OGH vom 23.04.2008, 13Os14/08w

OGH vom 23.04.2008, 13Os14/08w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Richard L***** und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Richard L***** und Alfred N***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 12 Hv 106/07t-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Danach haben sie in Graz vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt und zu bewirken versucht (§ 13 FinStrG), nämlich

(I) Richard L***** allein

1) als Einzelunternehmer

für die Jahre 1991 bis 1995 um 446.939 S (ds 32.480,32 Euro) an Umsatzsteuer,

für die Jahre 1991 bis 1995 um 115.680 S (ds 8.406,79 Euro) an Einkommensteuer und

für die Jahre 1991 bis 1993 um 11.952 S (ds 868,59 Euro) an Gewerbesteuer sowie

2) als Geschäftsführer der L.***** GmbH

für die Jahre 1993 und 1994 um 453.700 S (ds 32.971,67 Euro) an Umsatzsteuer sowie

(II) Richard L***** und Alfred N***** im einverständlichen Zusammenwirken als Geschäftsführer der S***** GmbH

für die Jahre 1992 bis 1995 um 2,195.313 S (ds 159.539,62 Euro) an Umsatzsteuer,

für das Jahr 1993 um 439.847 S (ds 31.964,93 Euro) an Gewerbesteuer, für die Jahre 1993 und 1994 um 2,347.682 S (ds 170.612,71 Euro) an Körperschaftsteuer sowie

für die Jahre 1992 bis 1995 um 4,275.439 S (ds 310.708,27 Euro) an Kapitalertragsteuer.

Den strafbestimmenden Wertbetrag stellte das Erstgericht hinsichtlich Richard L***** mit 10,286.552 S (ds 747.552,89 Euro), bezüglich Alfred N***** mit 9,258.281 S (ds 672.825,52 Euro) fest.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gemeinsam ausgeführten, auf die Gründe der Z 1, 3, 4, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten gehen fehl. Den Erwägungen zur Besetzungsrüge (Z 1) ist voranzustellen, dass zwar das VII. Hauptstück der StPO aF keine Regelungen hinsichtlich der Entscheidung über allfällige Ausschließungen enthielt, nach der Judikatur aber § 22 Abs 3 GOG die Bestimmungen des § 74 StPO aF durch authentische Interpretation auf Fragen der Ausgeschlossenheit ausdehnte (Lässig, WK-StPO § 70 aF Rz 1).

Indem sich die Beschwerde auf den Antrag bezieht, die Ausschließung des Vorsitzenden mit der Begründung festzustellen, dieser habe im Vorverfahren Verfügungen getroffen, geht sie schon im Ansatz fehl. Die relevierten Verfügungen waren nämlich bereits Gegenstand einer - die Ausgeschlossenheit verneinenden - Entscheidung des Präsidenten des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom (S 3q f/I), womit einer neuerlichen Entscheidung über diesen Verfahrensgegenstand das im XX. Hauptstück der StPO aF (nunmehr im 16. Hauptstück) verankerte Prinzip der materiellen Rechtskraft entgegenstand (vgl Lässig, WK-StPO § 74 aF Rz 9).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die angesprochenen Verfügungen, den Verfahrensstand beim Finanzamt Graz-Stadt zu erheben (S 3g f/I), rein formeller Natur und solcherart nicht ausschlussbegründend iSd § 68 Abs 2 erster Fall StPO aF waren (15 Os 197/98, ÖJZ-LSK 1999/153).

Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 3), das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) führe nicht an, welche Pension der Beschwerdeführer L***** betrieben habe, geht ins Leere, weil die behauptete Unschärfe nicht geeignet ist, die Individualisierung der Tat zu hindern (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 285, 290). Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass der Urteilstenor ohnedies die genaue Adresse des angesprochenen Beherbergungsbetriebs nennt (US 2).

