VfGH vom 20.06.1994, B473/92

VfGH vom 20.06.1994, B473/92

Sammlungsnummer

13785

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Bescheide betreffend Körperschaftsteuer, Gewerbesteuermeßbetrag, Einheitswert des Betriebsvermögens, Vermögensteuer und Erbschaftsteueräquivalent hinsichtlich verschiedener Bewertungsfragen; kein Verstoß gegen das Determinierungsgebot durch Verwendung der Begriffe Betriebsvermögen, Wirtschaftsgut und ordnungsmäßige Buchführung bei der Regelung der Gewinnermittlung im Einkommensteuerrecht; keine Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Regelungen über die Buchführung im Handelsrecht und im Steuerrecht; ausreichende Bestimmtheit steuerlicher Bewertungsregeln; keine Gleichheitswidrigkeit der unterschiedlichen Regelung der Gewinnermittlung bei eingetragenen und nicht eingetragenen Gewerbetreibenden; keine denkunmögliche Beurteilung der Frage der Erforderlichkeit der Überprüfung der Bewertung an eine ausländische Tochter überführter Wirtschaftsgüter sowie der Beachtlichkeit von Rückstellungen für Jubiläumsgelder und Geburtstagsprämien

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Gesellschaft in einem anderen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen Bescheide betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermeßbetrag 1985 bis 1987 sowie Einheitswert des Betriebsvermögens, Vermögensteuer und Erbschaftsteueräquivalent zum , und mit Ausnahme der Berichtigung der doppelten Erfassung des Ertrages einer Tochtergesellschaft beim Gewerbesteuermeßbetrag 1986 als unbegründet abgewiesen. Strittig war unter anderem die Bewertung verpfändeter US-Dollar-Anleihen, die Beachtlichkeit von Rückstellungen für verpflichtend zugesagte Jubiläumsgelder und Geburtstagsprämien, für die Kosten der Lehrlingsausbildung und für interne Kosten der Erstellung des Jahresabschlusses sowie die Erforderlichkeit einer (allerdings folgenlos gebliebenen) Überprüfung der Angemessenheit der Bewertung der an eine ausländische Tochtergesellschaft überführten Wirtschaftsgüter (§6 Z 6 EStG 1972).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des § 4 Abs 1, 2 und 4 sowie der §§5 bis 7 EStG 1972 gerügt. Diese Bestimmungen verstießen insgesamt gegen das Legalitätsprinzip, die von § 4 Abs 1 und § 5 bewirkte Unterscheidung innerhalb der Betriebsvermögensvergleiche und die in § 6 Z 6 EStG 1972 angeordnete Bewertung grenzüberschreitender Vorgänge verletzten den Gleichheitssatz und die Anwendung des § 14 EStG 1972 auf Rückstellungen für Jubiläumsgelder und Geburtstagsprämien sei denkunmöglich.

Die belangte Behörde tritt diesen Vorwürfen entgegen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat auf die Gegenschrift repliziert.

II. Im Hinblick auf Umfang und Aufbau des Parteienvorbringens hält es der Verfassungsgerichtshof für zweckmäßig, die Ausführungen der Beschwerde und der auf sie fortlaufend eingehenden Gegenschrift sowie - teilweise - auch die Einwürfe der auf die Gegenschrift bezogenen Replik einander von Abschnitt zu Abschnitt gegenüberzustellen.

1. Einleitend legt die Beschwerde unter Bezugnahme auf Rechtsprechung und Lehre den Inhalt des Legalitätsprinzips dar.

Daran knüpft sie sodann folgende allgemeine Überlegung:

"Dies hat in besonderem Maße für das Steuerrecht Bedeutung, weil es sich hier um einen Musterfall des hoheitlichen Eingriffsrechtes handelt (Ruppe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 43 f; Gassner in Gassner-Lechner 13 f). Bei eingriffsintensiven Gesetzen müssen die Eingriffstatbestände besonders deutlich umschrieben sein (VfSlg 11455/87; Gassner-Lang in Mayer (Hrsg), Staatsrecht in Theorie und Praxis, FS Walter, 1991, 177; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen 1992, 126). Daher ist auch das Gebot hinreichender Determinierung im Abgabenrecht besonders ernst zu nehmen, weil gerade im Bereich von Abgaben ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine exakte gesetzliche Regelung besteht (vgl VfSlg 9227/81; 9609/83). Dies wird auch dadurch gestützt, daß Tatbestände, an deren Übertretung eine Strafandrohung anknüpft, so abgefaßt sein müssen, daß sich für den Einzelnen Zweifel über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in bezug auf den Tatbestand nicht ergeben können (VfSlg 3207/57; 4037/61; 11391/87). Ein jeder Steuertatbestand ist aber bei Nichtbeachtung gleichzeitig ein Abgabenverkürzungstatbestand, der idR gemäß den §§33 und 34 FinStrG entweder als Abgabenhinterziehung oder als fahrlässige Abgabenverkürzung zu ahnden ist (Ruppe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 63; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen 122). Daher ist für das Steuerrecht eine 'verdünnte' Legalität, wie sie für manche Rechtsgebiete in Kauf genommen wird (vgl zB VfSlg 8813/80), abzulehnen (Ruppe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 43; Gassner in Gassner-Lechner 13 f). Der Steuertatbestand muß vielmehr so formuliert sein, daß der Steuerpflichtige die steuerlichen Folgen seines Verhaltens abschätzen kann und sich für ihn Zweifel über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in bezug auf den Tatbestand nicht ergeben können (vgl VfSlg 3207/57; 4037/61; 8695/79; 11520/87). Das gilt insbesondere bei Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe, die auch im Steuerrecht zulässig ist (zB VfSlg 8395/79; 9475/82; vgl a 9480/82; 9941/84; 10117/84). Das Gesetzmäßigkeitsprinzip ist jedoch auch im Steuerrecht verletzt, wenn über den Inhalt eines Begriffes eine Vielzahl unvereinbarer Auffassungen, die jeweils gleichgewichtige Gründe für sich haben, existiert (VfSlg 4669/64; 5993/69; Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts II2 1988, 150). Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist davon nicht ausgenommen (vgl zB VfSlg 9518/82)."

Die Gegenschrift geht davon aus, daß sich die Zwecke von Handelsbilanz und Steuerbilanz nicht decken und der in Österreich bestehende Zusammenhang zwischen beiden ein Relikt aus der Überleitung des deutschen Rechtes ist, aber im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, und meint:

"Den grundsätzlichen Ausführungen über das Gesetzmäßigkeitsprinzip ist zuzustimmen. Die Ausführungen zur Strafbarkeit nach §§33 und 34 FinStrG sind aber zu relativieren. Nach § 33 Abs 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, 'wer vorsätzlich ... eine Abgabenverkürzung bewirkt'. Der Vorsatz muß daher auf die Verkürzung gerichtet sein (VwGH Slg 9564/F), was bereits Kenntnis über die Steuerpflicht eines Vorganges voraussetzt. § 34 FinStrG regelt entsprechend das Fahrlässigkeitsdelikt.

Zudem enthält § 9 FinStrG eine Irrtumsregelung, die den Verbotsirrtum dem Tatbildirrtum gleichstellt (Sommergruber/Reger, Finanzstrafgesetz, Eisenstadt 1990, Seite 83). Daher trifft den, der aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht handelt, kein Verschulden und damit keine Strafbarkeit ().

Es kommt auch in der Verwaltungspraxis nicht vor, daß wegen Rechtsfragen, welche die Behörde anders beurteilt als der Abgabepflichtige (zB die in der Beschwerde angesprochenen Rückstellungs- oder Bewertungsfragen) ein Finanzstrafverfahren eingeleitet wird. Während die Verwaltungspraxis in anderen Bereichen des Nebenstrafrechtes mit seinen 'unzählichen, rasch wechselnden und vielfach unbekannten Vorschriften' dem Verbotsirrtum wenig Bedeutung zukommen läßt (vgl. Kienapfel, Strafrecht Allgemeiner Teil, Wien 1985, 68), kommt er im Finanzstrafrecht laufend zur Anwendung. Dies aber nicht deshalb, weil das Steuerrecht weniger determiniert wäre als andere Bereiche der Rechtsordnung. Die belangte Behörde anerkennt aber, daß der Gesetzgeber der hochentwickelten Gesellschaft mit ihren intensiven wirtschaftlichen Verflechtungen nur durch ein relativ kompliziertes Regelungssystem für das Steuerrecht gerecht werden konnte, welches aber nicht jedem Bürger in allen Details bekannt sein kann. Jede vertretbare Rechtsauffassung schließt somit Schuld (und Strafbarkeit) aus."

Dem hält die Replik einerseits entgegen,

"... daß die Abgabenhinterziehung nicht unbedingt ein

konkretes Wissen über den Besteuerungstatbestand voraussetzt,

sondern beispielsweise schon dann vorliegen kann, wenn dem

Steuerpflichtigen 'als Mitteleuropäer .... bekannt sein mußte,

daß er für seine Einkünfte Steuer zahlen müsse' (). Daher können die Vorschriften der §§33 ff FinStrG auch dann verwirklicht sein, wenn der Steuerpflichtige den Tatbestand nicht konkret kennt."

Andererseits meint sie,

"... daß das Vorliegen einer 'vertretbaren Rechtsauffassung' alleine vielfach nicht genügt, um die Strafbarkeit

auszuschließen: Eine vertretbare Rechtsansicht wirkt nämlich nur dann strafausschließend, wenn sich der Abgabepflichtige der Zweifelhaftigkeit der Gesetzesstelle nicht bewußt ist (). Die vertretbare Rechtsauffassung ist hingegen dann vorwerfbar, wenn dem Steuerpflichtigen an der Richtigkeit der Anschauung Zweifel kamen oder - in Anbetracht der von ihm zu präsentierenden Kenntnisse - kommen mußten (). Eine zweifelhafte Rechtslage bewirkt daher lediglich die Anhebung des Sorgfaltsmaßstabes, nicht aber den Strafausschluß."

2. Nach Aufzählung der vom Legalitätsgebot betroffenen präjudiziellen Bestimmungen fährt die Beschwerde fort:

"Einkünfte im Sinne der ersten drei Einkunftsarten sind der Gewinn (§2 Abs 4 Z 1 EStG 1972). Der Gewinn ist grundsätzlich durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln. Diesen gibt es nach dem EStG 1972 in den zwei Arten nach § 4 Abs 1 und § 5. Der Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs 1 EStG 1972 definiert den Gewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Entscheidend für den Gewinn sind danach unter anderem der Umfang des Betriebsvermögens, die anzusetzenden Teile des Betriebsvermögens und der Wert des Betriebsvermögens an den beiden Bewertungsstichtagen. Darüber herrscht aber - wie in den Abschnitten 2 und 3 noch gezeigt werden wird - schon alleine aufgrund der verwendeten unbestimmten Gesetzesbegriffe (Betriebsvermögen, Wirtschaftsgut) sowie einer Reihe überhaupt nicht geregelter Ansatz- und Bewertungsfragen große Rechtsunsicherheit (Ruppe in Egger-Ruppe (Hrsg) Reform der Rechnungslegung in Österreich, 1987, 241 ff; Gassner in Gassner-Lechner 10 mwH in FN 4). Die Rechtsunsicherheit wird aber noch dadurch erhöht, daß § 4 Abs 2 EStG 1972 in ganz allgemeiner Form auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verweist. Bei diesen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der, wie die Lehre aufgezeigt hat, vieldeutig ist und viele unterschiedliche Auslegungen zuläßt (Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechtes II2 1989, 150). Insbesondere ist bei diesem unbestimmten Gesetzesbegriff schon unklar, ob damit 'allgemeine' oder allenfalls irgendwelche über die in der BAO angeführten Buchführungsgrundsätze hinausgehende 'besondere' oder allenfalls nur 'branchenspezifische' Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gemeint sind, da eine Klarstellung erst in § 4 Abs 2 EStG 1988 erfolgte. Einigermaßen sicher scheint an ihm nur zu sein, daß er auf, allerdings nicht näher bestimmte, Buchführungs- und Bilanzierungsregeln verweist. Dabei handelt es sich um einen Pauschalerweis, der sich nach höchst unterschiedlichen Auffassungen nur zum Teil auf kodifizierte, überwiegend jedoch auf nicht kodifizierte formelle und materielle sowie auch branchenspezifische Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beziehen soll (vgl die Auflistung bei Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 32 f; vgl weiters Göth in Gassner-Lechner 132 ff), deren Rechtsquellenqualität äußerst unklar ist (vgl zur Meinungsvielfalt Stoll, ÖStZ 1967, 147; Kastner, JBl 1967, 298; Vodrazka in Gassner-Pointner (Hrsg), Bilanz und Rechnungswesen, FS-Stadler, 1981, 321; Christian Nowotny, Funktion der Rechnungslegung im Handels- und Gesellschaftsrecht, 1987, 21 ff; derselbe in Straube HGB II/RLG, 1992, § 195 Tz 6 ff). Es fehlt diesem Verweis daher jegliche Präzision (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 33; Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 132 ff). Aus all diesen Gründen ist der Betriebsvermögensvergleich des § 4 Abs 1 EStG 1972, welcher allein nach Steuerrecht zu erfolgen hat, unter den Gesichtspunkten der Tatbestandsbestimmtheit und der Tatbestandsklarheit schon höchst bedenklich (Gassner-Lang in FS-Walter 176; Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 29 ff)."

Dazu die Gegenschrift unter teilweisem Vorgriff auf den erst folgenden Abschnitt der Beschwerde (GoB für "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung"):

"Die Beschwerde betrifft zwar den Zeitraum 1985 bis 1987, sie versucht aber darzustellen, das Recht der Handelsbilanzen sei seit den durch das Rechnungslegungsgesetz erfolgten Änderungen klar. Tatsächlich besteht das Recht der Handelsbilanzen nach wie vor zum wesentlichen Teil durch den Verweis auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (zB §§191, 195 HGB). Durch das Rechnungslegungsgesetz wurde nur ein kleiner Teil der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung kodifiziert. Es wurden durch dieses zwar einige Unsicherheiten beseitigt, aber neue geschaffen; so gibt es beispielsweise seit dem Inkrafttreten des RLG nicht einmal mehr eine einheitliche Meinung zur Frage, wie ein Skonto zu verbuchen sei (vgl. Egger/Samer, Der Jahresabschluß nach dem Rechnungslegungsgesetz, 2. Auflage, Seite 222 f). Auch wird die Ansicht vertreten, daß ein Teil dessen, was durch das RLG kodifiziert worden ist, nicht den GoB entspricht (so Wassermeyer,

Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz und die Umkehr dieses Grundsatzes, in Doralt, Probleme des Steuerbilanzrechts, Köln 1991, Seite 40, zu § 203 Abs 4 HGB betreffend die Aktivierung von Fremdmittelzinsen bei den Herstellungskosten).

Durch das RLG wurden einzelne GoB (vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 7, Düsseldorf 1987, 26) kodifiziert (vgl. zB Wortlaut des § 211 Abs 1 Satz 2 HGB:

'Rückstellungen sind in der Höhe anzusetzen, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist'). Das Handelsbilanzrecht muß aber im wesentlichen auf den GoB zurückgreifen. Nicht einmal für die einfachsten Geschäftsfälle findet sich eine gesetzliche Regelung: Realisiert der Händler den Gewinn aus dem Verkauf von Ware im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages oder im Zeitpunkt der Lieferung? Wird mit Abschluß eines Mietvertrages ein in der Bilanz auszuweisendes Mietrecht erworben oder schlagen sich die laufenden Mietzahlungen gar nicht in der Bilanz nieder? Im HGB findet sich für die handelsbilanzmäßige Behandlung dieser simplen Geschäftsfälle keine Regelung. Bereits diese Fälle - und so auch die komplexeren Fallgestaltungen - können im Handelsrecht nur aus den GoB gelöst werden. Daß das Handelsrecht auch nach Inkrafttreten des RLG nicht den Umfang des in die Handelsbilanz aufzunehmenden Vermögens (§191 Abs 1 HGB; zB Einzelkaufmann hat auch seine private Wohnung im Geschäftshaus oder auch die Familienangehörigen des Kaufmanns haben ideelles Eigentum am Geschäftshaus: in welchem Ausmaß ist das Haus in die Bilanz aufzunehmen?) regelt oder den Begriff 'Vermögensgegenstand' definiert, sei nur am Rande erwähnt.

Die belangte Behörde möchte durch den vorstehenden Absatz zum Ausdruck bringen, daß die wirtschaftlichen Sachverhalte so umfangreich und vielfältig sind, daß weder das Handelsrecht (gleichgültig ob vor oder nach Inkrafttreten des RLG) noch das Steuerrecht ausdrückliche Regelungen über deren Verbuchung und Bilanzierung aufstellen kann. Auch in anderen Staaten kann dieses Problem nur durch den Verweis auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung bewältigt werden.

Zum Einwand, daß 'Betriebsvermögen' und 'Wirtschaftsgut' unbestimmte Gesetzesbegriffe seien, ist zunächst zu bemerken, daß im Stadium der Gesetzwerdung und im Zeitpunkt des Inkrafttretens des EStG 1972, BGBl 1972 Nr. 440, Rechtsprechung und Lehre eine eindeutige Definition für 'Betriebsvermögen', 'notwendiges Betriebsvermögen', 'gewillkürtes Betriebsvermögen' und 'Wirtschaftsgut' kannte (vgl. Zapletal/Hofstätter, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 4 Abs 1, Tz 12; Schubert/Pokorny/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Wien 1973, Seite 135 ff). Der Gesetzgeber konnte daher auf diese bekannten, unzweifelhaft definierten Begriffe zurückgreifen. Er brauchte daher die Begriffe nicht zu definieren. Auch der Gesetzgeber des RLG hat die Begriffe 'Vermögensgegenstand' oder 'Vermögen' des Einzelkaufmannes nicht definiert. Der Begriffsinhalt ist nach Ansicht der belangten Behörde - im Gegensatz zum Begriff des Vermögens, welches ein Einzelkaufmann in seiner Handelsbilanz auszuweiesn hat - ausreichend klar.

Die Problematik des Verweises des Steurrechts auf den unbestimmten Rechtsbegriff der GoB ist seit langer Zeit in der Literatur bekannt (Kruse, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, Hamburg 1970, Seite 3 (§1 III)). Der unbestimmte Gesetzesbegriff als solcher widerspricht aber nicht der Verfassung. Nach Ansicht der belangten Behörde ist auch der materielle Inhalt der GoB zu den diversen Bilanzierungsfragen durch die Rechtsprechung und Lehre der letzten hundert Jahre in einem ausreichenden Ausmaß bestimmt worden und war auch bereits bei Inkrafttreten des EStG 1972 bereits hinreichend bestimmt."

Die Replik meint, aus der zutreffenden Auffassung der Gegenschrift, daß das Recht der Handelsbilanz auch seit den durch das Rechnungslegungsrecht erfolgten Änderungen nicht in allem klar ist, ergebe sich die Unklarheit der vorangegangenen Rechtslage umsomehr. Es gehe nicht darum, daß Handels- und Steuerrecht auf Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verweisen, sondern um die verwirrende Form, in der dies im EStG 1972 geschehen sei:

"... Daher kann der Aussage ... der Gegenschrift, daß der materielle Inhalt der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu den diversen Bilanzierungsfragen durch Rechtsprechung und Lehre der letzten 100 Jahre in einem ausreichenden Ausmaß bestimmt worden wäre und auch bei Inkrafttreten des EStG 1972 bereits hinreichend bestimmt gewesen wäre, keinesfalls zugestimmt werden.

..."

"... Sowohl § 4 Abs 2 als auch § 5 EStG 1972 verweisen auf Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ohne daß klar ist, was jeweils damit gemeint ist und ohne deutlich zum Ausdruck zu bringen, wann steuerrechtliche Vorschriften diesen Verweisen vorgehen. An dieser verwirrenden Verweistechnik liegt es, daß praktisch kaum irgendwelche Bilanzierungsfragen des Steuerrechtes klar und eindeutig zu lösen sind. ..."

3. Weiter die Beschwerde:

"Noch mehr gilt dies für den Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG 1972. Nach dieser Bestimmung ist 'bei Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, ..... unter Beachtung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes über die Gewinnermittlung für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§4 Abs 1 erster Satz), das nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist.' Auch hier gelten somit 'Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung', wobei unklar ist, was unter diesem unbestimmten Gesetzesbegriff und Pauschalverweis, der dem Wortlaut nach mit den 'Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung' des § 4 Abs 2 EStG 1972 übereinstimmt, zu verstehen ist (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 32). Nach herrschender Auffassung wird hier auf die 'kaufmännischen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung' abgestellt (; Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, ESt-Handbuch2 1985 § 5 Tz 5). Offen ist dabei jedoch, ob damit nur die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung als solche, was der Wortlaut nahelegen würde, die Bilanzierung in materieller Hinsicht nach diesen Grundsätzen sowie nach jeweils anzuwendendem Handelsrecht (vgl VfSlg 5025/65) oder die konkrete in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erstellte Handelsbilanz gemeint ist, ob also bloß eine 'materielle' Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder von jeweils anwendbarem Rechnungslegungsrecht des Handelsrechtes überhaupt oder eine 'formelle' Maßgeblichkeit der jeweiligen Handelsbilanz angeordnet wird (vgl die Nachweise bei Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 140 f). Dem § 5 EStG 1972 läßt sich darüber keine klare Antwort entnehmen (vgl Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 141 ff). Offen ist auch die Frage, ob sich § 5 EStG 1972 nur auf den Ansatz bezieht, wofür der Wortlaut spricht, oder auch auf die Bewertung, da dies erst in § 5 EStG 1988 klargestellt wurde (Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 135; vgl auch Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 251; Doralt, Kommentar § 4 Tz 141; Tanzer in Raupach (Hrsg) Werte und Wertermittlung im Steuerrecht, 1984, 81 ff; Weilinger, GesRZ 1989, 212) und jedenfalls für die Rechtslage des EStG 1972, also vor Inkrafttreten des Rechnungslegungsgesetzes, offen war, auf welche kaufmännischen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verwiesen wurde. Denn diese waren je nach Rechtsform höchst verschieden. So galten zwar für alle Kaufleute als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung die §§38-44 HGB, für die AG und andere Rechtsträger aber zusätzlich die §§129 ff AktG. Letztere Gesetzesbestimmungen kodifizierten nach herrschender Auffassung zum Teil allgemeine, aber zum Teil auch rechtsformspezifische Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (vgl zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung in den unterschiedlichen Rechtsformen Vodrazka, Handbuch Bilanzierung und Abschlußprüfung2, 1987, § 129 Tz 3 ff, EinzelU Tz 9, OHG Tz 68 ff; KG Tz 210 f; GmbH Tz 3; GmbH & Co KG Tz 304) und bloß auf Aktiengesellschaften und zB nicht einmal auf GmbH anwendbare Einzelvorschriften. Dabei war eine klare Abgrenzung dieser allgemeinen von den rechtsformspezifischen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung genausowenig möglich wie die Abgrenzung allgemeiner und rechtsformspezifischer von branchenspezifischen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 138) und von jeweiligen Einzelvorschriften der Rechnungslegung, die nicht zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zählten und aus diesem Grunde möglicherweise vom Verweis des § 5 EStG 1972 nicht erfaßt waren (vgl Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 274). Vor allem verwiesen die angeführten Gesetzesbestimmungen aber selbst wiederum auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (zB § 38 Abs 1 HGB idF vor dem RLG und § 129 Abs 1 AktG idF vor dem RLG). Die mit Hilfe des höchst unbestimmten Begriffes der 'Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung' in § 5 EStG 1972 vorgenommene Verweisung auf das Handelsrecht stellt sich somit überwiegend als eine Weiterverweisung auf ein Regelungsgefüge dar, bei dem weder Klarheit darüber herrscht, welche Rechtsquellenqualität ihm zukommt noch wie die einzelnen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu ermitteln sind (Nowotny, Funktion 21 ff; Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 136 ff; Nowotny in Straube HGB II/RLG § 195 Tz 6 ff. Anders als beim Diskontsatz - dazu VfSlg 11281/87 - handelt es sich bei den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung um Normen). So gesehen besteht der Inhalt des § 5 EStG 1972 in einem mehrfachen Verweis, in dem zum einen auf das Handelsrecht verwiesen wird, dieses selbst jedoch zwecks Konkretisierung der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung wieder auf andere Rechtsquellen oder Regelungsgefüge weiterverweist (vgl Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 136). Aus diesen Gründen kommt Ruppe zu folgendem Schluß (in Egger-Ruppe, Reform 275):

'Der gegenwärtige Rechtszustand ist allerdings nicht befriedigend. Einerseits ist der Verweis in § 5 EStG in siner Bedeutung unklar, andererseits hat die Rechtsquelle, auf die verwiesen wird, nämlich die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, nur sehr verschwommene Konturen. Die Gewinnermittlung protokollierter Kaufleute steht damit auf einer unsicheren und damit rechtsstaatlich bedenklichen Grundlage.'"

Hierauf die Gegenschrift:

"Die formelle Maßgeblichkeit entsprach stets und entspricht auch heute der Rechtsprechung in Österreich und in Deutschland und der herrschenden Lehre (vgl. Wassermeyer, Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz und die Umkehr dieses Grundsatzes, in Doralt, Probleme des Bilanzsteuerrechts, Köln 1991, 31ff). Tanzer (in Raupach, Werte und Wertermittlung im Steuerrecht, 1984, Seite 81ff) vertritt die These der materiellen Maßgeblichkeit (vgl. aber bereits Zitzlaff, StuW 1938 I Sp 559; und Bankow, BB 1957, 112).

Überwiegende Rechtsauffassung in Deutschland und Österreich (siehe Nachweise bei Wassermeyer, Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz und die Umkehr dieses Grundsatzes, a.a.O., Seite 38) ist, daß die Maßgeblichkeit nicht nur für die Bilanzierung dem Grunde nach, sondern ebenso für die Bewertung gilt - soweit nicht ausdrückliche steuerliche Vorschriften bestehen.

Nach Ansicht der belangten Behörde gelangt die Interpretation (§6 ABGB) zu eindeutigen Ergebnissen. Da der Wortlaut des § 5 EStG noch weitgehend jenem des § 5 dEStG 1934 entspricht, kommt der historischen Interpretation besonderes Gewicht zu. Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß unterschiedliche Interpretationsergebnisse und damit unterschiedliche Meinungen für das Steuerrecht nicht typischer sind als für andere Rechtsgebiete und deshalb noch nicht zur Verfassungswidrigkeit einer Regelung führen.

Wenn die Beschwerde ausführt, die GoB hingen auch von der Rechtsform des Kaufmannes ab, so ist dem zuzustimmen. Vor und nach dem Inkrafttreten des RLG gab es für bestimmte Gesellschaften Sondervorschriften (vgl. 221 ff HGB) und wird die Ansicht vertreten, daß diese Sondervorschriften zum Teil (zB Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses) im Wege der GoB auch für die anderen Kaufleute (Einzelkaufmann) verbindlich sind (vgl. Egger/Samer, Der Jahresabschluß nach dem Rechnungslegungsgesetz2, Seite 27). Aus dem Prinzip der formellen Maßgeblichkeit ist nun abzuleiten, daß § 5 EStG jene GoB anspricht, die für den jeweiligen Steuerpflichtigen aufgrund seiner Rechtsform verbindlich sind.

Wenn § 5 EStG auf GoB verweist und die §§191 und 195 HGB auf GoB verweisen, ergibt sich daraus, daß nur ein kleiner Teil der GoB kodifizierbar ist."

Dazu die Replik:

"Daß von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nur ein kleiner Teil kodifizierbar wäre, kann dahingestellt bleiben. Im RLG ist es aber immerhin gelungen, weit mehr Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu kodifizieren als dies in den seinerzeitigen §§38 ff HGB der Fall war. Die Schwierigkeiten einer weitgehenden Kodifikation der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zwingt aber keineswegs dazu, in einer derart verwirrenden Weise, wie dies im EStG 1972 erfolgte, zweimal auf Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu verweisen und damit jeweils Unterscheidliches zu meinen, die Unterschiede aber nicht klar zum Ausdruck zu bringen."

4. Die Beschwerde wiederum:

"Geht man davon aus, daß für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 die 'allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung' und für die Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 zusätzlich die 'kaufmännischen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung' zur Anwendung gelangen (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, ESt-Handbuch2 1985 § 5 Tz 5), was immer man unter diesen beiden Formen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verstehen mag, so ergibt sich das Bedürfnis, diese beiden Formen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung voneinander abzugrenzen und damit die Rechtsfolgen für die beiden Arten des Betriebsvermögensvergleichs zu konkretisieren (Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 139). Denn die herrschende Auffassung geht davon aus, daß einer der wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Arten des Betriebsvermögensvergleichs in der Beachtung der allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 und zusätzlich der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 liegt (vgl ; Doralt-Ruppe I4 58). Die erforderliche Abgrenzung der Rechtsfolgen der beiden Arten des Betriebsvermögensvergleichs erweist sich aber nach der Konzeption dieser beiden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung als unmöglich. Es ist nämlich unklar, wodurch sich die allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung von den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unterscheiden (Doralt, Einkommensteuergesetz-Kommentar, 1990 § 4 Tz 127 mwN; Pokorny, SWK 1987 A I 187). Nach herrschender Meinung sind zwar die allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung idR gleichzeitig auch handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gehen aber weiter; sie umfassen danach zusätzliche Elemente, die einen möglichst hohen Grad an Genauigkeit der Gewinnermittlung gewährleisten sollen, der für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 nicht erforderlich wäre (VfSlg 6928/72; Hofians, Bilanzierungshilfen des Handelsrechtes im Bilanzsteuerrecht, 1986, 119 ff; Gassner in Gassner- Lechner, Steuerbilanzreform 33). Der wesentliche Unterschied wird in der Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips in der Handelsbilanz gesehen, das im Betriebsvermögensvergleich nach Steuerrecht nicht zu gelten hätte. Daraus ergäbe sich zwar in der Handelsbilanz und damit für den Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG 1972 die Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen und zur Anwendung des Niederstwertprinzips, nicht aber für den Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs 1 EStG 1972 (). Dieser so wesentliche Unterschied ist aber keineswegs klar, weil für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Grundsätze der Bilanzwahrheit und der periodengerechten Gewinnermittlung zu gelten hätten (). Droht danach ernsthaft ein Aufwand oder ein Wertverlust, deren Ursachen der vergangenen Periode zuzurechnen ist, dann wäre er somit bei sonstigem Verlust der Betriebsausgabe geltend zu machen, obwohl angeblich das Vorsichtsprinzip nicht zu gelten hätte. Doralt (Kommentar § 4 Tz 128) kommt aus diesem Grunde sogar zur Auffassung, daß die in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein vorgenommene grundlegende Unterscheidung zwischen den beiden Arten des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs 1 und § 5 weder sachlich gerechtfertigt noch dogmatisch haltbar wäre. Damit verlöre aber der Verweis auf die allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung in § 4 Abs 2 EStG 1972 jegliche Konturen (Göth in Gassner-Lechner, Bilanzsteuerreform 134). Somit bleibt letztlich unklar, ob zwischen den allgemeinen und den kaufmännischen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung überhaupt Unterschiede bestehen und worin diese Unterschiede gegebenenfalls liegen (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 20. Vgl a Ruppe, ÖStZ 1986, 75 f). Eine gesetzliche Klärung, daß es sich um etwas Verschiedenes handelt, erfolgte nämlich erst durch die §§4 Abs 2 und 5 EStG 1988. Damit erweisen sich aber die unterschiedlichen Rechtsfolgen der beiden Gewinnermittlungsarten als weder klar noch bestimmt im Sinne der Anforderungen des Art 18 Abs 1 B-VG."

