OGH vom 19.11.1981, 13Os113/81
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Franz als Schriftführers in der Strafsache gegen Anna A wegen des Vergehens der versuchten Angabenhinterziehung nach §§ 13, 33 Abs 1 und 3 lit a FinStrG. über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom , GZ. 6 c Vr 410/81-58, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamts nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Tuma, der Ausführungen des Vertreters der Finanzstrafbehörde, Mag. Pichl, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwalts Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wird verworfen. Den Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamts wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die am geborene Anna A wurde des Vergehens der
versuchten Abgabenhinterziehung nach den §§ 13, 33 Abs 1 und Abs 3
lit a FinStrG. schuldig erkannt. Inhaltlich des Urteils hat sie am
in Wien durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen
sowie einer ihnen zugrunde gelegten unrichtigen Bilanz für das Jahr
1976 versucht, vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen
Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine in unterbliebener bzw. zu
niedriger Festsetzung bestehende Verkürzung von bescheidmäßig
festzusetzenden Abgaben zu bewirken, und zwar an Umsatzsteuer
450.000 S, Einkommensteuer 142.070 S,
Gewerbesteuer 64.201 S.
Rechtliche Beurteilung
Nach den Urteilsfeststellungen hat Anna A im Jahr 1976 als Einzelkaufmann einen Handel mit Uhren und Goldwaren betrieben. In der Bilanz und den darauf gegründeten Erklärungen zur Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1976 wurden von Anna A zum Zweck der Steuerverkürzung Umsatzerlöse in Höhe von 2,5 Millionen Schilling nicht ausgewiesen und zur buchmäßigen Verschleierung ein von einem gewissen B in gleicher Höhe gewährtes Darlehen vorgetäuscht, wodurch das Geschäftsjahr laut Bilanz mit einem Verlust von 2,125.346,84 S schloß, sodaß Einkommen- und Gewerbesteuer überhaupt nicht festzusetzen gewesen wären. Vom Finanzamt wurde jedoch das Darlehen gemäß § 162 BAO. nicht anerkannt, nachdem Anna A trotz mehrfacher Aufforderung keine Belege beizubringen und keine befriedigende Aufklärung zu geben vermocht hatte. Vielmehr wurde gemäß § 184 BAO. der Betrag von 2,5 Millionen Schilling als weiterer tatsächlich erzielter Erlös den erklärten Umsatzund Gewinnbeträgen hinzugerechnet und wurden demgemäß die Umsatzsteuer um 450.000 S höher, die Einkommen- und die Gewerbesteuer mit 142.070 S bzw. 64.201 S festgesetzt. Die bezüglichen Bescheide sind mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.
Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe
der Ziffern 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1
StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Als Begründungsmängel macht die Angeklagte Undeutlichkeit und Unvollständigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen sowie Angabe keiner bzw. nur offenbar unzureichender Gründe für diesen Ausspruch geltend, wobei sie sich im besonderen gegen die Urteilsannahme wendet, daß der angebliche Darlehensgeber (B) überhaupt nicht existiert und von ihr lediglich zur Verschleierung der tatsächlichen Einnahmen erfunden worden ist (S. 231). Die behaupteten Begründungsmängel sind nicht gegeben. So geht dem Beschwerdevorbringen zuwider aus den Gründen des angefochtenen Urteils ohnehin klar hervor, worauf das Erstgericht die bekämpfte Urteilsannahme stützte. In diesem Zusammenhang erweist sich auch die Rüge, daß Art und Ergebnisse der zur Ausforschung des angeblichen Darlehensgebers durchgeführten Erhebungen nur unzureichend wiedergegeben worden seien, keineswegs als stichhaltig, zumal die Urteilsgründe in gedrängter Darstellung abzufassen sind (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO.), was auch zu dem von der Beschwerde relevierten Punkt hinreichend geschehen ist. Soweit die Beschwerdeführerin damit jedoch zum Ausdruck bringen will, daß die vorgenommenen Erhebungen eine abschließende Beurteilung nicht zugelassen und noch einer Ergänzung bedurft hätten, so wäre es ihr und ihrem Verteidiger unbenommen gewesen, in der Hauptverhandlung entsprechende Beweisanträge zu stellen.
Aus dem negativen Resultat der Erhebungen sowie aus dem Umstand, daß auch die Angeklagte selbst weder Belege beizubringen noch sonst befriedigende Aufklärung zu geben vermochte, konnte der Schöffensenat - der sich auf Grund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks auch ein Bild von der Glaubwürdigkeit der leugnenden Verantwortung der Angeklagten machen konnte - denkrichtig und durchaus im Einklang mit der Lebenserfahrung den Schluß ziehen, daß der angebliche Darlehensgeber überhaupt nicht existiert und das behauptete Darlehen von der Angeklagten nur vorgetäuscht worden ist.
Für rechtsirrig (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO.) erachtet die Beschwerdeführerin den Schuldspruch wegen versuchter Abgabenhinterziehung deshalb, weil sie trotz mehrfacher Aufforderung durch die Finanzbehörde über das Darlehen keine Belege beigebracht und den ihr angelasteten Versuch daher nicht vollendet habe, sodaß aus dem Umstand, daß sie die Steuerbescheide unangefochten gelassen hat, in rechtlicher Hinsicht auf einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch zu schließen sei.