Der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO legt dar, dass die Beschwerdeführer durch die ihnen angelasteten Taten (jeweils mehrere) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen haben, und entspricht damit ebenfalls den gesetzlichen Vorgaben. Die von der Beschwerde aufgezeigte grammatikalische Ungenauigkeit (US 5) vermag hieran nichts zu ändern. Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (S 363/II) des Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung von 21 (namentlich genannten) Personen zum Beweis dafür, dass „deren damalige Aussagen im Finanzverfahren vor der Abgabenbehörde von dritter Seite beeinflusst waren, nicht der Realität und den Tatsachen entsprachen" (S 358 f/II), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Der - im Übrigen ohne Aktenbezug vorgetragene - Antrag legte nämlich nicht dar, auf welche Aussageinhalte er sich bezog und ließ solcherart (nicht einmal mittelbar) erkennen, inwieweit die angeblich zu hinterfragenden Depositionen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung seien.

Soweit der Beweisantrag argumentierte, der Betriebsprüfer des Finanzamts Graz-Stadt habe seiner Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung (§ 184 BAO) die Angaben der als Zeugen namhaft gemachten Personen und solcherart unrichtige Prämissen zu Grunde gelegt, ging er schon im Ansatz fehl, weil die Schätzung der Betriebsprüfung nach der Aktenlage nicht auf den relevierten Aussagen, sondern auf der Auswertung sichergestellter Disketten basiert (S 351/II iVm S 153/I).

In Bezug auf das Beweisthema, die Anzahl der im geprüften Betrieb installiert gewesenen Kabinen sowie deren tatsächliche Auslastung stimme nicht mit den diesbezüglichen, auf den Disketten gespeicherten Daten überein, ließ der Antrag nicht erkennen, aufgrund welcher Wahrnehmungslage die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Korrespondierendes gilt für die - sohin ebenfalls zu Recht abgewiesenen (S 365 bis 368/II) - Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung von Doris H*****, Michael Ne*****, Dr. Gerold Neu*****, Josef P***** und Harald Sch***** zum Nachweis dafür, dass die Beschwerdeführer korrekt fatiert haben, die Abgabenbehörde die beschlagnahmten Datenträger unrichtig ausgewertet habe und die zur Erfassung der Umsätze installierte Anlage fehlerhaft gewesen sei (S 359 f/II), auf zeugenschaftliche Vernehmung von Dr. Alois Pi***** und Dr. Heidrun G***** zum Beweis dafür, dass die Schätzung der Erlöse durch die Abgabenbehörde unrichtig sei und die sichergestellten Disketten nicht dem gegenständlichen Betrieb zuzuordnen seien (S 361/II) sowie auf „Vorlage der von der Finanzlandesdirektion beschlagnahmten Daten auf dem Notebook betreffend 1996 zum Beweis dafür, dass diese Aufzeichnungen hier wesentlich geringere Erlöse widerspiegeln und nicht von der Peep-Show in Graz, sondern von Wien stammen" (S 362/II).

Hinsichtlich des Zeugen Robert K***** hält die abweisende Entscheidung (S 369/II) zutreffend fest, dass dieser in der Hauptverhandlung - unter Wahrung des Parteiengehörs - ausführlich befragt worden ist (S 259 bis 279/II) und der Beweisantrag (S 359 f, 368 f/II) nicht erkennen lässt, aus welchem Grund die neuerliche Einvernahme ein anderes Ergebnis als die bereits erfolgte bringen sollte (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 331).

Auch dem Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des Helmut Nes***** zur Frage der während des Konkursverfahrens erzielten Umsätze der S***** GmbH (im Folgenden: S***** GmbH), der Qualität des Abrechnungssystems sowie der Anzahl der im Betrieb installierten Kabinen (S 360 f/II) folgten die Tatrichter zu Recht nicht (S 366/II). Helmut Nes***** war nach dem Antragsvorbringen Masseverwalter der S***** GmbH. Ausgehend von der - aktenkonformen (S 215/II) - Urteilsfeststellung, wonach der Konkurs über das Vermögen dieser Gesellschaft am eröffnet worden ist (US 19), lässt der Beweisantrag nämlich nicht erkennen, aus welchem Grund allfällige Wahrnehmungen des Masseverwalters Rückschlüsse auf die hier relevante Betriebssituation in den Jahren 1991 bis 1995 zulassen sollten.