Die Gegenschrift:

"Aus der formellen Maßgeblichkeit ergibt sich zwingend, was unter den handelsrechtlichen GoB, die der § 5-Ermittler zu beachten hat, zu verstehen ist. Für den § 4 Abs 1.-Ermittler, der typischerweise nicht Kaufmann ist, gibt es keinen Grund für eine Anknüpfung an die strengen Vorschriften einer Handelsbilanz. Allerdings muß das Steuerrecht auf Grundregeln der Bilanzierung verweisen: es muß beispielweise festlegen, wann der Gewinn aus einem Werkvertrag, aus einem Kaufvertrag, aus einem Dauerleistungsvertrag realisiert wird. Da eine taxative Umschreibung sämtlicher vorstellbarer Geschäftsfälle des Wirtschaftslebens nicht möglich ist, mußte das Steuerrecht die Regelung durch einen Verweis auf die allgemeinen GoB, also diese Grundregeln der Bilanzierung vornehmen.

Welche einzelnen Unterschiede zwischen handelsrechtlichen und allgemeinen GoB, also zwischen Gewinnermittlung nach § 5 und nach § 4 Abs 1 EStG 1972 bestehen, war bei Inkrafttreten des EStG 1972 (und ist es auch heute) durch ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre gesichert. Die Beschwerde führt sie auf Seite 39 an.

Der praktisch bedeutsame Unterschied zwischen den Gewinnermittlungsarten besteht in der Behandlung von Grund und Boden; dieser Unterschied ist gesetzlich festgeschrieben (§5 Satz 2 EStG 1972). Die belangte Behörde erhebt keine grundsätzlichen Einwendungen gegen ein Interpretationsergebnis, nach dem die Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 und § 5 EStG 1972 im übrigen keine Unterschiede aufweisen solle. Die in der Praxis vertretenen Abweichungen für den § 4 Abs 1 - Ermittler stellen aber Erleichterungen für den Steuerpflichtigen, der typischerweise nicht Kaufmann ist, dar: er muß nicht, darf aber Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungen bilden; er muß nicht, darf aber Teilwertabschreibungen vornehmen. Die Unterschiede lassen sich aber durch Interpretation aus dem Gesetz ableiten."

Nach der Replik läßt die Behörde

"... unerwähnt, daß sich nach herrschender Auffassung aus dem Verweis auf die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung erhebliche Einengungen hinsichtlich Ansatz und Bewertung ergeben (vgl zB die Auswirkungen der direkten Maßgeblichkeit nach Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuerhandbuch 1988 § 5 Tz 18 ff). Auch läßt die belangte Behörde es offen, aus welchen gesetzlichen Grundlagen sich die in der Praxis vertretenen Abweichungen für den § 5 Abs 1-Gewinnermittler ergeben. Dies alles beweist, daß die unterschiedlichen Rechtsfolgen der beiden Verweise auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung höchst unklar sind und diese Verweise daher aus der Sicht des Legalitätsprinzips zurecht im Schrifttum kritisiert werden."

5. Die Beschwerde:

"Bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 wäre aber zur Bestimmung der für diese Art des Betriebsvermögensvergleichs vorgesehenen Rechtsfolgen nicht nur eine klare Abgrenzung gegenüber der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 notwendig, insbesondere was die allgemeinen und die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung anbelangt, sondern es wären auch klare Grenzen des Verweises auf die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung anhand der Vorschriften des EStG 1972 geboten. Denn die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung kommen gemäß § 5 EStG 1972 nur insoweit zum Zug als dies die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zulassen. Dies ergibt sich daraus, daß auch bei Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen 'unter Beachtung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes anzusetzen' ist. Zwingendes abweichendes Steuerbilanzrecht geht somit dem Handelsrecht vor (VfSlg 9518/82 mwN; vgl dazu Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 145 ff). Zur Feststellung dieser zwingenden Abweichungen wäre aber eine klare Grenzziehung zwischen Handels- und Steuerrecht notwendig. Voraussetzung dafür wäre, daß das EStG 1972 selbst über klare Regeln zu Umfang, Ansatz und Bewertung des Betriebsvermögens enthielte, die sich wiederum von einem selbst klaren Handelsrecht abgrenzen ließen. Da dies - wie in den Abschnitten 2 und 3 noch dargelegt werden wird - nicht der Fall ist, müssen die Grenzen des Maßgeblichkeitsprinzips und dessen Bedeutung und Reichweite unklar sein. Denn die Rechtsgrundlagen des Maßgeblichkeitsprinzips 'sind dürftig und lassen viele Zweifelsfragen offen' (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 274), sodaß mit ihm 'besondere Unschärfen' verbunden sind (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 10). Am Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 EStG 1972 sind daher insbesondere folgende Grundsatzfragen strittig (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 240 ff und 274; Gassner in Gassner- Lechner, Steuerbilanzreform 20 f):


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1.
Der Umfang der Aktivierungsfähigkeit in der Handels- und Steuerbilanz in Hinblick auf die unterschiedliche Terminologie im Handels- und Steuerrecht (Vermögensgegenstand und Rechnungsabgrenzungsposten - Wirtschaftsgut - Betriebsvermögen).


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2.
Der Umfang der Passivierungsfähigkeit in der Handels- und Steuerbilanz in Hinblick auf die unterschiedliche Terminologie im Handels- und Steuerrecht (Verbindlichkeiten, Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten - negatives Wirtschaftsgut - Betriebsvermögen).


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3.
Die Bedeutung handelsrechtlicher Ansatzwahlrechte und Bilanzierungshilfen für die Steuerbilanz.


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4.
Die Geltung des Maßgeblichkeitsprinzips für die steuerliche Bewertung.


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5.
Die Maßgeblichkeit des Handelsrechtes oder der konkreten Handelsbilanz.


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6.
Die Bedeutung des Maßgeblichkeitsprinzips für die Inanspruchnahme von Steuerbegünstigungen.


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7.
Die Bedeutung des Maßgeblichkeitsprinzips für die Bilanzänderung.


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8.
Die Bedeutung der Gewinn- und Verlustrechnung nach Handelsrecht für die steuerliche Gewinnermittlung."


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Die Gegenschrift:

"Der Begriff des Wirtschaftsgutes kann grundsätzlich jenem des Vermögensgegenstandes gleichgesetzt werden; im Gegensatz zum Vermögensgegenstand umfaßt das Wirtschaftsgut allerdings auch passive Werte (vgl. Doralt, EStG2, § 4 Tz 36).

Der Begriff 'Rechnungsabgrenzungen' ist im EStG nicht festgelegt. Es wird mit dem handelsrechtlichen Begriffsinhalt übernommen (vgl. ).

Unter welchen Voraussetzungen ein Wirtschaftsgut zum Betriebsvermögen gehört, war bei Inkrafttreten des EStG 1972 durch Rechtsprechung und Literatur klargestellt und ist auch heute nicht zweifelhaft. Der Gesetzgeber konnte einen Begriff mit festem Begriffsinhalt heranziehen.

Verbindlichkeiten, die am Bilanzstichtag bereits mit Sicherheit oder mit gewisser Wahrscheinlichkeit bestehen, können passiviert werden.

Handelsrechtliche Ansatzwahlrechte oder Bilanzierungshilfen sind auch für die Steuerbilanz anzuerkennen ().

Bestimmte Investitionsbegünstigungen (§10 Abs 1 vorletzter Satz EStG) setzen den Ausweis in der Bilanz voraus. Der § 5-Ermittler hat die Investitionsbegünstigung daher bereits in der Handelsbilanz zu bilden (vgl. 208 HGB).

Aufgrund der formellen Maßgeblichkeit ist eine Bilanzänderung bereits in der Handelsbilanz vorzunehmen."

Dem Versuch der Gegenschrift, die Klarheit des Maßgeblichkeitsprinzips darzutun, hält die Replik entgegen:

"1. Daß der Begriff des Wirtschaftsgutes grundsätzlich mit jenem des Vermögensgegenstandes gleichgesetzt werden könne, ist nur eine von vielen Literaturmeinungen. Quantschnigg-Schuch (§6 Tz 9) führen dazu zB aus:

'Das Verhältnis des steuerlichen Wirtschaftsgutes zum

handelsrechtlichen Vermögensgegenstand ... ist umstritten.

Zum Teil wird ein unterschiedlicher Begriffsinhalt deshalb

angenommen, weil die Annahme eines Vermögensgegenstandes

dessen Veräußerbarkeit erfordere ... Für das Wirtschaftsgut

besteht dieses Erfordernis jedenfalls nicht ...; unseres Erachtens zurecht, weil die steuerliche Gewinnermittlung - siehe den Teilwertbegriff - vom Fortführungsprinzip beherrscht ist, also auch Werte angesetzt werden müssen, die die Betriebsfortführung voraussetzen ... Andere Meinungen sehen die Begriffe ident oder weitgehend ident ...'

2. Der Rechtscharakter der Rechnungsabgrenzungsposten ist im Steuerrecht entgegen der Ansicht der belangten Behörde genauso umstritten wie ihre Bewertbarkeit. Es ist nämlich fraglich, ob den Rechnungsabgrenzungsposten Wirtschaftsguteigenschaft zukommt oder nicht (vgl zB Quantschnigg-Schuch § 5 Tz 53 im Gegensatz zu Littich, ÖStZ 1983, 203 ff) und ob sie, allenfalls abweichend vom Handelsrecht, gemäß § 6 Z 2 und 3 EStG zu bewerten sind (vgl zB Quantschnigg-Schuch § 5 Rz 57 im Gegensatz zu Schmidt, EStG10 § 5 Anm 27).

3. Die Zurechnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde keineswegs klar. So kommt zB Tumpel (in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform und Verfassungsrecht 170) zu folgendem Urteil:

'Bereits der Umfang des Betriebsvermögens kann mangels

Legaldefinition nicht eindeutig ergründet werden.'

4. Mit der Passivierbarkeit von Verbindlichkeiten, die am Bilanzstichtag bereits mit Sicherheit oder mit gewisser Wahrscheinlichkeit bestehen, bezieht sich die belangte Behörde offenbar auf die Rückstellungen. Was hier klar sein sollte, bleibt im Dunkel. Dies betrifft schon den Ansatz. So formulieren zB Quantschnigg-Schuch (§5 Tz 25):

'Der Charakter der Bilanzposition 'Rückstellung' ist

umstritten.'

Zu den zahlreichen ungeklärten Zweifelsfragen bei der Bewertung von Rückstellungen verweisen wir auf Abschnitt 3.2 der Beschwerde.

5. Die Übernahme handelsrechtlicher Ansatzwahlrechte in die Steuerbilanz ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde keineswegs geklärt. Die in der BRD herrschende Auffassung, wonach einem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht eine steuerliche Aktivierungspflicht entspreche, hat nämlich auch in Österreich zahlreiche Anhänger gefunden (zB Werndl, ÖJZ 1979, 565; Doralt,

Der Firmenwert in der Handels- und Steuerbilanz, 1976, 38 und 46). Die Sache ist jedenfalls umstritten (Doralt, Kommentar2 § 4 Tz 18). Desgleichen ist der Ansatz von Bilanzierungshilfen umstritten (vgl zuletzt Quantschnigg-Schuch § 5 Tz 63 und § 6 Tz 11 'Bilanzierungshilfen').

6. Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für Investitionsbegünstigungen ist entgegen der Ansicht der belangten Behörde nur dort zweifelsfrei, wo das Gesetz ausdrücklich die Geltendmachung in der Handelsbilanz verlangt. Soweit dies nicht der Fall ist, ist sie durchaus umstritten (siehe zuletzt Quantschnigg-Schuch § 5 Tz 20.3). § 208 HGB kann nicht ins Treffen geführt werden, weil diese Bestimmung noch nicht anzuwenden war.

7. Das Erfordernis der Vornahme der Bilanzänderung bereits in der Handelsbilanz und nicht bloß in der sogenannten Steuerbilanz ist entgegen der Auffassung der belangten Behörde ebenfalls umstritten. So ist zB nach Quantschnigg-Schuch (§4 Tz 77) die Änderung in der Handelsbilanz vorzunehmen, während sich Abschnitt 14 Abs 4 EStR 1984 für Investitionsbegünstigungen aus Anlaß von Bilanzberichtigungen durch das Finanzamt mit der Geltendmachung in der sogenannten Steuerbilanz begnügt (vgl auch Doralt, Kommentar zum EStG2 § 4 Anm 186).

8. Die Auflistung von Beispielen der belangten Behörde zeigt die typische Argumentationsweise in der Steuerpraxis. Das Finanzamt oder der Steuerpflichtige behauptet unter Bezugnahme auf eine bestimmte Literatur oder Judikatur die Richtigkeit einer bestimmten Auffassung, während die andere Seite mit gleicher Berechtigung unter Bezugnahme auf gegenteilige Rechtsprechung und Literatur das genaue Gegenteil behauptet. Das beweist, daß im Bilanzsteuerrecht über den Inhalt vieler Begriffe eine Vielzahl unvereinbarer Auffassungen herrscht, die jeweils gleich gewichtige Gründe für sich haben, sodaß das Bilanzsteuerrecht dem Gesetzmäßigkeitsprinzip widerspricht (VfSlg 4669/64, 5993/69)."

6. Die Beschwerde kommt nun zu folgendem Zwischenergebnis:

"Damit erweist sich aber das Recht der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich in weitem Umfang als nicht in ausreichender Weise interpretierbar, um Antworten auf Einzelfragen zumindest grundsätzlicher Art aus dem Gesetz ableiten zu können. Der wesentliche Grund liegt in der mangelhaften Gesamtkonzeption des Bilanzsteuerrechtes (zur Kritik vgl Gassner in Loitlsberger-Egger-Eduard Lechner (Hrsg), Rechnungslegung und Gewinnermittlung, GedS-Lechner, 1987, 103 ff; Gassner-Lang in FS-Walter 176 f; Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 29 ff; Göth in Gassner-Lechner 155). Die §§4-7 EStG 1972 kombinieren nämlich drei Unschärfen:


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Die Unschärfen, die das steuerliche Gewinnermittlungsrecht bezüglich Umfang, Ansatz und Bewertung des Betriebsvermögens aufgrund der Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe und des Pauschalverweises auf kodifizierte und nicht kodifizierte Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (§4 Abs 2 EStG 1972) bereits selbst aufweist.


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Die Unschärfen, die das handelsrechtliche Gewinnermittlungsrecht insbesondere in den §§38 ff HGB idF vor dem RLG, den §§129 ff AktG idF vor dem RLG und den §§22 und 23 GmbHG idF vor dem RLG und den anderen handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften (zB § 24 KWG und §§80 ff VAG samt Formblättern idF vor dem RLG) aufgrund der Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe sowie der unterschiedlichen Pauschalverweise auf kodifizierte und nicht kodifizierte Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung des Handelsrechtes enthält.


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Die Unschärfen des Maßgeblichkeitsprinzips des § 5 EStG 1972, das weder klar erkennen läßt, auf welche Grundsätze
ordnungsmäßiger Buchführung sich der Verweis bezieht, wie diese von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung des § 4 Abs 2 EStG 1972 abzugrenzen sind, ob sich der Verweis nur auf den Ansatz oder auch auf die Bewertung bezieht, noch wo die Grenzen dieses Verweises in den Vorschriften des EStG 1972
zu***** sehen sind.

Treffend faßt deshalb Göth zusammen (in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 155):

'Dieses kumulierte Zusammenwirken von Unsicherheitsfaktoren ohne eine grundlegende Systematik und einheitliche Zielsetzung, das der Willkür und der Beliebigkeit von Steuerfolgen Tür und Tor öffnet, läßt die Grundlagen des steuerlichen Betriebsvermögensvergleiches aus der Sicht des Legalitätsprinzips als äußerst bedenklich erscheinen.'

Die Gewinnermittlungsvorschriften verfügen also über keine einheitliche Zielsetzung und keine einheitliche Systematik, die zur Interpretation herangezogen werden könnten (Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 176 ff insb 180). Dies ergibt sich aus der völligen Sinnumkehr der steuerlichen Vorschriften durch die Rechtsentwicklung (vgl dazu Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 235 ff und 258; Gassner in GedS-Lechner 103 f; derselbe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 18 ff). Diese sollten nämlich ursprünglich - wie der Begründung zum EStG 1934 zu entnehmen ist (RStBl 1935, 37) - einem möglichst weitgehenden Gleichklang mit den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen dienen. Diese Zielsetzung der steuerlichen Gewinnermittlung ist aber sowohl durch Weiterentwicklung des Handels- als auch des Steuerrechtes völlig verlorengegangen. (Vgl die Übersicht über die Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz bei Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 158 ff). Die steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften haben sich zu einem Sonderrecht entwickelt, das nicht im weitgehenden Gleichklang mit dem Handelsrecht sondern in einem überhaupt nicht mehr zu lösenden Spannungsverhältnis zu diesem steht (Gassner in GedS Lechner 104).

So sind zB folgende Grundsatzfragen offen:


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Die Geltung des Vorsichtsprinzips bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 (vgl Doralt, Kommentar § 4 Tz 128).


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Die statische oder doch mehr dynamische Sichtweise der Steuerbilanz im Verhältnis zur Handelsbilanz (vgl Gassner in GedS Lechner 110. Dazu, daß es hier keine einheitliche Linie gibt, Doralt-Ruppe I4 71; vgl hingegen Seite 30 der Berufungsentscheidung, wo zur Versagung von Rückstellungen auf die statische Bilanzauffassung des Einkommensteuerrechtes verwiesen wird).


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Die gleiche oder unterschiedliche Bedeutung des Periodisierungsprinzips bei den beiden Arten des Betriebsvermögensvergleichs (vgl Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 134 f; Doralt, Kommentar § 4 Tz 128).


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Die Annahme eines steuerlichen Passivierungsverbotes bzw einer steuerlichen Aktivierungspflicht bei handelsrechtlichem Wahlrecht (vgl BFH BStBl II 291; Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 149 f).

Alle diese Fragen sind umstritten und weder aus dem Wortlaut, der Systematik oder der Zielsetzung des Gesetzes heraus lösbar. Hinzu kommt noch, daß insbesondere der Katalog der Bewertungsvorschriften des § 6 EStG 1972 ohne Bedachtnahme auf das Handelsrecht und insbesondere auf die Vorschriften des AktG 1937 und 1965 weiterentwickelt und durch Einschub einer Reihe von Ergänzungen zum Anschaffungs- und Herstellungskostenbegriff (§6 Z 8, 9 letzter Satz, 10 und 11 EStG 1972), durch Einführung einer Bewertungsregel für die grenzüberschreitende Überführung von Wirtschaftsgütern (§6 Z 6 EStG 1972) und durch Aufnahme subventionsartiger Steuererleichterungen (§§6 Z 7 und 123 EStG 1972) in unsystematischer Weise erweitert wurde (Gassner in GedS-Lechner 105 ff; derselbe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 19 f), sodaß auch aus diesem Grund die durch § 5 EStG 1972 gebotene Abstimmung mit dem Handelsrecht nicht mehr möglich ist (vgl Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 18 ff)."

Dazu die Gegenschrift:

"Der Befund, daß Handelsbilanzrecht und Steuerbilanzrecht nicht mehr im Gleichklang stehen (können), ist richtig. Die Besonderheit des Handelsbilanzrechtes besteht darin, daß es nicht bei Zivilgerichten anhängig wird: es ist keine Judikatur zum Handelsbilanzrecht (abgesehen von Judikatur zum Steuerrecht, welche mittelbar, über die hier strittige Maßgeblichkeit, Handelsrecht betrifft) bekannt, lediglich ein Beschluß des Handelsgerichtes Wien (, 7 Nc 3/78, ÖSTZ 1979, Seite 116), welcher für die Rechtslage vor dem RLG - entgegen der herrschenden Lehre - die Verpflichtung zur Bildung von Pensionsrückstellungen verneinte. Die fruchtbare Symbiose zwischen Judikatur und Wissenschaft kann daher im Handelsbilanzrecht nicht Platz greifen.

Das Handelsbilanzrecht hat sich in jüngster Zeit tendenziell dazu entwickelt, Willkürreserven zuzulassen, also eine Reihe buchmäßiger Gewinnminderungstechniken zu akzeptieren. Das Bilanzieren besteht heute zu einem wesentlichen Teil in der Ausweitung bezw. dem Erfinden neuer (gewinnmindernder) Rückstellungen. Als Beispiel seien die im gegenständlichen Verfahren strittigen Rückstellungen, insbesondere die Lehrlingsrückstellung genannt. Lehrlinge werden seit Jahrhunderten ausgebildet, auch Handelsbilanzen werden seit mehr als hundert Jahren erstellt. Die Rechtsgrundlagen für die Handelsbilanz blieben konstant (HGB vom 10. Mai 1897; auch mit dem RLG wurden bloß einige rudimentäre Teile der die Rückstellungen betreffenden GoB kodifiziert). Trotzdem soll ab dem Jahr 1985 eine Verpflichtung (oder ein Wahlrecht ?) zum Ausweis von Rückstellungen für die Lehrlingsausbildung in der Handelsbilanz bestehen?

Das Steuerrecht hat unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen eine Steuerbemessungsgrundlage festzulegen. Durch kein Handelsgericht überprüfte Rechtsansichten betreffend die Minderung des Handelsbilanzgewinnes durch Einfügen stets neuer Rückstellungen, deren Berechtigung nicht unumstritten ist, kollidieren mit der Aufgabe des Steuerrechts, den Bilanzgewinn als sachgerechte, dem Gleichbehandlungsgebot gegenüber anderen Steuerpflichtigen gerecht werdende Besteuerungsgrundlage heranzuziehen (vgl. Pezzer, Bilanzierungsprinzipien als sachgerechte Maßstäbe der Besteuerung, in Doralt, Probleme des Bilanzsteuerrechts, Seite 17).

Das Steuerrecht mußte wenn im Handelsrecht die Zulässigkeit eines neuen Instruments zur Minderung des Gewinnes behauptet wurde, mit ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen gegensteuern.

Was die Rückstellungen betrifft, fehlt es an handelsrechtlicher Rechtsprechung; nach Ansicht der belangten Behörde entspricht nämlich das Ersinnen stets neuer Rückstellungstypen nicht den GoB (vgl § 129 Abs 1 AktG). Für die bereits existierenden Rückstellungstypen gilt aber: Verpflichtung zur Rückstellung bei § 5-Gewinnermittlung, Wahlrecht bei § 4 Abs 1 Gewinnermittlung.

Die beiden Bilanztheorien (statische und dynamische) werden sowohl zur Steuerbilanz als auch zur Handelsbilanz vertreten; sie haben keinen entscheidenden Einfluß auf die Erstellung der Bilanz (vgl. Doralt/Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts I4, Seite 71).

Hinsichtlich der Frage des Periodisierungsprinzips verweist die belangte Behörde auf ihre Darstellung der Unterschiede zwischen § 4 Abs 1 und § 5 EStG. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG besteht das Wahlrecht der Bildung von Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten.

Die steuerliche Aktivierungspflicht bzw. das steuerliche Passivierungsverbot bei handelsrechtlichem Wahlrecht entspricht der Rechtsprechung des BFH (BFH-Beschluß , GrS 2/68, BStBl 1969 II 291, 293). In Österreich wird diese Auffassung weder von der Rechtsprechung noch von der Lehre oder Verwaltungspraxis vertreten, weshalb die belangte Behörde auf diesen Punkt nicht eingeht."

Die Replik hält dem entgegen, daß es nicht darum gehe, warum das Bilanzsteuerrecht nicht der Handelsbilanz folgen könne, sondern daß die Verweisung nicht klar sei, und meint:

"Zur Frage der statischen oder dynamischen Ausrichtung der Steuerbilanz folgt die belangte Behörde der keineswegs unbestrittenen Auffassung von Doralt-Ruppe, daß die statische und dynamische Bilanztheorie keinen entscheidenden Einfluß auf die Erstellung der Bilanz hätten (vgl dazu Gassner in GedS Lechner 110). In der Berufungsentscheidung hat sie dies allerdings noch anders gesehen und zur Versagung von Rückstellungen auf Seite 30 auf die statische Bilanzauffassung des Einkommensteuerrechtes verwiesen. Offenbar können die Argumente einer mehr statischen oder mehr dynamischen Ausrichtung des Steuerbilanzrechtes willkürlich dafür verwendet werden, die eine oder andere Auffassung zu begründen, weil dem Steuerbilanzrecht in dieser Hinsicht keine Ausrichtung zu entnehmen ist.

Zur Frage des Periodisierungsprinzips verweist die belangte Behörde auf ihre Auffassung, wonach zwischen den Gewinnermittlungsarten des § 4 Abs 1 und § 5 EStG 1972 praktisch ohnedies kein Unterscheid bestünde. Dies ist aber dann unzutreffend, wenn man mit der belangten Behörde bei § 4 Abs 1-Gewinnermittlung Wahlrechte zur Bildung von Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten sowie zur Vornahme von Teilwertabschreibungen bejaht (vgl die Ausführungen der belangten Behörde zu Abschnitt 1.6), weil aus der Ausübung solcher Wahlrechte andere Periodisierungen als in der Handelsbilanz resultieren.

Die steuerliche Aktivierungspflicht bzw das steuerliche Passivierungsverbot bei handelsrechtlichem Wahlrecht ist entgegen der Meinung der belangten Behörde in Österreich umstritten (Doralt, Kommentar2 § 4 Tz 18). Der Auffassung des deutschen BFH wird in der österreichischen Lehre sehr wohl gefolgt (so zB Werndl, ÖJZ 1979, 565; Doralt, Firmenwert 38 und 46)."

7. Die Beschwerde schließt ihre Kritik an den Gewinnermittlungsvorschriften folgendermaßen:

"Die Lehre steht daher mit Recht auf dem Standpunkt, daß der steuerlichen Gewinnermittlung des EStG 1972 eine generelle Zielsetzung, insbesondere was das Verhältnis zum Handelsrecht anbelangt, wohl überhaupt nicht mehr entnommen werden kann, weil den steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften des EStG 1972 eine exakte Aussage über ihre Zielsetzung zB im Sinne der Generalnorm des § 129 Abs 1 AktG idF vor dem RLG oder des § 195 HGB fehlt, weil die Maßgeblichkeit der allgemeinen und der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung unklar und widersprüchlich geregelt ist und im übrigen die Bewertungsvorschriften weitgehend eine Aneinanderreihung mehr oder weniger zufällig entstandener Sonderregeln darstellen (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 20). Es wurden aus diesen Gründen gegen das Bilanzsteuerrecht unter dem Blickwinkel des Gesetzmäßigkeitsprinzips massive Bedenken vorgetragen (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 272 ff; Gassner in GedS-Lechner 109; Hofians, JfB 1989, 176; Gassner-Lang in FS-Walter 176 f; Gassner, SWK 1991 A I 170 f; Ruppe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 49; Gassner in Gassner-Lechner, 11 FN 9 und 29 ff; Göth in Gassner-Lechner 131 ff insb 154 f; Gassner in Doralt (Hrsg), Probleme des Steuerbilanzrechts, 1991, 233). Fehlt die einheitliche Zielsetzung, so lassen sich wohl viele überkommene Traditionen durch Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Kommentarliteratur belegen, aber nicht aus dem Gesetz ableiten (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 258; Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 29). Wie Gassner (in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 28) nämlich feststellt, hat das Bilanzsteuerrecht überhaupt keinen klar bestimmbaren Standort mehr:

'Der Standort liegt irgendwo zwischen einem allgemeinen und nicht genau bestimmbaren Bilanzrecht oder möglicherweise auch nur Teilen daraus und einer Vielzahl einzelner zu Normen gewordener fiskalpolitischer Überlegungen ohne Bindung an ein durchgehendes System und ohne einheitliche Wertentscheidungen. Mit anderen Worten: der Standort des Bilanzsteuerrechtes liegt in dichtem Nebel!'"

