OGH vom 30.07.2013, 8ObA5/13p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** M*****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 127.658,07 EUR samt Anhang (Revisionsinteresse), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 113/12x 56, mit dem das Teil- und Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 14 Cga 20/09a 47, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.208,24 EUR (darin 368,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger betrieb als selbstständiger Unternehmer seit 1994, zuletzt aufgrund von Pachtverträgen vom und vom , eine Bedienungstankstelle der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin. Die in den letzten beiden Pachtverträgen vereinbarten Bedingungen brachten aus Sicht des Klägers gegenüber seiner früheren Rechtsposition eine wirtschaftliche Verschlechterung mit sich. Trotz Warnung seines Steuerberaters akzeptierte er die Änderungen deswegen, weil die Beklagte ihm signalisiert hatte, andernfalls das Vertragsverhältnis zu beenden. Der Kläger sah für sich keine berufliche Alternative, er hegte vage Hoffnungen auf eine Besserung der Ertragslage und meinte, dass ihn der Verlust der Tankstelle in seiner sozialen Lage schwerer treffen würde als die Verschlechterungen. Der Beklagten waren diese Beweggründe ebenso bekannt wie der Umstand, dass die Tankstelle unter den mit dem Kläger zuletzt vereinbarten Bedingungen auch bei höchstem Arbeitseinsatz wirtschaftlich nicht überlebensfähig war.
Der Kläger führte den Verkauf von Treibstoff und Heizöl im Namen der Beklagten und auf deren Rechnung durch. Alle anderen an der Tankstelle gehandelten Waren verkaufte er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Mit Schreiben vom erklärte er gegenüber der Beklagten den Austritt aus dem Pachtvertrag.
Gestützt auf das Vorbringen, die Tankstellenpachtverträge vom und seien wegen Wuchers und Ausnützung einer Zwangslage nichtig, begehrte der Kläger in seiner vorliegenden (Wider-)Klage zuletzt die Differenz zwischen seinen vom bis erzielten Überschüssen und einem für seine in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitsstunden angemessenen Unternehmerlohn (135.495,68 EUR) aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung, außerdem machte er einen Ausgleichsanspruch gemäß § 24 Abs 1 HVertrG für das Wasch- und Shopgeschäft (40.600,80 EUR) geltend.
Das Erstgericht gab mit Teil- und Zwischenurteil dem Klagebegehren im Umfang von 130.214,08 EUR brutto abzüglich 2.130 EUR netto unter Abweisung des Mehrbegehrens statt, es sprach aus, dass die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und stellte fest, dass der Ausgleichsanspruch für den Vertrieb von Schmierstoffen und Spezialitäten der Beklagten, aber nicht für das Wasch- und Shopgeschäft, dem Grunde nach zu Recht bestehe.
Die beiden angefochtenen Pachtverträge seien unter Ausnützung einer der Beklagten bekannten Zwangslage und wirtschaftlichen Unvernunft des Klägers zustandegekommen, sie seien wucherisch im Sinne des § 7 Abs 1 WucherG und § 879 Abs 2 Z 4 ABGB und daher zur Gänze nichtig. Die wechselseitigen Vorteile aus den nichtigen Geschäften seien ex tunc zurückzustellen. Soweit dies nicht tunlich oder möglich sei, habe der Empfänger den Wert der Sache im Zeitpunkt des Empfangs zu ersetzen. Der zugesprochene Betrag sei der für die Arbeitsleistungen des Klägers angemessene Unternehmerlohn mit den darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen, unter Abzug der tatsächlich erwirtschafteten Überschüsse und der (nach Meinung des Erstgerichts als Nettobezug zu behandelnden) Trinkgelder. Die Gegenforderung der Beklagten, die auf Rückzahlung des bereits bezahlten Ausgleichsanspruchs für das Tankstellengeschäft infolge Wegfalls der Vertragsgrundlage gerichtet war, bestehe nicht zu Recht, weil der Beklagten auch die damit abgegoltenen Vorteile verblieben seien.
Das von beiden Streitteilen angerufene Berufungsgericht gab nur dem Rechtsmittel der Beklagten Folge. Es änderte das erstinstanzliche Teil und Zwischenurteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens, soweit es auf Zahlung von Unternehmerlohn gerichtet war.