Das Beschwerdevorbringen zur (neuerlichen - S 338 bis 350/II) Vernehmung des Betriebsprüfers Werner Kr***** entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil ihm kein Antrag des Beschwerdeführers zu Grunde liegt.

Auch die Abweisung (S 367/II) des Antrags auf Einholung eines Buchsachverständigengutachtens (zusammengefasst) zum Nachweis der Unrichtigkeit der Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung (S 361 f/II) verletzte die Verteidigungsrechte nicht. Rechtskräftigen - hier überdies vom Verwaltungsgerichtshof bestätigten (ON 19) - Abgabenbescheiden kommt nämlich nach ständiger Judikatur die dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens inhärente Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des jeweils aktuellen Finanzvergehens zu, womit es einer weiteren Überprüfung durch einen Sachverständigen nur dann bedarf, wenn im Beweisverfahren unausgeräumt gebliebene Mängel aus konkreten Details der Tatsachengrundlagen der Bescheide abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0087030), was fallbezogen nicht erfolgt ist.

Der Antrag auf „Beiziehung eines EDV-technischen und elektrotechnischen Sachverständigen, welcher die Anlage des Ing. K***** auf Produktionsspannungen überprüfen soll, ob solche Produktionsspannungen aus Störquellen resultieren und falsche Angaben der Münzeinwürfe ergeben, sowie zum Beweis dafür, dass die Software nicht funktioniert hat" (S 362/II), legte nicht dar, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme Aussagen über die Richtigkeit der auf die Jahre 1991 bis 1995 bezogenen Daten zulassen sollte und verfiel solcherart mit Recht der Abweisung (S 368/II). Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen, wobei vollständigkeitshalber festgehalten sei, dass die Rechtsansicht, § 285f StPO ermögliche es dem Obersten Gerichtshof, „eine tatsächliche Aufklärung auch durch Einholung der Zeugenaussagen sowie Sachverständigengutachten über die Zuordnung der beschlagnahmten Daten sowie über die Funktionstüchtigkeit der Anlage selbst und auch über die Auslastung der Peep-Show" zu fordern, verfehlt ist. Die genannte Bestimmung bezieht sich nämlich nur auf tatsächliche Aufklärungen über behauptete Formverletzungen oder Verfahrensmängel.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) die angefochtene Entscheidung pauschal als undeutlich, unvollständig, mit sich selbst im Widerspruch stehend, unzureichend begründet und aktenwidrig bezeichnet, orientiert sie sich nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

Undeutlichkeit iSd Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn - nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht - nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.

Aktenwidrig iSd Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419, 421, 437 f, 444, 467). Durch die unsubtantiierte Behauptung, „zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt der bei den Akten befindlichen Urkunden (Ausdrucke der Datenträger) insbesondere Datenträger und über die gerichtliche Aussage der Zeugen K*****, M*****, F***** und Kl***** und der Urkunde und/oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll" bestehe ein erheblicher Widerspruch (offenbar gemeint Z 5 fünfter Fall), wird der Nichtigkeitsgrund der Aktenwidrigkeit nicht dargetan, weil dieses Vorbringen nicht erkennen lässt, welche Urteilserwägungen welche Beweisergebnisse unrichtig wiedergeben sollen.

Der Vorwurf der Nichtigkeit nach den übrigen Fällen der Z 5 bleibt in den einleitenden Überlegungen gänzlich unausgeführt. Mit dem Einwand, die „Aussagemotivation" der Zeugen K*****, F*****, M***** und Kl***** wäre „besonders kritisch" zu prüfen gewesen, wird ein aus Z 5 beachtlicher Mangel inhaltlich nicht einmal behauptet. Das Vorbringen, das bekämpfte Urteil stütze die Annahme, dass die auf den sichergestellten Disketten gespeicherten Daten eine taugliche Grundlage für die Schätzung (§ 184 BAO) der Abgabenbehörde darstellen, zu Unrecht auf die Aussage des Zeugen K*****, unterlässt die gebotene Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394; zuletzt 13 Os 129/07f). Die Tatrichter beziehen sich nämlich insoweit nicht nur auf die - im Übrigen sehr wohl kritisch hinterfragten (US 40 bis 46) - Depositionen dieses Zeugen, sondern darüber hinaus auf den mehrjährigen Betrieb der Software sowie die Abspeicherung und Archivierung der von dieser gelieferten Daten (US 45, 47), die Angaben des als glaubwürdig erachteten Zeugen Walter F***** (US 47) sowie die Örtlichkeit, an der die Datenträger beschlagnahmt worden sind (US 47, 48), was aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist. Die Urteilsaussage, Robert K***** habe im Vorverfahren angegeben, dass die von ihm installierte Anlage auch in Bezug auf die Aufzeichnung der Umsätze mängelfrei funktioniert habe (US 45), entspricht der Aktenlage (S 333, 337/I).