8. Gegen das Gesetzmäßigkeitsprinzip verstoßen nach Meinung der Beschwerde auch die Vorschriften über Umfang und Ansatz des Betriebsvermögens:

"Die rechtstaatlichen Bedenken gegen den Betriebsvermögensvergleich nach Steuerrecht betreffen zunächst konkret den Umfang des Betriebsvermögens. Über ihn trifft das Gesetz keine Aussage. Dennoch wird in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltungspraxis angenommen, daß dieser bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 nur das 'notwendige' Betriebsvermögen umfaßt, bei Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 hingegen auch 'gewillkürtes' Betriebsvermögen (; , 87/14/0122 uva; Doralt-Ruppe I4 64). Bis zur Regelung des § 4 Abs 10 Z 3 litb EStG 1988 hat diese Auffassung selbst einer indirekten gesetzlichen Untermauerung entbehrt. Ob sie sich aus der Zielsetzung der Gewinnermittlungsvorschriften ableiten läßt, ist umstritten (Doralt, Kommentar § 4 Tz 65; Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 170 mwH in FN 75). Im Schrifttum wird nämlich das 'gewillkürte' Betriebsvermögen teilweise überhaupt abgelehnt (so zB Schimetschek, FJ 1980, 73 ff) und teilweise für alle Gewinnermittlungsarten behauptet (zB Stoll in FS-Stadler 269 ff). Unklar ist außerdem, warum die Grundsätze über das 'gewillkürte' Betriebsvermögen nur für Aktiva und nicht auch für Passiva gelten sollten, wo die Rechtsprechung des VwGH Verbindlichkeiten nur bei Bestehen eines ursächlichen und unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Betrieb dem Betriebsvermögen zuordnet (; dazu kritisch E. Lechner in GedS Lechner 198 f; Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 171). Besonders merkwürdig ist der von der Rechtsprechung bejahte Ansatz des 'gewillkürten Sonderbetriebsvermögens' bei Mitunternehmergemeinschaften, die ihren Gewinn nach § 5 EStG 1972 ermitteln, weil dieses gar nicht dem Betrieb der Mitunternehmergemeinschaft als solcher dient und auch mit dem Vollständigkeitsgrundsatz der Handelsbilanz nicht begründet werden kann (vgl zur Kritik Doralt-Ruppe I4 146), wie überhaupt für das Sonderbetriebsvermögen klare Rechtsgrundlagen fehlen (Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 171). Bloß auf Judikatur und nicht auf das EStG und schon gar nicht auf das Handelsrecht können sich die überaus kasuistischen Regeln bei der Zurechnung von gemischt genutzten Wirtschaftsgütern zum Betriebs- oder Privatvermögen stützen (siehe dazu die Auflistungen in Abschnitt 12 Abs 2 und 3 EStR 1984 sowie Doralt, Kommentar § 4 Tz 81 ff; kritisch dazu Stoll in Gassner-Pointner (Hrsg) Bilanz und Rechnungswesen, FS-Stadler, 1981, 266 ff; Ruppe in Egger-Ruppe 242)."

Dazu die Gegenschrift:

"Im Handelsrecht besteht innerhalb bestimmter Bandbreiten ein Wahlrecht, ob Aktiva (Vermögensgegenstände) eines Einzelkaufmannes in die Bilanz aufgenommen werden. Im Steuerrecht kommen als notwendiges Betriebsvermögen nur jene Vermögensgegenstände in Betracht, die dem Betrieb dienen. Enthält nun die Handelsbilanz beispielweise ein mit dem Betrieb nicht in Zusammhang stehendes Miethaus, so ist aus dem Maßgeblichkeitsgrundsatz ableitbar, daß dieses freiwillig in die Handelsbilanz aufgenommene Gut auch für steuerliche Zwecke als Betriebsvermögen (gewillkürtes Betriebsvermögen) gelten soll. Für den § 5-Ermittler, also für den Steuerpflichtigen, der typischerweise eine Handelsbilanz erstellt, soll durch das gewillkürte Betriebsvermögen Übereinstimmung zwischen dem Umfang des Vermögens in Handelsbilanz und Steuerbilanz hergestellt werden.

Bei Inkrafttreten des EStG 1972 war die Rechtsprechung und Literatur zur Frage des gewillkürten Betriebsvermögens bereits eindeutig. Der vom Gesetzgeber gewählte Begriff 'Betriebsvermögen' konnte vom Gesetzgeber nur im Sinne dieser eindeutigen Rechtsprechung und Literatur verstanden worden sein."

Replik:

"... Es ist richtig, daß diese Auffassung in der Rechtsprechung, Literatur und Praxis eine gewisse Tradition hat. Das ersetzt aber noch keine Ableitung aus dem Gesetz. In der Literatur wird jedenfalls mit zumindest guten Gründen

die generelle Ablehnung des gewillkürten Betriebsvermögens

(zB Schimetschek, FJ 1980, 73 ff),

die generelle Bejahung (zB Stoll in FS-Stadler 269 ff),

die Bejahung - im Gegensatz zur Rechtsprechung - auch für

Verbindlichkeiten (Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform und Verfassungsrecht 171)

und die Ablehnung beim Sonderbetriebsvermögen (Doralt-Ruppe

I4 146) vertreten und überdies

die gesetzliche Fundierung der kasuistischen Regeln bei der

Zurechnung von gemischt genutzten Wirtschaftsgütern zum Betriebs- oder Privatvermögen angezweifelt (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform der Rechnungslegung 1987, 242)."

9. Beschwerde:

"Die rechtstaatlichen Bedenken gegen den steuerlichen Betriebsvermögensvergleich betreffen des weiteren die Aktivierungsvoraussetzungen. Zu aktivieren sind jedenfalls 'Wirtschaftsgüter'. Als Wirtschaftsgüter werden von der Rechtsprechung alle im wirtschaftlichen Verkehr nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertbare Güter jeder Art angesehen (). Sie unterscheiden sich angeblich vom 'Vermögensgegenstand' dadurch, daß es bei ihnen nicht auf die Verkehrsfähigkeit sondern auf die selbständige Bewertbarkeit ankommt. Ob dieser Unterschied tatsächlich besteht, wie er aus den Gesetzen abgeleitet werden kann und wodurch er gerechtfertigt ist, ist strittig (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 242 f; Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 29 mwH in FN 14; Doralt, Kommentar § 4 Tz 36; Quantschnigg, VÖJT 1991 Steuerreform II Abschn 2.4, 14). Aus der Funktion der Rechnungslegung im Steuerrecht läßt sich für die Lösung dieser Frage nichts gewinnen. Warum dennoch Verwaltungspraxis und Rechtsprechung auf den Begriff des Wirtschaftsgutes eine besondere Aktivierungsfreundlichkeit des Steuerrechtes stützen konnten, ist unklar (Gassner in GedS-Lechner 106). Sie wird vielfach damit begründet, daß der Wirtschaftsgutbegriff im besonderen von Vorstellungen der dynamischen Bilanzlehre geprägt wäre (vgl Ruppe in Egger-Ruppe 243), was aber mit der Behauptung in Widerspruch steht, daß der steuerliche Betriebsvermögensvergleich statisch konzipiert wäre (). Als Wirtschaftsgüter werden von der Rechtsprechung, teilweise wesentlich über die Kommentarmeinungen zum Begriff des Vermögensgegenstandes des Handelsrechts hinausgehend, auch rechtliche oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und wirtschaftliche Vorteile begriffen, die am Bilanzstichtag wirtschaftlich ausnutzbar sind (vgl Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 172). Die Aktivierung wird aber sogar vielfach erheblich weiter gesehen als durch den Wirtschaftsgutbegriff vorgegeben, obwohl die herrschende Auffassung nur Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen rechnet (Doralt- Ruppe I4 61). Sie wird nämlich auf Rechnungsabgrenzungsposten ausgedehnt, deren Wirtschaftsguteigenschaft von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgelehnt wird und die in der Lehre umstritten ist (; Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 244 f; Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 172 FN 97), weiters auch auf 'Bilanzierungshilfen', obgleich auch diese - wenn auch wichtige Bilanzposten betreffend (vgl Hofians, Bilanzierungshilfen des Handelsrechtes im Bilanzsteuerrecht, 1986) - regelmäßig nicht als Wirtschaftsgüter angesehen werden (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 245; Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 148 f; Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 173 FN 100) und sich sie betreffende Ansatzfragen überhaupt jeglicher Beurteilung anhand der steuerrechtlichen Vorschriften entziehen (vgl Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 173 mwH). Deshalb stehen einander auch zur Frage der steuerlichen Aktivierungspflicht bei handelsrechtlichem Aktivierungswahlrecht widersprechende Auffassungen gegenüber (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 245 ff insb 247). Insbesondere sind Aktivierungsfähigkeit, Aktivierungspflicht und Aktivierungswahlrechte für verschiedene immaterielle Wirtschaftsgüter und Bilanzierungshilfen auch bei § 5-Gewinnermittlung strittig (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 248 f; Hofians, Immaterielle Werte im Jahresabschluß, Steuerbilanz und Einheitswertermittlung, 1992, Abschnitt IV, in Druck). Wenn auch der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit dem Fehlen einer ausdrücklichen Anführung des Firmenwertes als aktivierungspflichtigem Wirtschaftsgut zu § 6 EStG 1972 ausgesprochen hat, daß der Begriff des Wirtschaftsgutes ausreichend bestimmt sei (VfSlg 9518/82), so schließt dies verfassungsrechtliche Bedenken gegen die ausreichende Determinierung der Aktivierungsvoraussetzungen für den Betriebsvermögensvergleich aus anderen Gründen nicht aus (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 17). Selbst wenn nämlich der Wirtschaftsgutbegriff für sich alleine ausreichend determiniert sein sollte, so verliert er seine verbliebenen Konturen weitgehend durch das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 EStG 1972, weil in Literatur und Rechtsprechung bisher nicht geklärt werden konnte, wie sich dieses auf die Aktivierungsfähigkeit, die Aktivierungspflicht und die Aktivierungswahlrechte bei Wirtschaftsgütern auswirkt (vgl Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 243 f)."

Gegenschrift:

"Nach Ansicht der belangten Behörde entspricht der Begriff der aktiven Wirtschaftsgüter jenem der Vermögensgegenstände (vgl. Doralt, EStG2, § 4 Tz 36). Wie in der Beschwerde richtig zum Ausdruck gebracht wird, gibt es keine Judikatur zum Begriff 'Vermögensgegenstand'. Daß sich dadurch leichter Meinungen bilden konnten, die eine Unterschiedlichkeit der Begriffe behaupten, liegt auf der Hand.

Rechnungsabgrenzungen und Bilanzierungshilfen sind im Steuerrecht nicht geregelt. Über die GoB hat der § 5-Ermittler die handelsrechtlichen Vorschriften anzuwenden; dem § 4 Abs 1-Ermittler steht ein Wahlrecht zu. Die allgemeinen GoB als Verweis auf die Bilanzierungsgrundsätze beinhalten auch die Rechnungsabgrenzungen.

Der Firmenwert ist ein Wirtschaftsgut. Für aktive Wirtschaftsgüter ergibt sich aus § 6 Z 1 und 2 EStG 1972 Aktivierungspflicht in der Steuerbilanz, und zwar unabhängig von der Behandlung in der Handelsbilanz."

10. Beschwerde:

"Ungleich restriktiver als die Aktivierungsvoraussetzungen werden für den steuerlichen Betriebsvermögensvergleich hingegen ohne ersichtlichen gesetzlichen Grund die Passivierungsvoraussetzungen gesehen. Die steuerliche Passivierungsfähigkeit bestimmt sich primär nach den Kriterien für das Vorliegen eines 'negativen' Wirtschaftsgutes, wie sie von der Rechtsprechnung entwickelt wurden. Der Umfang der Passivierungsfähigkeit wird dabei meist enger gesehen als im Handelsrecht (Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 161). Dies gilt insbesondere für die Rückstellungen (Altenburger in Vodrazka (Hrsg), Handbuch Bilanz und Abschlußprüfung2 1987, § 131 B IV Tz 7). Hier gibt es Ansatzregeln überhaupt nur in § 14 EStG 1972 für die Abfertigungsrücklage und die Pensionsrückstellung. Im übrigen ist offen, warum Rückstellungen und passive Rechnungsabgrenzungsposten bei der steuerlichen Gewinnermittlung überhaupt passiviert werden können, ob diese Passivierung nämlich aufgrund ihrer (strittigen) Wirtschaftsguteigenschaft oder aufgrund der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu erfolgen hat (vgl Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 161; Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 29 f)."

Gegenschrift:

"Die Behandlung von Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungen regelt das Steuerrecht - abgesehen von § 14 EStG - durch Verweis auf die GoB. Bei Gewinnermittlung nach § 5 EStG sind die nach Handelsrecht zu bildenden Rückstellungen auch für steuerliche Zwecke zu bilden. Derartige Rückstellungen darf der § 4 Abs 1-Gewinnermittler bilden; der Verweis auf die allgemeinen GoB ist ein Verweis auf allgemeine Bilanzierungsgrundsätze und beinhaltet auch Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungen.

Von dieser allgemeinen Aussage zu unterscheiden ist das in den letzten Jahren zu beobachtende Ausufern der Rückstellungsbildung durch zusätzliche Rückstellungstypen; dies offenbar mit dem Zweck, über die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz die Steuerbemessungsgrundlage zu kürzen. Eine Judikatur der Handelsgerichte zu diesem Problemkreis liegt nicht vor. Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, das schrankenlose Hinzufügen neuer Rückstellungstypen entspreche nicht den GoB. Die Einstellung neuer und unüblicher Rückstellungstypen erscheint eher geeignet, den möglichst sicheren Einblick in die Vermögenslage des Kaufmanns (§129 AktG und § 195 HGB) zu verwehren."

11. Die Beschwerde knüpft an ihre Kritik der gesetzlichen Grundlagen der Passivierung wie folgt an:

"Im Steuerrecht gibt es somit im Gegensatz zum Handelsrecht und auch zum deutschen Steuerrecht (vgl § 5 Abs 3 und 4 dEStG) für wichtige Bilanzposten keine eigenen Ansatzregeln. Dies wirft vor allem die Frage auf, wieso dann doch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 Rechnungsabgrenzungsposten,

Rückstellungen und Bilanzierungshilfen gemäß unbestrittener Auffassung angesetzt werden können. Sieht man sie entgegen vielfach vertretener Ansicht als Wirtschaftsgüter an (so die Berufungsentscheidung auf Seite 28 zu den Rückstellungen; vgl hingegen zB Tipke-Lang, Steuerrecht13 1991, 291) - was diesen unbestimmten Gesetzesbegriff mit zusätzlicher Schwammigkeit belastet - so ist nicht zu erklären, warum bei der § 4 Abs 1-Gewinnermittlung für diesen Posten ein Ansatzwahlrecht angenommen werden kann (vgl Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 133; Tumpel in Gassner-Lechner 173 f; Gassner in Gassner-Lechner 29 f). Ergibt sich ihr Ansatz aber lediglich aus den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, so ist wiederum fraglich, wieso diese Posten überhaupt bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 anzusetzen sein sollten. Hält man sie aber schon trotz fehlender Wirtschaftsguteigenschaft aufgrund der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung des § 4 Abs 2 EStG 1972 für ansatzfähig, so ist wiederum ein Wahlrecht problematisch. Denn nach nunmehr herrschender Ansicht gilt der Vollständigkeitsgrundsatz auch für die § 4 Abs 1-Gewinnermittlung (Erläuterungen zur Regierungsvorlage des § 4 Abs 2 EStG 1988, 621 BlgNR XVII. GP Seite 64; ; vgl jedoch noch zum EStG 1967 VfSlg 6928/72). Außerdem ist unklar, wie sich ein Wahlrecht bei Rückstellungen zu dem Periodisierungsprinzip und dem steuerlichen Nachholverbot verhält (vgl Altenburger, SWK 1977 A I 114 f). Diese Überlegungen zeigen, daß sowohl für Ansatzpflicht, Ansatzverbot und Ansatzwahlrecht bezüglich dieser Bilanzposten die gesetzliche Grundlage, jedenfalls bei der § 4 Abs 1-Gewinnermittlung, fraglich ist und sich viele Interpretationen mit gleich guten Gründen vertreten lassen."

Gegenschrift:

"Nach dem bereits bei Inkrafttreten des EStG 1972 herrschenden Verständnis wird die Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungen nur als Teil der handelsrechtlichen GoB verstanden. Die belangte Behörde hält es nicht für undenkbar, auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG eine Verpflichtung anzunehmen, hielte dies aber nicht für zweckmäßig. Die Interpretation nach dem Willen des historischen Gesetzgebers verwehrt die Annahme einer Verpflichtung bei der § 4 Abs 1-Gewinnermittlung."

12. Beschwerde:

"Bei der § 5-Gewinnermittlung sind Rückstellungen jedoch nach herrschender Auffassung grundsätzlich gemäß den handelsrechtlichen Voraussetzungen passivierungsfähig und passivierungspflichtig (VfSlg 5025/65; ; , 76/68; Abschn 40 Abs 2 EStR 1984; Gassner, ÖStZ 1978, 259; Nowotny in Straube HGB II/RLG § 198 Tz 165; Gassner - Lahodny-Karner in Straube HGB II/RLG § 211 Tz 21). Gesetzliche Einschränkungen ergeben sich nur aus § 14 EStG 1972 für Abfertigungs- und Pensionsvorsorgen. Ansonsten wären handelsrechtliche Passivierungen für Rückstellungen steuerlich anzuerkennen (Altenburger, SWK 1987 A I 113). Dennoch werden steuerlich vielfach unter Berufung auf den Wirtschaftsgutbegriff oder allgemeine Grundsätze der Steuerbilanz, die weder aus Wortlaut, Systematik noch Zielsetzung des steuerlichen Gewinnermittlungsrechtes klar ablesbar sind, Einschränkungen gemacht und es wird Rückstellungen die Anerkennung versagt, die handelsrechtlich passivierungspflichtig oder passivierungsfähig sind (vgl zu Beispielen für Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz die Auflistungen bei Ruppe in Egger- Ruppe, Reform 150 und Doralt, Kommentar § 6 Tz 258). Insbesondere wird die Meinung vertreten, daß eine Reihe von Rückstellungen, die handelsrechtlich geboten oder zulässig sind, steuerlich wegen des angeblich statischen Vermögensbegriffes des Steuerrechtes (zB ) trotz eines angeblich der dynamischen Bilanzauffassung verpflichteten Wirtschaftsgutbegriffes (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 243) und eines strengen Nachholverbotes für Aufwendungen (Doralt-Ruppe I4 76 f) nicht rückstellungsfähig wäre (vgl zur Kritik Doralt-Ruppe I4 71). Vergleicht man nämlich den Rückstellungsbegriff laut Handelsbilanz mit der Rechtsprechung des VwGH und den österreichischen Kommentarmeinungen zur Rückstellungsbildung nach Einkommensteuerrecht, so gewinnt man den Eindruck, daß der Rückstellungsbegriff des österreichischen Bilanzsteuerrechtes weit enger gefaßt ist als der des Handelsrechtes (Gassner, ÖStZ 1978, 259). Jedenfalls besteht, da im Steuerrecht der Ansatz von Rückstellungen im Gegensatz zum Handelsrecht (§131 Abs 1 B IV AktG idF vor dem RLG und § 198 Abs 8 HGB) überhaupt nicht geregelt ist, offenbar größte Rechtsunsicherheit, ob und wieweit Rückstellungen aus der Handelsbilanz in die Steuerbilanz übernommen werden können (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 251)."

Gegenschrift:

"Die Beschwerde verkennt, daß nicht nur zur Steuerbilanz, sondern auch zur Handelsbilanz sowohl die statische als auch die dynamische Bilanztheorie vertreten werden (vgl. Doralt/Ruppe, Grundriß I4, Seite 71). So sich aus den Bilanztheorien Unterschiede ergeben, müssen diese daher, je nach dem, ob die statische oder die dynamische Theorie vertreten wird, sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz eintreten.

Grundsätzlich vertritt die belangte Behörde die Auffassung, daß das Auszehren des Gewinnes durch Einstellen neuer Rückstellungstypen auch handelsrechtlich nicht den GoB entspricht, weil sie den Einblick in die Vermögens- und Ertragslage (!) des Unternehmens verschleiert."

13. Beschwerde:

"Diese Rechtsunsicherheit zeigt sich bei allen Rückstellungsarten. Bei den Rückstellungen wird mit leicht unterschiedlicher Terminologie zwischen folgenden Arten unterschieden:


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Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten


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Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften


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Aufwandsrückstellungen - gelegentlich auch Rückstellungen für selbständig bewertbare Lasten genannt (Gassner, ÖStZ 1978, 266).

Bei den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind vor allem diverse für Zahlungen an Mitarbeiter strittig (vgl zB Herzig, StbJb 1985/86, 61; Altenburger, SWK 1987 A I 119). Dies gilt im besonderen für Jubiläumsgelder (Altenburger, SWK 1987 A I 119. Nach Quantschnigg, VÖJT 1991, Steuerreform II, Abschn 2.4, 13, ist zu dieser Frage zur Zeit ein Verfahren vor dem VwGH anhängig). Ihre Passivierung ist nach einhelliger Auffassung im Handelsrecht zulässig bzw nach nunmehriger Auffassung geboten (vgl die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 198 HGB, 1270 BlgNR XVII. GP Seite 50; Gassner - Lahodny-Karner in Straube HGB II/RLG § 211 Tz 25; Altenburger in HBA2 § 131 B IV Tz 60; Adler-Düring-Schmaltz5 § 253 HGB Tz 203; Altenburger, SWK 1985 A I 309; Strobl, ÖStZ 1987, 160; Perthold, WBl 1987, 237). Vom deutschen Bundesfinanzhof werden sie auch steuerlich anerkannt (BFH BStBl 1984 II 301; BStBl 1987 II 845). Unter den Drohverlustrückstellungen ist vor allem die Rückstellung für Lehrlingsausbildung umstritten, obwohl ihre handelsrechtliche Zulässigkeit in Österreich gegeben ist (Gassner, ÖStZ 1978, 265 f; Mazal, FJ 1986, 87 ff und 101 f) und sogar in der BRD bei einem engeren Rückstellungsbegriff, zumindest für einen Überbestand an Lehrverhältnissen, bejaht wird (Herrmann-Heuer-Raupach § 5 Anm 940 Lfg 145; Clemm-Nonnenmacher in Beck'scher Bilanzkommentar2 § 249 Tz 100 Ausbildungskosten; Mayer-Wegelin in Küting-Weber § 249 Tz 48; Schmidt, ESt-Kommentar10 § 5 Tz 57 Ausbildungskosten; Glade, Rechnungslegung und Prüfung nach dem BiRiLiG § 253 Tz 697; Hartung, BB 1988, 2141; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht8 1991 § 4 VII 131; Jonas, B 1986, 1736). Bei den Aufwandsrückstellungen sind neben den Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungen, deren Passivierung zum Handelsrecht überwiegend gefordert (dazu vgl zB Altenburger, SWK 1987 A I 119, derselbe, ÖStZ 1992, 2. AM Wagenhofer, ÖStZ 1986, 66 f), steuerlich aber abgelehnt wird (Altenburger, SWK 1987 A I 119; ÖStZ 1990, 34; Quantschnigg, VÖJT 1991, Steuerreform II Abschn 2.4, 12 f), vor allem die internen Jahresabschlußkosten strittig. Handelsrechtlich sind sie rückstellungsfähig (Altenburger, SWK 1987 A I 117), es wird ihnen aber dennoch steuerlich die Anerkennung versagt. Es ist völlig unklar, wieso trotz Anerkennung im Handelsrecht, angeblicher Geltung des Maßgeblichkeitsprinzips für Rückstellungen und Fehlen eigener steuerlicher Ansatzvorschriften, die das Maßgeblichkeitsprinzip im Sinne des § 5 EStG 1972 einschränken könnten, alle diese Rückstellungen im Steuerrecht umstritten sein sollten.

So hat auch die belangte Behörde unseren Rückstellungen für Jubiläumsgelder und Geburtstagsprämien, für Lehrlingsausbildung und für interne Jahresabschlußkosten die steuerliche Anerkennung versagt. Bei der Rückstellung für interne Jahresabschlußkosten hat die belangte Behörde dies insbesondere damit begründet, daß ihre Anerkennung handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung entgegenstünden, wonach schwebende Geschäfte nicht zu bilanzieren wären (Seite 29 der Berufungsentscheidung), was in dieser Allgemeinheit unzutreffend ist und mit der Rückstellung des Aufwandes für Jahresabschlußkosten nichts zu tun hat. Sie meinte weiter, daß in statischer Sicht eine Verbindlichkeit noch nicht entstanden (Seite 30 der Berufungsentscheidung) wäre, womit sie den Verpflichtungsgrund als rückstellungsbegründende Ursache einer zukünftigen Verbindlichkeit übersah und die Rückstellung für zukünftige Verbindlichkeiten mit einer Verbindlichkeit verwechselte. Auch wendet sie ein, daß die Höhe des Aufwandes nicht klar überprüfbar wäre (Seite 30 der Berufungsentscheidung), womit sie das Schätzungserfordernis übersah, das bei den meisten Rückstellungen besteht. Mit sehr allgemeinen Grundsätzen hat die belangte Behörde auch die Rückstellung für Lehrlingsausbildung abgelehnt, indem sie neuerlich auf die Grundsätze für schwebende Geschäfte Bezug nahm und einen Ausgleich der Aufwendungen durch Erwerb eines immateriellen Wertes in Form eines Nachwuchspotentials und einer Öffentlichkeitsarbeit annahm (Seite 31 ff der Berufungsentscheidung), wofür weder im EStG 1972 noch im Handelsrecht eine gesetzliche Grundlage zu finden ist. Bei den Jubiläumsgeldern berief sie sich auf allgemeine aus § 14 EStG 1972 ableitbare Zielsetzungen, die analog zur Anwendung zu gelangen hätten (Seite 34 ff der Berufungsentscheidung). Stets bezog sich die belangte Behörde somit auf allgemeine behauptete, aber anhand des Gesetzes nicht näher überprüfbare Prinzipien, nicht aber auf konkrete Gesetzesbestimmungen. Auch wenn es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist, die Auslegung der belangten Behörde auf ihre Gesetzmäßigkeit zu überprüfen, so sind diese Begründungsversuche dennoch von uns aufzuzeigen. Sie machen nämlich deutlich, daß der Ansatz von Rückstellungen im EStG 1972 nicht klar geregelt und insbesondere die von der belangten Behörde behaupteten Unterschiede zwischen Handelsrecht und Steuerrecht nicht ausreichend genug determiniert sind."

Gegenschrift:

"Rückstellungen für Lehrlingsausbildungskosten wurden mittlerweile auch vom BFH die Anerkennung verweigert (BFH , IR 37/91, BB 1993, 892). Aus dem gesamten Geschäft ergibt sich kein Verlust. Die Berufung wollte zwar den Eindruck erwecken, daß Unternehmen bloß als Dienst an der Allgemeinheit Lehrlinge ausbilden. Nach Ansicht der belangten Behörde konnte aber der Nachweis nicht erbracht werden, daß aus der Lehrlingsausbildung insgesamt ein Verlust entsteht.

Aufwandsrückstellungen wurden nicht in § 198 Abs 8 HGB aufgenommen, weil auch im Handelsrecht keine gefestigte Meinung zu diesen Rückstellungen besteht.

Rückstellungen für die Kosten des eigenen Personals bei Erstellung des Jahresabschlusses sind - im Gegensatz zur anerkannten Rückstellung für die externen Jahresabschlußkosten - ein neuer Rückstellungstyp."

14. Beschwerde:

"Die Einschränkungen in der steuerlichen Anerkennung der Rückstellungsbildung sind umso verwunderlicher als die Rechtsprechung des VwGH ausdrücklich für die Rückstellungsbildung die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für maßgeblich erklärt. Das AktG 1965, das mit seinem Rückstellungsbegriff in § 131 Abs 1 B IV wohl einen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung zum Ausdruck brachte, hatte aber ausdrücklich einen weiten Rückstellungsbegriff normiert und ist insbesondere nicht den Einschränkungen des deutschen AktG 1965 gefolgt (Gassner, ÖStZ 1978, 258; Altenburger, ÖStZ 1985, 268). Durch den Wirtschaftsgutbegriff kann man steuerliche Einschränkungen genausowenig erklären wie durch einen mehr statischen oder mehr dynamischen Charakter der Steuerbilanz gegenüber der Handelsbilanz, weil sich die Rückstellungen sowohl in statischer als auch dynamischer Sicht begründen lassen (Gassner, ÖStZ 1978, 259). Verweist § 5 EStG 1972 für Rückstellungen mangels eigener entgegenstehender Ansatzregeln des Steuerrechtes auf das Handelsrecht, dann müßte dieser Verweis allgemein gelten. Es wäre dann im Steuerrecht ebenfalls der weite Rückstellungsbegriff des AktG 1965 anzuwenden. Wie man dann aber die nach AktG 1965 gestatteten 'Willkürreserven' (Kastner-Doralt-Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes5 298 mwH in FN 13) steuerlich ausschließen könnte, bleibt unklar. 'Willkürreserven' durch Rückstellungsbildung sind nämlich handelsrechtlich zulässig (Seicht, SWK 1984 A I 323; Perthold, Bewertung von Rückstellungen 21). Überhaupt ist eine Reihe von Fragen der Passivierungswahlrechte bezüglich einzelner Rückstellungen offen (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 245 f; vgl zu den Wahlrechten Gassner, ÖStZ 1978, 260). Steuerlich könnte man ins Treffen führen, daß das Steuerrecht im Interesse der gleichmäßigen Besteuerung wahlrechtsfeindlicher als das Handelsrecht sein sollte. Genau das stimmt aber nicht, weil das EStG 1972 selbst erhebliche und zum Teil über das Handelsrecht weit hinausgehende Bewertungswahlrechte vorsieht (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 25 f). Es ist somit offenbar weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung geklärt, ob Rückstellungen bei der § 5-Gewinnermittlung nun tatsächlich handelsrechtliche Vorfragen sind oder ob sich aus zwingendem Steuerrecht Einschränkungen in der Passivierungspflicht oder bei Passivierungswahlrechten für Rückstellungen im Steuerrecht ergeben und wie diese beschaffen sind."

Gegenschrift:

"Die belangte Behörde stellt grundsätzlich in Frage, ob das Bilden von Willkürreserven durch Einstellen neuer Rückstellungstypen handelsrechtlich unproblematisch ist; dadurch könnte beispielsweise der Gewinn von Gesellschaften beliebig gemindert werde, was die Interessen der Gesellschafter beeinträchtigt, wird doch dadurch ihr Gewinnanteil geschmälert.

Die Beschwerde zitiert in diesem Zusammenhang Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5, Seite 298, unvollständig: die zitierte Literaturstelle läßt nämlich Willkürreserven nur in 'wirtschaftlich angemessenem Umfang' zu. Gerade dies entspricht aber der Auffassung der belangten Behörde, nach der auch das Handelsrecht das uneingeschränkte Erfinden neuer Rückstellungstypen zum Zwecke der willkürlichen Minderung des Bilanzgewinnes nicht zuläßt. Handelsgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage konnte nicht eruiert werden."

