formulierung der Vertragsübernahme zu gleichen Bedingungen von der Übernahme auch der Betriebspensionsverpflichtung aus, ohne dass er die Annahme einer "Regelungslücke" für den Fall der Insolvenz - auch dort ging der neue Arbeitgeber in der Folge in Konkurs - auch nur erwogen hätte. Eine solche liegt auch im vorliegenden Fall nicht vor und kann nicht mit Hilfe einer Jahre später erfolgten Gesetzesänderung durch das AVRAG in frühere Vertragsübernahmsfälle hineininterpretiert werden.

Eine Haftung der beklagten Partei aus dem von den Vorinstanzen angenommenen Rechtsgrund scheidet daher aus.

Die Rechtssache ist auch im Sinne der endgültigen Klagsabweisung spruchreif.

Die Kläger haben zwar ihren Anspruch auch - durch Jahre sogar ausschließlich - auf andere Rechtsgründe, insbesondere die Durchgriffshaftung wegen behaupteter Unterkapitalisierung der GmbH und faktischer Geschäftsführung durch die beklagte Partei gestützt; hiezu hat das Erstgericht äußerst umfangreiche Feststellungen (S 27 bis 100 des Ersturteils) getroffen und auf deren Basis eine solche Haftung verneint.

Die beklagte Partei hat in ihrer Berufung diese Feststellungen (vorsichtsweise) in vielen Punkten bekämpft; da somit eine Bezugnahme iSd § 468 Abs 2 ZPO erfolgte, waren die Kläger gehalten, für sie nachteilige Feststellungen bereits in der Berufungsbeantwortung zu bekämpfen, sodass sich ein Vorgehen des Berufungsgerichts nach § 473a ZPO erübrigt; den Klägern braucht nunmehr keine Gelegenheit mehr geboten werden, die vom Erstgericht diesbezüglich getroffenen Feststellungen zu bekämpfen.

Eine Erledigung der von der beklagten Partei in ihrer Berufung diesbezüglich erhobenen Beweisrüge durch das Berufungsgericht erübrigt sich ebenfalls, weil das auf den Rechtsgrund der Durchgriffshaftung gestützte Klagebegehren - wie das Erstgericht zutreffend erkannt und von den Klägern in ihren Rechtsmittelbeantwortungen auch mit keinem Wort in Zweifel gezogen wurde - auch unter Zugrundelegung der erstgerichtlichen Feststellungen abzuweisen ist.

Die Lehre vom Haftungsdurchgriff wurde vorerst in Deutschland entwickelt. Ihre rechtliche Grundlage (echte Durchgriffshaftung, insbesondere subjektive oder objektive Missbrauchslehre oder Normanwendungs- oder auch Normzwecklehre) sowie die detaillierten Voraussetzungen sind zwar noch immer strittig, doch haben durchaus gewisse Tendenzen allgemein Anerkennung gefunden; insbesondere herrscht Einigkeit über die wesentlichen und hier eine Rolle spielenden Fallgruppen, mögen auch teilweise unterschiedliche Begründungselemente hierfür herangezogen werden (dazu für alle Baumbach/Hueck GmbHG17 § 13 Rz 11 ff mwN sowie ausführlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht3 224 ff).

Diese Grundsätze wurden von der österreichischen Lehre übernommen.

Vom Obersten Gerichtshof wurde die Möglichkeit einer Durchgriffshaftung grundsätzlich bejaht (vgl die Zusammenstellung bei Jabornegg, WBl 1989, 1 ff, 43 ff [3 f]). Die bisherige Rechtsprechung lässt sich nach Jabornegg (aaO 4) dahingehend zusammenfassen, dass eine dogmatische Fundierung fehle und die Einzelfallentscheidung im Vordergrund stehe. Mitunter klinge zwar der Gedanke des (subjektiven) Rechtsmissbrauchs als Durchgriffsgrund an, nach Möglichkeit werde aber versucht, speziellere Rechtssätze den besonderen Verhältnissen der juristischen Personen anzupassen. Aus der Sicht der heutigen Durchgriffsdiskussion bedeutete dies letztlich eine Kombination von echtem Durchgriff und Normanwendung. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die Durchgriffsproblematik durch eine recht großzügige Annahme einer deliktischen Haftung von GmbH-Geschäftsführern (die meist auch Gesellschafter sind) und auch von Gesellschaftern, die nur als "faktische" Geschäftsführer fungieren, entschärft und verlagert worden sei.