Ob die vom Zeugen K***** installierte Anlage primär der Umsatzerfassung gedient hat, ist für die Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen nicht von Bedeutung und solcherart auch nicht erörterungsbedürftig iSd Z 5 zweiter Fall (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409).

Mit dem Ansatz, Aussagen, wonach der Beschwerdeführer L***** und (in der nicht entscheidungsrelevanten Zeit ab dem Jahr 1999) der Masseverwalter die Kassen täglich entleert haben, sprächen gegen das Funktionieren des Systems zur Umsatz-Aufzeichnung, wendet sich die Beschwerde nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Korrespondierendes gilt für die anhand eigener Beweiswerterwägungen vorgenommenen Schlussfolgerungen aus den Depositionen des Zeugen K*****, einer - im Übrigen ohne Aktenbezug relevierten - angeblich mit datierten Rechnung, aus - ebenfalls ohne Aktenbezug angestellten - Spekulationen über den Entstehungszeitpunkt der sichergestellten Daten sowie dessen allfällige Manipulierbarkeit und aus - das Jahr 1999 betreffenden - Angaben und Hochrechnungen des Masseverwalters Helmut Nes*****.

Durch die Wiedergabe zweier im Vorverfahren getätigter Aussagen des Zeugen K***** sowie die substratlose Behauptung, mit dem Einsatz elektronischer Münzzähler sei „die Funktionalität der Anlage entsprechend keineswegs sichergestellt" worden, werden aus Z 5 beachtliche Mängel nicht dargetan.

In Bezug auf die Prämisse, die sichergestellten Daten würden auch an Sonntagen erzielte Umsätze ausweisen, was den Öffnungszeiten des Betriebs widerspräche, lässt die Beschwerde einmal mehr jeden Aktenbezug vermissen.

Indem die Rüge die Urteilspassage releviert, wonach sich die Beschwerdeführer erstmals in der Hauptverhandlung am damit verantwortet haben, dass die sichergestellten Disketten nicht den Grazer Betrieb der S***** GmbH betreffen (US 35), bezieht sie sich weder auf entscheidende, noch auf erhebliche Tatsachen. Der angesprochene Umstand ist nämlich einerseits nicht schuld- oder subsumtionsrelevant und andererseits nicht Teil der auf die beschlagnahmten Datenträger bezogenen tatrichterlichen Argumentationskette (US 35 bis 39). Im Übrigen widerspricht die - ohne Bezugnahme auf die Aktenlage unterstellte - Annahme, der bezeichnete Einwand sei in einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vorgetragen worden, der Aussage, die Beschwerdeführer haben sich im gerichtlichen Strafverfahren erstmals in diese Richtung verantwortet, nicht.

Bezugspunkt (auch) der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sind erstgerichtliche Feststellungen über entscheidende, also schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsachen. Prüfungsmaßstab ist grundsätzlich das in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweismaterial. Nicht verhandlungsgegenständliche Beweismittel sind aus Z 5a nur insoweit bedeutsam, als sie so rechtzeitig zum Akt gekommen sind, dass sie in der Hauptverhandlung noch hätten vorkommen können und rechtens hätten vorkommen dürfen sowie unter dem Gesichtspunkt, dass sie Anlass zur Durchführung von Beweisaufnahmen gegeben hätten, wobei die Rüge im letztgenannten Fall nur dann zusteht, wenn der Beschwerdeführer an einer auf Vorführung solcher Beweismittel oder daran geknüpfte weitere Aufklärung abzielenden Antragstellung gehindert war. Ausgehend von den dargelegten Grundvoraussetzungen muss das Rechtsmittel mit voller Bestimmtheit darlegen, aus welchem Grund ein deutlich und bestimmt zu bezeichnendes Beweismittel die Feststellung einer gleichermaßen deutlich und bestimmt zu bezeichnenden entscheidenden Tatsache erheblich bedenklich erscheinen lasse (zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 474, 481, 488).