15. Schließlich verstoßen nach Meinung der Beschwerde die Bewertungsvorschriften gegen das Gesetzmäßigkeitsprinzip:

"Es fehlt somit für wichtige Bilanzposten, wie Rechnungsabgrenzungsposten, Bilanzierungshilfen und insbesondere auch für Rückstellungen im Steuerrecht an eigenen Ansatzregeln und an Klarheit darüber, ob und inwieweit Handelsrecht zum Zug zu kommen hat. Gleiches gilt für die Bewertung dieser Posten. Denn in § 6 EStG 1972 finden sich überhaupt keine Bewertungsregeln für Rechnungsabgrenzungsposten, Bilanzierungshilfen und Rückstellungen. Es ist daher unklar, ob und wie sie zu bewerten sind. So werden zB zu den Rechnungsabgrenzungsposten die vielfältigsten Auffassungen darüber vertreten, ob sie überhaupt zu bewerten sind (für eine Bewertung zB Vodrazka, HBA2 § 129 Tz 65; Macek, Die Rechnungsabgrenzungsposten im Bilanzsteuerrecht, Diss WUW 1983, 221 ff; ablehnend zB Wirth HBA2 § 131 A IV Tz 29; Nowotny in Straube HGB II/RLG § 198 Tz 90 und 92). Bejaht man mit dem Gesetzgeber ihre Bewertungsfähigkeit (vgl § 6 Z 3 EStG 1988 zum Disagio), so ist aber eine Bewertungsregel unentbehrlich und es ist unklar, ob die Bewertung dann nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder in sinngemäßer Anwendung der Hauptbewertungsregeln des § 6 Z 2 und 3 EStG 1972 zu erfolgen hat (vgl dazu Macek, Diss WUW 252 f). Für Bilanzierungshilfen liegt das Bewertungserfordernis auf der Hand, da ein Charakteristikum der Bilanzierungshilfe ihre Abschreibungsdauer ist (Hofians, Bilanzierungshilfen des Handelsrechtes im Bilanzsteuerrecht, 1986, 61 f). Über sie enthält das EStG 1972 keinerlei Aussagen, da sich dessen § 7, wie sich aus § 6 Z 1 EStG 1972 ergibt, nur auf abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bezieht (Doralt, Kommentar § 7 Tz 2). Auch für Rückstellungen fehlt eine Bewertungsregel, obwohl Rückstellungen eindeutig einer Bewertung unterliegen (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 30)."

Gegenschrift:

"Hiezu ist festzustellen, daß die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen und Bilanzierungshilfen (die praktische Bedeutung der in der Beschwerde laufend erwähnten Bilanzierungshilfen ist äußerst gering) zu den Grundregeln von Buchhaltung und Bilanzierung gehören und daher bereits Teil der allgemeinen GoB sind (vgl. ).

Auch die Bewertung der Rückstellungen ergibt sich aus den GoB; die exakte Formulierung im Handelsrecht nach Inkrafttreten des RLG (§211 Abs 1 HGB) lautet: 'Rückstellungen sind in der Höhe anzusetzen, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist.' Zum selben Ergebnis führt, wenn aus § 6 Z 3 EStG abgeleitet wird, daß die Rückstellungen mit dem Teilwert zu bewerten sind.

Der mit 'Vorsorge für Abfertigungen und Pensionen' überschriebene § 14 EStG sieht für bestimmte Rückstellungen eindeutige steuerliche Sondervorschriften vor. Diese für die Steuerbilanz geltenden Vorschriften des § 14 EStG sind unabhängig von den handelsrechtlichen Normen anzuwenden. Die Vorschriften für die Handelsbilanz regelt nunmehr § 211 Abs 2 HGB; ein Teil dieser handelsrechtlichen Vorschriften ist allerdings für die Handelsbilanz nur anwendbar, 'sofern im Einzelfall keine erheblichen Bedenken bestehen' (§211 Abs 2 letzter Satz HGB).

Rechnungsabgrenzungen bedürfen keiner Bewertungsregel (vgl. Nowotny in Straube, HGB II, § 198 Tz 90 und 92). § 6 Z 3 EStG 1988 ist eine steuerliche Sondervorschrift; sie verhindert, daß das Damnum sofort gewinnmindernd geltend gemacht werden kann.

Bilanzierungshilfen spricht das HGB nach Inkrafttreten des RLG in § 198 Abs 3 HGB an; § 210 sieht eine Abschreibung auf fünf Jahre vor, wenn nicht der 'Grundsatz der Vorsicht' anderes gebietet. In Österreich ist unbestrittene Auffassung, daß der handelsrechtliche Ansatz über die GoB in die Steuerbilanz übernommen wird (vgl. Doralt, EStG2, § 4 Tz 140)."

16. Die Beschwerde knüpft jedoch an das behauptete Fehlen von Bewertungsregeln an und fährt fort:

"Für Rückstellungen ist dies von besonderer Bedeutung, weil über ihre Bewertung höchst unterschiedliche Auffassungen bestehen. Nach der Judikatur des VwGH sind Rückstellungen 'in der wahrscheinlichen Höhe der Schuld' anzusetzen, somit in jener Höhe, in der sie ernstlich, also mit größter Wahrscheinlichkeit, drohen (; , 2959/51; Altenburger in Vodrazka, HBA2 § 131 B IV Tz 33 mit weiteren Hinweisen in FN 24). Damit ist eine Bewertung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gemeint (; , 2974/54). Merkwürdigerweise liegt dennoch der steuerliche Wertansatz idR niedriger als der handelsrechtlich anzusetzende Rückstellungsbetrag (Altenburger, SWK 1987 A 115). Die Übernahme des handelsrechtlichen Wertansatzes ist aber auch gar nicht einsichtig, weil es ja infolge des § 4 Abs 4 EStG 1972 zahlreiche Unterschiede zwischen den Aufwandsbegriffen des Handels- und Steuerrechtes gibt, deren Nichtberücksichtigung bei Rückstellungen schlechthin unverständlich ist. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, daß die Rechtsprechungsformel über den Ansatz in der wahrscheinlichen Höhe der Schuld eine 'Leerformel' ist und in Wirklichkeit keinen praktikablen Bewertungsmaßstab abgibt. Diese Formel läßt nämlich alle wichtigen Bewertungsfragen offen wie insbesondere die Fragen der


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-
gewinnsichernden oder verlustfreien Bewertung bei schwebenden Geschäften (vgl dazu Perthold, Bewertung von Rückstellungen in der Steuerbilanz, 1987, 129 ff)


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-
Einbeziehung der Voll- oder Teilkosten in die Ermittlung der Rückstellungshöhe (Perthold 139 ff)


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-
Berücksichtigung eines Abzinsungserfordernisses (vgl zB Strobl in FS-Döllerer 1988, 615 ff; Gassner - Lahodny-Karner in Straube HGB II/RLG § 211 Tz 19).

Im übrigen ist die vom VwGH verwendete Bewertungsformel keineswegs unbestritten. Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich § 6 Z 3 EStG 1972 für anwendbar erklärt (VfSlg 8479/79), was zu einer ganz anderen Bewertung zu führen hätte. Denn in diesem Fall käme über § 5 EStG 1972 das Vorsichtsprinzip sowie das Höchstwertprinzip des Handelsrechtes zum Zug (so zB Moxter, BB 1989, 945) sowie der Wertzusammenhang des § 6 Z 2 EStG 1972 aufgrund dessen sinngemäßer Anwendung. Dieser wird allerdings im Schrifttum überwiegend abgelehnt (vgl zB Feyl, ÖStZ 1963, 269; Altenburger, SWK 1987 A 115; Perthold, Bewertung von Rückstellungen 144 ff). Anstelle einer Anwendung des § 6 Z 3 EStG 1972 wird in der Literatur für Rückstellungen aber auch der Teilwertansatz empfohlen (Perthold, Bewertung von Rückstellungen 22 ff und 89 ff). Auch wenn es sich bei der Rückstellungsbewertung grundsätzlich um eine Frage der richtigen oder unrichtigen Auslegung einfachgesetzlicher Bestimmungen handelt (VfSlg. 5070/65), so entbehrt es doch nicht der verfassungsrechtlichen Relevanz, daß bei der Rückstellungsbewertung für Zwecke des Betriebsvermögensvergleichs mangels einer eigenen Bewertungsregel sowie einer eindeutigen Aussage des Gesetzes zur Anwendbarkeit oder Unanwendbarkeit des Handelsrechtes so ziemlich alles unklar ist, was überhaupt unklar sein kann."

Gegenschrift:

"Im Gegensatz zur Darstellung in der Beschwerde enthält das Handelsrecht auch nach Inkrafttreten des RLG, also § 211 Abs 1 HGB, keine Aussage zu den in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen (gewinnsichernde Bewertung von schwebenden Geschäften, Einbeziehung von Vollkosten, Berücksichtigung eines Abzinsungserfordernisses). Sowohl im Steuerrecht als auch im Handelsrecht mußte die Interpretation diese Fragen beantworten. Die Formulierung des Gesetzgebers des RLG ist jedenfalls nicht aussagekräftiger als der in der Beschwerde als 'Leerformel' bezeichnete Leitsatz der Judikatur.

Nach Ansicht der belangten Behörde führt die Bewertung nach den GoB zum selben Ergebnis wie die Bewertung nach § 6 Z 3 und die Bewertung mit dem Teilwert. Die belangte Behörde legte nämlich den GoB weder vor noch nach Inkrafttreten des RLG das Verständnis bei, im handelsrechtlichen Rechnungswesen sei uneingeschränkt jede willkürliche Minderung des Gewinnes eines Unternehmens erlaubt. Vertritt man die Auffassung, daß das Handelsrecht - vor und nach Inkrafttreten des RLG - bei richtigem Verständnis ein gutes Bild der Vermögens- und Ertragslage des Kaufmannes erbringen soll, so dürfen Rückstellungen nur in der wahrscheinlichen Höhe der Schuld angesetzt werden. Dieser Wert entspricht auch dem Teilwert: auch ein potentieller Unternehmenskäufer wird die Verpflichtungen des Unternehmens mit ihrer wahrscheinlichen Höhe ansetzen. Kein Gegensatz dazu ist die Bewertung nach § 6 Z 3 EStG. Auch aus § 6 Z 3 EStG ergibt sich ausschließlich die Bewertung mit dem Teilwert: für Rückstellungen existieren nämlich keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sodaß der Verweis in § 6 Z 3 auf § 6 Z 2 ausschließlich einen Verweis auf den Teilwert darstellt."

Die Replik antwortet darauf:

"Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß sich die Bewertung von Rückstellungen aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ergebe, dasselbe Ergebnis einer Bewertung zum Teilwert aber aus § 6 Z 3 EStG abgeleitet werden könne. Sie versucht damit den Eindruck zu vermitteln, daß über die Bewertung von Rückstellungen Klarheit herrsche und diese Wertangaben auch zu eindeutigen Ergebnissen führen. Das ist aber nicht der Fall. Denn die Übernahme des handelsrechtlichen Wertes verbietet sich schon alleine deshalb in vielen Fällen, weil der Betriebsausgabenbegriff des Steuerrechtes nicht dem des Aufwandes des Handelsrechtes entspricht und überhaupt nicht zu rechtfertigen ist, daß im Wege der Rückstellung steuerlich nichtabzugsfähige Aufwendungen berücksichtigt werden sollten. Der Teilwertansatz, den die belangte Behörde subsidiär als Bewertungsmaßstab anbietet, wird zwar in der Literatur vertreten (zB Perthold, Die Bewertung von Rückstellungen in der Steuerbilanz, 1987, 109; Quantschnigg-Schuch § 5 Tz 31.1), widerspricht aber der Rechtsprechung des VwGH, die die Bildung der Höhe nach gemäß den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vorsieht (vgl zB , 1067/66), während der VfGH § 6 Z 3 EStG 1972 für anwendbar hält (VfSlg 8479/79). Von einer klaren, aus dem Gesetz ableitbaren Bewertung kann hier keine Rede sein.

Das gleiche gilt für Rechnungsabgrenzungsposten. Daß diese keiner Bewertung und daher keiner Bewertungsregel bedürfen, ist unzutreffend (vgl dazu Macek, Diss WUW 252 f). Das wird klar, wenn zB eine Mietzinsabgrenzung in ausländischer Währung ihren inneren Wert durch Änderung der Währungsrelation ändert oder eine Mietzinsabgrenzung durch Untergang des Mietgegenstandes ganz oder teilweise im Wert reduziert wird. Dann hat selbstverständlich eine Bewertung zu erfolgen. Ein Bewertungsmaßstab ist dem EStG 1972 aber nicht zu entnehmen.

Für die Bilanzierungshilfen fehlt im Steuerrecht ebenfalls eine Bewertungsregel. Diese Lücke könnte bei § 5-Gewinnermittlern durch die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz gefüllt werden, obwohl auch hier nicht einzusehen ist, wieso über das Handelsrecht allenfalls steuerlich nicht abzugsfähige Aufwendungen steuerlich doch im Wege von Anlaufkosten zum Abzug gebracht werden sollten. Jedenfalls aber fehlt eine Bewertungsregel für den § 4 Abs 1-Gewinnermittler. Daß Bilanzierungshilfen nur eine geringe Bedeutung hätten, ist unzutreffend. Die Praxis hat deren Notwendigkeit schon seit langem erkannt und das Schrifttum ihre Bedeutung nachgewiesen (vgl zB Hofians, Bilanzierungshilfen des Handelsrechtes im Bilanzsteuerrecht, 1986; Quantschnigg-Schuch § 5 Tz 60 ff).

...

Daß das Handelsrecht klare Aussagen zur Bewertung von Rückstellungen enthalten hätte, insbesondere vor dem RLG, hat die Beschwerde nicht behauptet. Umso mehr wäre es aber für den Steuergesetzgeber notwendig gewesen, die Bewertung zu regeln und sich nicht mit nebulosen Verweisen auf Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zufrieden zu geben. Jedenfalls können die Hinweise der belangten Behörde auf eine Bewertung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder eine Bewertung zum Teilwert offenbar keine Antwort auf die wichtigsten Bewertungsfragen von Rückstellungen geben, sodaß die Bewertung von Rückstellungen im Dunkeln bleibt. Antworten fehlen nämlich auf die Fragen der

gewinnsichernden oder verlustfreien Bewertung bei

schwebenden Geschäften,

der Einbeziehung der Voll- oder Teilkosten in die Ermittlung der Rückstellungshöhe und

der Berücksichtigung eines Abzinsungserfordernisses."

17. Die Beschwerde fährt indessen fort:

"Bedenken gegen die Bewertungsvorschriften des EStG 1972 bestehen aber nicht nur insoweit, als für wichtige Bilanzposten Bewertungsregeln fehlen sondern auch dort, wo sie bestehen. Das gilt zunächst für die Hauptbewertungsregeln, nämlich insbesondere was die Bewertungsmaßstäbe der Anschaffungs- und Herstellungskosten, der Absetzung für Abnutzung und des Teilwertes anbelangt. § 6 Z 1 und 2 EStG 1972 erklären zwar so wie § 133 AktG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten zum primären Bewertungsmaßstab, die insbesondere auch bei Anwendung des § 6 Z 3, 5, 7, 8, 9, 10 und 11 EStG 1972 und des § 7 EStG 1972 Anwendung finden, die Begriffe decken sich aber offenbar im Handels- und Steuerrecht nicht. Dazu sei nur auf die unterschiedliche Abgrenzung der Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen, den anschaffungsnahen Reparaturaufwand, die Opfertheorie sowie das steuerlich angenommene Aktivierungsverbot für Verwaltungsgemeinkosten verwiesen (Gassner in GedS Lechner 106; derselbe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 30; Tumpel in Gassner-Lechner 166). Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt bei der konkreten Berechnung der Herstellungskosten in den Verbrauchsfolgeverfahren, die bei der Bestimmung der in die Produkte eingegangenen Materialien angewendet werden können. Einige der handelsrechtlich zulässigen Verfahren werden in der steuerlichen Praxis nur sehr eingeschränkt anerkannt (Abschn 32 Abs 8 EStR 1984). Damit können die handels- und steuerrechtlichen Herstellungskosten unter Umständen beträchtlich auseinanderfallen. Wodurch diese Unterschiede gesetzlich gedeckt sind, ist unklar. Einen funktionalen Unterschied der Begriffe der Anschaffungs- und Herstellungskosten im Handels- und Steuerrecht gibt es offenbar nicht, da das RLG in diesen Fragen eine weitgehende Angleichung des Handelsrechtes an die steuerliche Praxis bringt (Gassner - Lahodny-Karner in Straube II/RLG § 203 Tz 7). Vielmehr liegt der einzige Grund in unterschiedlichen Rechtstraditionen, die von den deutschen Steuergerichten und in der Folge vom VwGH trotz anderer Entwicklung des Handelsrechtes fortgeführt wurden.

Ähnliches gilt auch hinsichtlich der Absetzung für Abnutzung des Steuerrechtes im Verhältnis zur planmäßigen Abschreibung des Handelsrechtes. Die beiden Rechtsinstitute sind zwar verwandt, decken sich aber nicht (Gassner in GedS Lechner 106). Die Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes bzw des Vermögensgegenstandes auf die 'betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer' des Steuerrechtes (§7 Abs 1 EStG 1972) und ihre Verteilung auf die 'voraussichtliche Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung' im Handelsrecht (§133 Z 1 AktG 1965) haben zwar die gleiche Funktion und bedienen sich einer ähnlichen Diktion, sollen aber dennoch selbständig zu beurteilen sein und zu unterschiedlichen Abschreibungsdauern und zur Nichtanerkennung bestimmter Abschreibungsmethoden für die Bewertung führen (Karner, FJ 1987, 160 FN 137). Eine klare Unterscheidung ist aber gerade wegen der gleichen Funktion und der ähnlichen Formulierung nicht möglich. Das führt zur Rechtsunsicherheit."

Die Gegenschrift dazu:

"Die Beschwerde führt richtig aus, daß die Auslegung des steuerlichen Begriffes der Anschaffungs- und Herstellungskosten durch eine jahrzehntelange Judikatur gesichert ist. Bei Inkrafttreten des EStG 1972 war der Begriff der steuerlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten ein eindeutiger Begriff der Fachsprache; er ist dies bis heute geblieben. Der belangten Behörde ist zum handelsrechtlichen Begriff keine handelsgerichtliche Rechtsprechung bekannt. Jedenfalls wurde durch das RLG erreicht, daß der handelsrechtliche Begriff der Anschaffungs- und Herstellungskosten mit dem Begriffsinhalt der steuerlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten kodifiziert ist (vgl. Doralt, EStG2, § 6 Tz 116).

Was die Verbrauchsfolgeverfahren betrifft, wurden in der Verwaltungspraxis idR die Verfahren 'first in - first out' und 'last in - first out' anerkannt, nicht aber das Verfahren 'highest in - first out'. Es ist aber stets im Einzelfall zu prüfen, welche Verbrauchsfolgeannahme mit der konkreten Betriebsorganisation vereinbar ist. Mit dieser Verwaltungspraxis stimmt auch die Rechtsansicht des BMF überein (vgl. Abschn 32 Abs 8 EStR 1984).

§ 209 Abs 2 letzter Satz HGB lautet: 'Soweit es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, daß die zuerst oder zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst oder in einer sonstigen bestimmten Folge verbraucht oder veräußert worden sind.' Auch handelsrechtlich kommen grundsätzlich nur die Verfahren 'first in - first out' und 'last in - first out' zur Anwendung. Die Behauptung, das Handelsrecht lasse auch andere Verfahren zu, ist rein theoretischer Natur: diese anderen Verfahren werden in der Praxis nicht angewendet (vgl. Egger/Samer, Der Jahresabschluß nach dem Rechnungslegungsgesetz2, Seite 85). Diese anderen Verfahren werden daher auch nicht den GoB entsprechen. Sollte sich im konkreten Einzelfall erweisen, daß ein anderes Verfahren (highest in - first out) dem Betriebsablauf entspricht, kommt dieses sowohl steuerlich als auch handelsrechtlich zur Anwendung. Die Verbrauchsfolgeverfahren sind schließlich nur Methoden zur Vereinfachung bei der Darstellung des tatsächlichen (!) Betriebsgeschehens."

Zwischen der Absetzung für Abnutzung des Steuerrechts und der Abschreibung des Handelsrechts zu unterscheiden, bestehe keine Notwendigkeit.

In der Replik bemerkt die beschwerdeführende Gesellschaft zur Gegenschrift:

"Die belangte Behörde führt unter richtiger Übernahme von Gedanken der Beschwerde an, daß es zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten eine jahrzehntelange Praxis gibt. Das ist aber nicht die Frage. Die Frage ist vielmehr, ob sich diese Praxis auf ein ausreichend determiniertes Gesetz stützen kann. Unseres Erachtens ist dies nicht der Fall, weil offenbar das EStG 1972 den Begriff der Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht ausreichend klargestellt hat. Ansonsten könnte es nicht zu einer Reihe von Abweichungen gegenüber dem Handelsrecht kommen, das die gleichen Begriffe verwendet, ohne eine Reihe von steuerlichen Besonderheiten (anschaffungsnaher Reparaturaufwand, Opfertheorie, Aktivierungsgebot für Verwaltungsgemeinkosten) nachzuvollziehen.

Zu den Verbrauchsfolgeverfahren weisen wir darauf hin, daß entgegen der Ansicht der belangten Behörde Abschnitt 32 Abs 8 EStR 1984 die Bewertung nach 'highest in - first out' keinesfalls zuläßt. Offenbar werden auch zur Zulassung von Verbrauchsfolgeverfahren im Steuerrecht höchst unterschiedliche Auffassungen mit dem Gesetz als vereinbar gehalten.

...

Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß sich die 'betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer' des § 7 Abs 1 EStG 1972 mit der Verteilung auf die 'voraussichtliche Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung' decke, ist umstritten. So deckt sich zB nach Quantschnigg-Schuch (§7 Tz 2) die steuerliche AfA nicht notwendigerweise mit der planmäßigen Abschreibung des Handelsrechtes. Der Inhalt des § 7 Abs 1 EStG 1972 ist aber dann unklar. Offenbar sind mit dem Gesetz mehrere unterschiedliche Auffassungen mit gleich guten Gründen vereinbar."

18. Beschwerde:

"Der Teilwertbegriff, der insbesondere für die Bewertungsregeln des § 6 Z 1, 2, 3, 4, 5, 7 und 8 EStG 1972 Bedeutung hat, ist in der Lehre überhaupt umstritten (Gassner in GedS Lechner 106; Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 174 f). Sieht man den Teilwert als steuerlichen Sonderwertmaßstab an und nimmt man ihn wörtlich, so ist er zu Recht abzulehnen. Faßt man ihn dagegen als dem Tageswert der Handelsbilanz entsprechender going-concern-Wert auf, dann ist er in seiner Definition irreführend, weil er, wie dies Literatur und Judikatur erweisen, zur übermäßigen Betonung des Wiederbeschaffungsgedankens verleitet. Jedenfalls werden mit dem Teilwert in Rechtsprechung und Lehre Bewertungskonzeptionen verbunden, die mit guten Gründen in Hinblick auf die Aufgabe der Rechnungslegung im Steuerrecht abgelehnt werden.

Selbst wenn man die steuerliche Teilwertlehre bejahen und den Teilwert in grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Tageswert des Handelsrechtes sehen könnte, bliebe die Kritik an den Teilwertvermutungen der Rechtsprechung (Tumpel in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 175). Jedenfalls herrscht im Steuerrecht, wie diese Darlegungen zeigen, allgemeine Unsicherheit, ob und wodurch sich der Teilwert des Steuerrechtes vom Tageswert des Handelsrechtes unterscheidet und was in Abgrenzung gerade vom Tageswert die wesentlichen Merkmale des Teilwertbegriffes sein sollten. Insbesondere sind, wie sich auch aus den Ausführungen in unserem in den Verwaltungsakten erliegenden Schriftsatz im Berufungverfahren vom auf den Seiten 5 ff und den Ausführungen auf den Seiten 25 ff der Berufungsentscheidung ergibt, folgende Grundsatzfragen offen:

Verhältnis zum Zeitwert


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formelle und inhaltliche Identität von Teil- und Zeitwert
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inhaltliche Identität von Teil- und Zeitwert trotz formell unterschiedlicher Werte
-
formelle und inhaltliche Unterschiedlichkeit der Werte


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Verhältnis zum gemeinen Wert


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Berücksichtung von Verfügungsbeschränkungen
-
Bedeutung des gemeinen Wertes bei den Teilwertvermutungen

Verhältnis der Teilwertabschreibung zur Bewertung in der Handelsbilanz


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-
materielle Maßgeblichkeit des Zeitwertes
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formelle Maßgeblichkeit des konkreten Bilanzansatzes
-
'ergänzende Maßgeblichkeit' des Bilanzansatzes


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Methode zur Ermittlung des Teilwertes


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-
die Anwendung der Differnzmethode
-
die Anwendbarkeit der Zurechnungsmethode
-
die Anwendbarkeit der Methode des Ertragsbeitrages
-
die Anwendbarkeit der Substanzwertmethode."


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Gegenschrift:

"Das EStG 1972 enthält in § 6 Z 1 eine Definition des Teilwertes. Das Handelsrecht kennt hingegen (auch nach Inkrafttreten des RLG) keine gesetzliche Definition des 'beizulegenden Wertes' bzw. 'Tageswertes'. Die handelsrechtliche Literatur ermittelt den Tageswert bei manchen Vermögensgegenständen (Rohstoffe) aus dem Wiederbeschaffungspreis am Beschaffungsmarkt, bei anderen Vermögensgegenständen (unfertige Erzeugnisse) durch Zurückrechnen vom erzielbaren Veräußerungserlös, bei anderen Vermögensgegenständen durch ein gemischtes Verfahren (vgl. Egger/Samer, Der Jahresabschluß nach dem Rechnungslegungsgesetz2, Seiten 72ff).

Nach Ansicht der belangten Behörde streben die verschiedenen im Handelsrecht vertretenen Methoden danach, den Betrag zu ermitteln, den ein Erwerber des ganzen Betriebes ihm Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Gut ansetzen würde, wenn davon ausgegangen wird, daß der Erwerber den Betrieb fortführt (vgl. Definition des Teilwertes in § 6 Z 1 Satz 3 EStG 1972)."

Replik:

"Die belangte Behörde scheint für eine Deckung des Teilwertbegriffes mit dem handelsrechtlichen Begriff des 'beizulegenden Wertes' einzutreten. Ob dies ganz oder teilweise, überhaupt nicht oder bloß im wesentlichen der Fall ist, ist jedoch umstritten (vgl zuletzt Quantschnigg-Schuch § 6 Tz 85). Auch zu dieser Frage läßt sich mit gleich guten Gründen eine Vielzahl von Auffassungen vertreten. Die belangte Behörde ist jedenfalls eine Antwort auf die ... grundsätzlichen Zweifelsfragen zum Teilwertbegriff schuldig geblieben."

19. Beschwerde:

"Äußerst unklar ist weiters die Bewertungsregel des § 6 Z 6 EStG 1972. Sie sieht ua eine Bewertung nach dem Prinzip des dealing at arm's length gemäß dem Vorbild der Doppelbesteuerungsabkommen vor. Die Bestimmung ist anwendbar auf die Überführung von Wirtschaftsgütern 'eines im Inland gelegenen Betriebes (einer im Inland gelegenen Betriebsstätte) in das Ausland in einen anderen Betrieb (eine andere Betriebsstätte) desselben Steuerpflichtigen oder in einen Betrieb, an dessen Betriebsvermögen (Kapital) der Steuerpflichtige als Unternehmer (Mitunternehmer) oder im Sinne des § 31 Abs 1 EStG 1972 beteiligt ist' (§6 Z 6 EStG 1972). Analoges gilt für den umgekehrten Fall der Überführung ins Inland. Das gleiche gilt aber auch, wenn beim empfangenden und beim überführenden Betrieb dieselben Personen die Geschäftsleitung oder die Kontrolle ausüben oder darauf Einfluß haben. Wann dieser Gechäftsleitungs-, Kontroll- und Einflußtatbestand erfüllt wird, ist in höchstem Maße unbestimmt (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 30 f. Vgl zum folgenden Lang in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 248 f). So kennt die Rechtsordnung zwar an verschiedenen Stellen gleichlautende oder ähnliche Begriffe, deren Bedeutung aber aus systematischen Überlegungen nicht über den jeweiligen Zusammenhang hinaus, in dem diese Begriffe verwendet werden, erstreckt werden darf. Dies gilt auch für den Begriff des Ortes der Geschäftsleitung, der in § 27 BAO als 'Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung' definiert wird. § 27 BAO behandelt aber die Geschäftsleitung von 'Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen.' § 6 Z 6 EStG 1972 spricht hingegen von 'Betrieben' und meint damit nicht nur Mitunternehmerschaften und Körperschaften sondern auch Einzelunternehmen, sodaß die Definition des § 27 BAO diesbezüglich nicht brauchbar ist. Aber auch der Kontrolltatbestand ist unklar und läßt offen, welcher Grad der Nahebeziehung zu den betreffenden Betrieben bestehen muß. Überhaupt nicht dem Gesetz entnommen werden kann, wann jemand einen 'Einfluß' auf die 'Geschäftsleitung' oder die 'Kontrolle' von beiden Betrieben im Sinne des vorletzten Satzes des § 6 Z 6 EStG 1972 ausübt. Der unbestimmte Gesetzesbegriff 'Einfluß' ist derart vage, daß sich mit ihm eine Vielzahl verschiedener Auffassungen vereinbaren läßt. Durch die Kombination der Tatbestandselemente 'Einfluß' und 'Geschäftsleitung' bzw 'Kontrolle' wird die Bestimmung überhaupt uninterpretierbar. Hat zB auch ein Aufsichtsrat oder ein wichtiger Geschäftspartner 'Einfluß' auf die 'Geschäftsleitung' oder 'Kontrolle' eines Betriebes? Außerdem ist unklar, welcher grenzüberschreitende Leistungsverkehr überhaupt von § 6 Z 6 EStG 1972 erfaßt wird, weil das Gesetz zwar von der 'Überführung von Wirtschaftsgütern' mit den Werten spricht, die im Falle einer 'Lieferung oder sonstigen Leistung' an einen vom Steuerpflichtigen völlig unabhängigen Betrieb angesetzt worden waren. Denn das Abstellen sowohl auf 'Wirtschaftsgüter' als auch auf die 'Lieferung oder sonstige Leistung' läßt völlig offen, ob die Korrektur bloß bei der Überstellung körperlicher Wirtschaftsgüter oder auch bei Nutzungsüberlassung oder auch bei Dienstleistungen und allenfalls auch bei offenen oder auch bei verdeckten Nutzungseinlagen oder Nutzungsentnahmen zu erfolgen hätte. Dazu trägt auch bei, daß diese Korrekturvorschrift sowohl in Konkurrenz zur Einlage- und Entnahmebewertung nach § 6 Z 4 und 5 EStG 1972 als auch zur Bewertung offener und verdeckter Einlagen in Körperschaften und von verdeckten Gewinnausschüttungen steht und dem Gesetz keine Maßstäbe für die Abgrenzung dieser Tatbestände zu entnehmen sind (Lang in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 249 f; Beiser, ÖStZ 1991, 302 ff mwN in FN 4 und 5). Genauso unklar ist, welcher Bewertungsmaßstab mit der Fremdbewertung wirklich angesprochen wird, nämlich ein Marktpreis oder ein unternehmensspezifischer Wert, der im Ausland zu erbringende Leistungen nicht einbezieht. Im Schrifttum werden dazu mit guten Gründen verschiedenste Auffassungen vertreten, die alle in gleicher Weise mit dem Gesetz vereinbar scheinen (vgl zuletzt Lechner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 226; Lang in Gassner-Lechner, 249 ff; Beiser, ÖStZ 1991, 302 ff, alle mwN).