Ihre Grenzen wurden bisher noch nicht ausgelotet (vgl 8 Ob 629/92 =

EvBl 1995/144 = ecolex 1996, 605). Eine umfassende Auslotung der

Grenzen ist auch vorliegendenfalls nicht nötig, weil auch unter Zugrundelegung einer weitherzigen Auslegung der von der Lehre (Jabornegg aaO; Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG § 1 Rz 70 ff; Harrer, Haftungsprobleme bei der GmbH 209 ff; Koppensteiner GmbHG2 § 61 Rz 34 ff; Kreil, Arbeitsverhältnisse im Konzern 136 ff [zur neuen Rechtslage nach dem AVRAG 182 ff; 227 ff] ua) entwickelten Durchgriffshaftung eine solche vorliegendenfalls auszuschließen ist.

Aus heutiger Sicht kann von folgenden anerkannten Grundsätzen vom Durchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften ausgegangen werden:

Als Durchgriff pflegt man eine Methode zu bezeichnen, mit der die rechtliche Selbständigkeit einer Rechtsperson beiseitegeschoben, also gleichsam hinwegfingiert wird. Rechtspolitisch geht es darum, Konsequenzen oder vermeintliche Konsequenzen auszuschalten, die sich aus der Selbständigkeit des Rechtsträgers ergeben. Das juristische Problem besteht darin, unter welchen Voraussetzungen Rechtsverhältnisse und rechtlich relevante Tatsachen über die Grenzen des Rechtsträgers hinweg zugerechnet werden sollen. Hier hat sich eine ständige Rechtsprechung herausgebildet, die vom folgenden, meist stereotyp formulierten Grundsatz ausgeht: Es dürfe zwar über die juristische Person nicht leichtfertig hinweggegangen werden, aber dies sei eben doch möglich und erforderlich, wenn "die Wirklichkeiten des Lebens und die Macht der Tatsachen" ein solches Hinweggehen über die Selbständigkeit des Rechtsträgers gebieten. Die Literatur spricht meist von dem der juristischen Person zu Grunde liegenden "Trennungsprinzip", das in Durchgriffsfällen durchbrochen wird:

Verband und Verbandsmitglied werden behandelt, als sei eine Trennungslinie nicht vorhanden (K. Schmidt aaO 224 f).

Es werden allgemein zwei unterschiedliche Arten von Fallgruppen, nämlich die Zurechnungs- und Haftungsdurchgriffsfälle unterschieden. Ersterer betrifft ein "Sammelsurium" verschiedenster Auslegungsfragen, die allesamt darauf hinauslaufen, ob bestimmte Rechtsverhältnisse, Eigenschaften oder Kenntnisse der Gesellschafter auch der Kapitalgesellschaft zugerechnet werden können bzw ob umgekehrt eine Zurechnung solcher Umstände von der Gesellschaft auf einzelne Gesellschafter möglich ist. In diesem Sinn wird zB gefragt, ob die Gesellschaft vom Alleingesellschafter gutgläubig Eigentum erwerben kann; ob der Irrtum über die Eigenschaften des Hauptgesellschafters vertragsrechtlich als beachtlicher Irrtum über die Gesellschaft selbst zu werten sind; ob ein vertragliches Wettbewerbsverbot, das entweder nur die Gesellschaft oder der Hauptgesellschafter übernommen hat, auch vom Gesellschafter oder von der Gesellschaft eingehalten werden muss ua). Um solche Zurechnungsfälle handelt es sich vorliegendenfalls evident nicht; auf sie braucht daher nicht weiter eingegangen werden.

Die zweite Gruppe der Haftungsdurchgriffsfälle beschäftigt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten (zB Sphärenvermischung, Unterkapitalisierung, sowie Beherrschung der Gesellschaft und faktische Geschäftsführung) mit der Frage, ob nicht doch ausnahmsweise entgegen dem gesetzlichen Haftungsausschluss eine persönliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten angenommen werden kann oder muss. Bejahendenfalls wird vom Haftungsdurchgriff gesprochen. Auch eigenkapitalersetzende Darlehen, die hier keine Rolle spielen, werden teilweise unter diesem Gesichtspunkt behandelt. Im vorliegenden Fall scheidet eine Durchgriffshaftung unter dem Gesichtspunkt der Sphärenvermischung, die von den Klägern nicht einmal behauptet wurde, und der Unterkapitalisierung, die nach den getroffenen Feststellungen nicht gegeben war, jedenfalls aus. Bleibt die Frage des Haftungsdurchgriffs unter dem Gesichtspunkt der Beherrschung der Gesellschaft bzw deren faktischer Geschäftsführung (dazu für alle K. Schmidt aaO 245 ff, 252 f; zur Einmann-GmbH im Konzern ders 1220 ff, 1249 ff mwN).

