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OGH vom 17.05.2018, 9ObA29/18g

OGH vom 17.05.2018, 9ObA29/18g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Puller und Helmut Frick in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralbetriebsrat *****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Land Niederösterreich, *****, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 39/17g39, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 25 Cga 8/14y35, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt 19 Landeskliniken an 27 Standorten. Der Kläger ist der bei der Beklagten errichtete Zentralbetriebsrat für die (mehr als drei) an den Krankenanstalten beschäftigten Dienstnehmer der Beklagten.

In der jeweiligen Anstaltsordnung ist angeordnet, dass die Dienstnehmer die für ihre Berufsgruppe vorgesehene Dienst- und Schutzkleidung zu tragen haben. Das Tragen der Dienst- und Schutzkleidung außerhalb des Krankenhausareals ist nicht zulässig. Die Dienstkleidung muss vor Arbeitsbeginn angezogen werden. Die gebrauchte Dienstkleidung muss in der Klinik abgelegt werden und darf aus hygienischen und rechtlichen Gründen nicht mit nach Hause genommen werden.

Punkt 3.7. der Persönlichen Hygienerichtlinien sieht dazu vor:

„Umgang mit Privat- und Dienstkleidung.

Die Dienstkleidung wird vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt. Sie muss während der Arbeit getragen werden. Das Tragen von Privatkleidung über der Dienstkleidung ist unzulässig. Wird Privatkleidung getragen, so muss diese vollständig von der Dienstkleidung bedeckt sein.

Unter der Dienstkleidung (Bereichskleidung) dürfen kurzärmelige, keinesfalls langärmelige, private Kleidungsstücke getragen werden. Langärmelige Kleidung (ausgenommen OP) ist bei der Durchführung pflegerischer und medizinischer Tätigkeit generell unzulässig, da diese keine adäquate Reinigung und Desinfektion der Hände und Unterarme zulässt. Des Weiteren ist eine Erregerverschleppung durch lange Ärmel möglich.

Dienstkleidung und Privatkleidung sind getrennt voneinander aufzubewahren. Die Dienstkleidung muss regelmäßig und bei sichtbarer Verschmutzung sofort gewechselt werden.

Dienstkleidung darf nur im Krankenhaus getragen werden und ist ausschließlich durch die Wäscherei des Krankenhauses desinfizierend zu reinigen.“

Das Anlegen der Dienstkleidung erfolgt im Auftrag und Interesse der Beklagten als Dienstgeberin aus hygienischen, organisatorischen und rechtlichen Gründen. In hygienischer Hinsicht steht fest, dass Dienstkleidung eine gewisse Schutzwirkung vor möglicher Kontamination des Personals selbst und der Außenwelt hat (Heraustragen der Keime in die Außenwelt). In organisatorischer Hinsicht dient das Tragen der Dienstkleidung einem „nach außen hin Kenntlich-Machen“ der Krankenhausbediensteten gegenüber Patienten, Besuchern, Rettungs- und Krankentransport-diensten etc. Zum rechtlichen Aspekt steht fest, dass die Aufbereitung von Dienstkleidung (fachgemäße Reinigung und Lagerung), die von der Beklagten den Dienstnehmern zur Verfügung gestellt wird, unter Einhaltung validierter Rahmenbedingungen in Wäschereien mit entsprechendem Hygienezertifikat vom Arbeitgeber auf dessen Kosten vorzunehmen ist. Die Bediensteten müssen ihre Dienstkleidung täglich wechseln.

In zahlreichen (näher festgestellten) Krankenanstalten bestehen Zentralgarderoben. In einer Reihe (näher festgestellten) Krankenanstalten bestehen Wäscheautomaten oder sollen eingeführt werden.

Bis zur Einführung der Wäscheautomaten und Zentralgarderoben erhielten die Bediensteten sechs bis acht Garnituren Anstaltsbekleidung, die mit dem jeweiligen Namen des Tragenden beschriftet war. Die Bekleidung wurde von der eigenen Wäscherei gewaschen und wurde den Bediensteten zu den Garderoben in ihren Abteilungen angeliefert und wieder abgeholt. Zum jetzigen Zeitpunkt werden den Bediensteten nur mehr drei, nicht persönlich einem Bediensteten zugeteilte Garnituren Bekleidung zur Verfügung gestellt.