Gegen § 6 Z 6 EStG 1972 bestehen deshalb verfassungsrechtliche Bedenken aus der Sicht des Legalitätsprinzips (Lang in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 248 ff; vgl weiters Gassner, FJ 1990, 185; derselbe in Bertl-Mandl-Mandl-Ruppe, Praxisfragen der Bilanzierung, 1991, 68; derselbe, SWK 1990 A I 390; derselbe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 30 f. AM Beiser, ÖStZ 1991, 305)."

Gegenschrift:

"Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß die Anknüpfung an Geschäftsleitung und Kontrolle (sowie Einfluß auf Geschäftsleitung und Kontrolle) nur dann anwendbar ist, wenn Gesellschaften (aber sowohl Personengesellschaften - sie sind im Ertragsteuerrecht keine Steuersubjekte - als auch juristische Personen) betroffen sind. Das System des österreichischen Gesellschaftsrechts kennt Organe, denen die Geschäftsleitung zukommt, und Organe, denen die Kontrolle zukommt; daraus ist im Wege der Interpretation der Begriffsinhalt der Tatbestandselemente ermittelbar.

Die ratio des § 6 Z 6 EStG ergibt sich daraus, daß grenzüberschreitende Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen vielfach so gestaltet sind, daß Gewinne gezielt in Staaten mit niedrigerer Steuerbelastung verlegt werden. Das Steuerrecht will daher diese Leistungen so behandeln, als wären sie gegenüber fremden Unternehmen erbracht worden. Sie werden daher mit jenen Preisen bewertet, die einem fremden Unternehmen in Rechnung gestellt würden.

Nach den von Österreich mit anderen Staaten abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung hat jeder Staat jenen Unternehmensgewinn oder jenen Teil eines Unternehmensgewinnes, welcher den auf seinem Staatsgebiet befindlichen Betriebsstätten zuzuordnen ist, zu besteuern (vgl. OECD-Verrechnungspreisgrundsätze, AÖF 1986/79). Die Ermittlung dieses Unternehmensgewinnes bzw Teiles desselben ist aber nur möglich, wenn die grenzüberschreitenden Leistungen innerhalb eines Unternehmens oder innerhalb eines Konzerns mit fremdüblichen Preisen bewertet werden. Zu beachten ist auch, daß Doppelbesteuerungsabkommen keine Besteuerungsrechte schaffen können. § 6 Z 6 EStG soll daher die innerstaatliche Rechtsgrundlage bieten, um die durch die Doppelbesteuerungsabkommen bei international tätigen Unternehmen an die Republik Österreich überlassenen Besteuerungsrechte auch tatsächlich wahrnehmen zu können (vgl. Loukota, Internationale Steuerfälle, Tz 71).

§ 6 Z 6 EStG ist seinem Zweck entsprechend auch auf Dienstleistungen anzuwenden (vgl. Loukota, Internationale Steuerfälle, Tz 71).

Internationale Verrechnungsprobleme zwischen in- und ausländischen Betrieben (Betriebsstätten) eines Unternehmens oder eines internationalen Konzerns sind mit Einlagen und Entnahmen iSd § 6 Z 4 und 5 EStG nicht vergleichbar.

Ist am internationalen Leistungsaustausch eine juristische Person beteiligt, und besteht eine persönliche Nahebeziehung zwischen den Partnern des Leistungsaustausches, so können die Regeln über verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage, das heißt der Fremdvergleichsgrundsatz zur Anwendung kommen. Diese führen aber zum gleichen Ergebnis wie die Anwendung des § 6 Z 6 EStG (vgl. Beiser, ÖStZ 1991, 302ff)."

Replik:

"... Hier geht es nur darum, ob § 6 Z 6 EStG 1972 das Behördenverhalten ausreichend vorherbestimmt. Dies ist unseres Erachtens nicht der Fall, weil

der 'Kontroll- und Einflußtatbestand' völlig unklar ist, die Frage der Anwendung der Bestimmung auf Dienstleistung

völlig unklar ist

und weiters unklar ist, welcher Bewertungsmaßstab mit

der Fremdbewertung gemeint ist.

Die belangte Behörde versucht, den 'Kontroll- und Einflußtatbestand' auf Gesellschaften zu beschränken. Das ist aber eindeutig nicht der Gesetzesinhalt. Denn der vierte Teilstrich stellt klar auf Betriebe ab. Auch kann über einen Betrieb ohne weiters eine Kontrolle oder auf ihn ein Einfluß ausgeübt werden. Selbst wenn aber der Kontroll- und Einflußtatbestand nur auf Gesellschaften anwendbar sein sollte, so ist dieser noch immer völlig unbestimmt. Denn was mit der Kontrolle über oder dem Einfluß auf eine Gesellschaft gemeint sein könnte, ist weder aus dem Wortlaut noch aus der Absicht oder der Gesetzessystematik zu entnehmen.

Die unter Berufung auf Loukota (Internationale Steuerfälle, 1989 Tz 71) aufgestellte Behauptung, daß auch Dienstleistungen von der Bestimmung erfaßt würden, ist keineswegs sicher, sondern vielmehr höchst zweifelhaft. § 6 Z 6 erster Satz EStG 1972 stellt nämlich auf die Überführung von Wirtschaftsgütern ab. Die Interpretation der Gesetzesbestimmung ist deshalb völlig unklar, weil der Bezug auf 'Lieferungen und sonstige Leistungen' dem Umsatzsteuerrecht entstammt und sich nicht mit der einkommensteuerrechtlichen Terminologie deckt.

Auf die Frage der Interpretation der Fremdbewertung ist die belangte Behörde nicht eingegangen. Welcher Bewertungsmaßstab damit wirklich angesprochen ist, ist unklar."

20. Beschwerde:

"Die erwähnten Bestimmungen und Bewertungsmaßstäbe des § 6 EStG 1972 sind somit für sich allein bereits recht unbestimmt. Selbst wenn man sie dennoch für sich isoliert betrachtet als verfassungskonform ansehen könnte - der Verfassungsgerichtshof hatte gegen die Vorläuferbestimmungen der §§6 und 7 EStG 1953 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gehegt (VfSlg. 4550/63; 5168/65) - verlieren sie im Zusammenhalt mit dem Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 EStG 1972 zu einem guten Teil die ihnen noch zukommende Aussagekraft. Bezieht man nämlich mit der herrschenden Auffassung den Maßgeblichkeitsgrundsatz auch auf die Bewertung (vgl Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 251), dann ist weitgehend unklar, welche Auswirkungen dieser auf die Bewertungsmaßstäbe und die Bewertungsregeln hat. Denn grundsätzlich kommen auch für die Bewertung die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften bzw die kaufmännischen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zum Zug. Auch hier würde sich aber die Frage stellen, inwieweit das Handelsrecht Einfluß auszuüben hätte, inwieweit es somit, sieht man vom imparitärischen Realisationsprinzip ab, auf die Auslegung der Bewertungstatbestände im Sinne einer 'ergänzenden' Maßgeblichkeit (vgl zB Göth in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 147 ff) oder einer harmonisierenden Auslegung der Bewertungsmaßstäbe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, der Absetzung für Abnutzung und der planmäßigen Abschreibung und des Teil- bzw Zeitwertes zum Zug zu kommen hätte. Das EStG 1972 trifft darüber keine klaren Aussagen, weil es den Anwendungsbereich des Maßgeblichkeitsprinzips auch für die Bewertung nicht genau bestimmt und überdies unklar ist, auf welche die Bewertung betreffenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung - § 40 HGB oder § 133 AktG 1965 in der Fassung vor dem RLG - abzustellen ist."

Gegenschrift:

"Für die Steuerbilanz sind zwingende steuerliche Vorschriften vorrangig. Besteht aber ein steuerliches Wahlrecht (zB 6 Z 2 EStG betreffend Teilwertabschreibung), so ist der § 5-Ermittler an die Regelung betreffend die Handelsbilanz gebunden. Nach Ansicht der belangten Behörde ist dieses System nicht unklar."

Replik:

"Die belangte Behörde geht auf das in der Beschwerde dargelegte Problem überhaupt nicht ein. Es geht nicht darum, daß über § 5 EStG 1972 das imparitätische Realisationsprinzip auch steuerlich wirkt. Wichtig ist vielmehr, daß das Ausmaß des Verweises des Steuerrechtes auf das Handelsrecht unklar ist und daß diese Unschärfe die Bewertung im Einzelfall unvorhersehbar macht. Denn § 5 EStG 1972 schränkt die Geltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nicht exakt, sondern nur in pauschaler Form dadurch ein, daß er den Vorrang von zwingenden abweichenden Regelungen des EStG 1972 anordnet. Welche Vorschriften des EStG 1972 damit gemeint sind, ist aber völlig unklar. Denn es fehlt nicht nur an einer taxativen oder auch bloß demonstrativen Aufzählung, sondern es lassen die §§4 ff EStG vielfach weder erkennen, wann es sich um eine zwingende Regelung handelt, noch wann eine solche als zwingend anzusehende Regelung von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die ja ihrerseits schon höchst unklar sind, abweicht."

21. Das Gewicht der aufgezeigten Bedenken formuliert die Beschwerde schließlich in mehreren Etappen wie folgt:

"1. Wegen dieser Mängel wurde das Bilanzsteuerrecht bereits in der Literatur der Kritik unterzogen (vgl die Nachweise bei Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 11 FN 9). In verfassungsrechtlicher Sicht liegt der Mangel aus der Sicht des Legalitätsprinzips in der gehäuften Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe, die durchwegs die gleiche Funktion wie unbestimmte Gesetzesbegriffe des Handelsrechtes haben, oft auch den gleichen Wortlaut aufweisen, denen aber dennoch keine identen Begriffsinhalte beigemessen werden, wo die Unterschiede aber weitgehend im Dunkel liegen. Dazu kommt noch das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 EStG 1972, das einerseits einen Pauschalverweis auf eine Materie des allgemeinen Handelsbilanzrechtes enthält, die ihrerseits weder trennscharf von Materien der besonderen Bilanzrechte verschiedener Gesetze noch von den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abgesondert werden kann (vgl VfSlg 2750/54) und das andererseits keine exakte Aussage über seinen Anwendungsbereich macht. Hinzu kommt noch, daß, wie Ruppe zu diesem Verweis treffend formuliert, sich Judikatur und Literatur vom Wortlaut dieses Verweises weit entfernt haben und oft nicht das Gesetz interpretieren, sondern einen davon unabhängigen, zum Teil richterrechtlich entwickelten Grundsatz, aus dem die unterschiedlichsten Ableitungen vorgenommen werden; das bedeutet allgemein, daß die Gewinnermittlung protokollierter Kaufleute auf einer kontroversen Interpretation und somit auf relativ schwankender Basis steht (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 258). Dementsprechend kann den einzelnen Ansatz und Bewertung betreffenden Begriffen des Bilanzsteuerrechtes kein für deren Vollziehung ausreichender Inhalt gegeben (vgl VfSlg 8209/99, 8919/80) und es können im Einzelfall nicht die dem Gesetz gemäßen Abgrenzungen getroffen werden (vgl VfSlg 9226/81). Daß ein so schwankender rechtlicher Boden gerade im Bereich der Eingriffsverwaltung bedenklich ist, bedarf, wie Ruppe dargelegt hat, keiner weiteren Begründung (Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 272). § 4 Abs 1 EStG 1972 ist nämlich so allgemein formuliert, daß er der Behörde einen großen Beurteilungsspielraum beläßt (VfSlg 10170/84). Eine an sich gebotene Interpretation der Einzelvorschriften über den Betriebsvermögensvergleich in ihrem Zusammenhalt, nach ihrem Wortlaut, ihrer Entstehungsgeschichte, Gegenstand und Zweck der Regelung und der Beachtung des Inhalts der übrigen Rechtsordnung und Ausschöpfung sämtlicher Interpretationsmethoden (VfSlg 3297/57; 4221/62; 8395/78; 9121/81; 9883/83; 9897/83; 10158/84) kann bei dieser Situation des Bilanzsteuerrechtes nicht weiterführen, weil den Regeln des Bilanzsteuerrechtes eine einheitliche Zielsetzung, eine kontinuierliche Rechtsentwicklung und ein zur Interpretation heranziehbares System weitgehend fehlen (vgl Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanz 18 ff).

2. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es beim Betriebsvermögensvergleich nicht darum geht, daß bloß ein unbestimmter Gesetzesbegriff oder bloß ein Verweis auf eine andere Rechtsmaterie ausreichen, um eine Rechtsfolge bestimmen zu können. Der Aufbau des Gewinnbegriffes des EStG 1972 ist viel komplizierter. Er wird durch eine Vielzahl von Geschäftsfällen realisiert, die sich über den Zeitraum eines Wirtschaftsjahres erstrecken und alle aus der Sicht der §§4 ff EStG 1972 zu beurteilen sind. Von unserer Gesellschaft wurden zB im Betriebsprüfungszeitraum jährlich rd 230.000 Belege mit etwa 900.000 Buchungsfällen abgewickelt. Dementsprechend mag es zwar richtig sein, daß ein Teil des Gewinntatbestandes, für sich gesehen, verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl VfSlg 4550/63; 5168/65; 9518/82) und, wie die Judikatur des VwGH zeigen könnte, auch einer Interpretation zugänglich wäre; das Gesamtbild für den Steuertatbestand des Einkommens, in den die Gewinne aus den ersten drei Einkunftsarten eingehen, oder des Gewerbeertrages, der an den Gewinn aus Gewerbebetrieb anknüpft (§6 Abs 1 GewStG 1953), ist aber ein anderes. Es kann nämlich keine Rede davon sein, daß der Steuertatbestand des Einkommens und des Gewerbeertrages mit Hilfe des ertragsteuerlichen Gewinnbegriffes so formuliert ist, daß der Steuerpflichtige die steuerlichen Folgen seines Verhaltens in bezug auf den Tatbestand regelmäßig erkennen könnte (vgl VfSlg 3207/57; 4037/61; 8695/79; 11520/82). Insoferne entspricht die eher kursorische Aussage des BVerfG (, 1 BfR 273/88, BB 1988, 1716), wonach die einkommensteuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften den rechtstaatlichen Anforderungen an ein Steuergesetz entsprechen, nicht dem österreichischen Verfassungsverständnis. Vielmehr ist der Gewinnbegriff des Steuerrechtes so gestaltet, daß der Steuerpflichtige die steuerlichen Folgen seines Verhaltens sehr oft nicht abschätzen kann und sich für ihn vielfach Zweifel über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in Bezug auf den Steuertatbestand ergeben müssen (vgl VfSlg 3207/57; 4037/61; 8695/79, 11520/87). Daher kann es aber auch keinen ausreichenden Maßstab für das Verhalten der Verwaltungsbehörden abgeben (vgl VfSlg 5636/67). Angesichts der Vielfalt unvereinbarer Meinungen zu Grundsatzfragen der steuerlichen Gewinnermittlung, die mangels einheitlicher Wertungen des EStG nicht entscheibar sind, ist das Gewinnermittlungsrecht daher aus der Sicht des Gesetzmäßigkeitsprinzips höchst bedenklich.

3. Die Gravität der Unbestimmtheit ergibt sich aber nicht nur aus der Sicht des Tatbestandes sondern auch aus dessen Relation zu den Rechtsfolgen. Über das steuerliche Gewinnermittlungsrecht werden beträchtliche Budgetmittel aufgebracht. Gemäß Gebarungserfolg 1987 (AÖF 1988/141) wurden 1987 10,2 Mrd S an Körperschaftsteuer und 11,4 Mrd S an Gewerbesteuer und Bundesgewerbesteuer eingehoben, die im wesentlichen auf die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entfallen. Das Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer betrug 25,5 Mrd S, von dem ebenfalls ein Großteil auf die Gewinnermittler durch Betriebsvermögensvergleich entfiel. Ein exakter Rückschluß auf die durch Betriebsvermögensvergleich ermittelten Gewinne ist aus diesen Zahlen zwar nicht möglich, sie lassen aber dennoch einen Rückschluß auf die Bedeutung der ertragsteuerlichen Rechtsfolgen des Betriebsvermögensvergleiches zu. Für die Rückstellungen, deren Rechtsgrundlagen hinsichtlich Ansatz und Bewertung besonders zweifelhaft sind und die auch in unserem Berufungsverfahren von besonderer Relevanz waren, läßt sich die Bedeutung der Rückstellungen etwa aus folgender Tabelle ablesen:

in TS

Industrie insgesamt

Rückstellungen, Abfertigungsrücklage, Pensionsrückstellungen und Unterstützungsfonds 1984 bis 1991

Jahr Anzahl der Beschäftigte Rückstellungen

Unternehmen

1984 1.015 433.341 44.431.421

1985 1.035 422.244 48.546.569

1986 1.075 413.448 52.740.064

1987 1.360 431.154 54.667.741

1988 1.570 471.206 64.233.213

1989 1.658 479.552 74.565.118

1990 1.474 444.347 78.480.435

1991 223 61.802 7.200.497

Abfertigungs- Pensions- Unterstützungs-

rücklage rückstellungen fonds

20.658.522 22.571.781 487.036

21.372.199 24.390.038 688.116

21.237.913 25.564.702 516.022

21.738.367 22.414.031 489.986

24.391.853 25.027.743 565.793

26.383.507 25.816.720 468.884

25.816.719 29.723.151 427.419

2.970.673 1.563.107 99.754

Quelle:

Oesterreichische Nationalbank

Büro für Refinanzierung

Partsch,

Allein für die Industrie - nicht also für die Banken, Gewerbe, Handel, Land- und Forstwirtschaft - betrugen 1987 die Rückstellungen ohne Abfertigungs- und Pensionsvorsorgen rd 55 Mrd S bei einer Ertragsteuerbelastung (Körperschaft- bzw Einkommen- und Gewerbeertragsteuer) von Körperschaften von 38 % bei Vollausschüttung und 62 % bei Nichtausschüttung und von bis zu 67 % bei Personenunternehmen. Allein für unser Unternehmen ist zu bedenken, daß die Rückstellungen per (ohne Pensions- und Abfertigungsvorsorge) vor Kompensation mit Steuervorauszahlungen 243 Mio S ausmachten (Anlage III zum Bericht des Abschlußprüfers über die Prüfung des Jahresabschlusses zum ). Das Anlage- und das Umflaufvermögen beliefen sich auf rd 3 Mrd S. Allein vergleichsweise geringfügige unterschiedliche Auffassungen zu den Begriffen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, zum Teilwert oder zu Ansatz- oder Bewertungsfragen insbesondere im Rückstellungsbereich im Zuge von Betriebsprüfungen konnten daher auch bei unserem Unternehmen leicht zu einer Vervielfachung der Steuerbemessungsgrundlagen und damit der Ertragsteuerbelastung führen. Hinzu kommt aber noch das strafrechtliche Risiko, daß ein Verstoß gegen Steuervorschriften gemäß § 33 FinStrG im Falle der vorsätzlichen Abgabenverkürzung zu einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages führt (vgl zur Sicht des Steuertatbestandes als Straftatbestand Ruppe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 44 und 63; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen 122). Es kann wohl keine Rede davon sein, daß bei Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich durch Zusammenwirkungen des Steuer- und des Straftatbestandes der Unrechtsgehalt eines Handelns oder Unterlassens dem Einzelnen entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes klar vor Augen gestellt wird und ihm die Rechtsordnung mit den §§4-7 EStG 1972 die Möglichkeit gibt, sich dem Recht gemäß zu verhalten (vgl VfSlg 4291/62; 5250/66). Gassner-Lang stellen dazu fest (in FS Walter 177):

'Es ist verblüffend, auf welch schwankendem rechtlichen Boden über das steuerliche Gewinnermittlungsrecht bedeutende Budgetmittel aufgebracht werden und mit welchen Rechtsunsicherheiten Abgabepflichtige, Finanzverwaltung und Höchstgerichte leben müssen. Von einem Eingriffsrecht sollte man sich doch erwarten können, daß es im besonders strengen Maße dem Legalitätsprinzip Rechnung trägt, wie dies auch § 5 F-VG und § 4 Abs 1 BAO nahelegen, in denen der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung ausdrücklich niedergelegt ist.'

4. Das Legalitätsprinzip ist, wie der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen hat, eng mit dem Gleichheitssatz und dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verknüpft: 'Ist ein Gesetz in einem Maße unbestimmt, daß der Inhalt seiner Aussage nicht verläßlich ermittelt werden kann, so wird den Rechtsanwendungsorganen die Befugnis übertragen, nach ihren Vorstellungen den Tatbestand festzusetzen und die sich aus ihm ergebenden Folgen zu bestimmen. Im besonderen ergibt sich bei Steuergesetzen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem hieraus abzuleitenden Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung von gleichen Sachverhalten die rechtstaatliche Verpflichtung, die steuerbegründenden Tatbestände in einer einer gleichmäßigen Anwendung zugänglichen Weise zu umschreiben' (VfSlg 5993/69; 6686/72; vgl weiters 9518/82; ähnlich VwSlg 5363 F/79. Zum Grundsatz der Steuergleichheit vgl a schon VfSlg 879/27). Diese Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes werden durch § 114 BAO noch unterstützt. Danach haben die Abgabenbehörden ua darauf zu achten, daß alle Abgabepflichtigen gleichmäßig behandelt werden. Eine derartige Gleichbehandlung ist aber in der Praxis gar nicht möglich. Überall dort, wo ein Jahresabschluß nach Handelsrecht zu erstellen und der Gewinn unter Berücksichtigung des Handelsrechtes gemäß § 5 EStG 1972 zu ermitteln ist, können schon bei der Erstellung der Steuererklärung die gesetzlichen Bestimmungen nicht exakt eingehalten werden. Die Steuerformulare sehen nämlich vor, daß der Gewinn laut Bilanz als Ausgangsgrundlage genommen und sodann für Steuerzwecke adaptiert wird. Eine solche Adaption ist aber nur in pauschaler Form möglich. Deshalb werden in der Praxis der § 5-Gewinnermittlung zumeist nur einige dem Steuererklärungsersteller wichtig erscheinende Abweichungen in das Steuererklärungsformular übernommen. Die Betriebsprüfung legt den Jahresabschluß und die Steuererklärung ihrer Prüfung zugrunde und beschränkt sich ihrerseits wiederum darauf, ihr wichtig erscheinende Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht festzustellen und entsprechende Korrekturen in der Prüferbilanz vorzunehmen. Von einer einigermaßen lückenlosen Beurteilung der Abweichungserfordernisse des Steuerrechtes vom Handelsrecht bei Erstellung der Steuererklärungen kann zumeist keine Rede sein, desgleichen nicht von einer entsprechenden Überprüfung durch die Betriebsprüfung. Letztere beschränkt sich in der Regel auf mehr oder weniger zufällige Feststellungen, wodurch die Betriebsprüfung weitgehend den ihr von der Rechtsordnung zugedachten Rechtsschutzcharakter einbüßt. Denn technisch wäre es nur möglich, die Anwendung der steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften gewissenhaft zu beurteilen und zu überprüfen, wenn man für die einzelnen Geschäftsvorfälle die Abweichungen festhielte, was aber organisatorisch ein eigenes Rechenwerk für Steuerzwecke erfordern würde, das regelmäßig nicht vorhanden ist.

5. Selbst wenn man sich der völlig unökonomischen Mühe unterzöge, die Abweichungen des Steuerrechtes vom Handelsrecht für jeden einzelnen Geschäftsvorfall zu überprüfen, so müßte man an den Schwierigkeiten dieser Aufgabe allerdings zumeist scheitern. Denn dann wären, was die Rechtslage anbelangt, zur Sinnermittlung der Vorschriften über den Betriebsvermögensvergleich, soweit dieser überhaupt möglicht ist, subtile steuerrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befassung und Erfahrung sowie geradezu archivarischer Fleiß anzuwenden, um die Rechtslage einer Klärung zuzuführen (vgl VfSlg 3130/56). Die meiste steuerliche Literatur zum Betriebsvermögensvergleich befaßt sich nämlich in höchst kontroverser Form mit den Unterschieden, Widersprüchen und Gemeinsamkeiten von Handels- und Steuerrecht. Außerdem ist es wohl eine gewisse Denksportaufgabe, der Verweistechnik des Steuerrechtes zu folgen und den Inhalt sowie die Grenzen der Verweise festzustellen (vgl ). Denn § 4 Abs 2 EStG 1972 verweist auf diverse kodifizierte und nicht kodifizierte Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und § 5 EStG 1972 auf andere, wobei die verwiesenen Normen neuerlich auf Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verweisen und über die Grenzen des Verweises selbst keine Aussagen treffen. Welche fachliche Qualifikation ein Steuerpflichtiger und seine Berater sowie die zur Vollziehung des Steuerrechtes berufene Finanzverwaltung bei Durchführung des Betriebsvermögensvergleichs nach dem EStG 1972 haben müßten, ergibt sich daraus, daß sie im Effekt vier 'Bilanzrechte' beherrschen müßten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
das steuerliche Bilanzrecht der § 44 ff EStG 1972


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-
das Bilanzrecht der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, auf das § 4 Abs 2 EStG 1972 verweist


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-
das Bilanzrecht der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, auf das § 5 EStG 1972 verweist


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-
das Recht der Unterschiede zwischen diesen drei
Bilanzrechten, um deren jeweilige Grenzen feststellen zu können.

6. Die bestehende Rechtslage ist aber nicht notwendigerweise in rechtsstaatlich so bedenklicher Weise auszugestalten. Sie könnte mit einer Reformmaßnahme ohne weiteres vom Gesetzgeber so verändert werden, daß sie verfassungsrechtlich unbedenklich wird. Denn der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die handels- und steuerrechtlichen Bilanzierungsvorschriften unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen (zB VfSlg 8457/78; 9518/82). Das Steuerrecht muß daher gar nicht dem Handelsrecht folgen und könnte vom Maßgeblichkeitsprinzip abgehen. Dafür sprechen zahlreiche Gründe (vgl zB die Auflistung bei Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 271) sowie ausländische Vorbilder vor allem in den anglo-amerikanischen Ländern. Löste sich das Einkommensteuerrecht vom Handelsrecht, dann hätte es lediglich das Steuerbilanzrecht selbst zu gestalten und es entfielen alle Bestimmtheits- und Klarheitsprobleme, die sich aus den Verweisen auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ergeben. Eine derartige Rechtstechnik ist dem österreichischen Steuerrecht auch gar nicht unbekannt. Das BewG regelt nämlich eine Vermögensaufstellung in völliger gesetzlicher Loslösung vom Handels- und vom Ertragsteuerrecht. Der umgekehrte und in der Literatur allgemein empfohlene Weg der stärkeren Angleichung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz ist aber ebenso möglich (vgl Ruppe in Egger-Ruppe, Reform 272; Gassner in GedS Lechner 108 ff; Quantschnigg, VÖJT 1991, Steuerreform II, Abschn 2.4., 11; Doralt, VÖJT 1991, Steuerreform II, Diskussionsbeitrag 30; Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 225. Vgl a Conclusions and Recommendations of the Committee of Independent Experts on Company Taxation, 1992, 38). Verfassungsrechtlich geboten wäre lediglich eine Klarstellung des Umfanges der Rezeption des Handelsrechtes zB im Sinne einer 'Einheitsbilanz' (Heidinger-Achatz in Bertl-Mandl (Hrsg) Handbuch zum RLG, 1991, erste Lieferung A V 31). Auch für diese Rechtstechnik gibt es im österreichischen Recht ein Beispiel: Das GewStG 1953 knüpft in § 6 Abs 1 an den Gewinn aus dem Gewerbebetrieb an und modifiziert diesen Gewinn durch taxativ aufgezählte Hinzurechnungen und Kürzungen entsprechend den Zielsetzungen des GewStG zum Gewerbeertrag. Verweisprobleme, wie sie zwischen Handels- und Steuerrecht bestehen, gibt es daher zwischen dem EStG 1972 und dem GewStG 1953 nicht. In ähnlicher Weise könnte die Steuerbilanz auch aus der Handelsbilanz abgeleitet werden, ohne daß man dazu einer äußerst komplizierten und verwaschenen Verweistechnik bedürfte, wie sie in den §§4 Abs 2 und 5 EStG 1972 niedergelegt ist.