Das Erstgericht habe die Rechtsgrundlagen für die Annahme des Wuchertatbestands und die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des nichtigen Vertrags zutreffend beurteilt. Allerdings sei der als Ausgleich für die vom Kläger erbrachten Leistungen zuerkannte fiktive Unternehmerlohn dem Wesen nach eine Forderung für „Arbeiten und sonstige Leistungen in einem geschäftlichen Betrieb“, die gemäß § 1486 Z 1 ABGB der kurzen, bei erstmaliger Geltendmachung am bereits abgelaufenen Verjährungsfrist unterlägen. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Anwendung des § 1486 ABGB auf den Rückabwicklungsanspruch eines Tankstellenpächters wegen Nichtigkeit des Pachtvertrags bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Die Rückforderung von Leistungen, die auf der Grundlage verbotener oder nach § 879 ABGB sittenwidriger Verträge erbracht wurden, regelt § 877 ABGB (RIS-Justiz RS0016323), Inhalt und Umfang des Anspruchs nach § 877 ABGB richten sich nach den allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen, im Fall des Wuchers insbesondere nach § 7 WuchG (7 Ob 50/10v mwN; RIS-Justiz RS0016321).
Nach § 7 Abs 1 WuchG hat jeder der beiden Teile alles zurückzustellen, was er aus dem nichtigen Geschäft zu seinem Vorteil erhalten hat; Geldzahlungen sind mit den gesetzlichen Zinsen vom Empfangstag zurückzuerstatten, die übergebenen Sachen zurückzustellen oder deren Wert zur Zeit des Empfangs zu ersetzen, die auf die Sache gemachten notwendigen und nützlichen Aufwendungen zu ersetzen und für die Benützung und die Entwertung der Sache in der Zwischenzeit eine angemessene Vergütung zu leisten.
Die strittigen Tankstellenpachtverträge wurden erst rund vier Jahre nach vorzeitiger Beendigung der Vertragsbeziehung der Streitteile durch den Kläger angefochten. Selbst wenn man mit den Vorinstanzen davon ausgehen will, dass hier eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung der wechselseitig erbrachten Leistungen dennoch ohne Schwierigkeiten ex tunc möglich ist, kann sie nur in Geldersatz, hinsichtlich der Arbeitsleistung des Klägers in Form einer ihrem Wert entsprechende Entlohnung, bestehen.
2. Die Nichtigkeit des Vertrags aus dem Grund des § 879 ABGB und die sich aus der Beseitigung des Vertrags ergebenden Rückforderungsansprüche können nach § 1479 ABGB grundsätzlich innerhalb von 30 Jahren geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0016466; RS0038328; RS0020167; RS0127654). Die lange Verjährungsfrist gilt nach ständiger Rechtsprechung als Auffangtatbestand in all jenen Fällen, in denen das Gesetz keine besondere Frist vorsieht (RIS-Justiz RS0086687).
Nach § 1486 ABGB sind insbesondere Forderungen für Lieferung von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb (Z 1) und auch Forderungen der Dienstnehmer wegen des Entgelts und des Auslagenersatzes aus den Dienstverträgen von Hilfsarbeitern, Taglöhnern, Dienstboten und allen Privatbediensteten, sowie der Dienstgeber wegen der auf solcher Forderungen gewährten Vorschüsse (Z 5) in drei Jahren verjährt.
3. Die von der Revision bekämpfte Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass diese dreijährige Frist auch auf Kondiktionsansprüche aus einem ungültigen, ansonsten aber § 1486 ABGB unterliegenden Rechtsgeschäft anzuwenden ist, kann sich - ungeachtet einzelner kritischer Stimmen (vgl Werderitsch , Zur Verjährung von Bereicherungsansprüchen kurz oder lang?, Zak 2008, 263 mwN) auf eine gefestigte Lehre und Rechtsprechung stützen ( Mader/Janisch in Schwimann ³, § 1486 ABGB Rz 4; Rummel in Rummel ABGB³ § 1431 Rz 12; Dehn in KBB³, § 1486 ABGB Rz 2; RIS-Justiz RS0018505).