Die Kästen befinden sich zum Teil im Keller bzw Untergeschoss der Krankenhäuser, zum Teil in höheren Stockwerken. Die Wäscheautomaten bestehen aus Wäscheausgabe- und Wäscherückgabeautomaten. Die Entsorgung der getragenen Bekleidung und das Ausfassen der neuen Bekleidung erfordert eine Zeit von 1 Minute 40 Sekunden, sofern vor den Automaten keine Wartezeit ist.

Das Erstgericht stellte anhand von zwei Kliniken beispielhaft die verschiedenen Wegzeiten zwischen Wäscheautomaten, Zentralgarderoben und Abteilungen fest, die im geringsten Fall eine Minute (Wegzeit zwischen Garderobe im Eingangsbereich und Abteilung im ersten Stock), im längsten Fall 23 Minuten (Wegzeit vom Untergeschoss Haus A zu den Abteilungen im Haus D), sonst zwischen zwei und zehn Minuten betrugen.

Der Kläger beantragte mit der vorliegenden Klage nach § 54 Abs 1 ASGG die folgende Feststellung:

Es wird festgestellt, dass die in Landeskliniken (Krankenanstalten) privatrechtlich beschäftigten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer der Beklagten Anspruch auf Einrechnung jener Zeiträume in die Dienstzeit haben, die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer zum An- und Auskleiden erforderlich ist, soweit ihnen das Tragen einer speziellen Dienst- und Schutzkleidung vorgeschrieben wird und ein An- und Auskleiden außerhalb des Landesklinikums (der Krankenanstalt) nicht gestattet ist; dies einschließlich der innerbetrieblichen Wegzeiten von der Umkleidestelle oder einer Wäscheausgabestelle bis zum dienstlichen Tätigkeitsbereich bzw umgekehrt, von diesem zu einer Umkleidestelle oder einer Wäscheabgabestelle.

Er brachte dazu vor, das An- und Ablegen der Dienst- und Schutzkleidung habe in den meisten Landeskliniken der Beklagten in Zentralgarderoben zu erfolgen. Diese befänden sich so weit entfernt von den jeweiligen Abteilungen und Stationen, dass dadurch erhebliche Wegzeiten von bis zu 15 Minuten zu Dienstbeginn und Dienstende aufträten. Die Beklagte rechne jedoch die dafür erforderliche Zeit zu Unrecht nicht auf die Arbeitszeit an. Die Veranlassung für das Umkleiden im Betrieb liege ausschließlich in der Aufgabenwahrnehmung der Beklagten, die diesen Teil der hygienerechtlichen Vorschriften nicht in die Freizeit der Dienstnehmer verlagern könne. Hinsichtlich der Dauer der Umkleidezeiten sei als Durchschnittswert, resultierend aus der Manipulationszeit bei der Dienstwäscheausfassung bzw -rückgabe sowie der Wegzeit von dieser Stelle zur Garderobe und dem saisonalbedingten Unterschied in der Anzahl der Kleidungsschichten, ein Zeitaufwand von 10 Minuten für jeweils einen Kleidungswechsel zu veranschlagen, pro Dienst somit ca 20 Minuten. Hinsichtlich der Wegzeiten sei von einem Durchschnittswert von ca 5 Minuten auszugehen. Grundsätzlich erfolge in keinem Klinikum eine Einrechnung von Umkleide- und Wegzeiten mit Ausnahme jener Dienstzeiten von Bediensteten, die bereits Dienstkleidung anhätten, aber eine zusätzliche bzw Spezialkleidung brauchten (OP-Personal, Intensivbereich). Bedienstete im Landeskrankenhaus A***** bekämen aufgrund einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung pro Dienst eine Zeitgutschrift von 10 Minuten für die Umkleide- und Wegzeiten.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, Wegzeiten des Arbeitnehmers von und zum Arbeitsort seien grundsätzlich nicht als Arbeitszeit zu qualifizieren. Diese Zeiten dienten nur dazu, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seine arbeitsvertraglich geschuldete Pflicht zu erfüllen. Sollte die Ansicht vertreten werden, dass diese Wegzeit nach dem Umkleiden in „Zentralgarderoben“, welche nicht an allen Standorten der Beklagten vorlägen, als durch den Arbeitgeber veranlasst angesehen werden, so müsste der Kläger darlegen, inwiefern sich bei diesen Wegstrecken eine Verlängerung des ansonsten direkten Aufsuchens des Dienstortes ergäbe.