Allgemein ist bei einer Prüfung des Vorliegens einer Durchgriffshaftung davon auszugehen, dass der in den §§ 1, 48 AktG und § 61 Abs 2 GmbHG ausdrücklich hervorgehobene Haftungsausschluss zu Gunsten der Gesellschafter nur bedeutet, dass die Gesellschafterstellung als solche keine Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten einschließt. Wenn dagegen ein Gesellschafter seine gesetzlichen oder satzungsmäßigen bzw gesellschaftsvertraglichen Verpflichtungen verletzt oder wenn er selbst nach allgemeinen Regeln Haftungstatbestände verwirklicht, kann es durchaus zu Schadenersatzpflichten von Gesellschaftern kommen, die unabhängig neben der übernommenen Einlagepflicht bestehen. Die Lehre von der Durchgriffshaftung zielt allerdings darüber hinaus auf eine Art teleologische Reduktion der §§ 1, 48 AktG und § 61 Abs 2 GmbHG ab. Besieht man sich die diskutierten Fälle und Fallgruppen näher, so muss man feststellen, dass meist zusätzliche Voraussetzungen verlangt werden, die schon für sich allein den Tatbestand allgemeiner oder spezieller Haftungsnormen verwirklichen können.

Bei den Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern ist in jedem Fall zu berücksichtigen, dass das Gesellschaftsvermögen für die Gesellschafter stets ein fremdes Vermögen darstellt.

Wer Mitglied des Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft ist, haftet dieser unmittelbar nach Maßgabe der besonderen gesetzlichen Regelungen, insbesondere des § 84 AktG oder des § 25 GmbHG, und zwar unabhängig davon, ob er zugleich Gesellschafter ist oder nicht. Der damit verbundene Schutz des Gesellschaftsvermögens wirkt zwingend auch zu Gunsten der Gläubiger, die von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können (§ 84 Abs 5 AktG,§ 25 Abs 5 GmbHG).

Mit verschiedenen Begründungen wird versucht, den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft wie ein Mitglied des Leitungsorganes haften zu lassen, wenn er auf die Leitung der Gesellschaft maßgebend Einfluss nimmt und dabei diese oder die Gesellschaftsgläubiger schädigt oder zumindest an der Schädigung mitwirkt. In diesem Sinn wird - namentlich im GmbH-Recht - des Öfteren von der Haftung des "faktischen Geschäftsführers" gesprochen.

Es liegt auf der Hand, dass sich diese Auffassung auch auf die Haftung im Konzern auswirken muss, wenn Unternehmen beherrscht bzw einheitlich geleitet werden (Jabornegg aaO 47 f); es gibt nämlich in Österreich keine konzernspezifische Haftungsgrundlage. Der Zusammenhang Konzern und Durchgriffshaftung kann sich sozusagen bloß indirekt durch die Steuerung einer Kapitalgesellschaft im Fremdinteresse ergeben (Kreil aaO 137).

Die aus der faktischen Beherrschung und den damit verbundenen Möglichkeiten umfassender Einflussnahme des Gesellschafters auf die Leitungsentscheidungen in der Gesellschaft abgeleitete spezifische Sorgfaltspflicht hat im Schrifttum zum Teil Zustimmung gefunden, ist aber auch auf völlige Ablehnung gestoßen, wobei auf die institutionelle Bedeutung des Haftungsausschlusses zu Gunsten der Gesellschafter von Kapitalgesellschaften hingewiesen und eine besondere Haftung nur in Missbrauchsfällen als akzeptabel bezeichnet worden ist (Jabornegg aaO 49 mwN). Aus allen Auffassungen kann jedoch als gemeinschaftlicher Konsens abgeleitet werden, dass Gesellschafter, die unmittelbar (zB kraft Ausübung des Weisungsrechts in der GmbH) oder mittelbar (zB durch Einflussnahme des beherrschenden oder alleinigen Gesellschafters in der AG) auf die Leitung der Gesellschaft Einfluss nehmen, dies nur nach Maßgabe jener Sorgfaltspflichten, die kraft Gesetzes auch von den Leitungsorganen selbst einzuhalten sind, tun dürfen. Mag auch die Grenze zwischen dem "bloßen" Gesellschafter und dem sich in die Geschäftsleitung einmischenden Gesellschafter im Einzelnen zweifelhaft und möglicherweise für die Aktiengesellschaft und die GmbH unterschiedlich zu beantworten sein, so bildet doch in jedem Fall die Basis für die Annahme und den Umfang besonderer Sorgfaltspflichten die Verwaltung fremden Vermögens (Jabornegg aaO 49).