Diesen Kriterien entspricht die Beschwerde nicht:

Der pauschale Verweis auf die Ausführungen zu den Nichtigkeitsgründen der Z 1, 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO lässt keinen Zusammenhang zwischen bestimmten Ergebnissen des Beweisverfahrens und konkreten, als erheblich bedenklich erachteten Konstatierungen der Tatrichter erkennen.

Die Beschwerdeausführungen zur Finanzierung einer vom Beschwerdeführer L***** betriebenen Frühstückspension, zu dessen Fahrzeugen, zu den Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers N*****, zur Buchhaltung sowie zum übrigen Rechenwerk der S***** GmbH, zur Anzahl der im Betrieb installierten Kabinen und der sichergestellten Disketten sowie zur Qualität der eingesetzten EDV-Anlage lassen jeden Aktenbezug vermissen und beziehen sich großteils nicht auf entscheidende Tatsachen.

Mit den theoretischen Überlegungen zu den technischen Anforderungen an ein EDV-unterstütztes Umsatzerfassungssystem wird ein aus Z 5a beachtlicher Mangel inhaltlich nicht einmal behauptet. Insgesamt erweist sich das Vorbringen der Tatsachenrüge als Versuch, die Konstatierungen des Erstgerichts anhand eigener Beweiswerterwägungen nach Art einer nur gegen einzelrichterliche Urteile offenstehenden Schuldberufung zu bekämpfen. Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) - im Übrigen nicht anhand einer den Denkgesetzen entsprechenden Argumentationskette - aus der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur prozessualen Teilbarkeit zu einer Subsumtionseinheit zusammengefasster Delikte die Behauptung ableitet, es seien die Hinterziehungsbeträge nicht zusammenzurechnen und demnach die Wertgrenze des § 53 Abs 1 lit b FinStrG nicht erreicht, unterlässt sie die gebotene Orientierung am Wortlaut der genannten Bestimmung. Hienach ist für die Abgrenzung der gerichtlichen von der finanzbehördlichen Zuständigkeit im - auch hier gegebenen - Fall mehrerer zusammentreffender vorsätzlich begangener Finanzvergehen die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge maßgebend (vgl auch § 21 Abs 1 und Abs 2 FinStrG).

Indem die Beschwerde die Schätzungsbefugnis der Abgabenbehörde (§ 184 BAO) mit der Begründung bestreitet, es seien ohnedies korrekte Grundaufzeichnungen über die Umsätze der S***** GmbH vorhanden gewesen und seien die auf den sichergestellten Disketten gespeicherten Daten nicht hinreichend aussagekräftig, entfernt sie sich prozessordnungswidrig von den gegenteiligen Feststellungen der Tatrichter.