Das An- und Ablegen der Dienstkleidung erfordere im klagsgegenständlichen Fall keinen großen Zeitaufwand. Dieser könne daher als „vernachlässigbar“ angesehen werden. In diesen kurzen Zeitphasen stehe der Dienstnehmer dem Dienstgeber nicht mit seiner vertraglich geschuldeten Leistung zur Verfügung. Bei der Beklagten sei mit den Bediensteten vereinbart worden, dass der Dienst jeweils bereits umgekleidet am jeweiligen Dienstort zu beginnen sei. Es entspreche dem Berufsbild der Krankenhausbediensteten, dass die Dienstverrichtung nicht in „Privatkleidung“ erfolge. Unabhängig von diesem Verständnis liege die Bereitstellung von (Berufs-)Kleidung im überwiegenden Interesse der Bediensteten. Es könne als sachlich ausgewogen angesehen werden, als Ausfluss
des synallagmatischen Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung einer entsprechenden Äquivalenz zwischen Treuepflicht des Dienstnehmers und Fürsorgepflicht des Dienstgebers, dass bei Zurverfügungstellung der Dienstkleidung – auch im überwiegenden Interesse des jeweiligen Dienstnehmers – sowie unentgeltlicher Reinigung derselben, jene geringfügigen Umkleide- sowie Wegzeiten nicht als Arbeitszeit gewertet würden. Der vom Kläger verwendete Begriff Zentralgarderobe sei missverständlich. Es handle sich nur um größere Garderoben, die faktisch dem Umstand Rechnung tragen würden, dass in den jeweiligen Örtlichkeiten mehrere Abteilungen zusammengefasst seien. Daneben bestünden zahlreiche weitere Garderoben unmittelbar in der Nähe des jeweiligen Einsatzortes (medizinischen Abteilung etc). Auch sei nicht nur ein Wäscheautomat aufgestellt, sondern würden zur Vereinfachung mehrere Wäscheautomaten in der Nähe von Großgarderoben angesiedelt, um den jeweiligen Betroffenen den Wäschewechsel zu ermöglichen. Die Betroffenen könnten mehrere Garnituren auf einmal beheben oder retournieren, sodass tägliche Gänge zum Wäscheautomaten bei Dienstbeginn und Dienstende nicht zwingend erforderlich seien. Von Seiten der Beklagten erfolge auch keine zwingende Vorgabe, wann ein Wechsel der Wäsche zu welchem Zeitpunkt zu erfolgen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gemäß den Bestimmungen des NÖ L-VBG, des NÖ LBG und des § 2 KA-AZG gelte als Arbeitszeit bzw Dienstzeit grundsätzlich jene Zeit vom Dienstantritt bis zum Dienstende ohne Ruhepausen, in der die Verpflichtung bestehe, einer dienstlichen Tätigkeit nachzugehen. Nach der EU-ArbeitszeitRL sei unter Arbeitszeit jene Zeitspanne zu verstehen, während der ein Arbeitnehmer gemäß der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeite, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme. Durch die Weisung der Beklagten als Arbeitgeberin, dass sich die Bediensteten im Betrieb umkleiden müssten, mache sie dies zu einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung, die zu vergüten sei. Dass seitens der Beklagten hygienerechtliche, organisatorische und rechtliche Vorschriften bestünden, könne diese Aufgabenwahrnehmung nicht in die Freizeit der Dienstnehmer verlagern. Auch die Zeiten der Wäscherückgabe und der Wäscheausfassung an den Wäscheautomaten sowie die innerbetrieblichen Wegzeiten von den Zentralgarderoben bzw Wäscheautomaten zu den einzelnen Stationen und zurück seien daher als Arbeitszeit zu vergüten.

Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Beklagten unter Berufung auf die rechtskräftige Entscheidung des Berufungsgerichts AZ 9 Ra 149/16x (s sogleich) keine Folge und ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob Umkleidezeiten bei Anordnung des Dienstgebers, die Dienstkleidung im Betrieb an- und abzulegen und die mit dem Abholen und Zurückgeben der Dienstkleidung verbunden seien, zur vergütungs-pflichtigen Arbeitszeit zählten.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsabweisung.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Gemäß § 2 Z 1 KrankenanstaltenArbeitszeitG (KAAZG) gilt als Arbeitszeit im Sinne des Bundesgesetzes die Zeit vom Dienstantritt bis zum Dienstende ohne die Ruhepausen.

Gemäß § 32 Abs 1 NÖ L-BG und § 14 Abs 1 Nö LVBG ist Dienstzeit die Zeit der Dienststunden, der Überstunden und des Bereitschaftsdienstes (Abs 6), während derer der Vertragsbedienstete verpflichtet ist, seiner dienstlichen Tätigkeit nachzugehen.

Wenngleich diese Definitionen mit jener der Arbeitszeit in § 2 Abs 1 Z 1 AZG als Zeit „vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen“ nicht deckungsgleich sind, wird damit jeweils im Kern beschrieben, dass die Arbeitszeit beginnt, sobald der Arbeitnehmer in Entsprechung der arbeitsvertraglichen Verpflichtung seine Arbeit aufnimmt oder dem Arbeitgeber zur Aufnahme der Arbeit zur Verfügung steht (s Pfeil in ZellKomm2 § 2 AZG Rz 2; Grillberger in Grillberger, AZG3 § 2 Rz 3). Die Verfügbarkeit des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers innerhalb eines bestimmten Zeitraums unabhängig von einem bestimmten Arbeitserfolg ist dem Arbeitsvertrag auch wesensimmanent (RIS-Justiz RS0021494; RS0021284).

2. Beim Verständnis von Arbeitszeit ist auch auf Art 2 Z 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeit-RL) Bedacht zu nehmen. Arbeitszeit ist danach jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Der EuGH hat dazu in der Rs C-266/14 Tyco mwN wiederholt, dass die RL keine Zwischenkategorie zwischen den Arbeitszeiten und den Ruhezeiten vorsieht (Rn 26). Dafür, dass der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss, ist der Umstand entscheidend, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich zu dessen Verfügung zu halten, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können (Rn 35). Ein Arbeitnehmer steht also nur dann seinem Arbeitgeber zur Verfügung, wenn er sich in einer Lage befindet, in der er rechtlich verpflichtet ist, den Anweisungen seines Arbeitgebers Folge zu leisten und seine Tätigkeit für ihn auszuüben (Rn 36). Dagegen spricht es dafür, dass der betrachtete Zeitraum keine Arbeitszeit im Sinne der RL ist, wenn die Arbeitnehmer ohne größere Zwänge über ihre Zeit verfügen und ihren eigenen Interessen nachgehen können (Rn 37). Auch Fahrzeiten von Arbeitnehmern ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort, die für die täglichen Fahrten zwischen Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten vom Arbeitgeber bestimmten Kunden aufzuwenden waren, wurden danach als „Arbeitszeit“ im Sinne der Bestimmung qualifiziert.

3. Der Oberste Gerichtshof hat in zwei Entscheidungen (9 ObA 89/02g; 9 ObA 133/02b [Zirkusmusiker: Anziehen der Uniform vor einer Vorstellung im Wohnwagen]) festgehalten, dass die Zeit, die ein Arbeitnehmer vor seinem Eintreffen an der Arbeitsstätte zum Anziehen seiner Arbeitskleidung benötigt, im Allgemeinen nicht als Arbeitszeit zu werten ist. Konstellationen, in denen dies allenfalls anders zu sehen wäre – etwa die Notwendigkeit einer großen Zeitaufwand erfordernden Kostümierung – müssten behauptet und bewiesen werden.

Diese Rechtsprechung indiziert die Notwendigkeit einer Differenzierung.

4. In der Literatur zählt Grillberger in Grillberger, AZG3 § 2 Rz 3, unter Verweis auf diese Rechtsprechung die allenfalls notwendige persönliche Vorbereitung wie etwa das Anziehen einer speziellen Arbeitskleidung noch nicht zur Arbeitszeit.