Daraus ergibt sich bei Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich aber nur eine Innenhaftung des faktischen Geschäftsführers gegenüber der GmbH; diese Ansprüche sind jedenfalls pfändbar und im Konkurs der GmbH verwertbar; sie kommen also insofern den Gläubigern mittelbar zugute (Kreil aaO 137 f). Bei masseloser Insolvenz - die hier aber nicht vorliegt; die Kläger erhielten im Konkurs der GmbH mehr als 40 %! - wird ein direkter Zugriff der Gläubiger anerkannt (K. Schmidt aaO 252 f).

Da diese Grundsätze des Haftungsdurchgriffs bei faktischer Geschäftsführung, wie erwähnt, auch bei der Einmann-GmbH im faktischen Konzern gelten, folgt daraus, dass nicht bereits dann, wenn die Muttergesellschaft von ihrem pflichtgebundenen Leitungs- und Weisungsrecht Gebrauch macht, sondern nur dann ein Haftungsdurchgriff auf die Muttergesellschaft in Betracht kommt, wenn diese bei der Einflussnahme auf die Tochtergesellschaft die Sorgfaltspflichten bei der Verwaltung fremden Vermögens verletzt hat.

Letzteres ergibt sich im Ergebnis auch nach der deutschen Rechtslage zum qualifizierten faktischen Konzern (dazu ausführlich K. Schmidt aaO 1220 ff, 1226 ff): Dort wird für eine solche Haftung teils auf eine dauernde nachhaltige Schädigung der abhängigen Gesellschaft abgestellt, insbesondere darauf, dass das herrschende Unternehmen keine Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen GmbH nimmt, teils ist davon die Rede, dass die Tochtergesellschaft unter Außerachtlassung ihrer rechtlichen Selbständigkeit wie eine bloße Betriebsabteilung geführt werde, teils wird darauf abgestellt, dass die Beherrschung eine solche Dichte erlangt haben muss, dass einzelne schädigende Maßnahmen nicht mehr isoliert werden können.

Aus diesen allgemein anerkannten Grundsätzen folgt für den vorliegenden Fall, dass auch eine Haftung der beklagten Partei wegen faktischer Geschäftsführung ausscheidet: Einerseits konnte nicht festgestellt werden, dass die beklagte Partei einen derartigen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der GmbH entfaltet hätte, dass sie diese nur wie eine unselbständige Betriebsabteilung geführt hätte - die GmbH hat vielmehr durchaus eigenständig, allerdings unter Beachtung der Weisungen und Einholung der Zustimmung der Muttergesellschaft zu wesentlichen Änderungen - gehandelt; die Einflussnahme hat auch keine solche Dichte erlangt, dass die einzelnen Maßnahmen nicht mehr hätten isoliert werden können; noch konnte festgestellt werden, dass die beklagte Partei hiebei jene Sorgfaltspflicht verletzt hätte, die von den Leitungsorganen der GmbH (den Geschäftsführern der GmbH) selbst einzuhalten waren, insbesondere dass sie durch ihre Einflussnahme die GmbH zu Lasten der Muttergesellschaft geschädigt hätte. Ein objektiver Missbrauch der beherrschenden Gesellschafterstellung durch die beklagte Partei ist somit nicht erwiesen.

Da zwischen der beklagten Partei und der GmbH kein Beherrschungs- und auch kein Gewinnabführungsvertrag geschlossen worden war, erübrigt sich darauf einzugehen, ob und inwieweit eine entsprechende Übernahme auch der Fehlbeträge durch die Muttergesellschaft geboten wäre (dazu K. Schmidt aaO 1212 ff).

Die erstgerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 46 Abs 1 ZPO; eine solidarische Haftung der Kläger ist nicht gegeben, da es sich lediglich um gemäß § 187 ZPO verbundene Verfahren handelt. Ab der Verbindung betrug die Prozessbeteiligung im Hinblick auf die Verschiedenheit der Streitwerte beim Erstkläger rund 32 %, beim Zweitkläger rund 68 %; dementsprechend wurden den Klägern die Kosten der obsiegenden beklagten Partei (einschließlich der Barauslagen) zunächst in diesem Verhältnis auferlegt. Ab der Ausdehnung des Klagebegehrens durch den Erstkläger betrug das Verhältnis der Streitwerte rund 50 %, weshalb beiden Klägern Kostenersatz je zur Hälfte aufgetragen wurde.

Die Kostenentscheidung betreffend die Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41, 50 ZPO iVm § 46 ZPO. Die unterlegenen Kläger haben die Kosten jeweils zur Hälfte zu tragen, weil der jeweilige Streitwert im Rechtsmittelverfahren stets im Wesentlichen gleich hoch war.