7. Das Bilanzsteuerrecht der §§4 ff EStG 1972 ist somit höchst unbestimmt und läßt es an der im Steuerrecht gebotenen Vorhersehbarkeit mangeln. Dies obwohl der Gewinnbegriff durch seinen komplizierten Aufbau, durch den Eingriffscharakter der auf ihn aufbauenden Steuer- und Straftatbestände und die Schwere der Rechtsfolgen besonderer Präzision bedürfte und die erforderliche Präzision auch in rechtstechnisch einwandfreier Weise erreicht werden könnte. Die Vorschriften der §§4-7 EStG 1972 verstoßen damit gegen die Erfordernisse der Tatbestandsklarheit und der Tatbestandsbestimmtheit (Ruppe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 45 ff und 62 ff; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen 123 ff). Sie stehen im Widerspruch zum Rechtstaatsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG und zur verfassungsgesetzlich gebotenen Determinierung der Steuergesetze (Art5 F-VG), sodaß die auf den § 4-7 EStG 1972 beruhende Berufungsentscheidung der belangten Behörde gegen das uns verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf Schutz des Eigentums verstößt (VfSlg 1461/32; 9951/84 uva). Treffend formuliert nämlich Tumpel (in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 186):

'Angesichts der ... Vielfalt unvereinbarer Meinungen zu Grundsatzfragen der steuerlichen Gewinnermittlung, die mangels einheitlicher Wertung des EStG nicht entscheidbar sind, erscheinen die Ansatz- und Bewertungsvorschriften des EStG aus der Sicht des Gesetzmäßigkeitsprinzips höchst bedenklich.'"

Dazu die Gegenschrift:

"Alle von der Rechswissenschaft entwickelten Auslegungsmethoden sind auch bei den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung anwendbar (vgl. Doralt/Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts II2, Seite 167). Es sei auch darauf verwiesen, daß alle von der Beschwerdeführerin als unbestimmt bezeichneten Begriffe des EStG 1972 im Zeitpunkt der Beschlußfassung über dieses Gesetz bereits einen durch Judikatur und Literatur eindeutig festgelegten Begriffsinhalt hatten.

...

Nach Ansicht der belangten Behörde ist jedenfalls das Rechnungslegungsgesetz ein Indiz dafür, daß eine Regelung der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften, die dem von der Beschwerdeführerin geforderten Standard absoluter Eindeutigkeit entspräche, noch keinem in- oder ausländsichen Gesetzgeber gelungen ist. Die an der Vollziehung des RLG beteiligten Berufsgruppen und natürlich Personen - Personen, die in die Formulierung des Gesetzestextes des RLG eingebunden waren, sollen hier nicht angesprochen sein - sehen sich durch das RLG weniger mit Klarstellungen als vielmehr mit Auslegungsschwierigkeiten konfrontiert, auch wenn der Gesetzgeber mit dem RLG im wesentlichen das deutsche Bilanzrichtliniengesetz übernommen hat.

Die belangte Behörde will damit zum Ausdruck bringen, daß die Geschäftsfälle, die in einem Unternehmen anfallen, derartig vielfältig und unterschiedlich sind, daß eine gesetzliche Regelung für jeden einzelnen Fall nicht möglich ist. Selbst wenn alle bislang bekannten Geschäftsfälle ausdrücklich gesetzlich geregelt wären, brächte das sich fortentwickelte Wirtschaftsleben neue, noch nicht geregelte Geschäftstypen hervor. Die belangte Behörde vertritt aber die Auffassung, daß das Steuerrecht mindestens jenen Grad an Bestimmtheit aufweist, der anderen Rechtsbereichen zukommt.

Umfangreiche Sachverhaltsgestaltungen erhöhen die Anzahl der Subsumtionsprobleme. Setzt sich der Gewinn der Beschwerdeführerin aus 900.000 jährlichen Geschäftsfällen zusammen, so hat ebensooft die Anwendung von Steuerrechtsnormen zu erfolgen. Die belangte Behörde vermag aber nicht zu erkennen, daß sich daraus eine Verfassungswidrigkeit ergäbe.

...

Es ist richtig, daß der durch Bilanzierung ermittelte Gewinn (insbesondere bei Körperschaften) eine sehr wesentliche Besteuerungsgrundlage darstellt. Hinsichtlich der veranlagten Einkommensteuer sei aber darauf verwiesen, daß die weitaus überwiegende Zahl der Einzelunternehmer den Gewinn nicht durch Bilanzierung, sondern durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt.

Aus welchem Grunde die Beschwerdeführerin die Bedeutung von Rückstellungen am Beispiel von Abfertigungs- und Pensionsrückstellungen demonstrieren will, ist unklar. Gerade für diese Rückstellungsarten existieren in § 14 EStG Sondervorschriften. Interessanter hingegen wäre gewesen, wenn die Beschwerdeführerin Informationen darüber vorgelegt hätte, wieviele Unternehmen sich zur Einstellung neuer Rückstellungstypen (wie die hier strittige Lehrlingsrückstellung) entschlossen haben. Von besonderem Interesse wäre auch eine Aussage darüber, ob auch in einer Verlustphase befindliche Unternehmen diese neuartigen Rückstellungstypen zur Anwendung bringen; entsprächen beispielsweise Lehrlingsrückstellungen den GoB, so müßten sie auch von Unternehmen gebildet werden, deren Handelsbilanz keinen Gewinn ausweist.

Es stimmt, daß Auffassungsunterschiede in der Auslegung des Gesetzes die Besteuerungsgrundlage beeinflussen.

Auffassungsunterschiede zur Interpretation von generellen abstrakten Normen können aber in keinem Rechtsgebiet ausgeschlossen werden.

...

Die belangte Behörde stimmt zu, daß es dem internationalen Rechtsstandard entspricht, die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz zu beseitigen. Bei Beibehaltung des Betriebsvermögensvergleiches für steuerliche Zwecke wäre aber trotzdem der Verweis auf allgemeine Buchhaltungs- und Bilanzierungsgrundsätze (allgmeine GoB) unerläßlich, weil die Verbuchung der Geschäftsfälle nicht taxativ im Gesetz geregelt werden kann."

22. Die behaupteten Verstöße gegen den Gleichheitssatz sind in der Beschwerde nach Darstellung der Anforderungen des Gleichheitssatzes so begründet:

"2. § 4 Abs 1 EStG 1972 ordnet an, daß der Gewinn grundsätzlich durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln ist. Dazu sind die steuerlichen Vorschriften anzuwenden. § 5 EStG 1972 bestimmt in Abweichung davon, daß bei Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, unter Beachtung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes über die Gewinnermittlung für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen ist (§4 Abs 1 erster Satz), das nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. § 4 Abs 1 letzter Satz EStG 1972 ist jedoch nicht anzuwenden. Diese Vorschrift regelt, daß beim rein steuerlichen Betriebsvermögensvergleich der Wert des Grund und Bodens, der zum Anlagevermögen gehört, außer Ansatz bleibt. § 2 Abs 5 EStG 1972 sieht überdies vor, daß lediglich buchführende Land- und Forstwirte sowie Gewerbetreibende, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist und die Bücher ordnungsgemäß führen, ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr wählen können. Die §§4 Abs 1 und 5 EStG 1972 treffen somit Unterscheidungen anhand der Tatbestandsmerkmale des im Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden. Die Folgen davon sind nach herrschender Auffassung (Doralt-Ruppe I4 58):


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Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 bleibt Grund und Boden außer Ansatz, bei Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 ist er hingegen anzusetzen.


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Bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 kann gewillkürtes Betriebsvermögen angesetzt werden, bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 nicht.


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Bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 kann ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr gewählt werden, bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 ist dies nur buchführenden Land- und Forstwirten möglich.


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Der Gewinnermittler nach § 5 EStG 1972 hat Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzen, während bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG 1972 dafür ein Wahlrecht besteht.


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Der Gewinnermittler nach § 5 EStG 1972 hat zusätzlich zu den steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften die (handelsrechtlichen) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung anzuwenden, woraus sich Einengungen hinsichtlich Ansatz und Bewertung ergeben.

Damit werden die im Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden gegenüber den übrigen Steuerpflichtigen im wesentlichen ungleich behandelt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Ungleichbehandlung der beiden Gewinnermittlungsarten durch Betriebsvermögensvergleich in seiner bisherigen Rechtsprechung für grundsätzlich sachlich gerechtfertigt angesehen (VfSlg 6928/72; vgl a 8207/77; 8531/79). Im Erkenntnis VfSlg 6928/72 ist er zu den §§4 Abs 1 und 5 EStG 1967 davon ausgegangen, daß alle Kaufleute im Sinne des HGB, deren Gewerbebetrieb über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht, die Eintragung ihrer Firma in das Handelsregister zu veranlassen haben. Davon ausgenommen sind nur die land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe (§3 HGB). Der Kreis der Vollkaufleute wäre daher nach den Intentionen des Gesetzes identisch mit dem Kreis der ins Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden. Die durch die §§4 Abs 1 und 5 EStG 1967 angeordnete unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen wäre vor allem dadurch gerechtfertigt, daß zum Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung an den Inhalt von Geschäftsaufzeichnungen keine geringeren Anforderungen als zum Schutz der besonderen Bedürfnisse des Handelsverkehrs gestellt werden sollten und somit auch für steuerliche Zwecke ein vollständiges anstelle eines unvollständigen Vermögensverzeichnisses vom dem zu fordern wäre, der ein solches schon nach den handelsrechtlichen Vorschriften zu führen verpflichtet ist. Durch die von § 5 EStG 1967 im Vergleich zu § 4 Abs 1 EStG 1967 geforderte umfassendere und dem Vollständigkeitsgebot des § 39 HGB entsprechende Einbeziehung von Grund und Boden erfolge keine einseitige Schlechterstellung, da nicht nur ein Veräußerungsgewinn sondern auch ein Veräußerungsverlust erfaßt werde. Es wäre auch unbedenklich, daß § 5 EStG 1967 nicht unmittelbar auf Vollkaufleute, sondern auf Gewerbetreibende abstelle, deren Firma ins Handelsregister eingetragen ist. Die Nichteintragung oder die zu unrecht erfolgte Eintragung wären atypische Fälle, die im Interesse der Verwaltungsökonomie in Kauf genommen werden könnten. Dagegen, daß § 5 EStG 1967 einen umfassenderen Vermögensvergleich fordert als § 4 Abs 1 leg. cit. und dessen Ergebnis auch steuerliche Bedeutung beimißt, bestünden aus diesen Gründen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

4. Der Verfassungsgerichtshof sieht somit die sachliche Rechtfertigung der Unterscheidung darin, daß die nach Handelsrecht zur Buchführung verpflichteten Vollkaufleute typischerweise ins Handelsregister eingetragene Gewerbetreibende wären. Dies mag nach den wirtschaftlichen Verhältnissen und dem Stande der Rechtsentwicklung, der der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 6928/72 zu den §§4 Abs 1 und 5 EStG 1967 zugrunde lag, gerechtfertigt gewesen sein; unter der Geltung des EStG 1972 gab es aber - abgesehen von den Fällen, in denen der Verpflichtung zur Eintragung nicht nachgekommen wurde - aufgrund der Rechts- und Wirtschaftsentwicklung insbesondere folgende Fälle von buchführungspflichtigen Vollkaufleuten, die zwar entweder einen Gewerbetrieb im Sinne des Steuerrechtes besaßen und dennoch nicht ins Handelsregister eingetragen worden waren oder die zwar ins Handelsregister eingetragen worden waren, aber über keinen Gewerbetrieb verfügten (vgl Rief in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 104 f):

Gewerbetriebe mit Vollkaufmannseigenschaft ohne Handelsregistereintragung


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Volksbanken
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andere gewerbliche Genossenschaften nach Schultze-Delitsch
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Raiffeisenbanken
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andere Raiffeisengenossenschaften
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Konsumgenossenschaften
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Wohnbaugenossenschaften
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Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des
öffentlichen Rechts, die gemäß § 36 HGB nicht in das Handelsregister eingetragen wurden.


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Handelsregistereintragung ohne Gewerbebetrieb


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Eingetragene land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe (§3 HGB)


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Sollhandelsgewerbe (§2 HGB) von Angehörigen der freien Berufe (insbesondere Einzelfirmen, OHG und KG der Wirtschaftstreuhänder), die zu Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 Abs 1 Z 1 litb EStG 1972 führen


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Sollhandelsgewerbe (§2 HGB) mit einer den in § 22 Abs 1 Z 1 litb EStG 1972 angeführten Freiberufen ähnlichen
freiberuflichen Tätigkeit (insbesondere Einzelfirmen, OHG oder KG der planenden Baumeister und der den Ziviltechnikern ähnlichen technischen Büros)


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Sollhandelsgewerbe (§2 HGB) mit Tätigkeit, die zu Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 Abs 1 Z 2 EStG 1972 führen (insbesondere Einzelfirmen, OHG und KG mit Hausverwaltungskanzleien)


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Sollhandelsgewerbe (§2 HGB) mit Vermögensverwaltung (§32 BAO)

5. Was die Genossenschaften anbelangt, so hat der VwGH mit Erkenntnis vom , 88/14/0126 entschieden, daß die Genossenschaften mangels Eintragung ins Handelsregister nicht der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 sondern nach § 4 Abs 1 EStG 1972 unterliegen. Denn die Gewinnermittlung gemäß § 5 EStG 1972 greift nur bei tatsächlicher Eintragung in das Handelsregister Platz. Die Genossenschaften wurden daher erst durch § 7 Abs 3 KStG 1988 in die Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 einbezogen (vgl die Erläuterungen zur Regierunsvorlage 622 BlgNR XVII GP 17). Es handelte sich bei ihnen überwiegend um Vollkaufleute (vgl § 13 GenG), bei denen die Eintragung ins Genossenschaftsregister die Handelsregistereintragung ersetzte (Brinek ua, Genossenschaftsrecht2 1989, 47; Kastner-Doralt-Nowotny, Gesellschaftsrecht5 1990, 454) und die gemäß den §§38 ff HGB idF vor dem RLG zur Buchführung und gemäß § 22 GenG zur Erstellung des Rechnungsabschlusses verpflichtet waren, obwohl sie nicht im Handels- sondern im Genossenschaftsregister einzutragen waren. Es liegt somit bei den Genossenschaften mit Vollkaufmannseigenschaft und den im Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden in Hinblick auf die vom Verfassungsgerichtshof gegebene Begründung für die grundsätzliche Rechtfertigung der § 5-Gewinnermittlung im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im wesentlichen Gleiches vor. Ein sachlicher Grund dafür, daß diese Genossenschaften, die gemäß § 8 Abs 2 KStG 1988 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielten, von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 ausgeschlossen werden konnten, ist nicht ersichtlich, noch dazu wo sie in einem dem Handelsregister in der Funktion vergleichbaren öffentlichen Register, dem Genossenschaftsregister, eingetragen waren. Die Besonderheiten der Rechtsform der Genossenschaft, die in anderen Bereichen des Steuerrechtes Differenzierungen rechtfertigen können (vgl VfSlg 9516/82 zu § 22 Abs 2 KStG 1966), liefern für diese Sonderbehandlung der Genossenschaften keine sachliche Begründung, weil der Verfassungsgerichtshof zur sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Arten des Betriebsvermögensvergleichs auf die Buchführungspflicht nach Handelsrecht abstellt und diese bei Genossenschaften regelmäßig gegeben ist. Außerdem ist kein Grund ersichtlich, zB die Volksbanken und Raiffeisenbanken, was Grund und Boden, die Ausübung von Bewertungswahlrechten und den Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen anbelangt, anders als andere Banken zu behandeln. Gleiches gilt zB für die Konsum- oder Einkaufsgenossenschaften im Verhältnis zu anderen Kaufleuten. Auch eine unterschiedliche Einkunftsart liegt im Vergleich zu den § 5-Gewinnermittlern bei den Genossenschaften mit Vollkaufmannseigenschaft nicht vor, sodaß Unterschiede in den Einkunftsarten keine sachliche Begründung abgeben können. Ein Sonder-, Ausnahme-, Grenz- oder Härtefall, der unter verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten die Sonderbehandlung der Genossenschaften allenfalls rechtfertigen könnte, liegt auch nicht vor. Denn zum belief sich alleine die Zahl der Genossenschaften nach den Systemen Schultze-Delitsch und Raiffeisen auf rd 2.400 (Mitteilungen des Direktoriums der OeNB 2/1988, 30; Jahresbericht des Österreichischen Genossenschaftsverbandes 1987, 1988, 56 f; Jahresbericht des Raiffeisenverbandes für 1987, 1988, 11 ff). Offenbar deshalb hat auch § 7 Abs 3 KStG 1988 die Genossenschaften der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 unterstellt.

6. Für die Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts kann ebenfalls von keinen atypischen Sonder-, Ausnahme-, Grenz- oder Härtefällen ausgegangen werden. Sie waren dennoch wie die Genossenschaften bis zur Regelung des § 7 Abs 3 zweiter Satz KStG 1988 von der § 5-Gewinnermittlung

ausgeschlossen, wenn sie nicht im Handelsregister eingetragen waren. Einen Grund für den Gesetzgeber, sie der Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs 1 EStG 1972 zu unterstellen, könnte § 42 HGB idF vor dem RLG abgegeben haben. Dieser sah nämlich die Möglichkeit des Abweichens von den Vorschriften der §§39-41 HGB idF vor dem RLG für die Unternehmen des Bundes, der Länder und Gemeinden vor. Daher könnte es gemäß den Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis VfSlg. 6928/72 ursprünglich gerechtfertigt gewesen sein, die nicht protokollierten Betriebe gewerblicher Art vor der VEG-Novelle 1975 allgemein von der Anwendung der (handelsrechtlichen) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung des § 5 EStG 1972 auszunehmen, obwohl auch diese Unternehmen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung des § 38 HGB zu beachten hatten (Torggler-Kucsko in Straube HGB II § 92 Tz 1 f). Denn der Verfassungsgerichtshof stützte das Vollständigkeitsgebot für Grund und Boden sehr wesentlich auf § 39 HGB, von dem die öffentlichen Unternehmen ausgenommen werden konnten. Seit der VEG-Novelle 1975 (BGBl 637) kann diese Überlegung die Differenzierung aber nicht mehr rechtfertigen. Denn Punkt XVI VEG sieht nunmehr vor, daß Betriebe und betriebsähnliche Einrichtungen des Bundes ihre Bestands- und Erfolgsrechnung in der Gestalt von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen der §§131 bis 133 AktG 1965 abzuschließen haben. Diese Unternehmen des Bundes hatten somit nicht nur § 38 HGB idF vor dem RLG sondern auch die in dessen Abs 1 angeführten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung des Handelsrechtes (Torggler-Kucsko in Straube, HGB I § 42 Tz 1 f) und die ebenfalls als handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung angesehenen Bewertungsvorschriften des § 133 AktG 1965 (Vodrazka in Vodrazka, HBA2 § 129 Tz 57) und überdies die Gliederungsvorschriften der §§131 und 132 AktG 1965 anzuwenden. Insbesondere galt daher für sie auch das Vollständigkeitsgebot. Als Unternehmen, die die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung anzuwenden hatten und idR Vollkaufleute waren, und als Gewerbetreibende waren sie daher den protokollierten Gewerbetreibenden im Sinne des § 5 EStG 1972 in allen hier wesentlichen Belangen vergleichbar. Es entbehrt daher der sachlichen Rechtfertigung, sie von den Rechtsfolgen des § 5 EStG 1972 nur dann auszuschließen, wenn sie unter Inanspruchnahme der Ausnahmeregel des § 36 HGB nicht in das Handelsregister eingetragen wurden. Es ist nämlich kein Grund dafür ersichtlich, daß sie bloß wegen des Fehlens der Handelsregistereintragung für Steuerzwecke dem Betriebsvermögensvergleich nicht die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zugrunde zu legen hatten und vom Ansatz des Grund und Bodens ausgeschlossen waren und ein Wahlrecht für den Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen besaßen. Ein Wahlrecht zwischen den beiden Gewinnermittlungsarten durch Erwirkung oder Unterlassung der Eintragung läßt sich für diese Unternehmen ebenfalls sachlich nicht begründen.

7. § 5 EStG 1972 schließt weiters durch das Abstellen auf 'Gewerbetreibende' die land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe sowie die diversen Sollhandelsgewerbe, die im Handelsregister eingetragen sind, aber keinen Gewerbebetrieb im Sinne des § 23 EStG 1972 zum Gegenstand haben, von seiner Anwendung aus. Die land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe allein könnten dabei ein seltener Ausnahmefall sein, der vom Gesetzgeber vernachlässigt werden dürfte, wofür das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 6928/72 Anhaltspunkte gibt. Bei den diversen Sollhandelsgewerben ist dies hingegen nicht der Fall. So sieht zB § 29 WT-BO die Rechtsformen der OHG und KG als Kooperationsformen für Wirtschaftstreuhänder vor. Wie das Verzeichnis der Wirtschaftstreuhänder Österreichs 1990, herausgegeben von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, zeigt, haben die Wirtschaftstreuhänder von dieser Möglichkeit auch zahlreich Gebrauch gemacht, vor allem durch errichtende Umwandlung unter Anwendung des ArtIV GmbHG-Novelle 1980. Auch gibt es im Bereich der 'ähnlichen freiberuflichen Tätigkeit' des § 22 Abs 1 Z 1 litb EStG 1972 insbesondere zahlreiche im Handelsregister eingetragene Planende Baumeister und Technische Büros. All diese im Handelsregister eingetragenen Kaufleute sind zur Buchführung verpflichtet. Es liegt bei ihnen also, gemessen an der vom Verfassungsgerichtshof für maßgebend gehaltenen Buchführungspflicht, im wesentlichen Gleiches wie bei den § 5-Gewinnermittlern vor. Dennoch brauchten diese Steuerpflichtigen bei ihrem Betriebsvermögensvergleich nicht die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung des § 5 EStG 1972 zu befolgen, sie brauchten bzw konnten den Grund und Boden nicht ansetzen, kein abweichendes Wirtschaftsjahr wählen und es stand ihnen weder gewillkürtes Betriebsvermögen noch gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen im Mitunternehmerfalle zu. Hinsichtlich Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten konnten sie ein Wahlrecht ausüben. Damit wird aber vom Gesetzgeber wesentlich Gleiches ungleich behandelt. Einziger Rechtfertigungsgrund für diese Differenzierung könnte sein, daß diese Sollkaufleute, wie auch die land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe, keinen Gewerbebetrieb besitzen und ihre Einkünfte anderen Einkuftsarten zuzurechnen sind. Was aber die durch die §§4 Abs 1 und 5 EStG 1972 geschaffenen Differenzierungen mit den verschiedenen Einkunftsarten zu tun haben sollten, ist nicht zu ersehen.

8. Die typisierte Annahme, daß nur bei Handelsregistereintragung und Gewerbebetrieb Vollkaufmannseigenschaft vorliegt, ist somit aufgrund der Rechts- und Wirtschaftsentwicklung aus dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes problematisch. Nach Handelsrecht als Vollkaufleute Rechnungslegungspflichtige wie die meisten Genossenschaften und die meisten Betriebe des Bundes, die Sollkaufleute und die land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe werden anders als die im Handelsregister als Vollkaufleute eingetragenen Gewerbetreibenden behandelt, obwohl sie in Hinblick auf die primäre Rechtsfolge des § 5 EStG 1972, die nach herrschender Ansicht in einer Anbindung des steuerlichen Betriebsvermögens an die konkreten Handelsbilanzposten besteht, als im wesentlichen gleiche Sachverhalte anzusehen sind. Eine unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung der Vollkaufleute einerseits und der Nicht- oder Minderkaufleute andererseits mag durch die bei Kaufleuten bestehende Möglichkeit der Anknüpfung an die handelsrechtliche Gewinnermittlung begründet sein, die Differenzierungen innerhalb der Gruppe der Vollkaufleute bzw der nach Handelsrecht Bilanzierungspflichtigen bedürfen jedoch einer sachlichen Begründung (Rief in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 105 f). Des weiteren bedarf es einer sachlichen Begründung, wieso bei nicht im Handelsregister eingetragenen Vollkaufleuten und Gewerbetreibenden, wie den meisten Genossenschaften und den nicht im Handelsregister eingetragenen buchführungspflichtigen Betrieben des Bundes der Grund und Boden - obwohl für sie das Vollständigkeitsgebot des Handelsrechtes gilt (vgl VfSlg 6928/72) - außer Ansatz bleiben und ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ausgeschlossen sein soll."

Dazu führt die Gegenschrift aus:

"In der Beschwerde wird richtig angeführt, daß die Eintragung in das Genossenschaftsregister die Eintragung in das Handelsregister ersetze. Die Verwaltungspraxis und die herrschende Lehre (vgl. Putschögl/Bauer, Quantschnigg, KStG 1966, § 1 Tz 66) hat daher die Genossenschaften im zeitlichen Geltungsbereich des EStG 1972 als § 5-Ermittler angesehen.

Die Beschwerde stützt ihre Behauptung, Genossenschaften wären nicht § 5-Ermittler, auf das Erkenntnis des . Streitpunkt in diesem Erkenntnisfall war nicht die Gewinnermittlungsart von Genossenschaften. Richtig ist aber, daß sich im Erkenntnis ein obiter dictum befindet, welches Genossenschaften, weil sie nicht im Handelsregister eingetragen sind, nicht als § 5-Ermittler einstuft. Durch das zitierte Erkenntnis ist aber diese Rechtsfrage nicht entschieden, sie war nämlich nicht entscheidungsrelevant; die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hatten in keiner Weise Gelegenheit, ihren Rechtsstandpunkt zu dieser Frage darzulegen. Daß auch der Verwaltungsgerichtshof nicht davon ausgeht, diese Rechtsfrage sei entschieden, ergibt sich aus dem Erk , 93/14/0002. Im Einleitungssatz zur Sachverhaltsdarstellung dieses Erkenntnisses bezeichnet er nämlich die Genossenschaft - im zeitlichen Geltungsbereich des EStG 1972 - als § 5-Ermittler.

Die belangte Behörde vertritt daher im Einklang mit der Literatur (Putschögl/Bauer/Quantschnigg, KStG 1966, § 1 Tz 66), daß die Eintragung in das Genossenschaftsregister die Eintragung in das Handelsregister ersetzt. Sie gelangt damit zu dem in der Beschwerde geforderten verfassungskonformen Ergebnis.

Richtig ist, daß Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts nicht unter dem § 5 EStG 1972 zu subsumieren waren, wenn sie nicht im Handelsregister eingetragen waren. Damit hat aber der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Spielraum nicht überschritten. Die Besteuerung der öffentlichen Hand in bestimmten Punkten von der Besteuerung der Privatpersonen zu unterscheiden, kann sachlich gerechtfertigt sein: Der wirtschaftlich bedeutsame Unterschied zwischen den Gewinnermittlungsarten nach § 5 und § 4 Abs 1 EStG besteht in der Einbeziehung von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen gehört, in die Gewinnermittlung. Die Rechtfertigung dafür, Grund und Boden der öffentlichen Hand (der zum Betrieb gewerblicher Art der Körperschaft öffentlichen Rechts gehört) nicht zu besteuern, kann darin liegen, daß öffentliche Einrichtungen im Umgang mit Grundstücken stets unter strenger Beobachtung der Öffentlichkeit stehen und spekulative Geschäfte mit Grundstücken daher auszuschließen sind. Im System des österreichischen Steuerrechts haben Grundstücke der Körperschaften öffentlichen Rechts ganz allgemein eine Sonderstellung: Die Früchte des Bodens sind bei Körperschaften öffentlichen Rechts nicht steuerbar, weil diese weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft noch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen können (vgl. § 2 KStG 1966). Auch außerhalb von Betrieben ist die Grundstücksveräußerung durch die öffentliche Hand nicht steuerbar, weil Körperschaften öffentlichen Rechts mit Spekulationsgeschäften iSd § 30 EStG nicht besteuert werden (vgl. ebenfalls § 2 KStG 1966).

Die Beschwerde verweist weiters auf jene Ausnahmefälle, in denen im Handelsregister eingetragene Personengesellschaften andere Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb erzielen, wie zB die Wirtschaftstreuhänder-KG. Die belangte Behörde bemerkt dazu, daß die einzelnen Einkunftsarten bestimmte Besonderheiten aufweisen. Beispielsweise sei darauf verwiesen, daß für Freiberufler (Einkünfte aus selbständiger Arbeit) die Buchführungsgrenzen und damit die Buchführungsverpflichtung nach § 125 BAO nicht gelten. Wesentlich erscheint der belangten Behörde aber, daß die Wirtschaftstreuhänder-KG auch im Handelsrecht ein Fremdkörper ist. Wirtschaftstreuhänder können sich - auch bei großem Geschäftsumfang - zu einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zusammenschließen. Bei dieser Berufsgruppe besteht daher - untypischerweise - die Möglichkeit, die Rechtsform aus den verschiedenen Typen von Personengesellschaften zu wählen. Der belangten Behörde ist nicht verständlich, aus welchen Gründen die Beschwerde hier den Ausdruck 'Sollhandelsgewerbe' wählt.

Die Beschwerde verweist auch auf den land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb. Ein Nebenbetrieb liegt vor, wenn der Land- und Forstwirt seine Produkte auf niedriger Stufe weiterverarbeitet. Ein Nebenbetrieb liegt allerdings nur dann vor, wenn in diesem Betrieb ausschließlich oder zu mindestens 75% Produkte aus einem eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verarbeitet werden (vgl. Schögl/Wiesner/Nolz/Kohler, EStG9, Seite 211). Ein derartiger Nebenbetrieb ist nur anzunehmen, wenn er im Vergleich zum land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung hat. Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, daß der Nebenbetrieb gleich behandelt wird wie der land- und forstwirtschaftliche Hauptbetrieb. Die geringe wirtschaftliche Bedeutung von Nebenbetrieben ist bereits daraus ersichtlich, daß deren Gewinn nach der jeweils geltenden Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft (zB BGBl 1987/33) mit der landwirtschaftlichen Vollpauschalierung abgegolten ist (Schögl/Wiesner/Nolz/Kohler, EStG9, Seite 208). Auch in der Beschwerde wird die geringe Bedeutung land- und forstwirtschaftlicher Nebenbetriebe zugestanden."