Schrank, Arbeitszeitgesetze4 § 2 Rz 6, lässt eine Ausnahme nur für besonders aufwändige dienstgeberseitige Arbeitsbekleidungs- oder spezifische Hygieneanforderungen gelten.

Ähnlich stellt Löschnigg, Arbeitsrecht13 6/370, für die Qualifikation von Vorbereitungshandlungen als Arbeitszeit auf die Notwendigkeit zeitintensiver und arbeitsleistungsspezifischer Vorbereitungshandlungen ab.

In einer ausführlichen Stellungnahme spricht sich auch Resch, Umkleidezeit und Beginn der Arbeitszeit, RdW 2015, 109 (mwN zur dt Literatur) gegen eine Qualifikation von Umkleidezeiten als Arbeitszeit aus. Der Arbeitnehmer sei während des Umkleidens noch nicht arbeitsbereit. Es lägen nur Vor- (bzw Nach-)Bereitungshandlungen für die Arbeitsaufnahme vor. In der Regel sei es zulässig, saubere Dienstkleidung bereits zu Hause anzuziehen. Der Arbeitszeitbegriff der Arbeitszeit-RL lasse eine Berücksichtigung der nationalen Gepflogenheiten zu und eröffne dem österreichischen Gesetzgeber einen gewissen Spielraum. Zu Recht erfolge im österreichischen Arbeitsrecht keine Atomisierung des Arbeitszeitbegriffs (Gähnen, Kratzen, Husten, Zurechtrücken der Kleidung, Aufheben von ungeschickt hinunter geworfenen Gegenständen usw). Den nationalen Gepflogenheiten entspreche es, dass die normalen und üblichen Vorbereitungshandlungen, zu denen auch das Umkleiden bzw Anziehen von Dienstkleidung gehöre, nicht zur Arbeitszeit gehören. Auch stehe die Beliebigkeit der Dauer des Umkleidens nicht im Einflussbereich des Arbeitgebers. Die Arbeitnehmer würden sich typischerweise vehement gegen ein Drängen des Arbeitgebers auf ein rasches Umkleiden wehren. Ein weiteres Problem entstehe dort, wo der Arbeitnehmer nach dem Umkleiden nicht sofort seinen Dienst antrete, sondern zum Beispiel noch frühstücke. Die zeitliche und örtliche Einschränkung durch den Arbeitgeber alleine führe noch nicht zum Vorliegen von Arbeitszeit (Privattelefonate am Arbeitsplatz). Eine für besondere Tätigkeiten erforderliche, gesondert – tätigkeitsbezogen, vielfach auch erst „ad hoc“ während der Arbeit – anzulegende Schutzkleidung nahm Resch von seiner Untersuchung dabei aus.

Nach Gerhartl, Was zählt als Arbeitszeit?, ecolex 2015, 693, weisen Umkleidezeiten kein ausreichendes Ausmaß an Nahebeziehung zur arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit auf. Der Arbeitnehmer erscheine nicht unbekleidet zur Arbeit, müsse sich also zuhause ohnehin jedenfalls bekleiden. Wenn er eine bestimmte Arbeitskleidung schon zu Hause anlege, bewirke dieser Umstand keine Wertung der Ankleidetätigkeit als Arbeitszeit. Nur wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitskleidung nicht mit nach Hause nehmen dürfe, sondern zum Beispiel aus hygienischen und organisatorischen Gründen in Privatkleidung zum Arbeitsplatz erscheinen müsse und die Arbeitskleidung erst dort anlegen dürfe, liege eine arbeitsrechtlich relevante und somit als Arbeitszeit zu qualifizierende Umkleidetätigkeit vor. Da es sich in diesem Fall um die Erbringung von Arbeitsleistungen handle, spiele es auch keine Rolle, ob die Umkleidetätigkeit unmittelbar nach dem Eintreffen am Arbeitsplatz oder erst nach Erbringung von anderen Arbeitsleistungen erfolge.

