OGH vom 19.06.2006, 8ObA42/06v

OGH vom 19.06.2006, 8ObA42/06v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Rudolf Vyziblo als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Herbert P*****, vertreten durch Plankel Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei A*****, vertreten durch Kraft & Winternitz, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 36.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 161/05b-27, womit über Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 34 Cga 166/04m-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als Endurteil zu lauten haben wie folgt:

„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 36.000 EUR samt 5 % Zinsen seit zu bezahlen, wird abgewiesen. Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 8.330,18 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 1.387,83 EUR USt, 3,20 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 6.102,22 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 698,87 EUR USt, 1.909 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am einen Agentenvertrag, der auszugsweise wie folgt lautet:

„1. 1. Der Unternehmensgegenstand von A***** umfasst folgende Geschäfte:

a) Die Vermittlung von Versicherungsverträgen einschließlich fondsgebundener Lebensversicherungen und die Beratung in Versicherungsangelegenheiten;

b) die Vermittlung von Finanzierungen einschließlich der Vermittlung von Personal- und Hypothekarkrediten, Leasingverträgen und Bausparverträgen;

c) die Vermittlung von Wertpapieren, Anteilen an in- und ausländischen Kapitalanlagefonds und Veranlagungen gemäß § 1 Abs 1 Z 3 Kapitalmarktgesetz;


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d)
die Vermittlung der Vermögensverwaltung;
e)
die Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen gemäß § 1 Abs 1 Z 19a Bankwesengesetz.

1.2. Im Zuge der zu Punkt 1.1. genannten Tätigkeiten werden die in diesem Punkt genannten Produkte der Partnergesellschaften von A***** (nachstehend „Produkte" genannt) vertrieben. ...

1.3. Im Rahmen der zu Punkt 1.1. genannten Tätigkeiten bedient sich A***** des Agenten. A***** ist sohin Vermittler jener Verträge, die über Tätigwerden des Agenten zwischen dem Mandanten und der Partnergesellschaft zustande kommen.

...

2. Rechtsstellung des Agenten

2.1. Der selbständige Agent erbringt für A***** im Rahmen dieses Agentenvertrages die zu Punkt 1.1. genannten Leistungen insoweit, als er gemäß Gewerbeberechtigungen und/oder Konzessionen sowie gemäß den A*****-Ausbildungsrichtlinien (Beilage ./D) hierzu berechtigt ist. Im Zuge seiner Tätigkeit vermittelt der Agent im Vertragsgebiet der Republik Österreich ohne Gebietsbeschränkung bestandsfähige Verträge, akquiriert zu diesem Zweck Mandanten und wird entsprechend den Bestimmungen dieses Agentenvertrages tätig.

.....

3. Vertragsdauer/Kündigung/Beendigung des Vertragsverhältnisses

3.1. Dieser Agentenvertrag tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann von beiden Vertragsteilen jeweils unter Einhaltung einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines jeden Kalenderquartals gekündigt werden."

Das Schreiben des Klägers an die Beklagte vom hat folgenden, zwischen den Parteien nicht strittigen Wortlaut:

„...hiemit kündige ich meinen Agentenvertrag.....und ersuche Sie gleichzeitig um eine einvernehmliche Auflösung zum unter gegenseitigem Verzicht auf die Kündigungsfrist sowie unter Mitnahme eines Teiles meines bestehenden Kundenstockes. Sollte eine einvernehmliche Auflösung meines Agentenverhältnisses von Ihrer Seite nicht möglich sein, so würde ich während der Kündigungszeit alle Pflichten und auch Rechte im Rahmen diese Agentenvertrages wahrnehmen, jedenfalls mindestens solange, bis ein positiver schriftlicher Bescheid von Ihrer Seite bei mir einlangt......"

Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen nunmehr einvernehmlich zum 19. Oktober beendet sei. Die Beklagte verwies in diesem Schreiben auf die Bestimmungen des Agentenvertrages, die auch nach Beendigung des Vertrages Geltung hätten sowie auf die Verpflichtung zur Vertraulichkeit und Geheimhaltung. Der Kläger machte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom seinen Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG geltend. Der Kläger begehrt ausdrücklich als „Teilbetrag" bezeichnete 36.000 EUR sA als Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG. Seine Tätigkeit für die Beklagte sei als Handelsvertretertätigkeit unter § 1 Abs 1 HVertrG zu subsumieren. Das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen habe durch einvernehmliche Beendigung geendet. Dem Kläger stehe demgemäß ein - von ihm näher aufgeschlüsselter - Ausgleichsanspruch zu. Für die Berechtigung des Ausgleichsanspruches komme es nicht darauf an, von wem die Initiative zur Beendigung des Vertragsverhältnisses ausgegangen sei.