Zum Hinweis, daß es auch nicht im Handelsregister eingetragene Vollkaufleute gäbe, sei zu bemerken,

"... daß der historische Vorläufer des § 5 EStG 1972, nämlich der § 5 dEStG 1934 auf die Kaufmannseigenschaft abgestellt hat. Die Kaufmannseigenschaft ist aber im Handelsrecht nicht exakt definiert (vgl. § 4 Abs 1 HGB 'Gewerbebetrieb nicht über den Umfang eines Kleingewerbes hinausgeht'). Kaufmannseigenschaft und die daraus resultierende handelsrechtliche Buchführungspflicht konnten die Finanzämter in Zweifelsfällen nur schwer feststellen. Um diesen Schwierigkeiten hinsichtlich der Feststellung der Kaufmannseigenschaft zu begegnen (vgl. ), stellte § 5 EStG idF EStÄnG vom , dRGBl I 99, auf im Handelsregister eingetragene Gewerbetreibende ab (vgl. hiezu Begründung in dRStBl 1938, Seite 100). § 5 EStG ist in diesem Punkt seither unverändert geblieben. Im wesentlichen wendet die Beschwerde gegen diese Regelung nur ein, daß sie Genossenschaften nicht erfasse. Wie bereits erwähnt, haben im zeitlichen Geltungsbereich des EStG 1972 (d.i. bis ) Literatur und Praxis einhellig die Meinung vertreten, daß die Eintragung in das Genossenschaftsregister der Eintragung in das Handelsregister gleichzustellen ist."

Dazu die Replik:

"Die belangte Behörde vermeint, die unsachliche Differenzierung der Behandlung von Kaufleuten mit Einkünften aus Gewerbebetrieben durch das EStG 1972 je nachdem, ob sie im Handelsregister eingetragen waren oder nicht, dadurch beseitigen zu können, daß sie die Einbeziehung der Genossenschaften in die § 5-Gewinnermittlung mit der Begründung behauptet, daß das Genossenschaftsregister dem Handelsregister funktionell vergleichbar wäre. Sie übersieht dabei jedoch, daß das KStG 1988 in § 7 Abs 3 eine Änderung der Rechtslage herbeiführte, die in den Erläuterungen mit der Einbeziehung der Genossenschaften in die bisher nicht gegebene § 5-Gewinnermittlung begründet wurde. Daher wird auch allgemein angenommen, daß Genossenschaften seinerzeit der § 4 Abs 1-Gewinnermittlung unterlagen (vgl zB Perkounigg, SWK 1989 A I 445; Quantschnigg-Schuch § 4 Anm 81.2). Außerdem übersieht die belangte Behörde - was wir zur Beschwerde nachtragen - daß die in der Beschwerde für die Genossenschaft aufgezeigte Ungleichbehandlung in gleicher Weise auf die Landes-Hypothekenbanken betraf. Erst durch § 7 Abs 3 KStG 1988 und durch das FirmenbuchG wurden nämlich die Genossenschaften, die Landes- Hypothekenbanken und die anderen nicht im Firmenbuch eingetragenen Betriebe gewerblicher Art, die nach Handelsrecht zur Buchführung verpflichtet sind, zu § 5-Gewinnermittlern. Landes-Hypothekenbanken sind weder im Handelsregister noch in einem anderen Register eingetragen. Landes-Hypothekenbanken waren daher jedenfalls eindeutig § 4 Abs 1-Gewinnermittler (), auch wenn man entgegen der Rechtsprechung des VwGH und entgegen der aufgrund der VwGH-Judikatur geänderten Auffassung des BMF (GERL Abschn B § 5 Abs 4) der Auffassung der belangten Behörde zu den Genossenschaftsregistern zuneigen sollte.

Auch alle anderen Betriebe gewerblicher Art waren von dieser Rechtslage entgegen der Ansicht der belangten Behörde keineswegs ausgenommen. Dies bestätigen schon die Erläuterungen zu § 7 Abs 3 KStG 1988, die ausdrücklich auch auf die nunmehr erfolgte Einbeziehung der nach Handelsrecht buchführungspflichtigen Betriebe gewerblicher Art verweist. Das Argument der belangten Behörde, daß bei Betrieben gewerblicher Art die Einbeziehung von Grund und Boden in die Gewinnermittlung mangels Spekulationsabsicht nicht geboten wäre, ist allein schon deshalb nicht zielführend, weil bei im Handelsregister eingetragenen Betrieben gewerblicher Art diese Erfassung von Grund und Boden ja schon stets erfolgte.

Im übrigen ist es allgemeine Auffassung zur erstmaligen Anwendung von EStG 1988 und KStG 1988 gewesen, daß die früher unter § 4 Abs 1-Gewinnermittlung und nunmehr unter § 5-Gewinnermittlung fallenden Genossenschaften, Landes-Hypothekenbanken und andere Betriebe gewerblicher Art bei der erstmaligen Anwendung der neuen Vorschriften eine Übergangsgewinnermittlung nach § 4 Abs 10 EStG vorzunehmen hatten ( A151/60/1-IV/13/88, abgedruckt in Quantschnigg-Kohler-Lattner-Herzog, Alle Erlässe zum EStG 1988, 1989, 53; Quantschnigg-Schuch § 4 Anm 81.2; Bauer-Quantschnigg, KStG 1988 § 7 Tz 23.3 und 23.6). Diese Übergangsgewinnermittlung, bei der u. a. Grund und Boden steuerfrei aufzuwerten waren, setzte voraus, daß Genossenschaften und Landes-Hypothekenbanken sowie andere nach Handelsrecht buchführungspflichtige Betriebe gewerblicher Art bisher § 4 Abs 1-Gewinnermittler waren.

Unklar ist, warum die Wirtschaftstreuhänder-KG (gleiches müßte wohl auch für die Wirtschaftstreuhänder-OHG gelten) im Handelsrecht nach Meinung der belangten Behörde ein Fremdkörper sein soll. Betreibt eine Mehrheit von Wirtschaftstreuhändern eine Kanzlei, die nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, so sind diese Wirtschaftstreuhänder gemäß § 2 HGB verpflichtet, die Eintragung in das Firmenbuch als OHG oder KG herbeizuführen. Die Bezeichnung als 'Sollhandelsgewerbe' ist allgemein üblich (vgl zB Hämmerle- Wünsch, Handelsrecht I3 1976, 119 ff).

Hinsichtlich des Nebenbetriebes liegt ein Mißverständnis vor. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde wurde in der Beschwerde auf den eingetragenen land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb des § 3 HGB und nicht auf den Nebenbetrieb im Sinne des § 21 Abs 2 Z 1 EStG 1972 Bezug genommen, was aus der Anführung auf Seite 41 der Beschwerde klar hervorgeht.

Bei all diesen Kaufleuten, die der Rechnungslegung nach Handelsrecht unterliegen, ist nicht einzusehen, warum diese ihren Gewinn nach § 4 Abs 1 EStG 1972 ermitteln konnten, während die anderen Kaufleute ihren Gewinn nach § 5 EStG 1972 zu ermitteln hatten. Insbesondere brauchten die Genossenschaften, die Landes-Hypothekenbanken und die anderen nach Handelsrecht buchführungspflichtigen Betriebe gewerblicher Art, die diversen Sollhandelsgewerbe des § 2 HGB ohne Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die eingetragenen land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe des § 3 HGB Grund und Boden nicht anzusetzen. Es ist kein Grund dafür zu ersehen, daß diese Kaufleute weniger leistungsfähig gewesen wären. Dies gilt insbesondere für die Genossenschaften, Landes- Hypothekenbanken und alle anderen zur Buchführung verpflichteten Betriebe gewerblicher Art. Sie mußten Gewinne und Verluste der Bewertung, Entnahme und Veräußerung von Grund und Boden aus Gewinnermittlung ausscheiden und konnten den Wert von Grund und boden bei Übergang zur Gewinnermittlung steuerneutral gemäß § 4 Abs 10 EStG 1988 auf den höheren Teilwert aufwerten, was anderen Kaufleuten, zB Aktienbanken, versagt war. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung läßt sich nicht finden.

...

Die historischen Überlegungen der belangten Behörde mögen bei Einführung des § 5 EStG 1972 oder dessen Vorläufern die Regelung sachlich erscheinen haben lassen. Inzwischen läßt sich aber nicht sagen, daß die Genossenschaften, die Sparkassen, die Landes-Hypothekenbanken, die nach Handelsrecht buchführungspflichtigen Betriebe gewerblicher Art, die land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe und die diversen Sollhandelsgewerbe noch zu vernachlässigen wären. Daß Literatur und Praxis die Eintragung ins Genossenschaftsregister der Eintragung in das Handelsregister entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht gleichgestellt haben, wurde schon eingehend dargelegt (Erläuterungen zu § 7 Abs 3 KStG 1988; Quantschnigg-Schuch § 4 Anm 81.2; Perkounigg, SWK 1989 A I 445)."

23. Die Beschwerde fügt indessen noch folgende Überlegung an:

"Die unterschiedlichen Einkunftsarten können keine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung abgeben, die die §§4 Abs 1 und 5 EStG 1972 mit sich bringen, weil Differenzierungen aufgrund der Einkunftsarten in den tatsächlichen Unterschieden dieser Einkunftsarten begründet sein müssen (vgl VfSlg 4239/62; 7947/76; 10155/84). Die Differenzierungen der §§4 Abs 1 und 5 EStG 1972 werden gemäß der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dadurch grundsätzlich gerechtfertigt, daß die Gewinnermittlung nach Handelsrecht der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann (VfSlg 6928/72). Der Gesetzgeber ist an dieses von ihm gewählte Ordnungssystem grundsätzlich gebunden und kann von diesem nur dann abgehen, wenn er dafür sachliche Gründe hat (VfSlg 7331/74; 8233/78; 8605/79). Nach Handelsrecht sind aber nicht nur Gewerbetreibende im Sinne des Steuerrechts sondern auch diverse Sollhandelsgewerbe buchführungspfichtig, die allenfalls anderen betrieblichen Einkunftsarten zuzurechnen sind. Es ist aber kein sachlicher Grund zu ersehen, Bezieher anderer betrieblicher Einkunftsarten als den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn sie im Handelsregister eingetragen sind, von der Anwendung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, dem Ansatz von Grund und Boden, der Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahres und dem Ansatz gewillkürten (Sonder-)Betriebsvermögens sowie von der Pflicht zur Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen auszuschließen. Noch weniger ist einsichtig, warum Genossenschaften und buchführungspflichtige Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechtes, die ja Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehen, auch wenn sie Vollkaufmannseigenschaft besitzen, von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 ausgeschlossen sind, da die Rechtsform diese Differenzierung nicht rechtfertigen kann. Auch ist für jene Betriebe gewerblicher Art, die als Vollkaufleute zur kaufmännischen Buchführung verpflichtet waren, nicht einzusehen, warum sie nur deshalb nicht Grund und Boden anzusetzen hatten und nicht zum Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen verpflichtet waren, weil sie gemäß § 36 HGB nicht im Handelsregister eingetragen werden mußten. Auch für diese Fälle sieht, so wie für die Genossenschaften, erst § 7 Abs 3 zweiter Satz KStG 1988 die § 5-Gewinnermittlung vor. Der Vereinfachungseffekt der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz (Rief in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 102 ff) liefert auch keine ausreichende Begründung, weil er bei den Genossenschaften, den Betrieben gewerblicher Art, den Sollhandelsgewerben und den land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieben erst durch ihre Einbeziehung in den Kreis der § 5-Gewinnermittler voll zum Tragen käme. Verwaltungsökonomische Rechtfertigungsgründe (zB VfSlg 5022/65; 7136/73; 7286/74; 9608/83) oder Gründe der einfachen praktischen Handhabung (VfSlg 3682/60; 5958/69; 7873/76; 9645/83) sind auch nicht zu ersehen. Insbesondere wurden ja die Genossenschaften im Genossenschaftsregister eingetragen. Weder die Genossenschaften, die Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechtes noch die Sollhandelsgewerbe können als Härtefälle, Ausnahms-, Grenz- oder atypische Fälle angesehen werden, die vom Gesetzgeber in Durchschnittsbetrachtung vernachlässigt werden könnten (vgl VfSlg 6401/71; 6471/71; 7953/76; 8352/78). Daher kann auch die Typisierungsabsicht in § 5 EStG 1972 bezüglich der Vollkaufmannseigenschaft die Regelung nicht sachgerecht erscheinen lassen (vgl Rief in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 104 f). Jedenfalls ist die Typisierungswirkung des § 5 EStG 1972 durch die Rechts- und Wirtschaftsentwicklung überholt, was die nunmehr zahlreichen, den § 5-Gewinnermittlern in allen wesentlichen Punkten vergleichbaren Vollkaufleute zeigen, die entweder wegen Nichteintragung im Handelsregister oder weil keine gewerblichen Einkünfte vorliegen von den Rechtsfolgen des § 5 EStG 1972 ausgeschlossen sind (vgl zur Änderung der Umstände zB VfSlg 11048/86). Für die von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 ausgeschlossenen angeführten Fälle besteht nämlich sowohl rechtliche als auch wirtschaftliche Affinität zu den erfaßten Fällen (vgl VfSlg 8806/80). Irgendwelche anderen rechtspolitischen Erwägungen, die die Differenzierung sachlich rechtfertigen könnten (VfSlg 6533/71; 7010/73; 7558/75), sind ebenfalls nicht zu ersehen. Die gewählten Unterscheidungskriterien erweisen sich deshalb als willkürlich (vgl VfSlg 4916/65). Damit ist das dem Gleichheitssatz immanente Sachlichkeitsgebot verletzt (vgl VfSlg 10090/84; 11997/89)."

Die Gegenschrift antwortet darauf:

"Der einzige bedeutsame Fall, bei welchem Einkünfte aus selbständiger Arbeit einerseits und Eintragung in das Handelsregister andererseits zusammentreffen, ist die Wirtschaftstreuhänder-KG. Nun entspricht es aber dem österreichischen Steuerrechtssystem, daß zwischen Einkünften aus Gewerbebetrieb und Einkünften aus selbständiger Arbeit ein Besteuerungsunterschied besteht. Der gravierende Unterschied besteht darin, daß erstere im Gegensatz zu letzteren mit Gewerbesteuer belegt sind. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß der Gesetzgeber in § 125 BAO für die Angehörigen der freien Berufe keine Buchführungspflicht vorgesehen hat; auch wenn sie beispielsweise die Umsatzgrenze (3,5 Millionen S) überschreiten, sind sie nicht zur Buchführung und Bilanzierung verpflichtet. Diesem vom Gesetzgeber aufgestellten Ordnungssystem würde es nicht entsprechen, eine freiberufliche Tätigkeit bloß deshalb der Gewinnermittlungsart des § 5 EStG zuzuordnen, weil § 29 WT-BO (also eine berufsrechtliche Vorschrift) die Handelsregistereintragung ermöglicht."

Ihr widerspricht die Replik:

"Zunächst ist klarzustellen, daß es neben der Wirtschaftstreuhänder-KG auch andere wirtschaftlich bedeutsame Sollhandelsgewerbe mit einer anderen Einkunftsart als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gibt (zB technische Büros, Hausverwaltung, Wirtschaftstreuhänder-OHG). Alle diese Kaufleute stellen einen Jahresabschluß nach Handelsrecht auf. Dennoch unterlagen sie in ihrer Gewinnermittlung nicht § 5 EStG 1972. Da diese Differenzierung aber - wie die Genossenschaften, die Sparkassen, die Landes-Hypothekenbanken und die nach Handelsrecht buchführungspflichtigen Betriebe gewerblicher Art zeigen - gar nicht auf die Einkunftsart 'Einkünfte aus selbständiger Arbeit' abstellt, können die Eigenarten dieser Einkunftsart entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch nicht als Rechtfertigungsgrund für die Differenzierung herangezogen werden. Im übrigen ist nicht zu ersehen, wie die angeführten angeblichen Besonderheiten der Einkünfte aus selbständiger Arbeit die Differenzierung rechtfertigen könnten. Denn Leistungsfähigkeitsüberlegungen, die für das EStG ja von besonderer Bedeutung sind ( G 188, 189/91), können keinen Grund für die Differenzierung abgeben."

24. Schließlich wirft die Beschwerde auch § 6 Z 6 EStG 1972 Ungleichbehandlung vor:

"1. § 6 Z 6 EStG 1972 hat eine Sondervorschrift zur Bewertung grenzüberschreitender Überführung von Wirtschaftsgütern zum Inhalt. Diese Bestimmung führt im Falle des geforderten Auslandsbezuges unter anderem zur Gleichstellung von Einlagen und Entnahmen bei Personenunternehmen mit offenen und verdeckten Einlagen und Ausschüttungen bei Körperschaften. Diese Vorgänge werden, obwohl es sich um steuerlich grundsätzlich anders zu beurteilende Sachverhalte handelt, durch § 6 Z 6 EStG 1972 gleich behandelt. Ohne den Auslandsbezug wäre dagegen eine unterschiedliche Bewertung vorzunehmen. Einlagen und Entnahmen im Sinne des § 4 Abs 1 EStG 1972 sind gemäß § 6 Z 4 und 5 EStG 1972 mit dem Teilwert bzw dem Teilwert, höchstens aber den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, anzusetzen, offene und verdeckte Einlagen und Gewinnausschüttungen von Körperschaften hingegen mit dem gemeinen Wert (Bauer-Quantschnigg, Körperschaftsteuer 8. Lieferung Mai 1988, § 8 Tz 36) bzw mit einem fiktiven Absatzpreis ( uva). Bei Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland ist hingegen generell der Ansatz des Fremdvergleichspreises im Sinne des § 6 Z 6 EStG 1972 geboten. Damit werden im wesentlichen gleiche Sachverhalte im Falle des in § 6 Z 6 EStG 1972 beschriebenen Auslandsbezuges ganz anders behandelt als bei bloßem Inlandsbezug.

2. Eine weitere Differenzierung liegt hinsichtlich der Realisation bei Betriebstätten vor. Bei Überführung von Wirtschaftsgütern aus einer inländischen Betriebstätte in eine andere inländische Betriebstätte kommt es zu keiner Gewinnrealisierung. Vielmehr sind die Buchwerte fortzuführen. Liegt hingegen die Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland oder aus dem Ausland ins Inland vor, so kommt es im Zeitpunkt der Überführung zur Bewertung mit dem Fremdvergleichspreis und damit zur Gewinnrealisierung und entsprechenden Besteuerung. Obwohl keine Veräußerung erfolgte, wird eine Realisation mit Veräußerungsbewertung vorgenommen. Damit werden im wesentlichen gleiche Sachverhalte unterschiedlich behandelt, je nach dem, ob ein bloßer Inlands- oder ein Auslandsbezug besteht.

3. Dabei kommt in allen Überführungsfällen der Fremdvergleichspreis zum Ansatz, der ansonsten in der von § 6 Z 6 EStG 1972 formulierten Form keinen Bewertungsmaßstab im innerstaatlichen Recht bildet. Nach herrschender Auffassung ist darunter ein Absatzpreis zu verstehen, der auch die Absatzleistung umfaßt (Gassner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 195; Lechner in Gassner-Lechner 227. AM Beiser, ÖStZ 1991, 304). Bei Einlagen und Entnahmen im Sinne des § 6 Z 4 und 5 EStG 1972 ist dagegen grundsätzlich der Teilwert maßgebend. Der Teilwert ist gerade kein Absatzpreis sondern ein betriebsbezogener Wert (§6 Z 1 dritter Satz EStG 1972). Damit werden bei Entnahmen und Einlagen unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe angewendet, je nach dem, ob bloß ein Inlands- oder ob der geforderte Auslandsbezug besteht.

4. Die Bestimmung erfaßt allerdings nach herrschender Ansicht nicht alle Leistungsbeziehungen zwischen in- und ausländischen verbundenen Unternehmen sondern lediglich die Überführung von Wirtschaftsgütern (Doralt, Kommentar § 6 Tz 326. AA Beiser, ÖStZ 1991, 302 ff). Damit wird neuerlich differenziert. Während bei bloßen Inlandsbeziehungen die allgemeinen Bewertungsregeln generell zur Anwendung kommen, kommt nach § 6 Z 6 EStG 1972 nur für bestimmte Leistungen, nämlich für die Überführung von Wirtschaftsgütern, der Fremdvergleichspreis zum Tragen. Bei Überführung in Betriebstätten ist überhaupt nur für diese Leistungen eine Gewinnrealisierung vorgesehen. Auch hier ist einziges Kriterium für die Unterscheidung der Auslandsbezug im Sinne des § 6 Z 6 EStG 1972.

5. § 6 Z 6 EStG erfaßt aber im Falle des Auslandsbezuges nicht nur die Überführung von Wirtschaftsgütern in den Betrieb oder die Betriebstätte desselben Steuerpflichtigen oder in einen Betrieb, an dessen Betriebsvermögen (Kapital) der Steuerpflichtige als Unternehmer (Mitunternehmer) oder im Sinne des § 31 Abs 1 EStG 1972 beteiligt ist, sondern kommt auch dann zur Anwendung, wenn bei beiden Betrieben dieselben Personen die Geschäftsleitung oder die Kontrolle ausüben oder darauf Einfluß haben. Während ansonsten bei bloßem Inlandsbezug Identität von Geschäftsleitung, Kontrolle oder Einfluß, was immer darunter zu verstehen sein sollte, sowohl für die Frage der Gewinnrealisierung als auch der Bewertung irrelevant ist, werden im Falle des Auslandsbezuges diese Tatbestände zum Anlaß der Realisation im Falle der Betriebstättenüberführung und allgemein zum Anlaß der Bewertung zum Fremdvergleichspreis genommen. Auch darin liegt eine Unterscheidung, die nur vom Auslandsbezug als alleinigem Unterscheidungskriterium abhängt.

6. Der von § 6 Z 6 EStG 1972 vorausgesetzte Auslandsbezug entbehrt aber als Unterscheidungskriterium jeglicher Sachlichkeit. Der Verfassungsgerichtshof hat zwar ausgesprochen, daß den Besonderheiten von Auslandsbeziehungen im Steuerrecht Rechnung getragen werden kann (VfSlg 6369/71), das ist aber bei der Regelung des § 6 Z 6 EStG 1972 gar nicht der Fall. Der Zweck der Bestimmung könnte nämlich nur darin liegen, Gewinnverlagerungen in das Ausland zu vermeiden (Doralt, Kommentar § 6 Tz 327). Dieser Zweck wird aber nur hinsichtlich der Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland erreicht. Bei Überführung von Wirtschaftsgütern in das Inland tritt genau das umgekehrte Ergebnis ein. Hier werden durch Ansatz des Fremdvergleichspreises Gewinne der Besteuerung im Inland entzogen, die bei Bewertung der Einlage zum Teilwert, allenfalls aber auch zum gemeinen Wert, und insbesondere bei Buchwertfortführung im Betriebstättenfall der österreichischen Besteuerung unterlägen. Es ist nicht einzusehen, wieso eine generelle, auf den Zeitpunkt der Überführung (vor dem Verkauf an einen Dritten) vorgezogene Gewinnrealisierung bei Betriebstätten und eine generelle Bewertung zum Fremdvergleichspreis bei Auslandsbezug im Sinne des § 6 Z 6 EStG 1972 dem Zweck der Bestimmung gerecht werden könnte. Durch den von § 6 Z 6 EStG 1972 verlangten Auslandsbezug ebenfalls nicht gerechtfertigt werden kann das bloße Abstellen auf die Überführung von Wirtschaftsgütern und der Ausschluß anderer Leistungen. Das Geschäftsleitungs-, Kontroll- und Einflußkriterium erscheint überhaupt völlig willkürlich gewählt. Es läßt sich jedenfalls nicht mit Überlegungen der Verhinderung von mißbräuchlichen Steuerverkürzungen begründen, weil es auch zugunsten des Steuerpflichtigen bei der Überführung von Wirtschaftsgütern nach Österreich wirkt. Außerdem würde das Mißbrauchsargument alleine nicht die Sachlichkeit der Regelung begründen können (vgl VfSlg 10155/84 uva). Die Parallelität des § 6 Z 6 EStG 1972 zu den Art 7 Abs 2 und 9 OECD-Musterabkommen kann ebenfalls nicht die Sachlichkeit der Regelung begründen, weil es diesen Artikeln des OECD-Musterabkommens im Gegensatz zu § 6 Z 6 EStG 1972 nicht um die Begründung von Steuertatbeständen für den Steuerpflichtigen sondern um die Zuweisung von Besteuerungsrechten zwischen den vertragschließenden Staaten geht. Außerdem ist nicht einzusehen, wieso die Bestimmung für Betriebstätten generell und nicht bloß bei Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens und dann nur eines solchen mit Befreiungsmethode zum Zug kommen sollte, weil nur in diesen Fällen die Gefahr des Verlustes des Besteuerungsrechtes für Österreich besteht. § 6 Z 6 EStG 1972 verstößt aus diesen Gründen gegen den Gleichheitssatz (vgl dazu Lechner in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 225; Lang in Gassner-Lechner 246 ff; Gassner in Gassner-Lechner 40, 194 ff, 197 und 202 f. AM Beiser, ÖStZ 1991, 305)."

Darauf die Gegenschrift:

"Jeder Staat besteuert den Unternehmensgewinn, der einer auf seinem Staatsgebiet befindlichen Betriebsstätte zuzuordnen ist (im Wege der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 EStG oder im Wede der beschränkten Steuerpflicht nach § 98 Z 3 EStG, modifiziert und ergänzt durch Doppelbesteuerungsabkommen). Hat ein Einzelunternehmer in zwei Staaten Betriebsstätten und werden Wirtschaftsgüter (Leistungen) von einer Betriebsstätte in die Betriebsstätte des anderen Staates gebracht, so liegt für den Unternehmer (aus der Sicht seines Gesamtunternehmens) kein Umsatz vor. Für ertragsteuerliche Zwecke muß aber diese Leistung wie eine Leistung an einen fremden Abnehmer behandelt werden, also mit Absatzpreisen bewertet werden: in der Betriebsstätte des einen Landes als Betriebseinnahme, in der Betriebsstätte des anderen Landes als Betriebsausgabe. Nur auf diese Weise kann der Gewinn jeder Betriebsstätte ermittelt werden, an welchen das Besteuerungsrecht des jeweiligen Sitzstaates anknüpft. Liegen hingegen beide Betriebsstätten des Unternehmens in einem Staat, steht das Besteuerungsrecht ausschließlich diesem Staat zu; es ist für die Gewinnbesteuerung nicht entscheidend, in welcher der beiden Betriebsstätten der Gewinn erwirtschaftet worden ist. Der Fall, in welchem beide Betriebsstätten in unterschiedlichen Staaten liegen, ist daher nicht vergleichbar mit dem Fall, in welchem die Betriebsstätten sich in einem Staat befinden. Dieser Unterschied gebietet daher eine unterschiedliche steuerliche Behandlung.

§ 6 Z 6 EStG 1972 ist kein Nachteil für den Steuerpflichtigen. Die leistungserbringende Betriebsstätte wird so behandelt, als hätte sie die Leistung eines fremden Dritten erbracht; die leistungsempfangende Betriebsstätte wird so behandelt, als hätte sie die Leistung von einem fremden Dritten eingekauft. Nur diese Lösung ist sachgerecht, weil sie Besteuerungsrechte der betroffenen Staaten abgrenzt. Diese Lösung ist aber auch deshalb sachgerecht, weil sie der Verlagerung der Gewinne in sogenannte 'Steueroasen' vorbeugt und sich für die Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen als unentbehrlich erweist.

Die vorstehenden Überlegungen gelten in gleicher Weise, wenn grenzüberschreitende Leistungen nicht zwischen den Betriebsstätten eines einzigen Unternehmers, sondern zwischen Personen- bzw. Kapitalgesellschaften eines Konzerns erbracht werden. Würden grenzüberschreitende Leistungen zwischen verbundenen Personengesellschaften mit dem Teilwert bewertet, könnte nicht ermittelt werden, welcher Gewinn in welchem Staat erwirtschaftet wird. Damit wäre nicht nur die Möglichkeit der Verlagerung von Gewinnen in Staaten mit niedriger Steuerbelastung geschaffen, es würden auch die Doppelbesteuerungsabkommen unanwendbar (vgl. Loukota, Internationale Steuerfälle, Tz 71).

...

Die Lieferung von Wirtschaftsgütern ist mit Sicherheit der Hauptanwendungsfall des § 6 Z 6 EStG. Aus dem Zweck der Bestimmung erscheint der belangten Behörde die analoge Anwendung auf sonstige Leistungen (zB Vermieten von Wirtschaftsgütern über die Grenze) zwingend (vgl. Loukota, Internationale Steuerfälle, Tz 71).

...

Liefert eine ausländische Betriebsstätte unentgeltlich Waren an die inländische Betriebsstätte desselben Unternehmers, so will Österreich nur jenen Gewinn besteuern, der sich ergeben würde, wenn die inländische Betriebsstätte die Waren bei einem fremden Dritten (zu einem fremdüblichen Preis) eingekauft hätte. Nur diese Gewinnaufteilung entspricht dem internationalen Standard der Doppelbesteuerungsabkommen.

Es ist richtig, daß § 6 Z 6 EStG auch dann zur Anwendung kommt, wenn mit dem betroffenen ausländischen Staat kein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen ist. Österreich hat aber mit allen wichtigen Handelspartnern Doppelbesteuerungsabkommen; außerdem werden weitere Abkommen geschlossen werden. Zu beachten ist auch, daß bei Fehlen eines Abkommens das Bundesministerium für Finanzen idR aufgrund des § 48 BAO den Rechtsstand herbeiführt, der bei Bestehen eines Abkommens gelten würde (vgl. Loukota, Internationaler Steuerfall, Tz 418 ff).

Wenn die Beschwerde schließlich vorbringt, § 6 Z 6 EStG sei zwar bei Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens nach der Befreiungsmethode sinnvoll, nicht aber bei Doppelbesteuerungsabkommen nach der Anrechnungsmethode, so kann dem nicht zugestimmt werden. Auch bei der Anrechnungsmethode hat der Staat, der nicht Ansässigkeitsstaat ist, den Gewinn der auf seinem Staatsgebiet befindlichen Betriebsstätte 'richtig' zu ermitteln. Auch bei der Anrechnungsmethode muß der Ansässigkeitsstaat zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages den 'richtigen' Gewinn der ausländischen Betriebsstätte kennen."