Mazal, Umkleidezeit als Arbeitszeit, in Kietaibl/Schörghofer/Schrammel, Rechtswissenschaft und Rechtskunde, Liber Amicorum für Robert Rebhahn, 63 (66 ff), führt in Analyse des Arbeitszeitbegriffs der Arbeitszeit-RL aus, die Richtlinie wolle nicht undifferenziert alle Zeiten des Zur-Verfügung-Stehens in die Arbeitszeit einbeziehen; umgekehrt sollten aber Zeiten, in denen der Arbeitnehmer eine für den Arbeitgeber relevante Aufgabe erfülle, dem Arbeitszeitbegriff der Richtlinie nicht entzogen sein. Von einer Aufgabenerfüllung könne man nur sprechen, wenn der Arbeitnehmer in der Gestaltung der Zeit in einem Mindestmaß an Intensität nicht autonom, sondern für den Arbeitgeber agiere. Es müsse sich um Zeiten handeln, in denen der Arbeitnehmer Handlungen setze, die nicht Ausfluss seiner eigenen Gestaltung seien, sondern Ausfluss der Fremdbestimmung durch den Arbeitgeber. Sei der Arbeitnehmer in dieser Entscheidung allerdings gebunden, liege jenes Mindestmaß an Intensität der Fremdbestimmung vor, das es rechtfertige, von einer Tätigkeit oder Aufgabenerfüllung für den Arbeitgeber zu sprechen. Unter dem Blickwinkel der Aufgabenerfüllung erfasse der Arbeitszeitbegriff so gesehen alle Zeiten, bei denen der Arbeitnehmer in der Gestaltung seines Tuns in örtlicher oder inhaltlicher Hinsicht eingeschränkt sei. Das Anlegen einer Dienstkleidung in einer Krankenanstalt für Ärzte und Pflegepersonal sei eine Tätigkeit, die im Auftrag und Interesse des Dienstgebers erfolge. Dieser sei aus hygienischen und organisatorischen Gründen als ordentlicher sorgfältiger Unternehmer verpflichtet, unter seiner Verantwortung gereinigte und für die jeweiligen Berufsgruppen einheitliche Dienstkleidung zur Verfügung zu stellen. Die hygienischen Verpflichtungen des Krankenanstaltenträgers könnten – anders als etwa beim Personal eines Verkehrsunternehmens – nicht bloß durch fachgemäße Reinigung erfüllt werden, sondern setzten auch eine Lagerung der Dienstkleidung bis unmittelbar vor Dienstbeginn voraus, die den üblichen hygienischen Ansprüchen genügten. Darüber hinaus erfolge mit berufsgruppenspezifischer Dienstkleidung ausreichend organisatorische Klarheit in der Zuordnung von Personal bestimmter Kategorien sowohl für Patienten als auch für das Personal selbst. Das Tragen spezifischer Dienstkleidung zähle zum in Österreich vorausgesetzten Organisationsstandard einer Krankenanstalt und sei auch ausnahmslos vorgeschrieben. An- und Auskleiden in Krankenanstalten seien daher dem Arbeitszeitbegriff zuzurechnende Tätigkeiten.

Auch Klein in Heilegger/Klein, AZG4 § 2 Rz 9 differenziert, in wessen Interesse die Durchführung von Tätigkeiten bzw Wahrnehmung von Funktionen durch den Arbeitnehmer erfolge. Vollends deutlich werde die Zuordnung, wenn der Arbeitgeber nicht nur eine spezifische Arbeitskleidung vorschreibe, sondern zugleich anordne, dass diese jedenfalls im Betrieb zu verbleiben habe und dort an- und auszuziehen sei. Diese ausschließlich vom Arbeitgeber veranlassten Tätigkeiten am Arbeitsort hätten keinen erkennbaren Bezug zur Interessensphäre des Arbeitnehmers und fielen daher sicher nicht in die Ruhezeit, in der die Arbeitnehmer über ihre Zeit verfügen und ihren eigenen Interessen nachgehen könnten.

Das Berufungsgericht folgte schon in einer früheren rechtskräftigen Entscheidung unter ausführlicher Analyse auch der deutschen Lehre und Rechtsprechung der Ansicht Mazals (9 Ra 149/16x mwN zur Rechtsprechung des BAG). Die Entscheidung wurde zustimmend besprochen (Kaya, Umkleidezeit als Arbeitszeit, DRdA-infas 2017, 314).