Grundsätzlich sollen die kurzen Verjährungsfristen für jene Arten von Geschäften, bei denen typischerweise nach längerer Zeit Beweisschwierigkeiten auftreten, nach der Intention des Gesetzgebers dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit entgegenkommen (RIS-Justiz RS0120486); diese Überlegung trifft auf die Erfüllung genauso wie auf die Rückabwicklung eines solchen Geschäfts zu. In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wurde die dreijährige Verjährungsfrist beispielsweise für die Rückforderung einer im geschäftlichen Betrieb vorgenommenen irrtümlichen Leistung in vermeintlicher Erfüllung bestehender vertraglicher Verbindlichkeiten bejaht (1 Ob 32/08z; 10 Ob 148/05w), für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und für Kondiktionsansprüche aus zweckverfehlenden Arbeitsleistungen ( Mader/Janisch aaO § 1486 ABGB Rz 4, 19; RIS Justiz RS0123539; RS0124811; RS0020167) bejaht.
Die von der Revision für ihre gegenteilige Ansicht ins Treffen geführten Judikaturbeispiele betrafen Forderungen aus nichtigen Geschäften, die unter keinen der gesetzlichen Ausnahmetatbestände mit kurzer Verjährungsfrist zu subsumieren waren (3 Ob 66/06m: Aufhebung eines unbefristeten Mietvertrags und daraus abgeleiteter Räumungsanspruch; 2 Ob 322/00t: Rückabwicklung eines sittenwidrigen entgeltlichen Verzichts auf Vaterschaftsbestreitung).
4. Der Tankstellenpachtvertrag mag, wie die Revision betont, zwar an sich ein komplexer, im Gesetz nicht typisierter Vertrag sein, diese Eigenschaften treffen aber nicht auf den hier vom Kläger im Wege der Kondiktion geltend gemachten Anspruch auf Entlohnung von bestimmten, innerhalb eines festgelegten Zeitraums geleisteten Arbeitsstunden zu. Wenn das Berufungsgericht das strittige Entgelt für diese Arbeitsleistungen eines selbstständigen Tankstellenpächters als Forderung iSd § 1486 Z 1 ABGB für die Ausführung von Arbeiten in seinem geschäftlichen Betrieb beurteilt hat, ist darin kein vom Obersten Gerichtshof aufzugreifender grober Rechtsirrtum zu erblicken.
Der Einwand des Klägers, er sei wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht wie ein Unternehmer, sondern eigentlich arbeitnehmerähnlich tätig gewesen, ist schon deswegen nicht näher zu prüfen, weil sein Begehren bei allfälliger Qualifikation als Entgeltforderung eines (freien) Dienstnehmers gleichfalls der kurzen Verjährungsfrist unterliegen würde.
5. Die Verjährung der Kondiktion ist von der Verjährung des Rechts auf Vertragsanfechtung unabhängig (RIS-Justiz RS0033659). Dies begründet keinen unlösbaren Widerspruch; gerade im Fall von Dauerschuldverhältnissen kann die Anfechtung eines Vertrags auch dann noch für den dazu Berechtigten sinnvoll sein, wenn Kondiktionsansprüche nicht mehr für die gesamte bereits abgelaufene Vertragsdauer bestehen.
Das Revisionsvorbringen, dem Kläger sei das für seine Anfechtung maßgebliche Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung erst durch das in erster Instanz eingeholte Sachverständigengutachten bewusst geworden, entfernt sich vom Widerklagsvorbringen (Punkt 4.) und den Feststellungen der Tatsacheninstanzen.
6. Wegen der vom Berufungsgericht ohne aufzugreifenden Rechtsirrtum bejahten Verjährung des geltend gemachten Anspruchs ist auf die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen zu den Voraussetzungen des § 879 ABGB bzw § 1 WuchG, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass mit den beiden angefochtenen Verträgen nur einzelne Bedingungen einer langjährigen ungekündigten Vertragsbeziehung verändert wurden, ebensowenig weiter einzugehen wie auf die Tunlichkeit einer Abwicklung ex tunc und den Umfang der gegebenenfalls zurückzustellenden Leistungen (Gegenforderung).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.