Und die Replik:

"§6 Z 6 EStG 1972 stellt, trotz aller Rechtfertigungsversuche der belangten Behörde einen offensichtlichen legistischen Fehlgriff dar. Ziel der Bestimmung soll es nämlich sein, willkürliche Gewinnverlagerungen zu vermeiden. Genau das tritt aber durch die Bestimmung erst ein. Überführt beispielsweise ein deutscher Unternehmer aus seinem Betrieb in der BRD Wirtschaftsgüter in die österreichische Betriebsstätte, so hat er diese aus Anlaß der Überführung mit einem Fremdvergleichspreis zu bewerten. Bei einem anschließenden Verkauf fällt dann in Österreich kein steuerpflichtiger Gewinn an, auch wenn hier die Absatzleistung erst erbracht wird. In der BRD hat er aber den aus dem Ansatz des Fremdvergleichspreises resultierenden Gewinn auch nicht zu versteuern, weil dort kein Realisationstatbestand gegeben war. Es kommt daher zur doppelten Nichtbesteuerung. Dieses unsachliche und den Wettbewert zugunsten ausländischer Lieferanten verzerrende Ergebnis resultiert daraus, daß ohne sachliche Begründung eine Differenzierung in der Bewertung je nachdem erfolgt, ob ein grenzüberschreitender Vorgang vorliegt oder nicht. Kommt bei Entnahmen und Einlagen im Inland im Falle von Personenunternehmen und Betriebsstätten § 6 Z 4 und 5 EStG 1972 und bei Einlagen und verdeckten Gewinnausschüttungen bei Körperschaften § 8 KStG 1966 zum Zug, so ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum bei grenzüberschreitenden Vorgängen anders vorzugehen ist. Die Zielsetzung, internationale Gewinnverlagerungen zu vermeiden, kann die gesetzliche Differenzierung offenkundig entgegen der Ansicht der belangten Behörde überhaupt nicht rechtfertigen, weil sie mit ihr gar nicht erreicht, sondern sogar verhindert wird."

III. Die Beschwerde ist nicht

begründet.

1. Gegen die maßgeblichen Bestimmungen des EStG 1972 bestehen keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes des Art 18 Abs 1 B-VG.

Gemäß Art 18 Abs 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. In ständiger Rechtsprechung tut der Verfassungsgerichtshof nicht nur dar, daß daher bereits im Gesetz die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns umschrieben sein müssen (VfSlg. 8395/1978 und die dort genannten Beispiele aus der Vorjudikatur sowie VfSlg. 8813/1980, 9226/1981, 9606/1983, 10158/1984 und 11499/1987), sondern auch, daß bei Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung, soweit nötig, die der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen sind, und eine Regelung die in Art 18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse erst verletzt, wenn auch nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden kann, was im Einzelfall rechtens sein soll (VfSlg. 8395/1978, 10158/1984 und 11499/1987).

Nichts anderes gilt für das Steuerrecht. Es ist der Beschwerde zwar zuzugeben, daß die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für Regelungen im Bereich des Wirtschaftsrechtes keine so weitgehende gesetzliche Vorherbestimmung als erforderlich ansieht wie in Bereichen, in denen eine exaktere Determinierung möglich ist oder in denen "das Rechtsschutzbedürfnis (wie etwa im Strafrecht, im Sozialversicherungsrecht oder im Steuerrecht) eine besonders genaue gesetzliche Determinierung verlangt" (so der Prüfungsbeschluß in dem mit Erkenntnis VfSlg. 11938/1988 abgeschlossenen Verfahren betreffend das Börsegesetz). Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelung sein können, ist jedoch ganz allgemein davon auszugehen, daß Art 18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (Rill, Demokratie, Rechtsstaat und staatliche Privatwirtschaftsverwaltung, FS Wenger 1983, 57ff, 60; Korinek-Holoubek, Grundfragen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 1993, 60f, mwN). Im Sinn dieses differenzierten Verständnisses des Legalitätsprinzips weist auch das von der Beschwerde angezogene Erkenntnis VfSlg. 9227/1981 nur darauf hin, daß eine genauere Vorherbestimmung des verwaltungsbehördlichen Handelns (des Verordnungsgebers) möglich wäre und gerade im Bereich der Abgaben ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine exakte Regelung bestehe. Was möglich und erforderlich ist, kann aber nur im Hinblick auf die jeweils in Frage stehende Regelung, nicht von einem Rechtsgebiet als ganzem gesagt werden.

Ob und inwieweit die bloße Anknüpfung der Tatbestände des Finanzstrafrechts an das materielle Steuerrecht den rechtstaatlichen Anforderungen genügt (dazu VfSlg. 12947/1991), ist hier nicht zu prüfen, weil es nicht um strafrechtliche Fragen geht. Soweit sich die Beschwerde aber auf jene (nicht auf Art 18 B-VG gestützte, sondern zu Art 8 EMRK entwickelte) Rechtsprechung beruft, die bei eingriffsnahen Gesetzen verlangt, daß der Eingriffstatbestand besonders deutlich umschrieben wird (VfSlg. 10737/1985, 11455/1987), verkennt sie die besondere Aufgabe dieser Umschreibung, dem Eingriff im Hinblick auf das betreffende Grundrecht überhaupt erst konkrete Schranken zu setzen, eine Aufgabe, die abgabenrechtliche Normen in bezug auf das Eigentumsrecht bereits von vornherein erfüllen.

Gemessen am Maßstab des Art 18 B-VG erwecken die Beschwerdevorwürfe im Gerichtshof jedoch keine Bedenken wegen Unbestimmtheit der gerügten Vorschriften.

a) § 4 Abs 1 EStG verwendet die Begriffe Betriebsvermögen und Wirtschaftsgut. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Beginn und am Ende des Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen, bildet als Gewinn die Grundlage der Besteuerung. Entnahmen und Einlagen betreffen Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige für sich, seinen Haushalt oder andere betriebsfremde Zwecke entnimmt (das Gesetz zählt neben Barentnahmen Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen auf) oder dem Betrieb zuführt. § 4 Abs 2 geht davon aus, daß die Vermögensübersicht (Bilanz) des Steuerpflichtigen neben den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes auch den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht: soweit das nicht der Fall ist, ist sie nämlich auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt zu berichtigen.

Daß die Begriffe Betriebsvermögen und Wirtschaftsgut für sich allein oder im Hinblick auf die Ziele des Gesetzes schon derart unbestimmt wären, daß eine befriedigende Auslegung nicht möglich ist, kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden. Die große Vielfalt der tatsächlichen Erscheinungen wird gewiß Grenzfälle enthalten, aber darin unterscheiden sich diese Begriffe nicht von anderen Begriffen der Rechtsordnung. Daß der Wert von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen gehört, außer Ansatz bleibt (§4 Abs 1 letzter Satz), macht nichts unklar.

Gleichfalls wiederholt hat der Gerichtshof ferner zum Ausdruck gebracht, daß der Gesetzgeber berechtigt ist, an außerrechtliche Verhaltensmuster und -regeln anzuknüpfen. So kann zum Beispiel dem Begriff "Billigkeit" (in einem gegebenen Zusammenhang) im Hinblick auf die bestehenden gesellschaftlichen Auffassungen ein konkreter Inhalt beigemessen (VfSlg. 4293/1962), der Begriff Standespflichten aus den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen und gefestigten Gewohnheiten des jeweiligen (Berufs-)Standes festgestellt (VfSlg. 11776/1988 mwN) oder die Höhe der Stundungszinsen (§212 BAO) an dem von der Nationalbank jeweils zu ganz anderen Zwecken festgesetzten Diskontsatz ausgerichtet werden (VfSlg 11281/1987). In zentralen Bereichen der Rechtsordnung verwendet der Gesetzgeber angesichts der Vielfalt der zu erfassenden Sachverhalte von jeher unbestimmte Rechtsbegriffe, die in ähnlicher Weise auf gesellschaftliche Verhaltensmuster und -regeln zurückgreifen (ohne freilich bereits Gegenstand verfassungsgerichtlicher Prüfung gewesen zu sein). So hat - um nur die grundlegenden Verhaltensregeln des täglichen Lebens zu nennen - jedermann die "gehörige Aufmerksamkeit" und den "gehörigen Fleiß" aufzuwenden, damit ein anderer nicht widerrechtlich beschädigt wird (§1294 ABGB), und den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zu vertreten, wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerk öffentlich bekennt (§1299 ABGB), hat der Verpflichtete aus bestimmten Handelsgeschäften für die Sorgfalt eines "ordentlichen Kaufmannes" (§347 HGB) und der Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH für die Sorgfalt eines "ordentlichen Geschäftsmannes" (§25 Abs 1 GesmbH) einzustehen und haben die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft die Sorgfalt eines "ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters" anzuwenden (§84 AktienG), wie in Beziehung auf ein schon bei Fahrlässigkeit strafbares Verhalten jedermann die Sorgfalt zu üben hat, "zu der er nach den Umständen verpflichtet ... und die ihm zuzumuten ist" (§6 StGB), ohne daß dem Gesetz unmittelbar zu entnehmen wäre, was im Sinne dieser Vorschriften "gehörig", "notwendig", "erforderlich", "ordentlich" und "gewissenhaft" oder "nach den Umständen" geboten und "zuzumuten" ist.

Der Begriff "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" entstammt § 38 HGB (vom 10. März 1897, dRGBl 219, in Österreich eingeführt am ), der jeden Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen ("Grundsätze ordnungsmäßiger Buchhaltung" waren in Österreich auch schon unter der Herrschaft des Allgemeinen Handelsgesetzbuches, RGBl. 1/1863, maßgeblich, vgl. Pisko, Lehrbuch des Österreichischen Handelsrechtes, 1923, 83). Die vom Gesetz bezogenen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung stammen in ihrer ursprünglichen Form also aus dem 19. Jahrhundert; zur Zeit der Einführung dieses Begriffs in das Steuerrecht (gleichfalls reichsdeutschen Ursprungs) hatten sich in der Praxis der Buchführung solche Grundsätze längst gebildet. Sie werden bei Anwendung der einschlägigen Steuergesetze seither auch tatsächlich herangezogen. Daß sie im Laufe der Zeit allmählichen Veränderungen ausgesetzt waren und sind, verschlägt nichts. Weder die umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch jene des Verfassungsgerichtshofes lassen am Vorhandensein solcher Grundsätze und ihrer Bestimmbarkeit zweifeln. Während der Verfassungsgerichtshof beispielsweise nicht finden konnte, daß der - den Kern der unternehmerischen Entscheidung berührende - Begriff einer "durch die Sachlage gebotenen Kapitalzuführung" (§3 Abs 1 KapitalverkehrsteuerG) einen objektiv bestimmbaren Inhalt hätte (VfSlg. 5993/1969), ist er etwa im Erkenntnis VfSlg. 6928/1972 (zum EStG 1967) und unter Bezugnahme auf weiterführende Rechtsprechung (VfSlg. 5025/1965, 8479/1979 und 9416/1982) im Erkenntnis VfSlg. 9518/1982 (zum EStG 1972) ohne Bedenken von der Feststellbarkeit der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ausgegangen und hat darüber hinaus den Begriff Wirtschaftsgut als "der Vollziehung durchaus zugänglich" bezeichnet.

Soweit handelsrechtliche Vorschriften nicht nur allgemeine Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung kodifizieren, sondern auch "rechtsform- oder branchenspezifische" Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung aufstellen, ist deren Reichweite eine Frage nach dem Geltungs- und Anwendungsbereich der betreffenden Vorschrift; gegebenenfalls ist die Frage des Vorranges des Steuerrechtes, auch wenn sie sich im Verhältnis zu den allgemeinen Grundsätzen wegen gleichen Inhaltes nicht stellt, im Verhältnis zu den Sondervorschriften besonders zu prüfen. Die §§4 Abs 2 und 5 EStG 1972 werden dadurch nicht unbestimmt.

Daß in einem Rechtsgebiet mit derart polarisierten Interessen angesichts einer Vielfalt von unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten sich Lehre, Vertretungspraxis und Finanzverwaltung besonders erfindungsreich zeigen und die unterschiedlichsten Auslegungsmöglichkeiten entwickeln und zu praktizieren versuchen, ja selbst die Rechtsprechung bisweilen schwankt oder gar zu widersprüchlichen Entscheidungen gelangt, ist weder ein Zeichen besonderer Unbestimmtheit der betroffenen Vorschriften noch die Eigenheit des Steuerrechtes überhaupt. Es ist ein leichtes, ähnliche Kataloge von strittigen Grundsatzfragen und ungelösten Detailproblemen auch für andere Rechtsgebiete aufzustellen. Der von der Beschwerde unterstrichene Umstand, daß das Finanzamt oder der Steuerpflichtige unter Bezugnahme auf eine bestimmte Literatur oder Judikatur die Richtigkeit einer bestimmten Auslegung behauptet, während die andere Seite unter Bezugnahme auf gegenteilige Literatur und Rechtsprechung das genaue Gegenteil für richtig hält, ist geläufig; daß beides "mit gleicher Berechtigung" geschehe, nimmt aber das zu Beweisende vorweg.

Soweit dem Bilanzsteuerrecht das Fehlen einer einheitlichen Zielsetzung und Systematik vorgeworfen wird, die zur Interpretation herangezogen werden könnte, verkennt die Beschwerde, daß aus der unterschiedlichen Zielsetzung von Handelsrecht und Steuerrecht keine Unbestimmtheit steuerrechtlicher Normen abgeleitet werden kann. Wie stark das Steuerrecht vom Handelsrecht abweicht, ist nicht für die Zulässigkeit der Anknüpfung an das Handelsrecht entscheidend, sondern nur für deren Zweckmäßigkeit. Das nach Darstellung der Beschwerde verloren gegangene Streben nach Gleichklang von Handels- und Steuerbilanz wird eben aufgrund der gewonnenen Erfahrungen zunehmend durch andere Zielsetzungen überlagert. Es steht dem Gesetzgeber aber frei, gewählte Ziele in Abwägung mit anderen nur teilweise zu verfolgen und selbst gesetzte Ordnungssysteme auch wieder zu durchbrechen (VfSlg. 9138/1981 mwN, 10405/1985; zur Bedeutung des Gleichheitssatzes in diesem Zusammenhang vgl. unten). Den Vorrang steuerrechtlicher Vorschriften bringen die §§4 und 5 EStG 1972 klar zum Ausdruck.

b) Was die Vorschriften über den Umfang und Ansatz des Betriebsvermögens betrifft, sieht die Beschwerde die Unbestimmtheit etwa darin, daß Regelungen über die Zulässigkeit sogenannten "gewillkürten" Betriebsvermögens fehlen. Ob und wieweit unternehmerische Dispositionsmöglichkeiten jedoch mit dem Zweck des steuerlichen Betriebsvermögensvergleiches vereinbar sind, kann nach Einschätzung des Verfassungsgerichtshofes durchaus geklärt werden. Der Gerichtshof kann jedenfalls nicht erkennen, warum eine Auslegung unter Bedachtnahme auf das steuerliche Ziel des Betriebsvermögensvergleiches nicht zu einer ausgewogenen Berücksichtigung der Interessen der Finanzverwaltung und des Steuerpflichtigen führen sollte. Ob Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen und Bilanzierungshilfen nur dort in Anschlag gebracht werden können, wo die periodengenaue Gewinnermittlung umfassend stattzufinden hat, oder auch unter weniger strengen Voraussetzungen, läßt sich durch den Rückgriff auf den bereits genannten Zweck der unterschiedlichen Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 und § 5 entscheiden.

Was die Beschwerde sonst zur Frage der Zulässigkeit von Rückstellungen vorbringt, ist nichts als die Wiederholung ihrer allgemeinen Vorwürfe in bezug auf einzelne Rechnungsposten. Es wäre aber kein zur Unbestimmtheit führender Widerspruch, wenn "das Steuerrecht im Interesse der gleichmäßigen Besteuerung wahlrechtsfeindlicher" sein sollte als das Handelsrecht, zugleich aber selbst bestimmte Wahlrechte bei der Bewertung vorsehen würde, und es ist nicht einzusehen, warum nicht durch Auslegung klärbar sein sollte, ob aus der Regelung über die Zulässigkeit von Abfertigungs- und Pensionsrückstellungen in § 14 EStG 1972 ein Gegenschluß oder ein Analogieschluß (Größenschluß) zu ziehen ist.

Auch in ihren Vorwürfen wegen Fehlens von Bewertungsregeln geht die Beschwerde - wie die Gegenschrift zutreffend bemerkt:

entgegen ihren eigenen Behauptungen - von der Bestimmtheit der handelsrechtlichen Vorschriften aus (führen sie doch nach ihrem Vorbringen regelmäßig zu einem höheren Rückstellungsbetrag, wobei die Übernahme des handelsrechtlichen Wertansatzes gar nicht einsichtig sei). Vom Fehlen steuerlicher Bewertungsregeln kann aber ohnedies nicht die Rede sein (vgl. §§6ff). Daß auch sie Zweifels- und Streitfragen aufwerfen, zeigt noch nicht deren Unlösbarkeit auf. Vor allem ist unerfindlich, warum es eine Unklarheit bedeuten soll, wenn sich die Begriffe (zB der Anschaffungs- oder Herstellungskosten) nicht decken. Steht doch außer Zweifel, daß im Steuerrecht die steuerliche Begriffsbildung vorginge. Ob die Bewertung nach dem Teilwert zweckmäßiger- oder unzweckmäßigerweise angewendet wird, ob der Teilwert leichter oder schwerer festzustellen ist und wie sich der Teilwertbegriff zu anderen Wertbegriffen verhält, hat mit der Bestimmtheit des Gesetzes nichts zu tun.

c) Die Unklarheit der Bewertungsregel des § 6 EStG 1972 ergibt sich nach der Beschwerde vor allem aus den Voraussetzungen ihrer Anwendung, weil dem anderen Betrieb des Steuerpflichtigen, in dem ein Wirtschaftsgut überführt werde, der Fall gleichgestellt werde, daß beim empfangenden und beim überführenden Betrieb dieselben Personen die Geschäftsleitung oder die Kontrolle ausüben oder darauf Einfluß haben. In Verbindung mit "Geschäftsleitung" und "Kontrolle" werde der Begriff "Einfluß" vollends uninterpretierbar. Ferner lasse das Abstellen auf "Wirtschaftsgüter" in Verbindung mit dem Vergleichsfall der "Lieferung oder sonstigen Leistung" offen, ob die Korrektur bloß bei der Überstellung körperlicher Wirtschaftsgüter oder auch bei Nutzungsüberlassungen und Dienstleistungen, offenen oder auch versteckten Nutzungseinlagen oder -entnahmen nötig ist. Auch konkurriere § 6 Z 6 mit den Vorschriften zur Einlage- und Entnahmebewertung in § 6 Z 4 und 5 EStG 1972 und jenen zur Bewertung offener und verdeckter Einlagen in Körperschaften und von verdeckten Gewinnausschüttungen. Unklar sei schließlich, welcher Bewertungsmaßstab mit der Fremdbewertung wirklich angesprochen sei.

Der Verfassungsgerichtshof hält diese Vorschrift nach ihrem Zweck und dem Zusammenhang ihrer Begriffe nicht für unbestimmter als andere Regelungen mit dem Ziel, die mannigfaltigen Gestaltungsmöglichkeiten des Steuerpflichtigen so zu erfassen, daß die gleichmäßige Ausübung des inländischen Besteuerungsrechtes möglich wird. Was das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 EStG 1972 daran ändern soll, ist unerfindlich.

d) Auch die allgemeinen Ausführungen der Beschwerde über das Gewicht der vorgetragenen Bedenken erwecken beim Verfassungsgerichtshof keine Zweifel unter dem Gesichtspunkt des Art 18 B-VG. Selbst wenn die meisten maßgeblichen Begriffe unscharfe Ränder aufwiesen oder auf den ersten Blick mehrdeutig wären und sich Judikatur und Literatur oft "mehr auf richterrechtliche Grundsätze" stützten und daraus weitere Ableitungen vornähmen, rechtfertigte das noch nicht den Schluß, die Besteuerung protokollierter Kaufleute sei in ihren Grundlagen zweifelhaft.

Mit der Frage, welches Steueraufkommen auf Basis der kritisierten Bestimmungen erzielt wird und welche unterschiedlichen Folgen unterschiedliche Auslegungen haben können, hat die Frage der Bestimmtheit dieser Vorschriften gleichfalls nichts zu tun. Die Zahl der betroffenen Fälle und das Gewicht der Folgen machen nur verständlich, warum zu allen auftretenden Problemen alle nur irgendwie denkbaren Lösungsvarianten immer wieder vertreten werden. Wenn - wie die Beschwerde meint - eine gewissenhafte Anwendung der steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften erfordern würde, daß die Abweichungen (des Steuerrechtes vom Handelsrecht) für die einzelnen Geschäftsvorfälle festgehalten werden, "was ein eigenes Rechenwerk für Steuerzwecke erfordern würde, das regelmäßig nicht vorhanden ist", so bleibt offen, was ein vom Handelsrecht völlig gelöstes Steuerbilanzrecht an diesem Befund ändern sollte. Ob ein der Regelung für die Gewerbesteuer entsprechendes System taxativer Hinzurechnungen und Kürzungen des (wie immer?) errechneten Gewinnes gleichfalls möglich und etwa gar zweckmäßiger wäre, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.

2. Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Ungleichbehandlung eingetragener und nicht eingetragener Gewerbetreibender oder eingetragener Gewerbetreibender und eingetragener selbständig Tätiger sowie der Überführung von Wirtschaftsgütern an einen anderen Betrieb mit und ohne Auslandsbezug ist auch unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes nicht bedenklich.

a) Daß nur bei Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 Grund und Boden anzusetzen ist, der Umfang des Betriebsvermögens willkürlich bestimmt und ein abweichendes Wirtschaftsjahr gewählt werden kann, der Ansatz von Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten geboten ist und außerhalb des Bereiches besonderer steuerlicher Ansatz- und Bewertungsvorschriften die (handelsrechtlichen) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung anzuwenden sind, ergibt sich aus der Eigenart kaufmännischer Buchführung und ist - wie die Beschwerde selbst einräumt - in der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als sachlich gerechtfertigt angesehen worden. Dabei hat der Gerichtshof aber - entgegen der Darstellung der Beschwerde - in VfSlg. 6928/1972 nicht auf die besondere Stellung von gewerbetreibenden Vollkaufleuten abgestellt, sondern auf das angestrebte Ziel, zum Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung an den Inhalt von Geschäftsaufzeichnungen keine geringeren Anforderungen zu stellen als zum Schutz der besonderen Bedürfnisse des Handelsverkehrs, die Absicht also, auch für steuerliche Zwecke ein vollständiges anstelle eines unvollständigen Vermögensverzeichnisses zu fordern. Die Aufzählung von Vollkaufleuten ohne Handelsregistereintragung und von Eingetragenen ohne Gewerbebetrieb geht daher an maßgebenden Überlegungen vorbei. Ob es der Gleichheitssatz geboten hätte, Genossenschaften im Hinblick auf ihre Eintragung im Genossenschaftsregister unter § 5 EStG 1972 zu subsumieren, kann aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens offenbleiben; ein allfälliger Fehler fiele angesichts der Möglichkeit, im Falle gleicher Rechtsfolgen die Eintragung ins Genossenschaftsregister der Eintragung ins Handelsregister gleichzustellen, nicht § 5 EStG 1972, sondern der Auslegung zur Last. Gleiches gilt für die Frage, welche Buchführungspflicht Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts oder andere Steuerpflichtige getroffen hat.

Der Beschwerde ist einzuräumen, daß die mit der Handelsregistereintragung verbundene kaufmännische Buchführungspflicht es nahelegt, auch Steuerpflichtige, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehen, im Falle ihrer Registrierung der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972 zu unterwerfen; ist doch auch bei dieser Einkunftsart der Gewinn maßgeblich (§2 Abs 4 Z 1 EStG 1972). Der Verfassungsgerichtshof hält es aber nicht für unsachlich, wenn der Gesetzgeber bei ausnahmsweiser Zulässigkeit der Registereintragung innerhalb dieser Einkunftsart keine Abweichungen betreffs der Gewinnermittlung vorsehen würde. Denn er muß von der Möglichkeit, sich die höheren Anforderungen des Handelsrechtes für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung in einem Bereich zunutze zu machen, für den diese Anforderungen häufig sind, nicht auch im Bereich von Tätigkeiten Gebrauch machen, für die solche Anforderungen eine Ausnahme darstellen. Wenn ihm diesfalls die Gleichbehandlung innerhalb der Einkunftsart wichtiger erscheint als das mit § 5 EStG 1972 erstrebte Ziel, hindert ihn sein Vorgehen in bezug auf Gewerbetreibende nicht daran, bei Angehörigen freier Berufe insoweit auf die Unterscheidung zu verzichten.

b) Der von § 6 Z 6 EStG 1972 für die grenzüberschreitende Überführung von Wirtschaftsgütern in einen anderen Betrieb desselben Steuerpflichtigen angestrebte Zweck, die Ausübung des Besteuerungsrechtes bei Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland zu sichern, rechtfertigt die Erfassung aller Überlassungen, die Bewertung aufgrund des sogenannten Fremdvergleichspreises und die Besteuerung eines Vorganges, auch wenn er noch keinen Gewinn verwirklicht hat. Daß die Gewinnverlagerung ins Ausland nur bei der Überführung ins Ausland vermieden wird, nicht aber bei einer Überführung ins Inland, liegt in der Natur der Sache. Wird das Wirtschaftsgut aus einem im Ausland gelegenen Betrieb ins Inland überführt, so dient die Vorgangsweise bloß der Beschränkung der eigenen Besteuerung; das in der Replik dargestellte eigenartige Ergebnis tritt nur ein, wenn der fremde Staat nicht eine vergleichbare Regel befolgt.

3. Die Anwendung des § 14 EStG 1972 auf die Rückstellung für Jubiläumsgelder und Geburtstagsprämien ist nicht denkunmöglich.

§ 14 EStG 1972 enthält in der Fassung des 2. Abgabenänderungsgesetzes 1977 nähere Vorschriften über die Vorsorge für Abfertigungen und Pensionen. Nach Meinung der belangten Behörde ist das eine Sondervorschrift für das Sozialkapital, die von der handelsrechtlichen Lage abweicht. Für Jubiläumsgelder und Geburtstagsprämien liege eine Regelungslücke vor. Die Wertungen, die den Gesetzgeber zur einschränkenden Regelung betreffend Abfertigungen bewogen hätten, seien auch auf die nicht geregelten Fälle zu übertragen. Eine Rückstellung setze daher voraus, daß die Gelder aufgrund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen gewährt würden; das sei nicht der Fall.

Die Beschwerde räumt ein, daß § 14 EStG 1972 verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. VfSlg. 8457/1978, womit ein Aufhebungsantrag von Abgeordneten zum Nationalrat abgewiesen wurde), hält ihn aber auf Jubiläumsgelder und Geburtstagsprämien nicht für anwendbar. Es handle sich um eine Sonderregelung über Abfertigungen und Pensionen. Anhaltspunkte für eine weitergehende Absicht des Gesetzgebers fehlten; es bestehe also keine Regelungslücke. Außerdem seien an eine steuerverschärfende Analogie strenge Voraussetzungen zu stellen; so sei

"... aus rechtstaatlicher Sicht von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit steuerverschärfender Analogie auszugehen (Ruppe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 68). Ein Ähnlichkeitsschluß zu Lasten des Steuerpflichtigen wird deshalb nur ausnahmsweise zulässig sein, wenn einwandfrei eine offene Lücke festgestellt wird, somit die planwidrige Unvollständigkeit durch Auslegung mit Gewißheit aus dem Gesetz abgeleitet werden kann und wenn ebenso einwandfrei feststeht, daß keine Bedenken bestehen, die Wertungen, die für den geregelten Fall gelten, auf den nicht geregelten zu übertragen (Ruppe in Gassner-Lechner, Steuerbilanzreform 68). Das Herauslassen eines bestimmten Sachverhaltes aus der Besteuerung müßte dann als schwerer Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit des Steuerrechtes gewertet werden; ist aber von der ratio legis her eine derartig weitgehende Ähnlichkeit nicht gegeben oder sind die der Norm zugrunde liegenden Wertungen gar nicht eindeutig zu ermitteln, so ist eine analoge Anwendung nicht angebracht (Doralt-Ruppe II2 168)".

§ 14 EStG 1972 sei aber als bloß rechtspolitisch motivierte Sondervorschrift (für eine sachlich abgegrenzte Erscheinung) nicht analogiefähig.

Der Verfassungsgerichtshof braucht aus Anlaß des vorliegenden Falles die Grenzen der Analogie im Steuerrecht nicht allgemein zu bestimmen (vgl. zB VfSlg. 10028/1984 einerseits, 10612/1985 und 10720/1985 andererseits, wobei nur die Notwendigkeit verfassungskonformer Interpretation den Verfassungsgerichtshof bestimmt, zwischen Analogie und Gegenschluß eine Entscheidung zu treffen). Es handelt sich um eine Frage der Auslegung, welche Bedeutung § 14 Abs 1 EStG 1972 für privatautonom gestaltete Arbeitgeberleistungen hat. Dem Gesetzgeber könnte nicht entgegengetreten werden, wenn er für Jubiläumsgelder und Geburtstagsprämien, die gleichfalls langjährige Dienstleistungen entlohnen, eine Passivierung wie bei Abfertigungen und Pensionen nur zulassen wollte, wenn Kollektivverträge zur Zahlung zwingen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist daher der Schluß, daß für derartige Sozialleistungen nichts anderes gilt, nicht zu beanstanden. Im übrigen hat ihn der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile als gesetzwidrig erkannt (Z90/14/0073 vom ).

Die gerügten Rechtsverletzungen liegen also nicht vor. Auch sonst ist die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte oder eine Rechtsverletzung durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm nicht hervorgekommen. Die Beschwerde ist daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).