5. Auch der erkennende Senat schließt sich im vorliegenden Fall insbesondere den Erwägungen von Mazal an. Hervorzuheben ist, dass die Arbeitnehmer hier nicht nur arbeitsvertraglich verpflichtet sind, Dienstkleidung zu tragen, sondern auch, dass sich diese Verpflichtung – anders als in den den Entscheidungen 9 ObA 89/02g und 9 ObA 133/02b zugrunde liegenden Fällen – aufgrund einer Anordnung des Arbeitgebers darauf erstreckt, die Dienstkleidung ausschließlich im Krankenhaus zu wechseln. Damit ist nicht nur das An- und Ablegen der Dienstkleidung als solches vorgegeben. Der Arbeitnehmer kann auch nicht mehr entscheiden, ob er die Dienstkleidung zuhause oder im Betrieb an- und ablegt, sondern hat dafür eine von ihm einzuhaltende konkrete räumliche Vorgabe des Arbeitgebers. Dass der Weisung des Arbeitgebers eine öffentlich-rechtliche Rechtsvorschrift zugrunde liegt, unterstreicht dabei nur, dass der Umkleidevorgang vor Ort primär in seinem Interesse liegt. Die arbeitsvertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Umkleiden vor Ort geht hier weiter mit der Verpflichtung zum Abholen und Zurückgeben der Dienstkleidung im Betrieb einher, sie umfasst daher auch die damit verbundenen Wegstrecken zwischen den Umkleidestellen, Wäscheautomaten und der eigentlichen Arbeitsstelle. All das geht über die bloße Möglichkeit des Umkleidens im Betrieb hinaus. Ist ein Arbeitnehmer aber so weit gebunden, dass er bei einer solchen Handlung auch über seinen Aufenthaltsort nicht selbst entscheiden kann, ist ein solches Mindestmaß an Intensität der Fremdbestimmung gegeben, dass eine arbeitsleistungsspezifische Tätigkeit oder Aufgabenerfüllung für den Arbeitgeber zu bejahen ist.

6. Zählt das Umkleiden einschließlich der Wegzeiten damit aber bereits zu den Erfüllungshandlungen des arbeitsvertraglich Geschuldeten, trifft es entgegen der Revision der Beklagten nicht zu, dass die Dienstnehmer während des Umkleidens und der Wegzeiten nicht in der Lage wären, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Sollte dem die Erwägung zugrundeliegen, dass die vertraglichen Verpflichtungen auf die „Kernarbeit“ im eigentlichen Sinne einzuschränken seien, würde der Begriff der Arbeitszeit unzureichend erfasst.

7. Angesichts der festgestellten Weg- und Umkleidezeiten ist auch keine Atomisierung des Arbeitszeitbegriffs (vgl Resch, Umkleidezeit und Beginn der Arbeitszeit, RdW 2015, 109 ff, 111 ff) zu befürchten. Auch die vermeintliche Beliebigkeit der Dauer des Umkleidens spricht nicht gegen die Wertung als Arbeitszeit, weil das Tempo einer Arbeitsleistung idR eine individuelle Komponente hat und „Trödeln“ grundsätzlich nicht mit der Disqualifikation der geleisteten Zeit als Arbeitszeit zu sanktionieren ist. Ob sich Arbeitnehmer dann gegen ein Drängen des Arbeitgebers auf rasches Umkleiden wehren würden, ist hier ebenso wenig zu beurteilen wie allfällige Unterbrechungen der Arbeitszeit (Rauchpausen oä) vor Aufnahme oder nach Beendigung der Arbeit auf den Stationen.

8. Zusammenfassend sind die Umkleidezeiten und die damit verbundenen innerbetrieblichen Wegzeiten im vorliegenden Fall primär im Interesse des Dienstgebers gelegene arbeitsleistungsspezifische Tätigkeiten. Sie weisen ein solches Maß an Fremdbestimmung auf, dass es gerechtfertigt ist, sie als Arbeitszeit iSd genannten Bestimmungen anzusehen.

Der Revision der Beklagten ist danach keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00029.18G.0517.000

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