Auch die Rechtsrüge hält einer Überprüfung nicht stand. Die Abgabe einer unrichtigen Bilanz sowie darauf gründender (unrichtiger) Steuererklärungen mit dem Vorsatz, eine Abgabenverkürzung zu bewirken, stellt den typischen Fall eines - damit beendeten - Versuchs der Hinterziehung von bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben dar, wobei der Täter von sich aus alles getan hat, um den verpänten Erfolg herbeizuführen und nur noch auf dessen Eintritt zu warten braucht. Schlägt der Versuch fehl (mißlungener Versuch), so wird die Strafbarkeit des Täters dadurch, daß er darauf verzichtet, den tatbestandsmäßigen Erfolg etwa nunmehr auf andere Weise herbeizuführen, nicht aufgehoben (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, unter Nr. 4 abgedruckte Entscheidung zu § 14 FinStrG. und Anmerkung 1).
Für einen strafaufhebenden Rücktritt wäre beim beendeten Versuch, um den es sich hier handelt, ein contrarius actus, die Erfolgsabwendung durch ein tätiges Eingreifen der Angeklagten, erforderlich gewesen. Nun ergibt sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils unmißverständlich, daß der angebliche Darlehensgeber nicht existiert und das Darlehen nur vorgetäuscht worden war, sodaß die Angeklagte gar nicht in der Lage gewesen wäre, die vom Finanzamt verlangten Belege beizubringen und befriedigende Aufklärung zu geben; unter diesen Umständen war auch eine Anfechtung der Steuerbescheide nicht erfolgversprechend. Das verdeutlicht wiederum das Fehlschlagen des Versuchs der Steuerhinterziehung, was einen Rücktritt (§ 14 Abs 1 FinStrG.) begrifflich ausschließt; denn ein solcher ist nur möglich, solang der tatbestandliche Erfolg auf Grund der Handlung des Täters bzw. in deren Folge noch eintreten kann.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte nach § 33 Abs 5 FinStrG. eine Geldstrafe von einhunderttausend Schilling; im Fall der Uneinbringlichkeit setzte es die Ersatzfreiheitsstrafe mit acht Wochen fest. Gemäß § 23 Abs 4 FinStrG. wurde ferner die erlittene Vorhaft vom 14.Jänner bis auf die Strafe angerechnet. In Bemessung der Geldstrafe erachtete das Erstgericht keinen Umstand als erschwerend; als mildernd hingegen wertete es die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten, den Umstand, daß es lediglich beim Versuch geblieben war sowie, daß der die gerichtliche Zuständigkeit begründende strafbestimmende Wertbetrag nur geringfügig überschritten wird.
Sowohl die Staatsanwaltschaft wie auch das Finanzamt begehren mit ihren Berufungen eine Erhöhung des Strafmaßes, letzteres ausdrücklich sowohl betreffend die Geld- wie auch die Ersatzfreiheitsstrafe.
Zu dem von der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf eine Vorstrafe wegen einer Finanzordnungswidrigkeit in Zweifel gezogenen Milderungsgrund der Unbescholtenheit räumt das Finanzamt in seinem Rechtsmittel ein, daß diese Strafverfügung zwischenweilig getilgt wurde und demnach zu Recht nicht als erschwerend herangezogen wurde. Wenn aber auch die Finanzstrafbehörde auf dem Standpunkt steht, daß mit dieser, wenn auch getilgten, Strafverfügung der Angeklagten kein untadeliger Wandel mehr zugebilligt werden könne, so greift sie im Ergebnis wieder nur auf diese getilgte Vorstrafe zurück - andere Umstände vermag nämlich auch sie hiezu nicht ins Treffen zu führen - was unzulässig ist (LSK 1977/228, 9 Os 19/76 u.a.; siehe im gegebenen Zusammenhang § 186 Abs 2 FinStrG. sowie § 1 Abs 4 TilgG. 1972).
Der Schöffensenat hat die geringfügige Überschreitung des die gerichtliche Zuständigkeit begründenden, strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 1 lit b FinStrG.) als mildernd angesehen und damit zum Ausdruck gebracht, daß dieser mit 656.271 S in der Größenordnung oberhalb der für die gerichtliche Zuständigkeit maßgebenden Wertgrenze von 500.000 S liegt. Bedenkt man, daß eine Überschreitung dieses Betrags nach oben nahezu ins Unermeßliche denkbar ist und in ein Vielfaches oft erreicht wird, so kann die vom Erstgericht gebrauchte Wendung gebilligt werden. Sicher bestimmt sich die Strafe in Abhängigkeit vom strafbestimmenden Wertbetrag. Von dieser Relation unabhängig kommt aber der Wertgrenze von 500.000 S dennoch auch eine absolute Bedeutung zu, weil sie die Schwelle für gerichtlich strafbares Unrecht bezeichnet, weshalb der soeben erörterte Milderungsgrund durchaus bestehen kann.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß die Abgabenhinterziehung eher dilettantisch ins Werk gesetzt wurde, als durchsichtiges Manäver leicht durchschaut werden konnte und daher beim Versuch geblieben ist. Von dem dadurch bestimmten Unrechtsgehalt der Tat her gesehen kann die vom Schöffengericht verhängte Geldstrafe gerade noch als angemessen bezeichnet werden, zumal auch die schwere Erkrankung der Angeklagten (S. 53 in 18 U 27/81 des Jugendgerichtshofs Wien, ferner S. 97, 109, 113) Berücksichtigung verdient, weshalb den Berufungen ein Erfolg zu versagen war.