Die Beklagte - die auch ein umfangreiches Vorbringen zur von ihr behaupteten Nichtanwendbarkeit des HVertrG auf das Vertragsverhältnis zum Kläger erstattete und die Höhe des Ausgleichsanspruches bestritt - wendet ein, dass die Vertragsbeendigung im vorliegenden Fall einer Eigenkündigung durch den Kläger gleichzustellen sei. Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf das Erstgericht umfangreiche Feststellungen zur Art der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte und zum Umfang der Kundenzuführung des Klägers für die Beklagte.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass das HVertrG auf das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen anzuwenden sei. Grundsätzlich stehe dem Handelsvertreter gemäß § 24 HVertrG nach Beendigung ein Ausgleichsanspruch zu. Nur bei Vorliegen der in § 24 Abs 3 HVertrG taxativ aufgezählten Beendigungsarten bestehe ein solcher Ausgleichsanspruch nicht. Das Vertragsverhältnis habe einvernehmlich geendet. Dem Kläger gebühre daher der Ausgleichsanspruch dem Grunde nach.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen zu Unrecht von einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung ausgingen. Die Revision ist auch berechtigt. Eines Eingehens auf die in den Rechtsmittelschriften erstatteten umfangreichen Ausführungen der Parteien zur Frage der Anwendbarkeit des HVertrG auf das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen bedarf es nicht, weil auch bei Bejahung der Anwendbarkeit des HVertrG dem Kläger kein Ausgleichsanspruch zusteht:

Gemäß § 24 Abs 1 HVertrG gebührt dem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses unter den in Abs 1 genannten Voraussetzungen ein angemessener Ausgleichsanspruch. Der Anspruch besteht gemäß § 24 Abs 3 HVertrG ua dann nicht (lit 1), wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben.

In erster Instanz hatte der Kläger zwar noch behauptet, auch für den Fall, dass eine Eigenkündigung anzunehmen sei, bestehe ein Ausgleichsanspruch, weil die Beklagte begründeten Anlass für diese Eigenkündigung des Klägers gegeben habe. Allerdings erklärte der Kläger nur, sich „einen Sachvertrag dazu vorzubehalten". Ein entsprechendes Vorbringen erstattete der Kläger nicht. Die Vorinstanzen haben den festgestellten Inhalt des Schreibens des Klägers an die Beklagte in Verbindung mit dem Antwortschreiben der Beklagten so verstanden, dass darin eine einvernehmliche Beendigung des Vertragsverhältnisses zu erblicken sei.

Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen:

Vielmehr ist die Erklärung des Klägers in seinem Kündigungsschreiben, („... kündige ich meinen Agentenvertrag und ersuche Sie gleichzeitig um eine einvernehmliche Auflösung zum 30...") als unbedingte einseitige Auflösungserklärung anzusehen und nicht etwa - wie es der Kläger meint - als bloß „bedingte" Kündigung (zur Bedingungsfeindlichkeit einseitiger empfangsbedürftiger Willenserklärungen und deren ausnahmsweiser Zulässigkeit siehe DRdA 1981/14 [Fenyves]). Aus dem Schreiben des Klägers geht sein unbedingter Wille zur Vertragsbeendigung hervor. Der Kläger bringt in seinem Schreiben nur erkennbar zum Ausdruck, dass er - bei entsprechendem Einverständnis der Beklagten - das Vertragsverhältnis nicht unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist und des vereinbarten Kündigungstermines (siehe Punkt 3.1 des Agentenvertrages; frühestmöglicher Kündigungszeitpunkt für den Kläger daher ) beenden wolle. Im Zweifel ist daher die Erklärung des Klägers trotz Bezugnahme auf die „einvernehmliche Auflösung" als Eigenkündigung des Klägers, verbunden mit dem Antrag an die Beklagte, einer einvernehmlichen Verkürzung der Kündigungsfrist zuzustimmen, zu verstehen. Das folgt schon aus der Bezugnahme auf die „Gleichzeitigkeit" von Kündigungserklärung und dem Wunsch nach einer Vertragsbeendigung zum . Ein Ausspruch der Kündigung nur unter einer Bedingung ist hingegen dem Schreiben des Klägers nicht zu entnehmen. Dass das Antwortschreiben der Beklagten der vom Kläger vorgeschlagenen Verkürzung der Kündigungsfrist nicht entspricht, sondern (erst) eine Wirkung der Kündigung zum akzeptiert, schadet nicht: Dass der Kläger mit diesem Gegenanbot der Beklagten bezüglich des Beendigungszeitpunktes nicht einverstanden war, behauptet er gar nicht.

Nach der zum Abfertigungsrecht ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bewirkt eine Willensübereinstimmung der Vertragspartner über eine Verkürzung der Kündigungsfrist im Zweifel noch keine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Die Parteien sind sich in diesem Fall zwar über den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einig; es spricht aber nichts dafür, dass derjenige, der sich mit einer Reduzierung der Zeitspanne zwischen dem Zugehen der Kündigung und dem durch sie herbeizuführenden Ende des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt, damit zugleich auch einer Änderung des Rechtsgrundes für die Beendigung der vertraglichen Beziehungen zustimmen will (RIS-Justiz RS0028544; 9 ObA 133/01a; 8 ObA 62/04g).

Diese Grundsätze haben auch für den hier vorliegenden Fall zu gelten. Ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre, wenn nach bereits erfolgter Eigenkündigung zwischen den Parteien nicht bloß eine Verkürzung der durch die Handelvertreterkündigung in Lauf gesetzten Frist gewollt war, sondern dem Willen der Parteien entsprechend insgesamt eine einvernehmliche Lösung des Vertragsverhältnisses vereinbart wurde (den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters in diesem Fall bejahend Nocker, Ausgleichsanspruch, Rz 146ff mH auf die gegenteilige deutsche Rsp und die teilweise gegenteilige deutsche Lehre) braucht daher nicht geprüft werden: Die auf Initiative des Klägers erwirkte Vereinbarung der Verkürzung der Kündigungsfrist vermag die Rechtsfolgen der ausgleichsvernichtenden Eigenkündigung des Klägers nicht zu beseitigen. Ein Ausgleichsanspruch steht dem Kläger daher nicht zu.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet sich ebenso wie die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.