Mit der Argumentation aus einer angeblich vom Masseverwalter im Jahr 1999 angestellten Hochrechnung bewegt sich die Entscheidung einmal mehr auf dem Niveau einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Auch die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) orientiert sich nicht am Gesetz, indem sie die Prämisse, infolge des vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs sei auf Grund der (durch das AbgÄG 1998 BGBl I 1999/28) mit Wirkung vom bezüglich der absoluten Verjährung in gerichtlichen Finanzstrafsachen aufgehobenen Bestimmung des § 31 Abs 5 FinStrG die Strafbarkeit teilweise durch Verjährung erloschen, nicht methodisch vertretbar aus der Bestimmung des § 4 Abs 2 FinStrG ableitet, sondern die angestrebte rechtliche Konsequenz substratlos behauptet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588). Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei festgehalten, dass der Ablauf einer zwar zur Tatzeit, nicht jedoch im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Verjährungsfrist nur dann Straflosigkeit bewirkt, wenn er innerhalb der Geltungsdauer des Tatzeit-Rechts erfolgt ist (12 Os 41/02, 11 Os 36/04, 13 Os 99/05s). Diese Differenzierung gibt sich aus der Rechtsnatur der Verjährung, die nach hM einen Strafaufhebungsgrund darstellt (E. Fuchs in WK² Vorbem zu §§ 57 bis 60 Rz 1 bis 3), was bedeutet, dass die zunächst gegebene Strafbarkeit einer Tat zu einem darauffolgenden Zeitpunkt (durch Fristablauf) beseitigt wird. Verjährungsbestimmungen entfalten somit nicht schon zur Tatzeit, sondern erst mit Ablauf der Verjährungsfrist strafbefreiende Wirkung. Demgemäß sind sie - als potenziell den Entfall der Strafbarkeit bewirkende Normen (vgl 13 Os 25/03) - zwar prinzipiell in den Günstigkeitsvergleich (§ 4 Abs 2 FinStrG) einzubeziehen, vermögen die zu prüfende Rechtslage aber nur dann zu Gunsten des Täters zu beeinflussen, wenn das die Strafaufhebung (erst) aktualisierende Fristende auf einen Zeitpunkt fällt, zu dem die jeweilige Verjährungsnorm noch gilt, was hier nicht der Fall ist.

Der Beschwerdehinweis auf § 31 (zu ergänzen:) Abs 2 FinStrG entzieht sich mangels argumentativen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die laufende, jedenfalls bis ins Jahr 1996 reichende Delinquenz (US 2 bis 4 iVm § 33 Abs 3 lit a FinStrG) und die am erfolgte Einleitung des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens (S 2/I) die Bestimmungen des § 31 Abs 3 und des § 31 Abs 4 lit b FinStrG aF der Verjährung der Strafbarkeit entgegenstehen.

Mit dem Argument der Sanktionsrüge (Z 11), die angefochtene Entscheidung enthalte keine Erwägungen zu einer allfälligen (teil-)bedingten Strafnachsicht, wird ein aus Z 11 beachtlicher Fehler inhaltlich nicht einmal behauptet.

Der Einwand, das Erstgericht habe die Normen über die bedingte Strafnachsicht „grundsätzlich als unanwendbar angesehen", entzieht sich als rein spekulativer Ansatz einer inhaltlichen Erwiderung. Nebenstrafen oder Rechtsfolgen wurden nicht ausgesprochen, aus welchem Grund die Bezugnahme auf die - im Übrigen im Finanzstrafverfahren nicht geltende (§ 26 Abs 1 FinStrG) - Bestimmung des § 44 Abs 2 StGB fehlgeht.

Inwieweit das bekämpfte Urteil die Norm des § 21 Abs 3 FinStrG verletzen soll, vermag die Beschwerde nicht darzulegen. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Dabei werden vom Berufungsgericht auch - in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben nicht enthaltene - Feststellungen zur Abgrenzung von Versuch oder Vollendung der inkriminierten Taten zu treffen sein. Das Schöffengericht ist nämlich von teilweiser Vollendung der Taten ausgegangen (US 21 f, 53) und hat damit insoweit den - solcherart maßgebend gewesenen - Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB (iVm § 23 Abs 2 FinStrG) in Rechnung zu stellen abgelehnt. Da das Ersturteil aber bezüglich der bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben keine Feststellungen zur Abgrenzung zwischen versuchter und vollendeter Tat enthält, ist insoweit der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO gegeben (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Sen], RIS-Justiz RS0122137).

Weist - wie hier - der Oberste Gerichtshof eine Nichtigkeitsbeschwerde zurück und ist die angefochtene Entscheidung mit in der Beschwerde nicht aufgegriffener Nichtigkeit aus Z 11 belastet, ist diese (bei unter einem erhobener Berufung) vom Berufungsgericht wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0119220). Dabei ist weder dieses an die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts gebunden noch der Rechtsmittelwerber durch das Neuerungsverbot beschränkt (Ratz, WK-StPO § 283 Rz 1 f).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.